Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.05.2006
Aktenzeichen: 3 W 7/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 253 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 535 Abs. 2
BGB § 546 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

3 W 7/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Prozesskostenhilfesache

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen als Einzelrichter am 29.05.2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer vom 09. Februar 2006 und unter Zurückweisung ihrer weitergehenden sofortigen Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 17.01.2006 - 10 O 507/05 - in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 11.05.2006 teilweise abgeändert und den Antragstellern Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie sich gegen die Feststellung der Erledigung der Räumungsklage vom 08.04.2005 zur Wehr setzen.

In diesem Umfang wird ihnen Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagten erbitten gemäß Antrag vom 11.12.2005 Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen drei Klagen. Mit der ersten Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass eine Räumungsklage gegen die Beklagten am 07.10.2005 erledigt sei. Die zweite Klage hat sie mit Schriftsatz vom 26.09.2005 zurückgenommen (vgl. Bl. 40 d. GA). Mit der dritten Klage begehrt sie die Feststellung, dass eine am 11.04.2005 eingereichte Klage auf künftige Leistungen erledigt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Darstellungen in den angefochtenen landgerichtlichen Beschlüssen, mit denen das Landgericht Prozesskostenhilfe wegen nicht feststellbarer Bedürftigkeit, wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses und wegen materiell-rechtlich fehlender Erfolgsaussicht verneint hat.

II.

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.

1. Den Antragstellern ist für ihre Verteidigung gegen die Klage auf Feststellung der Erledigung der Kündigungsklage vom 08.04.2005 Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 114 ZPO).

a) Die wirtschaftlichen Voraussetzungen der eben genannten Bestimmung liegen vor. Die jeweiligen monatlichen Einnahmen der Antragsteller ab Antragstellung übersteigen die angegebenen monatlichen Kosten; sie sind daher plausibel. Soweit die Antragsteller vor Antragszeitraum verlustreich gewirtschaftet haben, steht dies einer Plausibilität der Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ab Antragstellung nicht entgegen. Die Einnahmen unterschreiten jeweils die Summe der berücksichtigungsfähigen Kosten und Freibeträge, so dass keine Raten zu leisten sind.

b ) Die Klageverteidigung hat auch hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO). Die Räumungsklage war weder bei Erhebung noch bei Auszug der Antragsteller aus den streitgegenständlichen Räumen zulässig oder begründet.

(1) Die Räumungsklage war nicht zulässig, da der angekündigte Antrag die herauszugebenden Flächen entgegen § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO schon nicht lokalisierbar und erst recht nicht vollstreckungsfähig bezeichnet hat.

(2) Zudem war die Kündigung der Klägerin vom 23.03.2005 unwirksam. Die Klägerin hat mit ihrem Schreiben vom 16.03.2005 (vgl. Anlage B 1, Bl. 25 d. GA) gegenüber den Antragstellern auf ihr Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen der ihr bekannten Kündigungsgründe, insbesondere wegen eines Mietrückstandes in Höhe von 1.574,38 € zzgl. 2 x 450,00 € ausstehender Mietkaution bis zum 25.03.2005 verzichtet, indem sie die Beklagten aufgefordert hat, die oben genannten Beträge bis spätestens zum 25.03.2005 zum Ausgleich zu bringen verbunden mit der Ankündigung, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen, sollte insbesondere der Mietrückstand nicht zum genannten Termin ausgeglichen sein. Die Klägerin hat hiermit den Ausspruch der Kündigung wegen eines Rückstandes konditional verknüpft mit einen fehlendem Ausgleich bis zum 25.03.2005. Diese konditionalen und temporalen Bestimmungen wären sinnentleert, wenn die Klägerin ihr Recht zur fristlosen Kündigung wegen des von ihr dargestellten Rückstandes oder sonstiger ihr bekannter Sonderkündigungsgründe von einem fehlenden Ausgleich bis zum 25.03.2005 unberührt hätte lassen wollen.

Eine sich nach grammatikalischen Regeln schon unabweisbar aufdrängende Deutung des Schreibens der Klägerin vom 16.03.2005 als zeitlich bis zum Ablauf des 25.03.2005 befristeten Verzichts auf die Ausübung des Rechts zur fristlosen Kündigung lag überdies auch in dem den Beklagten klar erkennbaren Interesse der Klägerin: diese wollte den Beklagten offensichtlich einen besonderen Anreiz zum alsbaldigen Zahlungsausgleich bieten.

Anhaltspunkte für eine andere Auslegung als die eben vorgenommene erschließen sich dem Senat nicht. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 27.10.2005 die sich greifbar aufdrängende Auslegung der Antragsgegner schlicht verneint, ohne indessen Auslegungstatsachen für eine andere ernsthaft oder auch nur denkbar in Betracht kommende Bedeutung vorzutragen. Auch das Landgericht hat in den angefochtenen Beschlüssen schon keine grammatikalisch sinnvolle Auslegungsalternativen zu entwickeln vermocht.

Die vom Landgericht im Ausgangsbeschluss herangezogenen Rechtssprechungsnachweise zu den strengen Anforderungen an einen Forderungserlass sind nicht einschlägig für einen zeitlich eng befristeten, vorübergehende Verzicht auf die Ausübung eines Gestaltungsrechtes und ersetzen im Übrigen keine methodengerechte Auslegung.

Der Umstand, dass die von den Antragstellern am 24.03.2005 veranlasste Zahlung an die Klägerin zunächst missglückt ist, ist unerheblich. Er lässt die Unwirksamkeit der klägerischen Kündigung unberührt. Die Kündigung muss zum Zeitpunkt ihres Zugangs wirksam sein. Dass ist hier nicht der Fall. Die Kündigung vom 23.03.2005 ist unstreitig am 24.03.2005 zugegangen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin wegen der kündigungsbegründenden Zahlungsrückstände aufgrund ihres Schreibens vom 16.03.2005 noch kein Kündigungsrecht hatte.

Wegen derjenigen Kündigungsgründe, die erst nach dem Zugang der Kündigung entstehen, muss erneut gekündigt werden (vgl. Schmidt-Futterer-Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 543 BGB Rn. 204). Das ihr erst mit Ablauf des 25.03.2003 wieder eröffnete Recht zur fristlosen Kündigung wegen der streitgegenständlichen Rückstände hat die Klägerin demgegenüber nicht ausgeübt.

Eine wirksame Prozesskündigung wegen der vorübergehenden, bis zum 16.04.2005 aufgelaufenen Rückstände hat gleichfalls auszuscheiden, da die Rückstände mit diesem Datum ausgeglichen und die Klageschrift erst nach diesem Datum zugestellt wurden.

2. Im Übrigen bleibt die weitere Beschwerde erfolglos.

a) Der Prozesskostenhilfeantrag ist bereits unzulässig, soweit die Antragsteller beabsichtigen, sich hinsichtlich des Klageantrags zu 2. einer Erledigungserklärung der Klägerin anzuschließen. Für eine derartige Erklärung bleibt kein Raum, nachdem die Klägerin diese Klage mit Schriftsatz vom 26.09.2005 zurückgenommen hat. Prozesskostenhilfe für ein bereits abgeschlossenes Verfahren kommt nur in Betracht, wenn vor dessen Abschluss Bewilligungsreife bestand (vgl. BGH NJW 1982, 446; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 114 Rn. 14 m.w.N.). Hier erfolgte der Antrag nach Beendigung des Verfahrens.

b) Das Landgericht hat die Erfolgsaussichten (§ 114 ZPO) für eine Verteidigung gegen die Klage auf Feststellung der Erledigung der Klage auf künftige Leistungen im Ergebnis zutreffend verneint. Das den Beschluss des BGH vom 20.10.2002 - VIII ZB 66/02 - in Bezug nehmende Klägervorbringen zur Besorgnis einer nicht rechtzeitigen Leistung (§ 259 ZPO) ist unstreitig. Die Klage war damit zulässig und materiell-rechtlich begründet, entweder aus § 535 Abs. 2 oder aus § 546 a Abs. 1 BGB. Eine aus Sicht der Beklagten fehlerhafte rechtliche Qualifizierung durch den Kläger ist für die Erfolgsaussicht der Klage unerheblich. Sie bindet das Gericht nicht und lässt die Schlüssigkeit des klägerischen Tatsachenvortrags für einen Anspruch aus den eben genannten Anspruchsgrundlagen unberührt.

Ende der Entscheidung

Zurück