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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.02.2002
Aktenzeichen: 4 U 100/01
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB §§ 11 f.
EGBGB § 13 a.F.
EGBGB § 13 Abs. 1 a.F.
BGB § 888 Abs. 1
BGB § 883 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 515 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 100/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20.2.2002

verkündet am 20.2.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2002 durch

den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Landgericht und die Richterin am Landgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Dem Beklagten zu 1 wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist bewilligt.

Die Berufung des Beklagten zu 1 gegen das am 12. April 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder (Az.: 14 O 24/01) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten zu 1 bis 3 verurteilt werden, der Eintragung des Klägers als Eigentümer der im Grundbuch von B... Blatt ... verzeichneten Grundstücke Flur 15 Flurstück 84 und Flur 16 Flurstücke 114, 139, 142, 146 und 106/4, zuzustimmen.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 3 zu 27 % und der Beklagte zu 1 zu 73 %.

Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1 und 3 jeweils selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können jeweils die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Das klagende Land (im Folgenden: "der Kläger") begehrt die Grundbuchberichtigung, hilfsweise die Zustimmung zur Eintragung, bezüglich mehrerer Flurstücke, die der Bodenreform entstammen.

Im Vorprozess 17 O 283/95 LG Frankfurt/Oder hat der Kläger gegen den Beklagten ein Urteil auf Auflassung der im Klageantrag erster Instanz genannten Grundstücke erstritten. Das Urteil vom 14. Februar 1996, welches sich auf Art. 233 §§ 11 f. EGBGB stützt, ist rechtskräftig. Zur Sicherung des klägerischen Auflassungsanspruchs wurde gem. Art. 233 § 13 Abs. 1 EGBGB a.F. am 26. Januar 1995 eine Vormerkung eingetragen. Am gleichen Tage erfolgte hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Flurstücke in Abteilung II des Grundbuchs die Eintragung einer vom Beklagten zu 1 und dessen Bruder G..., dessen Erben die Beklagten zu 2 und 3 sind, gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dieser Eintragung lag eine notarielle Urkunde vom 14. August 1991 (UR 356/1991 des Notars Dr. P... in S...), abgeändert am 21. September 1994 (UR 709/1994 diese Notars) zu Grunde.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Verfügungen des Beklagten zu 1 seien vormerkungswidrig; demgemäß sei das Grundbuch zu berichtigen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten zu 1 bis 3 zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von B... Blatt... insofern zu erteilen, als nicht die Beklagten, sondern er Eigentümer der im Grundbuch verzeichneten Grundstücke von B... Flur 15 Flurstück 84 und Flur 16 Flurstücke 114, 139, 142, 146 und 106/4 ist;

2. die Beklagten zu 2 und 3 zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs von B.... Blatt ... insofern zu erteilen, als nicht die Beklagten, sondern er Eigentümer des im Grundbuch verzeichneten Grundstücks von B... Flur 16 Flurstück 134 ist.

Die Beklagten zu 1 bis 3 haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben der Umschreibung des Eigentums auf sie Vorrang vor der zu Gunsten des Klägers eingetragenen Vormerkung beigemessen; mangels Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks sei nicht feststellbar, dass die Vormerkung sich gegenüber den Eintragungen in Abteilung 2 durchsetzen könne.

Das Landgericht hat die Beklagten dem klägerischen Antrag gemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Der Anspruch des Klägers auf Zustimmung zur Eigentumsumschreibung folge aus §§ 888 Abs. 1, 883 Abs. 2 BGB. Vormerkung und Eigentumsumschreibung hätten auf Grund der Eintragung am gleichen Tage Gleichrang. Aus dem Wesen der Vormerkung ergebe sich dessen relative Wirksamkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils, welches den Beklagten am 14. Mai 2001 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten befindliche Leseabschrift (Bl. 83 ff.) Bezug genommen.

Der Beklagte zu 1 hat mit Schriftsatz, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen am 14. Juni 2001, einen begründeten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingereicht und gleichzeitig einen Wiedereinsetzungsantrag angekündigt. Nachdem der Senat mit Beschluss, dem Beklagten zu 1 zugestellt am 24. September 2001, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, hat er mit Schriftsatz, beim Oberlandesgericht eingegangen am 08. Oktober 2001, Berufung eingelegt und diese mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbunden. Die Beklagte zu 3 hat ihre am 14. Juni 2001 eingelegte Berufung am 28. November 2001 zurückgenommen.

Der Beklagte zu 1 vertieft seine Auffassung, dass die Vormerkung wegen der am gleichen Tage eingetretenen Wirksamkeit der Eigentumsumschreibung Wirkungen nicht entfalten könne und bezieht sich insoweit auf die von Boehringer (OV-spezial 1997, 54) vertretene Meinung, es bedürfe in Fällen dieser Art eines Wirksamkeitsvermerks.

Der Beklagte zu 1 beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen; hierbei stellt er den Klageantrag hilfsweise in der Form, dass statt der Berichtigung des Grundbuchs die Zustimmung zur Eintragung begehrt wird (Schriftsatz vom 10. Dezember 2001 Bl. 141 d.A.).

Er verweist zur Begründung des Grundbuchberichtigungsantrags auf den Umstand, dass die Verträge, soweit durch sei rückwirkend eine Erbengemeinschaft begründet werden sollte, unwirksam seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten 17 O 283/95 Landgericht Frankfurt/Oder lagen dem Senat zu Informationszwecken vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

I.

Auf den zulässigen, insbesondere rechtzeitigen Antrag des Beklagten zu 1 ist diesem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Die Partei, die ohne Fahrlässigkeit annehmen kann, die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu erfüllen, versäumt die Berufungsfrist ohne Verschulden, wenn sie die Entscheidung, ob das Rechtsmittel durchgeführt wird, von der PKH-Bewilligung abhängig macht. Wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe dann, wie hier, verweigert, so ist der Partei, die binnen zwei Wochen Berufung einlegt, Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Zöller/Greger § 233 RN 23 Stichwort "Prozesskostenhilfe"). Der Beklagte zu 1 musste hier insbesondere nicht damit rechnen, dass der Senat - wie geschehen - die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Rücksicht auf vorhandenes Vermögen verweigern würde, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für dessen Verwertung nur mit unbestimmten Rechtsbegriffen (vgl. § 88 BSHG) umschrieben ist, deren Auslegung durch den Senat für den Beklagten zu 1 nicht vorhersehbar war.

II.

Der Beklagte zu 1 ist infolge der zwischen ihm und den Beklagten zu 2 und 3 bestehenden notwendigen Streitgenossenschaft befugt, das Rechtsmittel allein durchzuführen (vgl. Zöller/Vollkommer § 62 RN 32). Die Berufung des Beklagten zu 1 bezieht sich demgemäß jedoch nicht auf das Grundstück Flur 16, Flurstück 134; auf Nachfrage hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1 dies im Termin auch bestätigt.

III.

Hinsichtlich der übrigen Flurstücke (Klageantrag erster Instanz zu Ziffer 1) ist das Rechtsmittel auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Eintragung aus § 888 Abs. 1 BGB, der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, zu. Die Vormerkung entfaltet nämlich gegenüber der Eintragung des Beklagten zu 1 und seines Bruders G..., Wirksamkeit, so dass sich die Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs als relativ unwirksam im Verhältnis zu dem rechtskräftig zuerkannten und durch die Vormerkung gesicherten Auflassungsanspruch des Klägers darstellt.

Der hier maßgebliche Art. 233 § 13 EGBGB a.F. bestimmt, dass die Eintragung einer Verfügung über Bodenreformland, der der Landesfiskus widersprochen hat, unter gleichzeitiger Eintragung einer Vormerkung erfolgt. Nach der gesetzgeberischen Intention sollte diese gleichzeitige Eintragung dann den Auflassungsanspruch des Fiskus sichern. Dementsprechend ist in Fällen dieser Art von den Grundbuchämtern verfahren worden, wobei oft - wie im vorliegenden Fall hinsichtlich des Flurstücks 134 - ein neues Grundbuchblatt angelegt worden ist. In diesen Fällen ist, soweit dem Senat bekannt geworden ist, niemals ein Wirksamkeitsvermerk eingetragen worden. Wenn man der Auffassung des Beklagten zu 1 folgt, dass es bei einer gleichzeitigen Eintragung von Vormerkung und vormerkungswidriger Verfügung grundsätzlich eines Wirksamkeitsvermerks bedürfe, so gilt dieses Erfordernis im Rahmen des Art. 233 § 13 EGBGB a.F. nach Auffassung des Senats nicht. Denn der Gesetzgeber hat in diesen Fällen die Wirksamkeit der Vormerkung gegenüber der gleichzeitig eingetragenen Verfügung ausdrücklich in § 13 a.F. angeordnet. Wollte man anders entscheiden, so liefe in der Praxis Art. 233 § 13 Abs. 1 EGBGB a.F. weitgehend leer.

IV.

Im Umfang der Anfechtung ist der Urteilsausspruch des Landgerichts dahin zu korrigieren, dass - entsprechend der von § 888 Abs. 1 BGB vorgesehenen Rechtsfolge und dem Hilfsantrag des Klägers - die Beklagten zu 1 bis 3 nicht zur Grundbuchberichtigung, sondern zur Zustimmung zur Eintragung des Klägers zu verurteilen sind. Diese Richtigstellung hat, da auch in erster Instanz sachlich nur ein Anspruch aus § 888 Abs. 1 BGB geltend gemacht und vom Landgericht ausweislich der Entscheidungsgründe zugesprochen werden sollte, nur redaktionellen Charakter und demgemäß auf die Kostenverteilung keinen Einfluss.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung der Abwendungsbefügnis hat ihre Grundlage in § 711 ZPO. Der Senat lässt die Revision gegen das Urteil zu, weil er der Frage der relativen Wirksamkeit der Vormerkung bei gleichzeitiger Eintragung einer vormerkungswidrigen Verfügung über Bodenreformland grundsätzliche Bedeutung beimisst.

Streitwert für das Berufungsverfahren:

bis zum 28. November 2001: 28.121,05 €

danach: 25.564,59 €

Der Senat bewertet das Flurstück 134 entsprechend der Erörterung in der mündlichen Verhandlung mit 2.556,46 €, die übrigen Flurstücke mit 25.564,59 €.



Ende der Entscheidung

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