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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 4 U 105/06
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 204 I Nr. 1
BGB § 204 I Nr. 7
BGB § 209
BGB § 637 III
VOB/B § 13 Nr. 4 S. 1 a.F.
VOB/B § 13 Nr. 4 S. 2 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 105/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 13.12.2006

Verkündet am 13.12.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2006 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Chwolik-Lanfermann, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer und den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 30. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt einen Vorschuss für Mängelbeseitigungskosten gemäß § 637 III BGB.

Wegen der Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 30.5.2006 Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe der Vorschussanspruch unabhängig davon, wer für die Mängel verantwortlich sei, jedenfalls deshalb nicht zu, weil die Mängelbeseitigungsansprüche verjährt seien. Die Beklagte sei deshalb zur Verweigerung der Leistung berechtigt.

Die Verjährungsfrist von zwei Jahren nach § 13 Nr. 4 S. 1 VOB/B a.F. habe nach § 13 Nr. 4 S. 2 VOB/B a.F. mit der Abnahme der gesamten Leistung am 5.7.2001 begonnen. Zwar sei die Verjährung durch den am 19.3.2003 eingereichten Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 204 I Nr. 7, 209 BGB für die Dauer des Beweisverfahrens zuzüglich weiterer sechs Monate seit Beendigung des eingeleiteten Verfahrens (§ 204 II 1 BGB) gehemmt worden. Auch unter Einbeziehung des Zeitraumes der Hemmung sei jedoch die Verjährungsfrist bei Einreichung der Klage am 14.9.2005 bereits abgelaufen gewesen und habe daher nicht nach § 204 I Nr. 1 BGB erneut gehemmt werden können.

Nach Zugang des Schreibens des Sachverständigen S... vom 29.7.2004 seien von keiner Partei mehr Ergänzungsfragen oder Anträge gestellt worden. Aus dem Inhalt des Schreibens sei klar hervorgegangen, dass der Gutachter die wesentlichen Punkte der Beweisfragen für mehrfach beantwortet gehalten habe und für die offen gebliebene Frage der Zuordnung der Verantwortungsteile größere bauteilzerstörende Maßnahmen erforderlich seien, welche die Parteien jedoch nicht zugelassen hätten. Ein weiteres Tätigwerden hätten die Parteien des selbständigen Beweisverfahrens ohne darauf gerichtete Anträge weder seitens des Gerichts noch seitens des Sachverständigen erwarten können. Es sei Sache der Parteien gewesen, die von dem Sachverständigen genannten Hindernisse auszuräumen und auf Fortgang des Verfahrens gerichtete Anträge innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nach Erhalt des Schreibens vom 29.7.2004 zu stellen. Das sei nicht geschehen. Die späte, erst am 1.10.2004 verfügte Zustellung des Schriftsatzes der Antragsgegnerin zu 2) vom 23.6.2004 ändere daran nichts. Unerheblich sei auch, dass die Beklagte in dem selbständigen Beweisverfahren mit Schriftsatz vom 9.8.2004 die Übermittlung von Unterlagen angefordert hatte und hierauf das Gericht erst durch Verfügung vom 19.7.2005 geantwortet hatte. Das gelte auch für die Sachstandsanfragen des Klägers vom 9.3. und 25.5.2005.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er die Verurteilung der Beklagten nach dem Klageantrag erstrebt.

Der Kläger meint, Mängelbeseitigungsansprüche seien noch nicht verjährt. Das Beweissicherungsverfahren könne erst dann als beendet angesehen werden, wenn der Sachverständige die Fragen vollständig beantwortet habe. Das sei hier hinsichtlich der Fragen 9 und 10 des Beweisbeschlusses nicht der Fall. Da der Gutachter davon ausgegangen sei, dass weitere Begutachtungen erforderlich seien, sei das Beweissicherungsverfahren nicht mit der Übersendung des Gutachtens oder des Schreibens vom 29.7.2006 beendet gewesen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 30.5.2006, Az. 1 O 455/05, zu verurteilen, an den Kläger 8.800 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18.10.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht ein Vorschussanspruch aus § 637 III BGB nicht zu, weil die Mängelbeseitigungsansprüche, hinsichtlich derer der Kläger Vorschuss verlangt, jedenfalls verjährt sind.

1. Die Verjährungsfrist von zwei Jahren für Bauwerke nach § 13 Nr. 4 S. 1 VOB/B a.F. begann nach § 13 Nr. 4 S. 2 VOB/B a.F. mit der Abnahme der gesamten Leistung am 5.7.2001.

2. Der Lauf der Verjährungsfrist ist allerdings durch den am 19.3.2003 eingereichten Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens gemäß §§ 204 I Nr. 7, 209 BGB für die Dauer des Beweisverfahrens zuzüglich weiterer sechs Monate seit Beendigung des eingeleiteten Verfahrens (§ 204 II 1 BGB) gehemmt worden.

3. Beendet worden ist das selbständige Beweisverfahren durch das Schreiben des Sachverständigen S... vom 29.7.2004, weil danach keine Partei mehr Ergänzungsfragen oder Anträge gestellt oder Einwendungen erhoben hat.

a) Das selbständige Beweisverfahren endet mit dem Zugang des Sachverständigengutachtens, sofern weder das Gericht eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat, noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nach Erhalt des Gutachtens Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitgeteilt haben (BGH, Urteil vom 20.2.2002, VIII ZR 228/00 und Urteil vom 3.12.1992, VII ZR 86/92).

b) Entsprechendes gilt, wenn die Parteien zwar nach Erhalt des Gutachtens Einwendungen dagegen erhoben haben, der Sachverständige jedoch ergänzend nach Ausschöpfung der aktuellen Erkenntnismöglichkeiten abschließend Stellung genommen hat und weitergehende Auskünfte ersichtlich nur auf Grund eventueller weiterer Maßnahmen erwartet werden konnten, deren Voraussetzungen von den Parteien geschaffen werden mussten.

Das ist hier der Fall.

Zutreffend hat bereits das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Sachverständige in dem Schreiben vom 29.7.2004 deutlich zum Ausdruck bringt, die wesentlichen Punkte der Beweisfragen seien bereits mehrfach beantwortet worden.

Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Sachverständige im zweiten Absatz des Schreibens formuliert hat, er komme nach dem Lesen des Schreibens vom 12.2.2004 zu dem Schluss, einen erneuten Ortstermin durchzuführen und vor Ort erhebliche Rückbauarbeiten vornehmen zu lassen, um insbesondere den Trockenbaubereich (Dämmbereich - Warmdach) und den Anschlussbereich an den Altbau zu untersuchen und aufzuklären.

Zwar könnte diese Formulierung für sich genommen und wörtlich verstanden darauf schließen lassen, der Sachverständige werde von sich aus weitere Untersuchungen vornehmen. Diese Formulierung ist jedoch im Kontext des gesamten Schreibens des Sachverständigen vom 29.7.2004 zu sehen und zu verstehen. Der Sachverständige wies im Weiteren unmissverständlich ausdrücklich darauf hin, dass sich weitergehende Aussagen und Feststellungen nur durch umfangreiche bauteilzerstörende Maßnahmen vor Ort treffen ließen, die Parteien solche Maßnahmen aber nicht zugelassen hätten. Bereits daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass weitergehende Untersuchungen vom Sachverständigen nicht vorgenommen werden würden, weil die Voraussetzung hierfür - die Zustimmung der Parteien zu größeren bauteilzerstörenden Maßnahmen - nach seiner Auffassung nicht vorlag. Zudem wies der Sachverständige am Schluss seines Schreibens auf den nicht durch Kostenvorschuss gedeckten Kostenaufwand hin. Der entsprechende Kostenvorschuss sei noch einzuholen. Auch daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass der Sachverständige seine Arbeit als abgeschlossen betrachtete und weitergehende Tätigkeit (zunächst) nicht entfalten würde.

Danach konnten die Parteien nicht berechtigt davon ausgehen, ohne darauf gerichtete Anträge und insbesondere ohne die Beseitigung der Hemmnisse für eine weitere Aufklärung - Erklärung des Einverständnisses mit umfangreichen bauteilzerstörenden Maßnahmen sowie die Einzahlung eines entsprechenden Vorschusses - werde seitens des Gerichts oder gar des Sachverständigen etwas geschehen. Das gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger meint, die Parteien und insbesondere er hätten größere bauteilzerstörende Maßnahmen nicht abgelehnt. Selbst wenn dies bei der Besichtigung nicht erörtert worden wäre - das bedeutet im Übrigen bereits nicht, dass es nie erörtert worden wäre - hätte der Kläger das Schreiben des Sachverständigen vom 29.7.2004 jedenfalls zum Anlass nehmen müssen, dies richtigzustellen und im Zusammenhang mit der Beantragung der ergänzenden Begutachtung anzubieten, weitere Untersuchungen auch nach erheblichen bauteilzerstörenden Maßnahmen durchführen zu lassen.

Auf die begründete Erwartung der Parteien, das Gericht werde von Amts wegen weiteres veranlassen, kommt es dabei nicht an. Der Sachverständige hat entsprechend dem damaligen Sachstand die Fragen beantwortet, soweit es in seinen Kräften stand und soweit er Erkenntnisse auf Grund der Ortstermine und seiner Untersuchungen gewinnen konnte. Weiteres hätte er ohne Weisung des Gerichts nicht tun können.

Ob das Gericht Veranlassung gehabt hätte, weitere Anordnungen zu treffen oder dies auf Grund des Sachstandes hätte tun können, insbesondere einen weiteren Gerichtskostenvorschuss anfordern, ist unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass es bei rückblickender Betrachtung keine Anordnungen getroffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.2.2002, VIII ZR 228/00, Rn. 13).

Die erste der Voraussetzungen für die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens liegt vielmehr schon dann vor, wenn der Sachverständige abschließend auf Grund seines aktuellen Kenntnisstandes und unter Nutzung der ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten alle Fragen beantwortet hat. Im weiteren obliegt es - wenn das Gericht nicht in Ausübung seines Ermessens weitere Anordnungen trifft, was es hier gerade nicht getan hat - den Parteien, durch Stellung weiterer Fragen oder Anträge oder Erhebung von Einwendungen innerhalb angemessener Frist nach der letzten abschließenden Stellungnahme des Sachverständigen auf den Fortgang des selbständigen Beweisverfahrens hinzuwirken. Das hat der Kläger unterlassen.

Die am 1.10.2004 verfügte Zustellung des ausweislich des Eingangsstempels erst am 29.9.2004 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatzes der Antragsgegnerin zu 2) vom 23.6.2004 ändert daran ebenfalls nichts. Das Schreiben datiert zudem vom 23.6.2004 und konnte bereits deshalb nicht als Stellungnahme zu dem Schreiben des Sachverständigen vom 29.7.2004 angesehen werden.

4. Unter Berücksichtigung dessen, dass das Schreiben des Sachverständigen S... dem Kläger nach eigenem Bekunden am 20.8.2004 zugegangen ist, endete zu diesem Zeitpunkt das selbständige Beweisverfahren und sechs Monate später die Hemmung der Verjährung (§ 204 I Nr. 7, II 1 BGB).

Die Verjährungsfrist lief zunächst vom 5.7.2001 bis zum 19.3.2001, wurde von da an bis etwa zum 20.2.2005 gehemmt und lief von Ende Februar 2005 an weiter. Sie war damit spätestens Mitte Juni 2005 abgelaufen. Die Klage ging erst am 14.9.2005 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist ein.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 II Nr. 1 und 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.800 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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