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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.08.2001
Aktenzeichen: 4 U 118/00
Rechtsgebiete: HOB, AVBGasV, BGB, ZPO


Vorschriften:

HOB § 124
HOB § 128
AVBGasV § 30
AVBGasV § 10 Abs. 5 S. 2
BGB § 315
BGB § 284
BGB § 288
BGB § 640 Abs. 1
BGB § 315 Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 118/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 23.08.2001

verkündet am 23.08.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 01. August 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frechen, den Richter am Oberlandesgericht Pliester und den Richter am Landgericht Dr. Huth

für Recht erkannt:

Tenor:

Das am 14. März 2001 verkündete Versäumnisurteil des Senats - Az.: 4 U 118/00 wird aufrechterhalten.

Die Beklagten tragen auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe:

I.

Durch den form- und fristgerechten Einspruch der Beklagten ist das Verfahren in den Stand vor Erlass des Versäumnisurteils zurückversetzt worden (§ 542 Abs. 3 in Verbindung mit § 342 ZPO). Die Überprüfung des Versäumnisurteils ergibt, dass dieses aufrechtzuerhalten ist (§ 343 S. 2 ZPO); denn die Berufung ist zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO). Auch im Übrigen ist das Rechtsmittel zulässig; insbesondere hat die frühere Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwältin B die Berufung wirksam auch für die Beklagte zu 1 eingelegt. Zwar ist die Beklagte zu 1 in dem Rubrum der Berufungsschrift vom 30. Juni 2000 (Bl. 307 d.A.) nicht richtig aufgeführt; Vertretungsberechtigter war, wie inzwischen unstreitig ist, spätestens seit dem 16. Mai 2000 (Datum der Eintragung im Handelsregister) der Liquidator J L Diese Falschbezeichnung lässt aber die Identität der Beklagten zu 1 unberührt; auch konnte sich an Hand der Berufungsschrift kein Zweifel über die Frage ergeben, dass die Berufung auch im Namen der Beklagten zu 1 eingelegt worden ist.

Auf die Frage, ob die frühere Prozessbevollmächtigte bereits zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung hierzu bevollmächtigt war - wovon der Senat angesichts des überreichten Schreibens des Liquidators vom 17. Mai 2001 (Bl. 450 d.A.) allerdings ausgeht -, kommt es nicht an. Selbst wenn man, wie die Klägerin vorbringt, davon ausgehen wollte, die frühere Prozessbevollmächtigte hätte die Berufung vollmachtlos eingelegt, so wäre dies unschädlich. Der Liquidator der Beklagten zu 1 hat nämlich ausweislich des genannten Schreibens in Kenntnis des Prozesses seine Prozessbevollmächtigten jedenfalls nachträglich wirksam zur Rechtsmitteleinlegung und Fortführung des Berufungsverfahrens bevollmächtigt (zur Zulässigkeit der Heilung ursprünglicher Mängel der Vollmacht vgl. BGHZ 91, 111).

III.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel indes ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 56.005,00 DM verurteilt.

Die Klägerin kann von den Beklagten - für die Beklagte zu 2 gem. §§ 124, 128 HOB - aus dem Hausanschlussvertrag das Entgelt für die Erstellung von 39 Gas-Hausanschlüssen zum Preis von jeweils 500,00 DM netto sowie ein von der Länge der verlegten Leitungen abhängiges weiteres Entgelt von 29.200,00 DM netto verlangen.

1.

Im Hinblick auf die Erstellung der 39 Hausanschlüsse ist die Leistungserbringung durch die Klägerin unstreitig. Die Beklagten verteidigen sich im Ergebnis ohne Erfolg damit, dass sie die Billigkeit der von der Klägerin vorgenommenen Preisbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 BGB angreifen.

Grundsätzlich unterliegt die Preisbestimmung im Bereich der allgemeinen Daseinsvorsorge dort der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, wo der Kunde faktisch auf die Belieferung durch den Anbieter angewiesen ist und eine individuelle Preisvereinbarung nicht getroffen wird (vgl. Palandt/Heinrichs § 315 RN 4 mit weiteren Nachweisen). Die letztgenannte Voraussetzung liegt hier vor. Zwar sind die Preise für die in Rede stehenden Anschlüsse in dem Antragsformular vom 09. August 1995 (Bl. 25 d.A.) gesondert eingesetzt, sie entsprechen indes ausnahmslos der "Regelung über den Hausanschlussbeitrag" der Klägerin. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die eingesetzten Preise ausgehandelt worden sind; vielmehr enthält die genannte "Regelung" in § 3 lediglich die Bestimmung, dass die Klägerin sich die Vereinbarung anderer Preise vorbehält. Demgemäß stellt sich die Übernahme der tariflichen Preise nicht als Individualvereinbarung dar, die einer Billigkeitskontrolle gegebenenfalls entgegenstehen könnte.

Ob - was von der Klägerin bestritten wird - diese hinsichtlich der Versorgung mit Wärme für den konkreten Zeitraum an dem versorgten Gebiet eine Monopolstellung bestand, kann hier offenbleiben. Es ist nämlich nicht feststellbar, dass die von der Klägerin geforderten Preise unbillig im Sinne des § 315 BGB wären. An die Überprüfung von - gem. § 10 Abs. 5 S. 2 AVBGasV zulässigen - Pauschalen auf ihre Billigkeit sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1987, 1828, 1829) keine hohen Anforderungen zu stellen. Sofern es sich - wie hier - um Standardleistungen handelt, ist der Versorger insbesondere nicht verpflichtet, die von ihm verlangten Pauschalen im Einzelnen aufzuschlüsseln (BGH a.a.O.). Hinreichend sind insoweit nachvollziehbare Ausführungen dazu, dass die Pauschale sachgerecht ist, insbesondere, dass keine leistungsfremden Kosten in dieser "versteckt" werden. Kommt der Versorger dieser Mindestdarlegung nach, so ist es Sache des Verbrauchers, diese im Einzelnen zu entkräften.

Die Klägerin hat im vorliegenden Fall ausgeführt, dass bei den in Rechnung gestellten Pauschalen mit jeweils 500,00 DM netto kein überschießender Betrag verbleibe, aus dem anderweitige Versorgungsanlagen oder sonstige Aufwendungen gedeckt werden könnten. Auch unterschreite das Entgelt die von Gasinstallationsbetrieben angebotenen marktüblichen Preisen. Damit hat die Klägerin hinreichend dargetan, dass die Pauschalen jedenfalls im Durchschnitt nicht unbillig im Sinne des § 315 BGB sind. Dies haben die Beklagten nicht erschüttert. Insbesondere haben die Beklagten keine Vergleichsangebote von Handwerksbetrieben, die gleichartige Leistungen erbringen, vorgelegt oder etwa die üblichen Pauschalen anderer Gasversorger für vergleichbare Anschlüsse benannt. Das Vorbringen in der Berufungsbegründung, in der Kalkulation der Klägerin seien stets nicht aufwandsbezogene Kosten enthalten, etwa allgemeine Betriebskosten, politisch motivierte Ausgaben (Spenden) und politisch motivierten Teile von Vorstandsbezügen, ist in keiner Weise belegt und in dieser Form einer Überprüfung durch den Senat nicht zugänglich. Auch führt der Vortrag der Beklagten hier nicht dazu, dass die Anforderungen, die an die Darlegung der Billigkeit durch die Klägerin zu stellen sind, hier höher anzusetzen wären, etwa im Sinne der Vorlage einer Aufschlüsselung des Aufwandes in Form einer Kalkulation.

2.

Das weitere längenabhängige Entgelt von 29.200,00 DM netto kann die Klägerin von den Beklagten ebenfalls beanspruchen. Gem. § 30 AVBGasV ist der Kunde nur dann berechtigt, Einwände gegen die Rechnung des Gasversorgers zu erheben, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen. Die Vorschrift, die auch auf die Abrechnung von Hausanschlusskosten Anwendung findet (vgl. Morell, Kommentar zur AVBGasV § 30 Anm. d mit weiteren Nachweisen), schneidet dem Kunden Einwendungen gegen die Rechnung ab, deren Berechtigung erst nach näherer - gegebenenfalls sachverständiger - Aufklärung festgestellt werden kann. Die Überprüfung etwaiger Abrechnungsfehler bleibt in diesen Fällen einem Rückforderungsprozess vorbehalten.

Die Beklagten können nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Abrechnung in diesem Sinne offensichtlich falsch wäre. Sie wenden auch im Gegenteil ein, dass unklar sei, welche Längen vom Hausanschluss bis zur jeweiligen Grundstücksgrenze berechnet worden seien; deshalb würden die Längen weiterhin bestritten. Zudem könne nur vermutet werden, dass jeweils ein Meter der Leitungen, die die Installationsfirma aus dem Haus herausragend verlegt habe, durch die Klägerin mitberechnet worden sei. Diese Einwendungen, deren Berechtigung von der Klägerin in Abrede gestellt worden ist, genügen allesamt nicht den Anforderungen an die Offensichtlichkeit im Sinne des § 30 AVBGasV, sondern würden gegebenenfalls, wie sich unmittelbar aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt, eine sachverständige Prüfung erfordern.

Eine andere Betrachtung folgt hier nicht aus der Vertragsbestimmung zu Ziff. B in dem Antrag vom 09. August 1995 (Bl. 25 d.A.), dass das Aufmaß nach Verlegung des Hausanschlusses endgültig "festgelegt" werden solle. Die Parteien haben hierdurch nicht vereinbart, dass allein ein örtliches Aufmaß zur Rechnungslegung herangezogen werden könnte. Das nach dem Vorbringen der Klägerin aus den Plänen ermittelte Aufmaß hinsichtlich der jeweiligen Leitungslängen, die die Klägerin für jeden Anschluss in den Rechnungen einzeln benannt hat, ist insoweit ausreichend. Die Klägerin hatte diesbezüglich in erster Instanz vorgetragen, dass die im Auftrag der Beklagten zu 1 durch die Fa. R GmbH gefertigten Pläne ihr zu dem Zweck der Ermittlung der Leitungslängen übermittelt worden seien, weil die genauen Grundstücksgrenzen noch nicht feststanden. Dass sich die in Rechnung gestellten Leitungslängen jeweils aus diesen Plänen ermitteln lassen, ist durch die Beklagten nicht bestritten; vielmehr wenden diese ein, dass die Pläne nicht zu Aufmaßzwecken überreicht worden seien. Indes wird aus dem Vorbringen der Beklagten nicht ersichtlich, dass die Klägerin einzelne Längen falsch abgerechnet hätte. Das einfache Bestreiten der Richtigkeit der Aufmaße ist nach Auffassung des Senats hier unbeachtlich; denn das "Aufmaß" für die einzelnen Anschlüsse erschöpft sich hier in der Angabe der Länge der Leitung in Metern. Es wäre der Beklagten zu 1 als Bauträgerin in vorliegendem Fall ein Leichtes, durch entsprechende Nachmessung die tatsächliche Länge der Leitung bis zur Grundstücksgrenze zu ermitteln oder konkrete Umstände mitzuteilen, warum die Aufmaßnahme anhand der von ihr überreichten Pläne zu unzutreffenden Ergebnissen führen konnte. Demgemäß bleibt der von der Klägerin in Rechnung gestellte Betrag maßgeblich.

3.

Die Fälligkeit des Anspruchs steht nicht unter weiteren Voraussetzungen. Insbesondere ist eine werkvertragliche Abnahme im Sinne des § 640 Abs. 1 BGB entbehrlich. Der Gasanchlussvertrag ist ein Vertrag eigener Art, der dem Werkvertragsrecht des BGB insoweit nicht unterliegt. Der Senat weist nur ergänzend daraufhin, dass das Fehlen einer Abnahme auch bei der Anwendung des Werkvertragsrechts der Fälligkeit der Forderung nicht entgegenstehen

würde. Die Anschlüsse sind - planmäßig - von den Hausbewohnern in Betrieb genommen worden; Mängel der Anschlüsse werden auch in zweiter Instanz von den Beklagten nicht eingewandt.

4.

Der Gesamtanspruch der Klägerin in Höhe von 48.700,00 DM netto, entsprechend 56.005,00 DM brutto ist vom Landgericht zutreffend berechnet worden.

IV.

Einer Entscheidung des Senats über die im Schriftsatz der Klägern vom 25. Januar 2001 formulierten Anschlussberufung bedarf es nicht. Die Klägerin hat auf Nachfrage erklärt, die Anschlussberufung nur angekündigt zu haben; dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Dementsprechend haben auch beide Parteien keinerlei diesbezügliche Anträge gestellt.

V.

Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 284, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung einer Abwendungsbefugnis hat nach § 713 ZPO zu unterbleiben.

Streitwert für die Berufungsinstanz, zugleich Wert der Beschwer der Beklagten: 56.005,00 DM.

Ende der Entscheidung

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