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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: 4 U 122/07
Rechtsgebiete: VOB/A, BGB, ZPO


Vorschriften:

VOB/A § 5
VOB/A § 5 Nr. 1
VOB/A § 21 Ziff. 1 Abs. 1
VOB/A § 25 Ziff. 1 Abs. 1 lit. b
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 291
BGB § 631 Abs. 1
ZPO § 156
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 122/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 04. Juni 2008

Verkündet am 04. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12.03.2008 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Chwolik-Lanfermann, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer und die Richterin am Landgericht Brune

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 06.07.2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam (Az.: 1 O 364/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 50.278,60 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.09.2006 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden dem beklagten Land auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch.

Im August 2005 schrieb das beklagte Land landschaftsgärtnerische Arbeiten an Bundes- und Landesstraßen in den Bereichen der Straßenmeistereien B..., Be... und Br... aus. Für die Positionen "Verkehrssicherung" war in den Leistungsverzeichnissen jeweils die Mengenangabe "1,00 Stück" angegeben. Der Kläger bot insoweit Preise von 840,- € (B...) und 300,- € (Be... und Br...) an. Er erhielt betreffend den Bereich der Straßenmeisterei B... den Zuschlag für Los 6 mit einem Auftragsvolumen von 50.019,20 € einschließlich Umsatzsteuer, betreffend den Bereich der Straßenmeisterei Be... den Zuschlag für ein Auftragsvolumen von 20.483,28 € brutto (Landesstraßen) und 34.073,84 € (Bundesstraßen) sowie betreffend den Bereich der Straßenmeisterei Br... für ein Auftragsvolumen in Höhe von 49.594,64 € einschließlich Umsatzsteuer (Landesstraßen) und 38.043,36 € (Bundesstraßen).

Der Kläger führte die beauftragten Arbeiten aus. Unter dem 28.04.2006 (B...) und 20.07.2006 (Be... und Br...) legte er Schlussrechnungen, in denen er 17 (B...), 263 (Be...) und 411 (Br...) Verkehrssicherungsmaßnahmen ansetzte, von denen das beklagte Land jeweils nur eine bezahlte. Mit der dem beklagten Land am 07.09.2006 zugestellten Klage verlangt der Kläger den vollen Betrag der noch offenen Restforderung aus der Schlussrechnung vom 28.04.2006 (15.278,60 €) und erstrangige Teilbeträge in Höhe von 10.000,- € (Be...) und 25.000,- € (Br...) aus den Schlussrechnungen vom 20.07.2006 bezahlt.

Er hat geltend gemacht, das beklagte Land habe in den jeweiligen Ausschreibungen, anders als in früheren Fällen praktiziert, die Position "Verkehrssicherung" nicht pauschal ausgeschrieben, sondern auf Basis eines Einheitspreises. Das ergebe sich schon aus der Mengenangabe "1,00 Stück", mit der - anders als in anderen Positionen - gerade nicht eine Pauschale gemeint gewesen sei. Eine konkrete Stückzahl habe das Land nicht vorgegeben, weil die Zahl der durchzuführenden Verkehrssicherungsmaßnahmen zur Zeit der Ausschreibung noch nicht festgestanden habe. Jedenfalls seien die Ausschreibungen entsprechend der Bestimmung des § 5 Nr. 1 VOB/A auszulegen, danach sei der Einheitspreisvertrag die Regel, die Vereinbarung eines Pauschalpreises die Ausnahme.

Das beklagte Land hat eingewandt, das Verständnis des Klägers von der Ausschreibung sei nicht nur unrichtig, sondern auch treuwidrig, weil die zur Verkehrssicherung durchzuführenden Maßnahmen im Verhältnis zum Gesamtauftragsvolumen von untergeordneter Bedeutung gewesen seien, wohingegen sich die Gesamtvergütung unter Zugrundelegung der Sichtweise des Klägers annähernd vervierfache.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, unter Beachtung der nach §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Kriterien habe der Kläger die Ausschreibungen nicht dahingehend verstehen können, dass jede einzelne Verkehrssicherungsmaßnahme zu dem von ihm angebotenen Preis Gegenstand der Beauftragung sei. Dem Wortlaut der Ausschreibung "1 Stück" wohnten zwei Verständnismöglichkeiten inne: Entweder sei jede einzelne Maßnahme zu vergüten oder die Verkehrssicherung sei insgesamt ein Mal über die hauptsächlich geschuldeten Arbeiten hinweg auszuführen. Zwar spreche, da die öffentliche Hand gehalten sei, möglichst nach Einheitspreisen auszuschreiben, und Unklarheiten der Ausschreibung zu Lasten des beklagten Landes gingen, zunächst einiges dafür, dass der Kläger die Ausschreibung als die Möglichkeit zur Abrechnung jeder einzelnen Verkehrsmaßnahme habe verstehen können. Weil der Kläger aber gewusst habe, dass das Land bis zu der streitigen Ausschreibung die Verkehrssicherungsmaßnahmen entweder pauschal ausgeschrieben oder eine konkrete Stückzahl einzelner Maßnahmen aufgenommen habe, spreche die bisherige Handhabung für die Sichtweise des Landes. Der Kläger sei in der Branche geschäftserfahren und kenne die üblichen Vergütungen, ihm sei bekannt gewesen, dass die auf die Verkehrssicherungsmaßnahmen entfallende Vergütung nur einen Bruchteil des Gesamtwerklohns ausmache. Davon, dass das beklagte Land den Werklohn habe vervielfachen wollen, habe der Kläger nicht ausgehen können. Hiermit korrespondiere, dass andere Anbieter ungeachtet des veränderten Ausschreibungstextes genauso wie zuvor pauschal abgerechnet hätten. Bei der gebotenen Gesamtschau habe sich trotz des interpretationsfähigen Wortlauts aufgedrängt, dass eine Ausschreibung in dem vom Kläger gemeinten Sinne nicht gewollt gewesen sei, der wirkliche und vom Kläger auch erkannte Wille des beklagten Landes vielmehr dahin gegangen sei, die bisherige Praxis unverändert zu lassen.

Abgesehen davon habe es dem Kläger angesichts der dauerhaften Geschäftsbeziehung der Parteien oblegen, das Land darauf hinzuweisen, dass er eine Abrechnung jeder einzelnen Verkehrsmaßnahme beabsichtige. Wenn der Kläger, wie bei früheren Angeboten geschehen, einzeln abzurechnende Maßnahmen der Verkehrssicherung mit 10,- € anbiete, nunmehr aber 300,- € bzw. 840,-€ verlange, und die von ihm nunmehr vorgenommene Abrechnung zu einer Verdreifachung der Gesamtvergütung führe, so sei er gehalten gewesen, hierauf hinzuweisen oder jedenfalls nachzufragen, ob das beklagte Land diese Änderung tatsächlich beabsichtige.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Ziel weiterverfolgt. Er macht geltend, die Argumentation des Landgerichts beruhe auf unzutreffenden Tatsachen, weil ihr die Annahme zugrunde liege, dass bei allen Ausschreibungen derselbe Text verwendet worden sei. Eine "übliche" Vergütung für Verkehrssicherungsmaßnahmen existiere entgegen der Auffassung des Erstgerichts schon angesichts des sehr unterschiedlichen Umfangs der vorzunehmenden Maßnahmen nicht. Wenn alle anderen Bieter Pauschalen angeboten hätten, so beruhe dies darauf, dass dem Land diesen gegenüber nicht derselbe Fehler in der Ausschreibungsformulierung unterlaufen sei. Die Sonderregelungen zur Auslegung von Ausschreibungen der öffentlichen Hand lasse das Landgericht ebenso unberücksichtigt wie seine, des Klägers, wirtschaftliche Interessen - für einmalig 300,- € zahllose Verkehrssicherungsmaßnahmen anzubieten, sei nicht kostendeckend.

Die von ihm angebotenen Preise von 10,- € einerseits und 300,- € bzw. 840,- € andererseits seien entgegen der Annahme des Landgerichts nicht vergleichbar. Sie beruhten auf unterschiedlichen in den Leistungsverzeichnissen angegebenen Bezugswerten - Maßnahme pro zu fällendem Baum, nach Straßenstrecke oder nach Zeitdauer.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 06.07.2007 (Az.: 1 O 364/06) das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 50.278,60 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2006 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil. Aus dem Vertragsbestandteil gewordenen Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen (RSA) folge, dass es sich bei den vom Kläger durchgeführten Verkehrssicherungen nicht um mehrere Maßnahmen, sondern um insgesamt je eine gehandelt habe. Zur Nachfrage bei Unklarheiten sei der Kläger schon gemäß den Bewerbungsbedingungen, die ebenfalls Vertragsbestandteil geworden seien, verpflichtet gewesen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache weitestgehend Erfolg.

1. Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn in Höhe des geltend gemachten Teilbetrages von 50.278,60 € aus § 631 Abs. 1 BGB. Zu Unrecht hat das beklagte Land ihm aus den Verträgen betreffend Gartenbauarbeiten in den Bereichen der Straßenbahnmeistereien B..., Be... und Br... das Entgelt für jeweils nur eine Verkehrssicherungsmaßnahme bezahlt. Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen war in allen Fällen die Bezahlung des im Angebot des Klägers enthaltenen Betrages für jede einzelne der vielfach ausgeführten Verkehrssicherungsmaßnahmen, denn die jeweils insoweit angebotenen Beträge verstanden sich nicht als Pauschale zur Abgeltung sämtlicher im Zuge der auszuführenden Arbeiten erforderlichen Verkehrssicherungen, sondern als Einheitspreis, vermöge dessen der Kläger berechtigt ist, das angesetzte Entgelt pro durchgeführter Verkehrssicherungsmaßnahme zu verlangen.

Das ergibt sich anhand der gemäß §§ 133, 157 BGB nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte vorzunehmenden Auslegung.

a) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des in allen drei streitgegenständlichen Ausschreibungen verwendeten Leistungstextes, der, anders als derjenige früherer Ausschreibungen des beklagten Landes, nicht von einer Pauschale spricht.

aa) Bis Juli 2003 verwendete die Straßenbauverwaltung für die Leistungsbeschreibung der Position "Verkehrssicherung" bei der Erstellung von Vergabeunterlagen die Textbausteine des Standardleistungskataloges für den Straßen- und Brückenbau, Leistungsbereich 105 - Verkehrssicherung, Ausgabe 1974. Danach war die Vergütung für die Maßnahmen der Verkehrssicherung automatisch gemäß dem Wortlaut der Ausschreibung pauschaliert.

bb) Zum 10.05.2005 wurde das AVA-Programm "Arriba planen Version V 11.1" eingeführt. Gleichzeitig wurde der bereits im August 2003 neu eingeführte Standardleistungskatalog Leistungsbereich 105 - Verkehrssicherung an Arbeitsstellen - für jeden Anwender in der öffentlichen Verwaltung verbindlich, gemäß dem grundsätzlich ein Wechsel von der Pauschalierung hin zu Einheitspreisen erfolgte.

(1) Der seither zur Ausschreibung von Pauschalpreisen zu verwendende Textbaustein (Nummer 74.105/110 01 00 10) hat folgenden Wortlaut:

"74.105/110 01 00 10

Verkehrssicherung, einbahnig, einr. 1,0 PSch.

Einrichtungen zur Verkehrssicherung und Verkehrsregelung nach StVO bei Bauarbeiten auf einbahnigen Straßen unter Aufrechterhaltung des Verkehrs aufbauen, ständig unterhalten und betreiben, ggf. umsetzen und abbauen. 60 v. H. der Pauschale werden nach betriebsfertigem Aufbau, der Rest nach Abbau der Verkehrssicherungseinrichtungen berechnet."

Diesen Textbaustein verwendete das beklagte Land, wie sich aus den Anlagen K 23 bis K 27 zum Schriftsatz des Klägers vom 09.03.2007 (Bl. 187 ff. d. A.) ergibt, verschiedentlich im Zeitraum Herbst 2004 bis Frühjahr 2006, allerdings gerade nicht in den streitgegenständlichen Ausschreibungen.

(2) Sollten Einheitspreise angeboten werden, fand in den Ausschreibungen im gleichen Zeitraum der Textbaustein mit der Nummer 03.105/131.92.02.10 TA Verwendung, dessen Leistungstext wie folgt lautete:

"03.105/131.92.02.10 TA

Verk.sich. kürzerer Dauer durchf. .... St. (Zahl in der Ausschreibung vorgegeben)

Verkehrssicherung an Arbeitsstellen von kürzerer Dauer aufstellen, beseitigen, vorhalten, warten und betreiben. Vorübergehende Sicherungsmaßnahmen durchführen. Nach RSA, Regelplan ...

Für bewegliche Arbeitsstelle.

Dauer der Verkehrsführung über 4 Std. bis 8 Std. (alternativ: Länge der Verkehrsführung '100 m'). Bei Tageslicht"

Dieser Leistungstext fand sich zur Position "Verkehrssicherung" in allen drei streitgegenständlichen Ausschreibungen - abgesehen von den streitgegenständlichen rechnete der Kläger jedes der Vorhaben, in dessen Leistungsverzeichnis der Textbaustein mit der Nummer 03.105/131.92.02.10 TA verwendet wurde, von dem beklagten Land unbeanstandet nach Einheitspreisen ab.

Anders als in den weiteren Ausschreibungen gab die Straßenbauverwaltung die Stückzahl in den streitgegenständlichen Ausschreibungen allerdings mit "1,00" und nicht mit einer größeren Mengenangabe an (vgl. die Langtextverzeichnisse für die Projekte 03-05-001V1 [B...], 05_106 [Be...] und 05_106 [Br...], Bl. 30, 59 f., 72 f. d. A.). Eigenem Vortrag zufolge versehentlich änderte sie entgegen behördeninternen Vorgaben die Angabe "Stück" nicht in "pauschal". War die Anzahl der auszuführenden Maßnahmen - etwa zur Verkehrssicherung - nicht im Voraus bestimmbar, war im Wege der Freitexteingabe die Position des Standardleistungskataloges von "Stück" in "pauschal" zu ändern. Entsprechend wurde grundsätzlich seit der Änderung des Standardleistungskataloges und der Einführung des neuen AVA-Programms verfahren - nur in den vorliegenden Fällen versehentlich nicht.

Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung kann das beklagte Land aus der Angabe "1,00 Stück" nichts für die Vereinbarung von Pauschalpreisen herleiten. Das Argument des Landes, bei Annahme eines Einheitspreises seien die ihm entstehenden Kosten überhaupt nicht kalkulierbar, die Angebote der Bieter gar nicht vergleichbar, weil die Zahl der Verkehrssicherungen zur Zeit der Ausschreibung nicht absehbar gewesen sei, zumal sie von der jeweils angebotenen Art und Weise der Erledigung der gärtnerischen Arbeiten, etwa dem Maschineneinsatz, abhing, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar ist es nachvollziehbar, dass dem Land dann zur Prüfung der Angebote eine wesentliche Rechengröße fehlte, wenn der Bieter die Zahl der Verkehrssicherungsmaßnahmen nicht in sein Angebot einstellte. Beruhte dies aber auf einem Versehen, also auf einem Fehler, der in die Sphäre der ausschreibenden Behörde fiel, verbieten sich Wirkungen zu Lasten des Klägers als des Bieters. Dieser durfte sich vielmehr als geschäftserfahrener Anbieter auf Ausschreibungen des beklagten Landes darauf verlassen, dass die Straßenbauverwaltung den Textbaustein mit der Nummer 74.105/110 01 00 10 nur dann verwendete, wenn eine Abrechnung nach Einheitspreisen vereinbart werden sollte. Nach dem Empfängerhorizont war angesichts der vom beklagten Land selbst dargestellten Ausschreibungspraxis sicher anzunehmen, dass die streitgegenständlichen Leistungsverzeichnisse in Bezug auf die Verkehrssicherungsmaßnahmen nicht das Angebot eines Pauschalpreises verlangten. Das gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass als Stückzahl "1,00" angegeben war - nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont war dies dahingehend zu verstehen, dass der Preis für eine Verkehrssicherungsmaßnahme gerade deshalb anzugeben war, weil die Anzahl der benötigten Maßnahmen zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht feststand, ohne dass dies den Schluss darauf zuließ, dass ein Pauschalpreis angeboten werden sollte.

b) Dafür, dass der Kläger die Ausschreibungen des beklagten Landes als Aufforderung zur Anbietung von Einheitspreisen betreffend die Verkehrssicherung verstehen konnte und verstanden hat, sprechen auch die Erläuterungen zu § 5 VOB/A im Vergabehandbuch des Bundes, das auch das beklagte Land seinen Ausschreibungen zugrunde legt. Darin heißt es, dass Leistungen, deren Art oder Umfang sich im Zeitpunkt der Vergabe nicht genau bestimmen lässt, in Einheitspreisen zu vergeben sind. Die Anzahl der auszuführenden Verkehrssicherungsmaßnahmen ließ sich, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, nicht im Voraus bestimmen, weil sie von der konkreten Ausführung der Gartenbauarbeiten durch den Bieter abhing. Demnach war das beklagte Land gehalten, die Position "Verkehrssicherung" auf Basis von Einheitspreisen und nicht als Pauschale auszuschreiben. In dieser Weise ist grundsätzlich auch verfahren worden, allein bei den streitgegenständlichen Ausschreibungen versehentlich nicht.

c) In den Langtextverzeichnissen zu dem Projekt 05_106 (Be... und Br..., Bl. 59 f., 72 d. A.) spricht zudem für die Sichtweise des Klägers, er habe Angebote zur Verkehrssicherung auf Grundlage von Einheitspreisen abgeben sollen, dass die Positionen "Baustelle einrichten" und "Baustelle räumen" eindeutig pauschal anzubieten waren. Dies ergibt sich bereits aus der Angabe "1,00 Psch." anstelle von "1,00 Stck." wie bei der Verkehrssicherung und des Weiteren aus dem Leistungstext, in dem es zum Punkt "Baustelle einrichten" heißt, "Kosten für Vorhalten, Unterhalten und Betreiben ... werden nicht mit dieser Pauschale, sondern mit den Einheitspreisen für ... vergütet." Weiter ist dort, ebenso wie in der Leistungsbeschreibung zur Position "Baustelle räumen", formuliert, "soweit nicht für bestimmte Leistungen ... gesonderte Positionen im Leistungsverzeichnis enthalten sind, gilt die Pauschale für alle Leistungen sämtlicher Abschnitte des Leistungsverzeichnisses."

Diese Unterschiede im Vergleich zum bereits oben zitierten Leistungstext zur Position "Verkehrssicherung" nach dem Textbaustein 03.105/131.92.90.10 TA ließen für den Kläger den sicheren Schluss zu, dass hier keine Pauschale anzubieten war, sondern ein Einheitspreis.

d) Ferner spricht für das Verständnis des Klägers von der Ausschreibung, dass die von ihm angebotenen Preise, namentlich 840,- € betreffend die Verkehrssicherung bei den Arbeiten im Bereich der Straßenmeisterei B... und 300,- € betreffend diejenige bei den Arbeiten in den Bereichen der Straßenmeistereien Be... und Br..., bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise allein als Einheitspreise, nicht aber als Pauschale verstanden werden konnten.

Dass die Kosten der Verkehrssicherung einen in Relation zur Gesamtvergütung auffallend hohen Anteil ausmachen können, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar erläutert, indem er dargestellt hat, dass es zur Verkehrssicherung des Einsatzes eines Fahrzeuges zwecks mobiler Beschilderung und mehrerer Arbeitskräfte zur ständigen örtlichen Veränderung der Barken und Kegel bedürfe, wohingegen die gärtnerischen Arbeiten nicht selten von nur einer Arbeitskraft unter Einsatz allein einer Motorsense zu erbringen sind. Theoretisch ohne weiteres denkbar und in der Praxis regelmäßig vorkommend sei es deshalb, dass die Vergütung für die als Hilfsmittel durchgeführte Verkehrssicherung diejenige für die hauptsächlich zu erbringende Werkleistung um ein Vielfaches übersteige.

Unter Berücksichtigung dieser unbestritten gebliebenen Erläuterungen des Klägers gewinnen entgegen der Auffassung des beklagten Landes die zu anderen Projekten vom Kläger angebotenen Einheitspreise für die Auslegung der streitgegenständlichen Ausschreibungsunterlagen nicht an Bedeutung. Wenn die zur Verkehrssicherung durchzuführenden Maßnahmen abhängig vom Einzelfall mit geringem oder extrem hohem Aufwand verbunden sein können, so erscheint es denkbar, dass die angesetzten Einheitspreise zwischen 10,- € und 840,- € schwanken, zumal die Strecken oder Zeiträume, über die eine dieser Maßnahmen verläuft und auf die sich der Einheitspreis bezieht, stark variieren können.

Angesichts des Aufwandes der Verkehrssicherung überzeugend hat der Kläger seine kaufmännische Einschätzung zudem mit dem Argument gestützt, bei Annahme von Pauschalen seien die von ihm angebotenen Preise wirtschaftlich nicht kostendeckend. Dies zeigt sich nach Auffassung des Senates insbesondere unter Berücksichtigung der vom Bieter aufzuwendenden Kosten für die einzuholende schriftliche straßenverkehrsrechtliche Gestattung zur Einrichtung einer Arbeitsstelle, die alle erforderlichen Festlegungen zeitlicher, räumlicher und technischer Art sowie einen Verkehrszeichenplan enthalten muss. Unstreitig fielen für die jeweils einzuholenden Genehmigungen bezogen auf jedes der drei Projekte bereits Gebühren in Höhe von 150,- € an, so dass ein Angebot des Klägers zur Position "Verkehrssicherung" über 300,- €, wie zu den Vorhaben in B... und Br... abgegeben, für das beklagte Land ersichtlich die Kosten des Klägers nicht decken konnte.

Gegen dieses Argument kann das beklagte Land nicht mit Erfolg einwenden, die Kosten für die Verkehrssicherung seien vom Bieter in die übrigen Preise einzurechnen. Ein solches Vorgehen des Klägers hätte eine unzulässige Mischkalkulation beinhaltet, die nach §§ 21 Ziff. 1 Abs. 1, 25 Ziff. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A zum Ausschluss seines Angebotes hätte führen müssen.

Mischkalkulationen, bei denen durch Aufpreisen der Einheitspreise anderer Positionen Entgelte benannt werden, die kompensatorisch wirken und deshalb die geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben, sind bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand gemäß VOB/A grundsätzlich unzulässig (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18.05.2004, X ZB 7/04 = BGHZ 159, 186; Urteil vom 07.01.2003, X ZR 50/01 = BGHZ 154, 32, 45; Urteil vom 16.04.2002, X ZR 67/00 = NJW 2002, 2558).

e) Im Rahmen der vorzunehmenden Auslegung ist ferner zu beachten, dass das beklagte Land ausweislich der Submissionsübersicht vom 13.09.2005 (Anlage K 3 zur Klagesschrift, Bl. 39 d. A.) die vom Kläger angebotenen 840,- € selbst als Einheitspreis für die Verkehrssicherung verstanden hat. Ausdrücklich ist der genannte Betrag dort als Einheitspreis bezeichnet - dies entbehrte eines Sinnes, wenn das Land den Preis als Pauschale verstehen wollte und verstanden hätte.

f) Auch die weitergehende Argumentation des beklagten Landes, einzig der Kläger habe, anders als die anderen Bieter, die Ausschreibung zur Verkehrssicherung als Aufforderung zur Anbietung eines Einheitspreises und nicht einer Pauschale verstanden, erweist sich als nicht erheblich. Sie findet in der beklagtenseits als Anlage BE 3 zum Schriftsatz vom 10.03.2008 (Bl. 438 d. A.) zu den Akten gereichten Übersicht gerade keine Stütze, weil dort für Herbst 2006 sowie Frühjahr und Herbst 2007 ausschließlich Angebote auf Basis von Einheitspreisen aufgeführt sind, allein für die Ausschreibungen im Frühjahr 2006 enthält die Übersicht Pauschalpreisangebote. Die angebotenen Einheitspreise schwanken zwischen 40,- € und 3.170,-€, sodass sich die vom Kläger angebotenen Preise pro Stück mit 300,- € und 840,- € im Mittelfeld bewegen. Auch dies spricht dafür, dass nicht allein er die Ausschreibung des Landes als eine solche auf Einheitspreisbasis verstanden hatte.

g) Dass Angebotsabgabe und Abrechnung des Entgeltes für Verkehrssicherungsmaßnahmen auf der Basis von Einheitspreisen im Rahmen der Vergabe von gärtnerischen Arbeiten an Straßen seitens der öffentlichen Hand entgegen der Argumentation des beklagten Landes nicht unüblich waren, wird durch die vom Kläger als Anlage K 41 zum Schriftsatz vom 11.06.2007 zu den Akten gereichten Ausschreibungsunterlagen der Stadt P... belegt (Bl. 273 d. A.). Die Position "Verkehrssicherung" ist dort pro laufendem Meter und somit als Einheitspreis und nicht als Pauschale anzubieten.

h) Schließlich traf den Kläger weder aus § 241 Abs. 2 BGB unter dem Aspekt des vorvertraglichen Schuldverhältnisses in Verbindung mit der ständigen Geschäftsverbindung noch aus Ziffer 1 der Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (Bl. 20 d. A.) eine Pflicht zur Nachfrage bei der ausschreibenden Behörde. In Ziffer 1 der Bewerbungsbedingungen heißt es: "Enthalten die Vergabeunterlagen nach Auffassung des Bewerbers Unklarheiten, so hat er unverzüglich den Auftraggeber vor Angebotsabgabe schriftlich, per E-Mail oder per Telefax darauf hinzuweisen." Unklarheiten in diesem Sinne, die auch Voraussetzung einer Pflicht zur Nachfrage aus § 242 Abs. 2 BGB wären, bestanden nach vorstehenden Ausführungen für den Kläger nicht. Stattdessen liegt ein Ausschreibungsfehler des beklagten Landes vor, das "versehentlich" den Leistungstext für Einheitspreise in die Ausschreibung aufgenommen hatte. Ein Versehen der ausschreibenden Behörde, das nach objektivem Empfängerhorizont zu einem in unzutreffende Richtung gehenden, aber eindeutigen Verständnis des Erklärungsempfängers führt, kann keine Verpflichtung zu klärender Nachfrage auslösen.

h) Die Anzahl der vom Kläger berechneten Verkehrssicherungsmaßnahmen (17 im Bereich B..., 263 im Bereich Be... und 411 im Bereich Br...) hat das beklagte Land nicht in rechtserheblicher Weise bestritten, namentlich nicht mit Schriftsatz vom 12.10.2006 (Bl. 90 ff. d. A.). Vielmehr erfolgte dieses Bestreiten erstmals im Berufungsrechtszug, ohne dass ein Zulassungsgrund im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ersichtlich ist.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

III.

Der - nicht nachgelassene - Schriftsatz des beklagten Landes vom 05.05.2008 gab aus vorstehenden Gründen keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO. Entgegen der dortigen Darstellung trifft es nicht zu, dass das beklagte Land die Anzahl der berechneten Verkehrssicherungsmaßnahmen bereits erstinstanzlich bestritten hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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