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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: 4 U 127/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 291
BGB § 311 Abs. 2
BGB § 311 b
BGB § 917
BGB § 917 Abs. 1
BGB § 917 Abs. 1 Satz 1
BGB § 917 Abs. 2
BGB § 918 Abs. 1
BGB § 918 Abs. 2
BGB § 985
BGB § 1004
ZPO § 156
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 127/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20.04.2005

verkündet am 20.04.2005

in dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2005 durch

die Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 15. Juli 2004 teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.011,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Juni 2004 zu zahlen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin nahm den Beklagten ursprünglich auf Duldung der Wiederherstellung und Nutzung des etwa 30 m langen Teilstücks eines über die Grundstücke des Beklagten, Flurstücke 297 und 298 der Flur 2, verlaufenden Weges zu ihrem Putenmastbetrieb in Anspruch. Nachdem eine Realisierung der im Verhandlungstermin vom 14. Februar 2004 abgegebenen "Absichtserklärungen" für einen Flächentausch zur Herstellung der Verbindung des Betriebsgrundstückes der Klägerin an das öffentliche Straßennetz endgültig gescheitert war, diese daraufhin ein anderes Flurstück - Flurstück 166 - angepachtet und darauf eine Zuwegung errichtet hatte, erklärte sie den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache - einseitig - für erledigt. Die Klägerin verlangt nunmehr von dem Beklagten Erstattung der Kosten der bereits durchgeführten Vermessung der zu tauschenden Grundstücksflächen unter dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung; der Beklagte begehrte weiterhin widerklagend die Räumung und Herausgabe des auf seinen Flurstücken 297 und 298 belegenen Wegeteilstücks. Er stellte das Bestehen eines Notwegerechts in Abrede.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hinsichtlich der zunächst begehrten Duldung und Nutzung des Wegeteilstückes festgestellt und im Übrigen Klage sowie Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zunächst auf Duldung der Wiederherstellung und Nutzung des streitgegenständlichen Weges gerichtete Klage sei ursprünglich zulässig und begründet gewesen, denn den Klägern habe ein Notwegerecht gemäß § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB zugestanden. Die klägerischen Grundstücke seien zwar über einen unbefestigten Seitenweg sowie eine stillgelegte Bahntrasse erreichbar gewesen, insoweit habe es sich jedoch nicht um öffentliche Wege gehandelt. Auch nach ihrer tatsächlichen Beschaffenheit seien diese Wege zu einer ordnungsgemäßen Benutzung der klägerischen Grundstücke nicht ausreichend gewesen. Der Betrieb der Putenmastanlage, zu dessen Aufrechterhaltung die Anlieferung von Futter durch Lkws mit einem Gesamtgewicht von 40 t erforderlich sei, stelle nämlich eine ordnungsgemäße Benutzung der Betriebsgrundstücke dar. Die Stellungnahme des Amtes L... im Baugenehmigungsverfahren, wonach eine rechtlich gesicherte Zufahrt bestanden habe, stelle die Ordnungsmäßigkeit der Benutzung des Grundstücks zum Betrieb der Putenmastanlage nicht in Frage, denn unstreitig sei der Klägerin eine bestandskräftige Baugenehmigung erteilt worden. Der Beklagte sei als Eigentümer des Grundstücks auch passivlegitimiert.

Ein Anspruch auf Erstattung der bereits verauslagten Vermessungskosten wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen gemäß § 311 Abs. 2 BGB stünde der Klägerin allerdings nicht zu. Zwar hätte sie diese Aufwendungen im Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrages getätigt, zu dem beide Parteien sich mit der Absichtserklärung verpflichtet hätten. Dienten die Vertragsverhandlungen der Vorbereitung eines formbedürftigen Geschäfts komme ein Schadensersatzanspruch aber nur bei einem schweren Verstoß des Vertragspartners gegen die Pflicht zum redlichen Handeln in Betracht, der in der Regel nur bei Vorsatz vorliege. Vorsätzliches Handeln des Beklagten sei vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch die Widerklage sei unbegründet. Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 985 BGB, denn die Klägerin habe die streitgegenständliche Wegefläche nicht in ihrem Besitz gehabt. Hierzu genüge die Nutzung als Zufahrt zu ihren Grundstücken in Ausübung eines Notwegerechts nicht. Ein Räumungsanspruch gem. § 1004 BGB stünde dem Beklagten ebenfalls nicht zu, denn die Kläger hätten den Besitz des Beklagten nicht gestört.

Gegen dieses Urteil richten sich die wechselseitig eingelegten Berufungen der Parteien.

Die Klägerin verlangt weiterhin die Erstattung der Vermessungskosten. Die Kammer habe einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu Unrecht verneint. Ein Vertragsschluss sei hier als sicher anzunehmen gewesen, denn die Parteien hätten hinsichtlich der zu tauschenden Flächen bereits Festlegungen getroffen und lediglich der genaue Verlauf des Weges habe noch geklärt werden müssen. Der Beklagte habe vom Flächentausch auch nicht deshalb Abstand genommen, weil er erkannt habe, dass er keine Zufahrt mehr zu seinem eigenen Grundstück haben werde, denn dieses Problem sei bereits in der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 2004 erkannt und erörtert worden. Dass die Vertragsverhandlungen in ein formbedürftiges Rechtsgeschäft einmünden sollten, stünde einer Erstattungspflicht nicht entgegen. Der Beklagte habe des Schutzes der Formvorschrift nicht bedurft, weil beide Parteien ohnehin anwaltlich vertreten und beraten gewesen seien.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, an sie 4.011,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt nach Rücknahme der Widerklage,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen und die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit darin die Klage abgewiesen wurde und meint, die Klägerin habe selbst die Ursache dafür gesetzt, dass es zum Flächentausch nicht gekommen sei, denn nach Anpachtung des Flurstückes 166 sei ihr Interesse daran entfallen.

Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Feststellung, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Duldung der Wiederherstellung des Wegeteilstückes und dessen Nutzung in der Hauptsache erledigt sei. Er vertritt weiterhin die Auffassung, die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Notwegerecht lägen nicht vor und wiederholt seinen Sachvortrag hierzu. Das Landgericht hätte nicht offen lassen dürfen, ob die Zuwegungsmöglichkeiten über den Sandweg und die stillgelegte Bahntrasse öffentliche Wege seien. Tatsächlich - so trägt er erstmals vor - handle es sich bei diesen Wegen, den Flurstücken 175 und 165, ausweislich der von ihm eingeholten Auskunft es Amtes L... vom 11. August 2004 um Land, das als Straße gewidmet sei. Dieses neue Beweismittel sei nicht verspätet, da er zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht im Besitz der Urkunde gewesen sei. Die Annahme, dass jene Zuwegungen nach ihrer Beschaffenheit nicht ausreichend seien, um eine ordnungsgemäße Benutzung der klägerischen Grundstücke zu gewährleisten, sei ohne Beweiserhebung und damit fehlerhaft erfolgt. Die Ordnungsgemäßheit der Grundstücksbenutzung als Putenmastbetrieb sei zu Unrecht bejaht worden, denn das Bestehen einer rechtlich gesicherten Zufahrt habe er - der Beklagte - unter Hinweis auf die Verpflichtung der Kläger zur Schaffung einer Zufahrt einerseits und der fehlenden vertraglichen Vereinbarung hierüber bestritten. In jedem Fall wäre aber eine Notwegrente geschuldet gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Insofern verteidigt sie die angefochtene Entscheidung.

II.

Die beiderseitig eingelegten Rechtsmittel sind zulässig; in der Sache hat lediglich die Berufung der Klägerin auch Erfolg.

1. Die Kammer hat zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache insoweit festgestellt, als die Klägerin ursprünglich vom Beklagten die Duldung der Wiederherstellung des über die im Eigentum des Beklagten stehenden Flurstücke 297 und 298 verlaufenden Wegeteilstücks von etwa 30 m Länge und dessen Nutzung durch die Klägerin, deren Kunden und Lieferanten begehrt hatte. Die ursprüngliche Klage war zulässig und auch begründet; sie wurde nachträglich gegenstandslos.

Der Klägerin hätte zunächst Anspruch auf Duldung der Wiederherstellung des Wegeteilstücks und dessen Nutzung aufgrund eines Notwegerechts; dieser Anspruch ist durch die Anpacht des Flurstücks 166 und Errichtung einer Zuwegung zum Putenmastbetrieb hierauf gegenstandslos geworden.

a) Der Klägerin stand ursprünglich ein Notwegerecht gemäß § 917 Abs. 2 BGB zu, aufgrund dessen sie die Duldung der Wiederherstellung der Zuwegung und deren Nutzung durch sie selbst, ihre Kunden und Lieferanten verlangen konnte.

Das Bestehen eines Notwegerechts gemäß § 917 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt, das verbindungslose Grundstück ordnungsgemäß genutzt wird, die Benutzung des Verbindungsgrundstücks für die ordnungsgemäße Benutzung des verbindungslosen Grundstücks notwendig ist und die Duldung der Benutzung verlangt wird.

aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlte den klägerischen Grundstücken, den Flurstücken 296 und 286 der Flur 2, auf denen die Klägerin eine Putenmastanlage betreibt, die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg.

Die ein Notwegerecht begründende Zugangsnot besteht nicht nur dann, wenn das Grundstück überhaupt keine Verbindung mit einem öffentlichen Weg hat, sondern auch dann, wenn der vorhandene Zugang für eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht oder nicht mehr genügt (BGH LM § 917 BGB Nr. 1; OLG Düsseldorf RdL 1997, 35; Münchner Kommentar 4. Aufl. 2004 § 917 Rdnr. 7). Diese Voraussetzungen liegen nach den gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil vor. Die Einwände, die der Beklagte mit seiner Berufung erhebt, vermögen die Richtigkeit und Vollständigkeit der von der Kammer getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen; seine im - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 8. April 2005 geäußerte Auffassung, der Senat müsse erneute tatsächliche Feststellungen treffen, entbehrt jeder Grundlage.

Die Kammer hat zutreffend eine Verbindung der Betriebsgrundstücke Flurstück 286 und 296 mit einem öffentlichen Weg über den unbefestigten Sandweg auf dem Flurstück 175 oder die stillgelegte Bahntrasse ohne Fahrdamm - Flurstücke 299, 294 und 300 - verneint, ohne dass es auf die erstmals im Berufungsverfahren von dem Beklagten aufgeworfene Frage ankommt, ob es sich hierbei um öffentlich gewidmete Wege handelt. Entscheidend ist, dass diese Wege deshalb nicht die das Notwegerecht ausschließende Verbindung mit einem öffentlichen Weg darstellen, weil darauf nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Kläger in erster Instanz ein Befahren mit den bis zu 40 Tonnen schweren Lkws zur Futteranlieferung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich war. Es handelte sich nämlich um einen unbefestigten Sandweg bzw. einen Bahndamm ohne Fahrtrasse.

Mit seiner Rüge, es habe an einer Beweiserhebung über die Eignung der Wege zum Befahren mit derart schweren Fahrzeugen gefehlt, vermag der Beklagte Zweifel an der Richtigkeit dieser Tatsachenfeststellungen der Kammer nicht zu begründen. Die Durchführung einer Beweisaufnahme in erster Instanz war nicht geboten, weil es mangels streitigen Parteivortrags in diesem Punkt an der Beweiserheblichkeit fehlte. Dieselben Erwägungen gelten hinsichtlich des Flurstücks 165. Das klägerische Vorbringen, der darauf befindliche Weg - gemeint ist das schmale, zwischen den Flurstücken 166 und 167 verlaufende Teilstück - sei zum Befahren mit den Futterspezialtransportern nicht geeignet, ist ebenfalls unbestritten geblieben.

Auch mit seinem Einwand, die derzeitige Grundstücksnutzung durch die Putenmastanlage entspreche nicht einer ordnungsgemäßen Nutzung im Sinne des § 917 BGB, kann der Beklagte nicht durchdringen. Dass die Grundstücke der Klägerin nach Größe und Lage für den Betrieb einer Putenmastanlage geeignet sind, stellt der Beklagte - wohl auch wegen der jahrzehntelangen Nutzung zum Betrieb einer Tiermastanlage - nicht in Frage. Es ist auch nicht ersichtlich und wird von dem Beklagten auch nicht behauptet, dass die Umnutzung des ursprünglich als Schweinemastanlage genutzten Betriebes zu einem Putenmastbetrieb durch die Klägerin ohne bestandskräftige Baugenehmigung - die unzweifelhaft beantragt wurde - erfolgte.

bb) Ferner liegt das Tatbestandsmerkmal des Verlangens der Benutzungsduldung vor. Wie der Senat bereits im Termin vom 16. März 2005 ausführte, liegt bereits in der dem hiesigen Rechtsstreit vorausgegangenen Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens, gerichtet auf Duldung der Wiederherstellung und Nutzung des "Betriebsweges", ein "Verlangen" nach Duldung eines Notweges; darüber hinaus ist ein Benutzungsverlangen in der Klageschrift zu sehen.

Mit seinem Einwand im Schriftsatz vom 8. April 2005, die Klage auf Duldung der Nutzung sei lediglich die gerichtliche Geltendmachung eines entstandenen Notwegerechts, verkennt er, dass eine Klage neben der Prozeßhandlung zugleich eine materiellrechtliche (Willens-)Erklärung beinhalten kann (vgl. etwa zur Kündigung Palandt-Weidenkaff 63. Aufl. 2004 § 568 Rdnr. 6.; BGH ZMR 1997, 280). Hier hat die Klägerin in ihrer Klageschrift vom 23. Oktober 2003 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Wiederherstellung und Duldung der Nutzung des wiederhergestellten Wegeteilstücks aufgrund eines Notwegerechts begehrt; mehr ist für das Benutzungsverlangen nicht erforderlich.

cc) Das Notwegerecht ist nicht gemäß § 918 Abs. 1 BGB deshalb ausgeschlossen, weil eine frühere Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung des Grundstückseigentümers aufgehoben wurde. Mit dieser Regelung wird dem notleidenden Eigentümer der Notweg versagt, der die Zugangsnot selbst herbeigeführt hat. Stets setzt § 918 Abs. 1 BGB eine Veränderung der Zugangsverhältnisse in tatsächlicher Hinsicht voraus.

Daran fehlt es hier. Dabei kann dahingestellt bleiben, zu welchem konkreten Zeitpunkt die ursprünglich auf den Flurstücken 296 und 286 betriebene Schweinemast aufgegeben wurde, denn in der Betriebsaufgabe liegt kein willkürliches Aufgeben eines bestehenden Notwegerechts durch den seinerzeitigen Grundstückseigentümer. Der Betriebsaufgabe lässt sich der Erklärungswert einer Aufgabe des Wegerechts nicht beimessen, und eine solche Bedeutung hat ihr der Beklagte, der die Zufahrtsbefestigung zu dem Betriebsgrundstück nach seinem eigenen Vortrag von 1991 an bis Mitte 2003 unangetastet ließ, auch nicht beigemessen.

Der Beklagte geht im übrigen fehl, wenn er in seinem Schriftsatz vom 8. April 2005 meint, das Notwegerecht sei spätestens aufgrund des Eigentumswechsels entfallen. Die Rechtsnachfolge als solche hat auf die Entstehung oder den Fortbestand des Notwegerechts keinerlei Einfluss; Gegenteiliges lässt sich auch nicht der herangezogenen Kommentierung im Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, entnehmen. Unter welchen Voraussetzungen eine Grundstücksveräußerung zum Ausschluss eines Notwegerechts führt, regelt § 918 Abs. 2 BGB. Werden die veräußerten oder zurückbehaltenen Grundstücke bzw. Grundstücksteile infolge der Veräußerung von der Verbindung mit dem öffentlichen Weg abgeschnitten, konkretisiert sich das Notwegerecht danach auf das bisherige Verbindungsgrundstück; gegenüber anderen Grundstücken ist es hingegen ausgeschlossen. Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor.

dd) Dem Beklagten stand auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf Zahlung einer Notwegerente (§§ 917 Abs. 2 Satz 2, 912 ff. BGB) zu, mit der Folge, dass die ursprünglich erhobene Klage teilweise unbegründet gewesen wäre. Der Beklagte hat zwar stets darauf verwiesen, dass ihm bei Bestehen eines Notwegerechts eine Notwegerente zustünde. Da sich - auch nach Erörterung dieses Gesichtspunktes durch den Senat im Termin vom 16. März 2005 - sein Vortrag zu deren Höhe nicht verhielt, lag eine wirksam erhobene Einrede der Nichtbegleichung der Notwegerente nicht vor. Der Schriftsatz des Beklagten vom 8. April 2005 enthält hierzu unter Ziffer 2 keine weiterführenden Erwägungen; eine Wiedereröffnung der ohne Rechtsfehler geschlossenen mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO ist nicht veranlasst.

b) Mit der Herstellung des zur Anbindung an einen öffentlichen Weg notwendigen Verbindungsweges auf dem von der Klägerin angepachteten Flurstück 166 ist dem Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 BGB, das die fehlende Verbindung zu einem öffentlichen Weg voraussetzt, die rechtliche Grundlage entzogen.

Entgegen der vom Beklagten im Berufungsrechtszug vertretenen Auffassung, ist für die Feststellung der Erledigung der Hauptsache allein entscheidend, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage nachträglich unzulässig oder unbegründet wird; der Umstand, dass die Klage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung unbegründet war, entzieht der Feststellung der Erledigung der Hauptsache nicht die Grundlage, sondern ist gerade deren notwendige Voraussetzung.

2. Die Klägerin kann auch die verauslagten und der Höhe nach unstreitigen Vermessungskosten (4.011,76 €) im Wege des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB n.F.) verlangen.

a) Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Parteien mit ihren im Termin vom 4. Februar 2004 abgegebenen Erklärungen ein Vertragsverhältnis angebahnt haben - nämlich den Tausch von noch zu vermessenden Grundstücksflächen.

b) Den Beklagten trifft auch der Vorwurf der schuldhaften Verletzung einer während der Vertragsanbahnung bestehenden Pflicht.

Der Beklagte hat zunächst das Vertrauen der Klägerin auf ein Zustandekommen des beabsichtigten Flächentauschs begründet und den als "sicher" hingestellten Vertragsschluss später ohne triftigen Grund abgelehnt.

Ungeachtet der Bezeichnung im Sitzungsprotokoll haben die Parteien am 4. Februar 2004 bereits Abreden getroffen, die über lediglich unverbindliche "Absichtserklärungen" hinausgingen. Beide Parteien haben sich nach dem eindeutigen Wortlaut ihrer zu Protokoll gegebenen Erklärungen "verpflichtet, eine Teilfläche des Grundstücks des Beklagten (...) herausmessen zu lassen". Diese herausgemessene Fläche sollte "im Wege eines Flächentauschs gegen eine ebenso große Fläche aus dem Grundstück der Klägerin getauscht werden". Darüber hinaus hat der Beklagte seine Bereitschaft zur Mitwirkung bei der Vermessung des herauszumessenden Teilstücks aus seinem Grundstück erklärt. Seine endgültige Abschlussbereitschaft für den Flächentausch hat er aber maßgeblich dadurch zu erkennen gegeben, dass die Klägerin mit seinem Einverständnis einen öffentlich vereidigten Sachverständigten mit der Vermessung beauftragen sollte, und Einigkeit darüber erzielt worden war, dass sie auch die Vermessungskosten trägt.

Damit dienten die getroffenen Regelungen der Parteien dazu, die Ausführung der für den Abschluss des beabsichtigten Flächentauschs erforderlichen Vorarbeiten - das Herausmessen der zu tauschenden Grundstücksflächen - zu konkretisieren. Insbesondere durch die der Klägerin überlassenen Auswahl und Beauftragung des Sachverständigen und der Auferlegung der Kosten der Vermessung auf sie war sie - für den Beklagten erkennbar - der erhöhten Gefahr nachteiliger Vermögensdispositionen ausgesetzt. Es lag auf der Hand, dass die Klägerin alsbald nach dem Verhandlungstermin einen Sachverständigen mit der Vermessung beauftragen würde, um die vereinbarten Voraussetzungen für den beabsichtigten Flächentausch zu schaffen. Die Klägerin war nach den getroffenen Vereinbarungen gehalten, für die zum Flächentausch notwendige Vermessung in Vorleistung zu treten. Damit war sie in erhöhtem Maße der Gefahr ausgesetzt, dass sich die getätigten Aufwendungen im Falle eines Scheiterns des Flächentauschs als nutzlos erweisen.

Diese besondere Gefährdungslage begründete eine gesteigerte Vertrauensbeziehung, die den Beklagten zu erhöhter Rücksichtnahme auf die Interessen der Klägerin verpflichtete. Aus ihr folgt gleichermaßen die Verpflichtung, den Vertragspartner vor einem Irrtum über den (Fort-)Bestand einer geäußerten, tatsächlich aber nicht (mehr) vorhandenen endgültigen Abschlußbereitschaft zu bestimmten Bedingungen zu bewahren.

Dieser Verpflichtung ist der Beklagte nicht nachgekommen; er hat seine Mitwirkung an der Vermessung vielmehr ohne triftigen Grund verweigert. Der Beklagte ließ im Termin vom 23. Juni 2004 als Grund für die Weigerung mitteilen, im Falle des beabsichtigten Flächentauschs wäre eine Zuwegung zu seinem Grundstück nicht mehr vorhanden gewesen. Damit kann er jedoch nicht gehört werden, denn nach dem im Berufungsrechtszug neuen, aber - auch nach Erörterung im Senatstermin - unbestritten gebliebenen und damit zuzulassenden (§ 531 Abs. 2 ZPO) - Vorbringen der Klägerin wurde die Frage der Zuwegung zu den Grundstücken des Beklagten nach dem Flächentausch bereits im Termin vom 4. Februar 2004 erörtert. Auch aus der für den Fall des Eigentumserwerbs am Flurstück 166 durch die Klägerin getroffenen Regelung, wonach die Klägerin sich gegenüber dem Beklagten und seinem Rechtsnachfolger gegen eine angemessene Rente zur Einräumung eines Wegerechts zum Befahren des auf dem Flurstück befindlichen Weges verpflichten sollte, ergibt sich, dass die Frage der Verbindung seiner Grundstücke bei einem Flächentausch Gegenstand der in die "Absichtserklärungen" mündenden Verhandlungen war. Bei dieser Sachlage stellt sich die bei einem Flächentausch vermeintlich fehlende Zuwegung nicht als triftiger Grund für das Scheiternlassen der Vertragsverhandlungen dar. Wenn der Beklagte hinsichtlich dieses Umstandes noch Klärungsbedarf gesehen hätte, hätte es ihm oblegen, seine Bedenken kundzutun, um die Klägerin von den durch die Beauftragung des Sachverständigen mit der Vermessung zu erwartenden Aufwendungen zu bewahren. Dies hat der Beklagte nicht getan.

c) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei dem angebahnten Vertrag um einen formbedürftigen (§ 311 b Abs. 1 BGB) Grundstückstauschvertrag handelte.

Die unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen begründete Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens bedeutet einen indirekten Zwang zum Vertragsabschluss. Dieser Zwang läuft dem Zweck der Formvorschrift von § 311 b BGB zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll. Im Bereich nach § 311 b BGB zu beurkundender Rechtsgeschäfte löst der Abbruch von Vertragsverhandlungen, deren Erfolg als sicher anzunehmen war, durch einen der Verhandlungspartner daher auch dann keine Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund für den Abbruch fehlt (BGH NJW 1996, 1884).

Ebenso wie die Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 311 b BGB zurückzutreten hat, wenn sie nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren ist, unterliegt auch die Verantwortlichkeit des Verhandlungspartners in diesen Fällen keinen Einschränkungen im Hinblick auf die Formbedürftigkeit des abzuschließenden Vertrages (BGH a.a.O.). Soweit dies daraus folgt, dass sich das Verhalten des in Anspruch Genommenen als besonders schwerwiegender Treueverstoß darstellt, kommt damit in der Regel nur eine vorsätzliche Treupflichtverletzung als Grundlage eines Schadenersatzanspruchs aus culpa in contrahendo in Betracht.

Hatte der Beklagte wegen des dadurch bedingten Wegfalls der Verbindung seiner Grundstücke mit einem öffentlichen Weg Vorbehalte gegen den Flächentausch, hätte er diese nicht nur im Termin vom 4. Februar 2004 äußern müssen. Da vor der erzielten Einigung über die Art und Weise und die Kosten der Vermessung die Frage der Zuwegung zu den Grundstücken des Beklagten bei einem Flächentausch erörtert worden war, konnte die Klägerin davon ausgehen, dass dieser Umstand dem endgültigen Vertragsschluss nicht mehr entgegenstehen würde. Dass der Beklagte gleichwohl seine Mitwirkung an der Vermessung wegen der vermeintlich fehlenden Verbindung zum öffentlichen Weg verweigerte, nachdem er die Klägerin zudem zu Vermögensdispositionen auf den als sicher dargestellten Vertragsschluss veranlasst hatte, stellt einen solch schwerwiegenden Verstoß gegen Treu und Glauben dar, dass der Formmangel unschädlich ist.

3. Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und besteht ab dem 23. Juni 2004.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47, 48, 72 Nr. 1 GKG n.F. bis zum 15. März 2005 auf 18.011,76 € (Erledigung der Hauptsache: geschätzte Verfahrenskosten 10.000,00 €; Zahlungsbegehren: 4.011,76 €; Widerklagebegehren: geschätzt 4.000,00 €), danach auf 14.011,76 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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