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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 4 U 133/05
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 765
AGBG § 9
ZPO § 156
ZPO § 373
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 133/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 30. November 2005

Verkündet am 30. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 02.11.2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 24.05.2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer (betragsmäßig beschränkten) Bürgschaft vom 18.04.1997 auf Zahlung des Bürgschaftsbetrages in Höhe von 20.000,- DM (= 10.225,84 €) in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts wird mit folgender Ergänzung auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO):

Das Landgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.04.2005 einen Hinweis dahin erteilt, dass eine formularmäßige Bürgschaft mit der Klausel, dass die Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen eingegangen werde, nach der Rechtsprechung des BGH unwirksam sei, es sei denn, der Bürge sei selber Geschäftsführer des Hauptschuldners und habe maßgeblichen Einfluss auf die Aufnahme weiterer Darlehen. Auf Antrag des Klägervertreters hat das Landgericht der Klägerin eine Schriftsatzfrist von zwei Wochen gewährt.

Mit Schriftsatz vom 10.05.2005 - eingegangen am Landgericht am 10.05.2005 - hat der Klägervertreter beantragt, die Stellungnahmefrist um zwei Wochen bis zum 24.05.2005 zu verlängern und als Begründung angegeben, aufgrund der andauernden Arbeitsüberlastung des Unterzeichners und alleinigen Sachbearbeiters habe eine Besprechung der Gesamtangelegenheit in dem erforderlichen Umfang bislang noch nicht erfolgen können.

Mit Schriftsatz vom 24.05.2005 hat die Klägerin erstmals vorgetragen, Anlass der Bürgschaft der Beklagten vom 18.04.1997 sei ein zwischen der Klägerin und dem Ehemann der Beklagten, Herrn V... S..., am 04.12.1996 geschlossener Kontokorrentkreditvertrag gewesen, der ebenso wie ein weiterer Kontokorrentkredit vom 14.01.2000 unter dem 11.05.2001 in ein Darlehen mit veränderlichen Zins umgewandelt worden sei. Dieses Darlehenskonto habe zum Zeitpunkt der Kündigung gegenüber dem Ehemann der Beklagten einen Schuldsaldo in Höhe von 95.057,29 € aufgewiesen. Für ihre Behauptung zum Anlass der Bürgschaft hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 24.05.2005 Beweis angetreten durch "N.N.".

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.05.2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Bürgschaftsverpflichtung der Beklagten vom 18.04.1997 sei unwirksam, soweit ihre Verpflichtung über Forderungen hinaus gehe, die Anlass zur Übernahme der Haftung gewesen seien. Welche Forderung Anlass für die Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung gewesen sei, sei von der Klägerin aber nicht dargelegt worden; sie habe vielmehr behauptet, es habe keine konkrete Anlassforderung gegeben.

Soweit nach dem Vortrag der Beklagten Anlass für die Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung die finanzielle Verpflichtung des Hauptschuldners gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit dem Sattelschlepper gewesen sei, sei diese Verpflichtung unstreitig durch volle Bezahlung des Sattelschleppers entfallen.

Die der Klägerin gewährte Schriftsatzfrist habe auf ihren mit Schriftsatz vom 10.05.2005 gestellten Antrag nicht verlängert werden müssen. Dies gelte bereits deshalb, weil bei Antragstellung - das Landgericht geht hier vom 12.05.2005 aus - die Schriftsatzfrist ohnehin schon abgelaufen gewesen sei. Zum Anderen habe auch kein Anlass bestanden, die Schriftsatzfrist zu verlängern, weil der vom Gericht im Termin vom 26.04.2005 erfolgte Hinweis auf die sogenannte Anlassrechtsprechung des BGH zum Bürgschaftsrecht schon seit Jahren allgemein bekannt sein dürfte und bereits zweifelhaft sei, ob die vom Gericht gewährte Schriftsatzfrist von zwei Wochen überhaupt notwendig und gerechtfertigt gewesen sei; zumindest sei eine erneute Verlängerung dieser Frist nicht angebracht.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie rügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass das Landgericht ihr eine Verlängerung der Schriftsatzfrist auf ihren Antrag vom 10.05.2005 nicht gewährt habe. Sie macht geltend, die Beantragung der Schriftsatzverlängerung sei vor dem Hintergrund erfolgt, dass die Klägerin ihre Abwicklungsabteilung aufgelöst und an die Rechtsanwaltskanzlei ... in D... ausgelagert habe mit der Folge, dass sich ein Teil der erforderlichen Unterlagen bei der Klägerin und ein weiterer Teil bei der Rechtsanwaltskanzlei ... in D... befunden habe, so dass zur Besprechung der Gesamtangelegenheit sowohl mit der Klägerin als auch mit der Rechtsanwaltskanzlei ... Gespräche hätten geführt werden müssen.

Das Urteil des Landgerichts sei auch materiell-rechtlich unrichtig, da das Landgericht habe prüfen müssen, ob eine Forderung der Klägerin, die Anlass zur Erteilung der Bürgschaft gegeben habe, noch bestehe. Insoweit habe sie ausdrücklich bestritten, dass Anlass der Abgabe der Bürgschaftserklärung der Beklagten die von dieser behauptete Veräußerung des Sattelschleppers gewesen sei. Tatsächlich sei Anlass der Bürgschaft der Kontokorrentkreditvertrag vom 04.12.1996 gewesen. Insoweit bietet die Klägerin nunmehr Beweis an durch Zeugnis einer Frau L... und wiederholt im Übrigen ihren Sachvortrag aus dem Schriftsatz vom 24.05.2005.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24.05.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.225,84 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.08.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts und vertritt insbesondere die Auffassung, die Ablehnung der beantragten Fristverlängerung könne nicht mit Erfolg angegriffen werden, da diese Entscheidung im Ermessen des erstinstanzlichen Richters gestanden habe. Im Übrigen hält sie an ihrer Behauptung fest, Anlass für die streitgegenständliche Bürgschaft sei die beabsichtigte Veräußerung des Sattelschleppers und die in diesem Zusammenhang erforderliche Herausgabe des KfZ-Briefes gewesen und tritt dafür - wie bereits in der ersten Instanz - Beweis an durch Zeugnis des Herrn V... S.... Sie bestreitet ausdrücklich, dass Anlass der Bürgschaftserklärung der Kontokorrentkredit aus dem Jahr 1996 gewesen sei.

II.

Die Berufung ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus der Bürgschaft vom 18.04.1997, § 765 BGB, nicht zu.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Bürgschaft der Beklagten, als deren Sicherungszweck die "Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Sparkasse gegen den Hauptschuldner, Herrn H... V... S...", angegeben war, jedenfalls wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG für alle über diejenigen Forderungen, die Anlass der Bürgschaft waren, hinausgehenden Forderungen gegen den Hauptschuldner unwirksam ist. Dies entspricht der bereits seit dem Urteil des IX. Zivilsenats gefestigten Rechtsprechung des BGH (BGHZ 130, 19 ff. - unter Bezugnahme auf eine schon zuvor bestehende Rechtsprechung des XI. Zivilsenat des BGH), der auch der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt.

Da die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Anlass der Bürgschaftsübernahme gerade diejenige Forderung gegen den Hauptschuldner war, auf die der Gläubiger seine Inanspruchnahme des Bürgen stützt, den Gläubiger - hier also die Klägerin - trifft (vgl. dazu nur: Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 765 Rn. 27), hat das Landgericht auch zu Recht ausgeführt, dass der Vortrag der Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung am 26.04.2005 insoweit nicht ausreichend war. Die Klägerin konnte sich insbesondere nicht darauf beschränken, den Vortrag der Beklagten zu bestreiten, dass Anlass der Bürgschaftsübernahme am 18.04.1997 ein Darlehen zur Finanzierung eines Sattelschleppers gewesen sei.

Die Klägerin kann jedoch auch mit ihrem erstmals im Schriftsatz vom 24.05.2005 ergänzten Vortrag, wonach Anlass der Bürgschaft vom 18.04.1997 ein dem Hauptschuldner gewährter Kontokorrentkredit vom 04.12.1996 gewesen sei, keinen Erfolg haben.

Insoweit kann dahinstehen, ob das Landgericht die Verlängerung des - tatsächlich mit am 10.05.2005 und damit am letzten Tag der ursprünglich gewährten Schriftsatzfrist eingegangenem Schriftsatz beantragten - Schriftsatznachlasses für die Klägerin verfahrensfehlerhaft abgelehnt hat. Dieser mögliche Verfahrensfehler ist letztlich für die vom Landgericht getroffene Entscheidung der Klageabweisung nicht kausal geworden, weil das Landgericht auch bei Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 24.05.2005 zu keinem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Selbst wenn es den Vortrag der Klägerin zu dem mit diesem Schriftsatz erstmals geltendgemachten Anlass der Bürgschaft berücksichtigt hätte, hätte nämlich gleichwohl kein Grund bestanden, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen, da es jedenfalls an einem ordnungsgemäßen Beweisantrag der Klägerin für ihren - von demjenigen der Beklagten abweichenden und damit beweisbedürftigen - Vortrag fehlte. Das Angebot eines "Zeugen NN" entspricht nicht § 373 ZPO und ist deshalb grundsätzlich unbeachtlich; eines Hinweises darauf bedarf es nicht (vgl. nur: Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 356 Rn. 4).

Bei dem nunmehr in der Berufungsinstanz erstmals erfolgten ordnungsgemäßen Beweisantritt durch Zeugnis der Frau L... handelt es sich deshalb um neues Vorbringen in der Berufungsinstanz, für dessen Zulassung keiner der Gründe des § 531 Abs. 2 ZPO erkennbar ist.

Selbst wenn man den Beweisantritt der Klägerin zulassen würde, könnte ihre Klage aber auch deshalb keinen Erfolg haben, weil ihr Vortrag, Anlass der Bürgschaft vom 18.04.1997 sei der dem Hauptschuldner gewährte Kontokorrentkredit vom 04.12.1996 gewesen, als solcher nicht schlüssig ist.

Bei der gegen den Hauptschuldner bestehenden Forderung, auf die die Klägerin die Inanspruchnahme der Beklagten aus der Bürgschaft stützt, handelt es sich nach dem eigenen Vortrag der Klägerin gar nicht unmittelbar um eine Forderung aus dem Kontokorrentkreditvertrag vom 04.12.1996, sondern um eine Forderung aus einem Darlehensvertrag vom 11.05.2001. Mehrere Kontoeröffnungs- und Kreditverträge begründen in der Regel aber auch mehrere Schuldverhältnisse (BGH WM 1991, 495, 496). Dies schließt zwar nicht aus, dass ein Kredit, den dasselbe Bankinstitut zur Ablösung bzw. Umschuldung eines früheren Kredits gewährt, nicht Gegenstand eines weiteren, neuen Schuldverhältnisses sein muss. Ob die Parteien ein neues Schuldverhältnis begründen oder nur eine Abänderung der bisherigen Vertragsmodalitäten vornehmen wollten, ist durch Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu beantworten.

Legt man die ausweislich des Vertrages vom 11.05.2001 getroffenen Vereinbarungen unter dem vorgenannten Gesichtspunkt aus, sprechen mehrere erhebliche Gesichtspunkte gegen die Annahme, mit diesem Vertrag seien lediglich die Vertragsmodalitäten des Kontokorrentkreditvertrages vom 04.12.1996 geändert worden. Dies gilt bereits deshalb, weil der Vertrag vom 11.05.2001 die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus zwei Kontokorrentkreditverträgen vom 04.12.1996 und vom 14.01.2000 zusammenfasste und in diesem Zusammenhang die ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde, dass diese Verträge "ihre Gültigkeit" verlieren.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Verbindlichkeiten aus dem Vertrag vom 11.05.2001 nur durch eine Bürgschaft der Beklagten in Höhe von 20.000,- DM gesichert werden sollten. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 11.05.2001 hatte die Beklagte aber unstreitig bereits zwei Bürgschaftserklärungen jeweils beschränkt auf einen Betrag von 20.000,- DM unterzeichnet, nämlich die hier streitgegenständliche Bürgschaft vom 18.04.1997 und eine weitere Bürgschaft vom 14.01.2000. Unabhängig davon, dass die in der Anlage zum Vertrag vom 11.05.2001 zu Ziff. 3 Nr. 6 getroffene Regelung "selbstschuldnerische Bürgschaft der Frau C... S... ..., gem. gesonderter Erklärung" von vornherein dahin zu verstehen sein könnte, dass mit der Beklagten ein neuer Bürgschaftsvertrag geschlossen werden sollte, bleibt jedenfalls unklar, aus welcher der beiden zuvor erteilten Bürgschaften die Beklagte nach dem Inhalt des Vertrages vom 11.05.2001 weiter haften sollte.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2. ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.225,84 € festgesetzt.

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