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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 4 U 137/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 531 Abs. 2
BGB § 275 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 137/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 8.02.2006

Verkündet am 8.02.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2006 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 21. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin nahm die Beklagten auf Freigabe des hinterlegten Kaufpreisanteils und Zahlung des ausstehenden Restkaufpreises aus dem Vertrag vom 14. August 2002 in Anspruch, mit dem diese eine noch um- und auszubauende Eigentumswohnung erworben hatten; ferner begehrte sie Feststellung des Annahmeverzugs mit dem ihnen angebotenen Austausch der Schließzylinder. Die Beklagten machten im Wege des Zurückbehaltungsrechts diverse Mängel geltend, unter anderem rügten sie das - unstreitige - Fehlen von Entwässerungsrinnen im Bürgersteig als nicht vertragsgemäß. Zudem verlangten sie Schadensersatz wegen verspäteter Fertigstellung der Wohnung und erhoben Widerklage mit dem Begehren, den Notar anzuweisen, die aufgelaufenen Zinsen auszuzahlen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird mit der folgenden Ergänzung auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 ZPO): Zur Dachentwässerung heißt es in der Bau- und Ausstattungsbeschreibung zum Erwerbsvertrag, "die halbrunden Hausdachrinnen bestehen aus Titanzinkblech und münden in die erforderlichen Fallrohre mit den entsprechenden Formstücken. Die Fallrohre werden am Boden in ein ca. 1,00 m hohes Gussrohr eingebunden".

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Landgericht dem Zahlungsbegehren in voller Höhe, jedoch Zug um Zug gegen Beseitigung diverser Mängel, und der Widerklage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es - soweit für das Berufungsverfahren maßgeblich - ausgeführt, die Klägerin sei zur Zahlung nur gegen Nachbesserung der im Sachverständigengutachten festgestellten Mängel zu verurteilen. So sei sie - vorbehaltlich einer Genehmigung der Stadt P... - verpflichtet, eine Entwässerungsrinne im Bürgersteig zur straßenseitigen Dachentwässerung herzustellen. Die derzeitige Lösung sei nicht vertragsgemäß; der Baubeschreibung lasse sich nicht entnehmen, dass das Regenwasser aus dem Gußrohr einfach über den Bürgersteig laufen sollte. Die Einbindung in das Gußrohr deute vielmehr darauf hin, dass das Regenwasser unter der Erdoberfläche habe abgeleitet werden sollen. Da eine Entwässerung in einem unterirdischen Regenwasserkanal nicht möglich und zulässig gewesen sei, hätte dafür Sorge getragen werden müssen, dass diese jedenfalls gezielt und unter Vermeidung von Gefahren erfolgen werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie eine Abänderung lediglich insoweit begehrt, als sie Zug-um-Zug und vorbehaltlich der Baugenehmigung der Stadt P... zur Herstellung einer Entwässerungsrinne im Bürgersteig verurteilt wurde. Die Klägerin vertritt unter Hinweis auf ein Schreiben der Stadt P... vom 28. Juni 2005, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf Bl. 642 f. verwiesen wird, die Auffassung, sie sei zu einer Veränderung der Entwässerung weder verpflichtet noch würde sie hierfür eine Baugenehmigung erhalten. Aus dem genannten Schreiben ergebe sich, dass die Rinnen - von der hierfür zuständigen Stadt P... - ordnungsgemäß hergestellt seien.

Sie beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Beklagten Zug-um-Zug gegen Beseitigung des folgenden Mangels verurteilt worden sind, den Notar unwiderruflich anzuweisen, den hinterlegten Kaufpreisanteil in Höhe von 7.315,00 €, und weitere 4.909,00 € zu zahlen:

7. - vorbehaltlich einer Baugenehmigung der Stadt P... - fehlende Entwässerungsrinne im Bürgersteig zur Ableitung des Regenwassers aus den straßenseitigen Fallrohren.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen. Sie stellen die Herstellung von Entwässerungsrinnen in Abrede und vertreten weiterhin die Auffassung, die vorhandene Dachentwässerung sei nicht vertragsgemäß, wobei unerheblich sei, ob diese ortsüblich sei. Sie meinen, ihnen stünden, wenn die Herstellung von Entwässerungsrinnen unmöglich sei, ein angemessener Minderungsbetrag bzw. Schadensersatz zu. Dieser bemesse sich anhand des erhöhten Kontroll- und Reinigungsaufwandes für einen Zeitraum von 10 Jahren auf 6.375,00 € (Berechnung Bl. 611), mit dem sie hilfsweise aufrechnen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Klägerin kann von den Beklagten - im Hinblick auf die Herstellung von Entwässerungsrinnen (Ziffer I. 7) - keine vorbehaltlose Zahlung verlangen, denn den Beklagten steht (auch) insoweit ein Zurückbehaltungsrecht wegen mangelhafter Leistung (§ 320 BGB) zu.

a) Die Leistung der Klägerin, für die Werkvertragsrecht Anwendung findet, ist mangelhaft.

Allerdings ergibt sich dies nicht - wie die Kammer angenommen hat - bereits daraus, dass die straßenseitige Dachentwässerung unstreitig nicht über die Regenfallrohre und die Gußrohre unmittelbar unter die Erdoberfläche geleitet wird, sondern die gesammelten Regenwasser aus den Gußrohren auf den Bürgersteig abfließen.

Eine Verpflichtung der Klägerin, die Dachentwässerung an den Regenwasserkanal anzubinden, läßt sich den vertraglichen Vereinbarungen nicht entnehmen, vielmehr beinhaltete der Erwerbsvertrag vom 14. August 2002 nach der gemäß Ziffer 3.1 i.V.m. 1.4 des Vertrages einbezogenen Bau- und Ausstattungsbeschreibung gerade keine derartige Verpflichtung zur Herstellung einer an die Kanalisation angebundenen Dachentwässerung. Danach sollten für die Dachentwässerung die Hausdachrinnen in die Regenfallrohre einmünden und diese wiederum sollten "am Boden in ein ca. 1,00 m hohes Gussrohr eingebunden" werden. Davon, dass das in den Hausdachrinnen gesammelte Regenwasser über das Gußrohr in die Kanalisation oder auf andere Weise unterirdisch abgeleitet werden sollte, war in der Bau- und Ausstattungsbeschreibung gerade nicht die Rede.

Die Mangelhaftigkeit der erbrachten Leistung ergibt sich aber daraus, dass die Klägerin nicht für die - ortsübliche und den sanierungsrechtlichen Vorgaben entsprechende - Herstellung einer Entwässerungsrinne, in der das Regenwasser über den Bürgersteig abfließen kann, Sorge getragen hat.

Dem steht nicht entgegen, dass die vertraglichen Vereinbarungen einschließlich der Bau- und Ausstattungsbeschreibung auch eine solche Verpflichtung zur Herstellung von Entwässerungsrinnen auf dem Bürgersteig nicht ausdrücklich enthalten. Entscheidend ist, dass die Beklagten eine den Regeln der Technik sowie den gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Anforderungen entsprechende Bauleistung erwarten durften. Dem wird die - nach den gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts - vorhandene Werkausführung, bei der sich das aus dem Gußrohr ausfließende Regenwasser ungehindert auf dem Bürgersteig ausbreiten kann, aber nicht gerecht. Diese Art der Entwässerung entspricht - bei verständiger Würdigung des klägerischen Vorbringens erster Instanz - weder den Regeln der Technik noch den sanierungsrechtlichen Anforderungen. Diesen wird ausweislich des von der Klägerin eingereichten Schreibens des treuhänderischen Sanierungsträgers der Stadt P..., der S... mbH, vom 1. Oktober 2003 nur dann Genüge getan, wenn - bei Gebäuden, die unmittelbar an den Gehweg angrenzen - das Dachregenwasser "über ein offenes Gerinne über den Gehweg" geführt wird. Auf dieses Schreiben hat sich die Klägerin in erster Instanz ausdrücklich bezogen und - namentlich im Schriftsatz vom 21. Mai 2004 - ausgeführt, dass die "ortsübliche Entwässerung in Babelsberg" oberirdisch erfolge, dieser Zustand gemäß der "Baugenehmigung und der sanierungsrechtlichen Auflagen" (wieder) herzustellen sei und das Dachregenwasser "über ein offenes Gerinne über den Gehweg geführt werden" müsse - eine Lösung, mit der sich die Beklagten letztlich einverstanden erklärt haben.

Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg - unter Bezugnahme auf das Schreiben der Stadt P... vom 28. Juni 2005 - geltend machen, das erforderliche Gerinne sei vorhanden und die bestehende Ausführung entspreche den sanierungsrechtlichen Vorgaben.

Dass eine Entwässerungsrinne zur gezielten Wasserabführung nicht vorhanden ist, war in erster Instanz unstreitig. Selbst die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, es seien - auch nur im Bereich der Gebäudegrenzen - "Rinnen" ausgebildet. Dass keinerlei Bauteile zur gezielten Wasserabführung vorhanden waren, läßt sich im übrigen den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 21. Januar 2005 (Ziffer 7.0 a.E., S. 15) sowie dem hierzu gefertigten Lichtbild Nr. 25 entnehmen. Die erstmals im Berufungsrechtszug aufgestellte Behauptung, die Stadt P... habe das Gerinne hergestellt, ist ebenso wie das zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Herstellung vorgelegte Schreiben der Stadt P... vom 28. Juni 2005 nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund gemäß § 531 Abs. 2 ZPO weder dargetan noch ersichtlich ist. Diese Rechtsfrage ist im Termin zur mündlichen Verhandlung mit den Parteien eingehend erörtert worden und die Rechtsauffassung des Senats wird auch durch die Ausführungen der Klägerin im - ohnehin nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 18. Januar 2006 nicht in Frage gestellt. Entgegen der darin enthaltenen Darstellung entsprach die durchgeführte Dachentwässerung nicht dem - nach dem Sachvortrag erster Instanz - Ortsüblichen; ortsüblich war - insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen - nach dem klägerischen Vorbringen eine Entwässerung, bei der das Dachregenwasser über ein offenes Gerinne über den Gehweg geführt wird.

Die Klägerin kann auch nicht ernsthaft vertreten, dass der vertraglich geschuldete Leistungsumfang dadurch verringert wird, dass ein Dritter - der Träger der Straßenbaulast - nachträglich die "faktischen Zustände als ordnungsgemäß" anerkennt. Da ausweislich des vom Sachverständigen gefertigten Lichtbildes Nr. 25 ein Gerinne selbst im Bereich der straßenseitigen Gebäudegrenze zweifellos nicht vorhanden ist und die Stadt P... in dem Schreiben vom 28. Juni 2005 die - hier nicht streitgegenständliche - Höhe der Fallrohrenden beanstandet, gleichwohl die Ordnungsgemäßheit der Ausführung feststellt, bestehen ohnehin Zweifel an dem Beweiswert dieses Schreibens.

b) Der Anspruch auf Nacherfüllung ist auch nicht wegen Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB n.F. ausgeschlossen. Das - von den Beklagten bestrittene - Vorbringen der Klägerin, sie werde für die Herstellung der Entwässerungsrinnen eine Baugenehmigung der Stadt P... nicht erhalten, ist "neu" im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO und mangels Vorliegen von Zulassungsgründen nicht zuzulassen.

Es ist weder ersichtlich noch dargetan, weshalb die Klägerin nicht bereits in erster Instanz in der Lage war, zur vermeintlichen rechtlichen Unmöglichkeit der Nachbesserungsmaßnahme vorzutragen, denn diese war seinerzeit schon Gegenstand des Streits unter den Parteien.

c) Schließlich steht der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch die beklagten Wohnungseigentümer auch nicht entgegen, dass dieses auf Mängeln am Gemeinschaftseigentum beruht.

Im Falle des Erwerbs von Wohnungseigentum hat jeder einzelnen Erwerber aus dem jeweiligen Vertrag mit dem Baubeteiligten einen individuellen Anspruch auf mangelfreie Werkleistung auch in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum. Jedenfalls solange kein abweichender Beschluß der Wohnungseigentümer vorliegt, ist jeder Erwerber berechtigt, seine Ansprüche auf Erfüllung des Vertrages auch hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums gegen den Vertragspartner selbständig geltend zu machen, denn der Erwerber, der selbständig die Mängelbeseitigung verfolgt, handelt grundsätzlich im wohlverstandenen Interesse aller Wohnungseigentümer (st. Rspr. des BGH, zuletzt Urteil vom 21. Juli 2005 - VII ZR 304/03; NJW-RR 2005, 1472).

2.

Soweit die Parteien hinsichtlich der nach Verurteilung erfolgten Zahlungen der Beklagten übereinstimmend Erledigung des Rechtsstreits erklärt haben, ist eine Entscheidung gemäß § 91 a ZPO nicht veranlasst, denn ein durch übereinstimmende Erledigungserklärungen zu erledigende Hauptsache liegt nicht vor. Der Streitgegenstand der Berufung war ausweislich der Berufungsanträge und der Berufungsbegründung unmißverständlich darauf beschränkt, anstelle der Verurteilung gegen Nachbesserung der Dachentwässerung - Ziffer I. 7 des Urteilstenors - eine insoweit vorbehaltlose Verurteilung zu erreichen. Der Vorbehalt im übrigen, also hinsichtlich der in den Ziffern I. 1-6 und 8-10 genannten Gegenleistungen, wird mit der Berufung ebensowenig angegriffen, wie die Verurteilung zur Zahlung als solche - deren Reduzierung die Klägerin ohnehin mangels Beschwer nicht mit der Berufung erlangen könnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.).

Der Gegenstandswert wird gemäß den §§ 47, 48, 72 Nr. 1 GKG n.F. auf 1.100,00 € (vom Sachverständigen geschätzte Kosten der Mängelbeseitigungsmaßnahme) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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