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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.06.2006
Aktenzeichen: 4 U 148/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 767 Abs. 2
BGB § 398
BGB § 765
BGB § 138 Abs. 1
ZPO § 141
ZPO § 356
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

4 U 148/05

Verkündet am 14.06.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im schriftlichen Verfahren am 14.06.2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht..., als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 21.12.2005 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der F... AG (im Folgenden: Zedentin) aufgrund einer Bürgschaft auf Zahlung von 34.238,14 € in Anspruch.

Die unstreitig durch die Beklagte am 22.05.2001 unterzeichnete Bürgschaft sollte zur Sicherung sämtlicher Zahlungsverpflichtungen aus einem zwischen der Zedentin und Herrn S... F... unter dem 22.05./07.06.2001 geschlossenen Gastronomievertrag betreffend die dortige Darlehensvereinbarung, die Zuschussvereinbarung sowie die Getränkelieferungsvereinbarung bezogen auf den Gaststättenbetrieb "A..." in C... dienen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Cottbus vom 20.06.2005 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaft Kenntnis von dem zwischen der F... AG und Herrn F... geschlossenen Gastronomievertrag gehabt habe. Ebenso könne dahinstehen, ob die Bürgschaft dem Bestimmtheitsgrundsatz genüge und ob sie auch die von der Klägerin geltend gemachten Nebenforderungen sowie Kosten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss und darauf aufgelaufene Zinsen umfasse.

Jedenfalls sei der Bürgschaftsvertrag wegen finanzieller Überforderung der Beklagten gemäß § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses lediglich über Einkünfte in Höhe von monatlich 990,00 DM zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und damit über ein monatliches Einkommen verfügt, welches nicht pfändbar gewesen wäre. Sie habe auch über keine weiteren Vermögenswerte verfügt, die ihr ermöglicht hätten, die monatliche Zinsbelastung für das Darlehen von 45.000,00 DM von jedenfalls 150,00 DM zu tragen. Zudem habe die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass der Mitarbeiter der F... AG von ihren Vermögensverhältnissen Kenntnis gehabt habe. Sie habe auch kein unmittelbares Interesse an der Darlehensgewährung gehabt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageanspruch in vollem Umfang weiter verfolgt. Sie macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht den tatsächlich von der Klägerin ausdrücklich bestrittenen Vortrag der Beklagten zu ihren geringen Einkommensverhältnissen zugrunde gelegt. Unklar sei auch, wie das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Mitarbeiter der Zedentin von den Vermögensverhältnissen der Beklagten Kenntnis hatte. Dies habe die Beklagte nicht einmal vorgetragen. Sie habe lediglich erklärt, der ihrem Lager zuzurechnende Zeuge H... habe Kenntnis von ihrem Einkommen gehabt. Zudem sei auch dieser Vortrag von der Klägerin bestritten worden. Die von der Zedentin eingeholten Bürgelauskünfte hätten nicht ergeben, dass die Beklagte oder der Hauptschuldner über keinerlei Vermögen/Einkommen verfügten. Nach dem Vortrag der Beklagten habe sie auch nicht zum Hauptschuldner in emotionaler Verbundenheit gestanden. Sie habe lediglich behauptet, mit dem Zeugen H... seinerzeit in engem Kontakt gestanden zu haben. Dieser sei aber nicht der Vertragspartner der Zedentin gewesen. Eine vermeintliche Kenntnis des Schuldners von den Vermögensverhältnissen der Bürgin müsse sich die Zedentin bzw. die Klägerin nicht zurechnen lassen. Auch die im Urteil offen gelassenen Problempunkte seien nicht geeignet, die klägerischen Ansprüche zu Fall zu bringen. Der Hauptschuldner habe den streitgegenständlichen Gastronomievertrag geschlossen. Bestandteil dieser vor Unterzeichnung als Einheit erstellten Urkunde sei auch die von der Beklagten unterzeichnete Bürgschaft gewesen. Darüber hinaus habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es für eine wirksame Bürgschaftsübernahme genüge, wenn die Hauptschuld nach Art und Umfang bestimmbar sei. Mit der Übernahme der Haftung für sämtliche Zahlungsverpflichtungen des Hauptschuldners hafte die Beklagte auch für die vertraglichen Nebenansprüche wie Zinsen, Kosten etc. Im Übrigen folge die Verpflichtung zur Erstattung der Prozesskosten gegen den Gläubiger aus § 767 Abs. 2 BGB.

Der Senat hat am 21.12.2005 ein Versäumnisurteil erlassen, mit dem das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 20.06.2005 abgeändert und die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 34.238,14 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz (mindestens aber 9 %) aus 27.296,47 € ab dem 14.04.2004 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 1.238,30 € ab dem 14.04.2004 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil vom 21.12.2005 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 21.12.2005 aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass dem zuständigen Mitarbeiter der Zedentin, dem Zeugen Ha..., ihre Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung bekannt gewesen seien. Sie hält auch ihre Behauptungen aufrecht, der Zeuge Ha... habe gegenüber der Beklagten erklärt, dass ihre Unterschrift lediglich eine Formsache sei und mit einer Inanspruchnahme nicht zu rechnen sei, und der Zeuge F... sei lediglich Strohmann für den Zeugen H... gewesen, was dem Zeugen Ha... ebenfalls bekannt gewesen sei. Schließlich bestreitet die Beklagte, dass die Bürgschaftserklärung der Beklagten dem Exemplar des Gastronomievertrages, das unterzeichnet worden sei, beigefügt gewesen sei.

Der Senat hat die gemäß § 141 ZPO geladene Beklagte im Termin am 01.03.2006 persönlich gehört. Er hat darüber hinaus Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Ha... und F.... Wegen des Ergebnisses der Anhörung der Beklagten sowie der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2006 (Bl. 141 bis 148 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht der geltend gemachte Anspruch in vollem Umfang aufgrund der unstreitig durch die Beklagte unterzeichneten Bürgschaftserklärung vom 22.05.2001 zu (§§ 765, 398 BGB).

1. Die Klägerin ist gemäß § 398 BGB aufgrund der Abtretung vom 19.09.2002 Inhaberin des ursprünglich für die Zedentin (die F... AG) entstandenen Anspruchs.

Soweit die Beklagte in der ersten Instanz die Abtretung der Ansprüche durch die F... AG an die Klägerin bestritten hat, hat sie dieses Bestreiten - dies war ausdrücklich Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2006 - nicht mehr aufrechterhalten, nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 31.01.2006 die Abtretungsvereinbarung vom 19.09.2002 vorgelegt hat.

2. Zwischen der Zedentin und der Beklagten ist aufgrund der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung vom 22.05.2001 durch die Beklagte eine wirksame Bürgschaftsvereinbarung im Sinne des § 765 BGB zustande gekommen.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es nicht an der erforderlichen Bestimmtheit der Bürgschaft. Dem Bestimmtheitsgrundsatz ist genügt, wenn die Person des Gläubigers, des Hauptschuldners sowie die fremde Schuld, für die gebürgt werden soll, in einer wenigstens bestimmbaren Weise bezeichnet sind (vgl. nur Palandt-Sprau, BGB, 65. Aufl., § 765 Rn. 6). Diese Erfordernisse sind bei der von der Beklagten abgegebenen Bürgschaftserklärung sämtlich erfüllt.

Zwar sind in der Bürgschaftserklärung als solcher weder der Zeuge F... als Hauptschuldner noch die F... AG als Gläubigerin namentlich bezeichnet; hier finden sich vielmehr die Bezeichnungen "Vertragspartner" sowie "Brauerei". Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich der Inhalt der Bürgschaftserklärung in Bezug auf die Personen des Hauptschuldners sowie der Gläubigerin eindeutig durch Auslegung ermitteln lässt. So ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Bürgschaftserklärung nach den vorgedruckten Angaben des Vertragstextes als "Blatt 21" und "Teil VII" eines Vertrages vorgesehen war und der Text inhaltlich Bezug nimmt auf "Teil II des vorstehenden Gastronomievertrages", dass sich die Bezeichnungen Vertragspartner einerseits und Brauerei andererseits auf den ebenfalls am 22.05.2001 - und nach ihren eigenen Angaben im Termin am 01.03.2006 - in Anwesenheit der Beklagten durch den Zeugen F... unterzeichneten Gastronomievertrag zwischen diesem und der F... AG bezog. Darüber hinaus - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - war sämtlichen Beteiligten bekannt, dass die Bürgschaft im Zusammenhang mit Vereinbarungen zwischen dem Zeugen F... und dem Zeugen H... sowie der F... AG in Bezug auf den Betrieb einer Gaststätte "A..." in C... von der F... AG gefordert worden war.

Ebenso wenig bestehen Bedenken gegen die Bestimmtheit der Bürgschaftsvereinbarung, soweit sie die verbürgte Hauptschuld betreffen könnten. Insoweit genügt es, wenn die Hauptschuld nach Art und Umfang bestimmbar ist. Diesem Erfordernis ist jedoch durch die Bezeichnung

"sämtliche Zahlungsverpflichtungen ... aus folgenden, unter Teil II des vorstehenden Gastronomievertrages geregelten Schuldverhältnissen:

Abschnitte

A. Darlehensvereinbarung

B. Zuschussvereinbarung

Teil III Getränkelieferungsvereinbarung" ohne Zweifel genügt. Insoweit ist auch nicht entscheidend, ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde den zwischen dem Zeugen F... und der Zedentin geschlossenen Gastronomievertrag und die insoweit getroffenen Vereinbarung im Einzelnen kannte - was im Übrigen nach ihren eigenen Angaben im Termin am 01.03.2006 durchaus der Fall war, da sie "den Vertrag" vor der Unterzeichnung jedenfalls für einen gewissen Zeitraum zur Einsicht zur Verfügung hatte. Entscheidend ist lediglich, dass die Beklagte wusste, für welche Art von Verbindlichkeiten sie die Bürgschaft übernahm. Dafür sind jedoch die Bezeichnungen in der Bürgschaftsurkunde ausreichend.

b) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bürgschaftserklärung der Beklagten bestehen auch nicht im Hinblick auf das Schriftformerfordernis des § 766 BGB. Die Beklagte hat unstreitig den von der Klägerin vorgefertigten Text der Bürgschaftserklärung eigenhändig unterzeichnet.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Schriftform fehlt es nicht daran, dass der Gläubiger, der Hauptschuldner und die verbürgte Hauptschuld sich wenigstens in hinlänglich klaren Umrissen (vgl. dazu nur: BGHZ 132, 119 ff.) aus der Bürgschaftsurkunde selbst ergeben müssen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es insbesondere nicht - auch nicht wegen der Verweisung auf Teil II des vorstehenden Gastronomievertrages im Text der Urkunde -erforderlich, dass die Bürgschaftsurkunde und der Gastronomievertrag zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung körperlich miteinander verbunden waren. Es ist bereits zweifelhaft, ob unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Urkunde im Hinblick auf das Schriftformerfordernis für die Wirksamkeit der Bürgschaftserklärung überhaupt eine Verbindung zwischen dieser Erklärung und dem Vertrag über die verbürgte Hauptverbindlichkeit gefordert werden kann. Selbst wenn man dies hier wegen der Verweisung auf Teil II des Gastronomievertrages annehmen wollte, wäre gleichwohl keine körperliche Verbindung erforderlich. Die frühere Rechtsprechung, wonach die Einheitlichkeit einer Urkunde auch eine körperliche Verbindung erforderte, ist inzwischen durch den BGH aufgegeben worden (vgl. nur BGH NJW 2003, 1248). Ausreichend ist nunmehr, dass sich die Einheitlichkeit einer Urkunde aus fortlaufender Paginierung, Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher grafischer Gestaltung oder ähnlichem zweifelsfrei ergibt. Dieses Erfordernis ist jedoch bereits dadurch gewahrt, dass sich aus dem vorgedruckten Text ergibt, dass die Bürgschaftserklärung Blatt 21 und Teil VII des Gesamtvertrages sein sollte.

c) Die Bürgschaftsvereinbarung ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

aa) Wie der BGH in einer Vielzahl von Entscheidungen gleich lautend ausgeführt hat, reicht selbst der Umstand, dass ein Bürge voraussichtlich nicht einmal die vertragliche Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen (vgl. nur: BGH NJW 2005, 971, 972).

In einem solchen Falle krasser finanzieller Überforderung wird lediglich widerleglich vermutet, dass die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen wurde und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Diese Grundsätze greifen jedoch nur ein, wenn auf Seiten des Gläubigers ein Kreditinstitut oder zumindest ein gewerblicher Kreditgeber steht und zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen ein persönliches Näheverhältnis besteht, das es nahelegt, von einem Handeln aus emotionaler Verbundenheit auszugehen (vgl. nur Palandt-Heinrichs, 65. Auf., § 138 Rn. 38). Die Annahme eines sittenwidrigen Ausnutzens der Lage des Bürgen kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn dem Kreditgeber die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bürgen und die Tatsachen, die eine emotionale Verbundenheit zu dem Hauptschuldner begründen, zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bekannt sind oder er sich einer entsprechenden Kenntnis zumindest bewusst verschlossen hat (zur Kenntnis von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen vgl. nur: BGH NJW 1999, 2584, 2587; zur Kenntnis von der emotionalen Nähebeziehung zum Hauptschuldner vgl. nur BGH NJW 1997, 1005 und NJW 2002, 744, 745). Diese Voraussetzungen, an die die oben dargestellte Vermutung erst anknüpft und die daher grundsätzlich von der Beklagten darzulegen und zu beweisen sind, können im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.

Zwar wird man die Zedentin, die als Brauerei im Zusammenhang mit langfristigen Bindungen von Gastronomen regelmäßig auch Kredite vergibt, unter dem Gesichtspunkt einer strukturellen Überlegenheit gegenüber dem Darlehensnehmer sowie einem Bürgen grundsätzlich einem gewerblichen Kreditgeber im Sinne der vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften gleichstellen können (vgl. zur Gleichstellung gewerblicher Kreditgeber mit Kreditinstituten nur: BGH NJW 2002, 746, 747). Fraglich ist allerdings, ob diese Gleichstellung auch so weit gerechtfertigt ist, dass die Zedentin als Brauerei sich - wie ein Kreditinstitut (vgl. dazu nur BGH NJW 1999, 2584, 2587) - entgegenhalten lassen muss, ihr sei die - unterstellt - objektiv nicht ausreichende Leistungsfähigkeit der Beklagten bekannt gewesen, weil sie sich keine Selbstauskunft der Beklagten über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse hat vorlegen lassen sondern sich auf die Einholung einer Bürgelauskunft beschränkt hat (die insoweit ohne Aussagewert ist). Diese Frage kann jedoch - ebenso wie die Frage, ob die Klägerin den Vortrag der Beklagten zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme als solchen in der ersten Instanz hinreichend bestritten hat - letztlich dahinstehen.

Die Beklagte hat jedenfalls nicht bewiesen, dass sie zu dem Hauptschuldner in einem für die Anwendung der vorgenannten Grundsätze ausreichenden emotionalen Näheverhältnis stand und die Zedentin bzw. der für sie handelnde Mitarbeiter Ha... auch dies wusste oder sich zumindest einer Kenntnis bewusst verschlossen hat.

Dies gilt selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten annimmt, dass ein persönliches Näheverhältnis nicht zu dem Hauptschuldner selbst bestehen muss, sondern es jedenfalls dann, wenn der Hauptschuldner Strohmann für einen Dritten ist, ausreicht, dass das persönliche Näheverhältnis zu diesem Dritten, dem Hintermann des Hauptschuldners, besteht. In diesem Fall lässt sich die Vermutung, dass der Kreditgeber die Übernahme einer ruinösen Bürgschaft allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, allerdings nur rechtfertigen, wenn dem Kreditgeber sowohl die Strohmanneigenschaft des Hauptschuldners als auch die persönliche Nähebeziehung zwischen dem Bürgen und dem Hintermann bekannt waren oder zumindest konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, dass er sich einer entsprechenden Kenntnis bewusst verschlossen hat.

Diesen Beweis hat die Beklagte allein aufgrund der Aussagen der Zeugen Ha... und F... nicht zur Überzeugung des Gerichts geführt.

So kann weder der Aussage des Zeugen Ha... noch derjenigen des Zeugen F... entnommen werden, dass der Zeuge F... den Gastronomievertrag mit der Zedentin nur als Strohmann für den Zeugen H... geschlossen hat. Der Zeuge Ha... hat vielmehr bekundet, aus seiner Sicht habe es sich bei dem Zeugen H... lediglich um eine Person gehandelt, den der Zeuge F... zu den Verhandlungen mitgebracht habe. Der Zeuge F... hat bekundet, er habe die Gaststätte gemeinsam mit dem Zeugen H... betreiben wollen. Auch wenn sich darüber hinaus aus der Aussage beider Zeugen ergibt, dass der Zeuge H... (und nicht der Zeuge F...) sowohl bei den Vertragsverhandlungen als auch bei den weiteren Entscheidungen im Hinblick auf die Gaststätte tonangebend gewesen sein mag und der Zeuge F... nicht einmal eine Erklärung dafür abgeben konnte, weshalb er den Gastronomievertrag allein unterzeichnet hat, reicht dies doch nicht aus für die Annahme, dass der Zeuge Ha... erkennen musste, dass im Innenverhältnis nicht der Zeuge F..., sondern der Zeuge H... für die Belange der Gaststätte und damit auch für die Rückzahlung der verbürgten Verbindlichkeiten verantwortlich sein sollte.

Darüber hinaus weder aus der Aussage des Zeugen Ha... noch aus der Aussage des Zeugen F..., dass der Zeuge Ha... einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür hatte, dass die Beklagte in einer persönlichen Nähebeziehung zu dem Zeugen H... stand. So hat der Zeuge Ha... bekundet, er sei davon ausgegangen, dass die Beklagte mit ins Geschäft einsteigen wollte. Auch seien Begrüßungen oder ähnliches zwischen der Beklagten einerseits und den Zeugen F... und H... andererseits mit Handschlag und beiden gegenüber gleichartig erfolgt. Der Zeuge F... konnte sich an eine Gelegenheit, bei der der Zeuge Ha... wahrgenommen haben könnte, dass - wie ihm (dem Zeugen F...) bekannt war - die Beklagte und der Zeuge H... in einer engen persönlichen Beziehung zueinander standen, gar nicht mehr erinnern.

Mit dem weiteren von ihr benannten Beweismittel, dem Zeugen H..., ist die Beklagte die Beklagte ausgeschlossen, da eine Vernehmung des Zeugen H... mangels ladungsfähiger Anschrift nicht möglich ist und die Beklagte eine solche auch nicht innerhalb der ihr gemäß § 356 ZPO gesetzten Frist benannt hat.

bb) Die Übernahme der Bürgschaft durch die Beklagte ist - ihre krasse finanzielle Überforderung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als wahr unterstellt - auch nicht deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil der Zedentin zur Last zu legen wäre, dass die Beklagte durch andere - der Zedentin zuzurechnende - Umstände, insbesondere durch Äußerungen, die das zu übernehmende Risiko verharmlosten (vgl. dazu nur: BGH NJW-RR 2002, 1130), in ihrer Entschließungsfreiheit beeinträchtigt worden wäre.

Zwar hat die Beklagte schriftsätzlich behauptet, der Zeuge Ha... habe ihr erklärt, ihre Unterschrift sei lediglich eine Formsache, die zur Gewährung des Darlehens an den Zeugen F... erforderlich sei; mit einer Inanspruchnahme sei jedoch nicht zu rechnen. Dieser von der Klägerin bestrittene Vortrag der Beklagten reicht jedoch angesichts ihrer eigenen Einlassung im Termin vom 01.03.2006 nicht aus. Im Rahmen dieser Einlassung hat die Beklagte selbst angegeben, sie könne nicht mehr hunderprozentig sagen, ob die Erklärung, die Unterzeichnung der Bürgschaft sei lediglich Formsache, durch den Zeugen Ha... oder durch den Zeugen H... abgegeben worden sei. Ebenso wenig könne sie sich noch hundertprozentig daran erinnern, dass diese Aussage an dem Tag gemacht worden sei, an dem die Unterzeichnung der Verträge in der Gaststätte getroffen worden sei. Vor dem Hintergrund der eigenen insoweit nicht mehr eindeutigen Erinnerung der auch insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten stellt sich die Behauptung, die die Beklagte gleichwohl aufrecht erhalten hat, als für die Klägerin mangels Benennung hinreichend konkreter Umstände als nicht einlassungsfähig dar, so dass sie eine Beweisaufnahme nicht zu rechtfertigen vermag. Wäre nämlich, was die Beklagte selbst nicht sicher ausschließen konnte, tatsächlich nur durch den Zeugen H... abgegeben worden, könnte dies nicht zu Lasten der Klägerin gehen, da der Zeuge H... als bloßer Verhandlungspartner der Zedentin auf Seiten des Darlehensnehmers nicht Erfüllungsgehilfe der Zedentin wäre. Wäre die Erklärung an einem anderen Tag als demjenigen der Unterzeichnung der Verträge gemacht worden - auch dies konnte die Beklagte selbst nicht mehr ausschließen -, könnte sie nach ihrer Einlassung im Übrigen nicht durch Herrn Ha... erfolgt sein, da die Beklagte selbst behauptet, sie sei nur zu dieser einen und einzigen Gelegenheit mit dem Zeugen Ha... zusammengetroffen.

3. Ist danach zwischen der Zedentin und der Beklagten ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zustande gekommen, so haftet die Beklagte daraus auch für die streitgegenständliche Hauptforderung.

Dass zwischen der Zedentin und dem Zeugen F... der streitgegenständliche Gastronomievertrag wirksam geschlossen worden ist, wird von der Beklagten - auch dies war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2006 - nach Vorlage des Originals des Vertrages mit Schriftsatz vom 31.01.2006 durch die Klägerin ebenso wenig in Abrede gestellt wie der Umstand, dass die Klägerin die Vertragsbeziehung wirksam mit Schreiben vom 20.06.2002 gekündigt und mit Schreiben vom 31.07.2002 auch in korrekter Art und Weise die Bezugsverpflichtung aus der Getränkelieferungsvereinbarung abgerechnet hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten umfasst die Verpflichtung aus der Bürgschaft auch die von der Klägerin geltend gemachten Zinsen auf die Hauptforderung im Umfang von 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz. Die Vereinbarung über die Bürgschaftsübernahme für "sämtliche" Zahlungsverpflichtungen aus den genauer bezeichneten Vereinbarungen des Gastronomievertrages ist dahin auszulegen, dass sie sich nicht nur auf die jeweiligen Hauptverbindlichkeiten des Schuldners, sondern insbesondere auch auf Nebenverpflichtungen wie die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen bezieht. Die Haftung der Beklagten für die Rechtsverfolgungskosten, die der Klägerin für die Inanspruchnahme des Hauptschuldners entstanden sind, folgt aus § 767 Abs. 2 BGB. Dies gilt auch für die Zinsen auf die Rechtsverfolgungskosten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.238,14 € festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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