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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 4 U 190/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, HGB


Vorschriften:

BGB § 21
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 273
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 309 Nr. 12 b
BGB § 355 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 4
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 850 c
HGB § 355 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 190/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 26.04.2006

Verkündet am 26.04.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 05.04.2006 durch

die Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 01.09.2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Höchstbetragsbürgschaft vom 14.11.2002 aufgrund von Verbindlichkeiten des I... z.. ... ... ... e.V. (im Folgenden: I... e.V.) und weiterer Tochtergesellschaften des I... e.V. aus einem Darlehensvertrag gemäß Kreditbestätigung vom 06.11.2002 in Anspruch.

Bei dem Beklagten handelt es sich um ein ehemaliges, mit Beschluss vom 04.09.2002 gewähltes, Vorstandsmitglied des I... e.V.. Er war aufgrund eines Dienstvertrages vom 04.09.2002 (Bl. 28 - 31 d. A.) hauptamtlich für den I... e.V. tätig.

Die Klägerin, die dem I... e.V. bereits zuvor - zuletzt befristet bis zum 12.03.2002 - einen Kredit in Höhe von 1.022.600,00 € gewährt hatte, bestätigte diesem gegenüber mit Schreiben vom 06.11.2002 unter Bezugnahme auf zuvor geführte Gespräche, dass sie dem I... e.V. und fünf Tochtergesellschaften des I... e.V. (weiterhin) mit einem Barkredit in Höhe von 1.022.600,00 € zur Verfügung stehe. Darüber hinaus enthält die Kreditbestätigung u.a. folgende Regelungen:

"Für den vorgenannten Kredit berechnen wir bis auf Weiteres:

Zinsen: 8,5 % p.a. auf die jeweilige Inanspruchnahme;

...

Die Verrechnung erfolgt, monatlich nachträglich über das laufende Konto 7351554/00.

...

Als Kreditsicherheit dienen uns/erhalten wir:

...

selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaften über jeweils € 100.000,00 der jeweiligen hauptamtlichen Vorstände des I... e.V., gemäß jeweils noch zu unterzeichnenden Erklärungen.

Die Entlassung eines ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes aus der übernommenen Bürgschaft erfolgt erst, wenn der Nachfolger im Amt sich entsprechend wirksam verbürgt hat."

Die Kreditbestätigung wurde u.a. vom Beklagten im Namen des I... e.V. unter dem 14.11.2002 unterzeichnet.

Ebenfalls unter dem 14.11.2002 unterzeichnete der Beklagte eine Erklärung über die Übernahme einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft in Höhe von 100.000,00 € und mit gesonderter Unterschrift eine auf dem letzten Blatt der Bürgschaftserklärung angefügte Erklärung, wonach er eine Zweitschrift der Bürgschaft erhalten habe) Bl. 23/24 d.A.). Schließlich unterzeichnete er auf einem gesonderten Blatt eine Widerrufsbelehrung zur Bürgschaft sowie ebenfalls gesondert eine Erklärung, wonach ihm ein Exemplar der Widerrufsbelehrung zur Verfügung gestellt worden ist (Bl. 26 d. A.).

Mit Beschluss der Mitgliederversammlung des I... e.V. vom 09.12.2003 wurde der Beklagte als Vorstandsmitglied des I... e.V. abberufen. Das Protokoll der Mitgliederversammlung enthält darüber hinaus unter anderem folgende Erklärung:

"Herr D... W... wird im Innenverhältnis zum I... e.V. von seinen Verpflichtungen aus der Bürgschaftsurkunde vom 14.11.2002 über eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft von 100.000,00 € bezüglich des Barkredites über § 1.022.600,00 gemäß Kreditbestätigungsschreiben vom 04.11.2002 der ...bank AG, Filiale ..., gegenüber der ...bank freigestellt."

Mit Beschluss vom 06.02.2004 wurde über das Vermögen der I... e.V. die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Mit Schreiben vom 11.02.2004 kündigte die Klägerin gegenüber sämtlichen Vertragspartnern die gewährten Darlehen unter Einräumung einer Nachfrist bis zum 18.02.2004. Mit weiterem Schreiben vom 13.02.2004 nahm sie unter Fristsetzung bis zum 12.03.2004 den Beklagten aus der Bürgschaft in Anspruch.

Am 07.05.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des I... e.V. eröffnet.

Die Klägerin hat den zum Zeitpunkt der Kündigung zu ihren Gunsten offenen Saldo bezogen auf das Konto 735155400 gegenüber dem I... e.V. auf 2.479,216,75 € und bis zum Ablauf der gesetzten Nachfrist auf 2.496.998,05 € beziffert, wobei sie sich in der ersten Instanz zuletzt auf einen - unbestritten - durch den I... e.V. anerkannten Rechnungsabschluss zum 30.09.2003 sowie für die Folgezeit auf eine von ihr vorgelegte Kontostaffel bezogen hat.

Der Beklagte macht gegen seine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft folgende Einwendungen geltend:

Er vertritt die Auffassung, seine Verpflichtung aus der Bürgschaft sei automatisch mit dem Ausscheiden aus dem Amt des Vorstandes erloschen. Er behauptet, entsprechendes sei ihm im Rahmen eines mit Vertretern der Klägerin geführten Gesprächs am 19.09.2002 versichert worden. Darüber hinaus vertritt der Beklagte die Auffassung, die Übernahme der Bürgschaft sei im Hinblick auf sein Einkommen und sein Vermögen sittenwidrig gewesen. Er sei gezwungen gewesen, die Bürgschaft zu übernehmen, da die Klägerin den I... e.V. anderenfalls den im Hinblick auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen - auch seines eigenen Arbeitsplatzes - erforderlichen Kredit nicht gewährt bzw. den zum damaligen Zeitpunkt bestehenden vertragslosen Zustand hinsichtlich des Kredites nicht geregelt hätte. Im Übrigen müsse ihm die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit von Arbeitnehmerbürgschaften zu Gute kommen. Schließlich bestreitet der Beklagte die Höhe der Hauptforderung.

Im Übrigen wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 01.09.2005 antragsgemäß zur Zahlung von 100.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 13.03.2004 verurteilt.

Es hat zur Begründung ausgeführt, die Bürgschaft sei nicht dadurch entfallen, dass der Beklagte als Vorstand abberufen worden sei. Die Bürgschaftsurkunde selbst, die die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich habe, enthalte keine entsprechende Vereinbarung. Eine solche ergebe sich auch nicht aus der vom Beklagten behaupteten Erklärung vom 19.09.2002. Diese könne nämlich auch dahin verstanden werden, dass die Bürgschaftsverpflichtung solange wirksam sein sollte, bis der jeweilige Nachfolger im Vorstandsamt eine entsprechende Erklärung abgegeben habe. Dies habe die Klägerin auch durch die Kreditbestätigung vom 06.11.2002 zum Ausdruck gebracht. Im Übrigen spreche die ausweislich des Protokolls der Mitgliederversammlung des I... e.V. getroffene Regelung über die Freistellung des Beklagten von seiner Verpflichtung aus der Bürgschaftsurkunde im Innenverhältnis dafür, dass der Beklagte selbst die Vereinbarung mit der Klägerin nicht dahin verstanden habe, dass die Bürgschaftsverpflichtung schon mit seiner Abberufung aus dem Vorstand ende.

Die Bürgschaft sei auch nicht sittenwidrig. Die Sittenwidrigkeit ergebe sich nicht daraus, dass die I... e.V. zur Zeit der Darlehensgewährung wirtschaftlich unter Druck gestanden habe. Die Sittenwidrigkeit lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass die Erfüllung der Bürgschaftsforderung den Beklagten - dies als zutreffend unterstellt - finanziell krass überfordert habe. Die Rechtsprechung des BGH zur Annahme einer Sittenwidrigkeit wegen krasser Überforderung in einem Fall, in dem sich ein Arbeitnehmer aus Sorge um seinen Arbeitsplatz zu Forderungen gegen seinen Arbeitgeber verbürge, begegne bereits grundsätzlichen Bedenken. Im Übrigen handele es sich bei dem Beklagten nicht um irgend einen Arbeitnehmer des I... e.V. sondern um dessen Vorstand. Dass der Beklagte "nur" Vorstand des I... e.V. gewesen sei, also ein Gehalt bezogen und nicht als Gesellschafter am Gewinn beteiligt gewesen sei, sei unerheblich. Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten nach seinem Ausscheiden nicht unbefristet weiterlaufen sollte, sondern die Klägerin ihn aus der Verpflichtung entlassen hätte, wenn ein neuer Vorstand sich entsprechend verbürgt hätte.

Der Einwand des Beklagten gegen den Saldo per 31.12.2003 sei unerheblich. Es sei unstreitig, dass die Darlehensforderung ursprünglich 1.022.600,00 € betragen habe. Die Klageforderung in Höhe von 100.000,00 € sei daher begründet, wenn nicht die Hauptforderung unter 100.000,00 € gesunken sei. Insoweit obliege die Darlehens- und Beweislast dem Beklagten.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingereichten und begründeten Berufung, mit der sein Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt. Er macht geltend, das Landgericht habe ihm zu Unrecht die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt, dass die Hauptforderung unter 100.000,00 € gesunken sei. Die Klägerin habe vielmehr die Klageforderung nicht schlüssig dargelegt; soweit sie sich auf ein Saldoanerkenntnis stützen wolle, habe sie den Zugang des Rechnungsabschlusses zu beweisen. Das Landgericht hätte auch nicht davon ausgehen dürfen, dass die Bürgschaft nicht zeitlich befristet gewesen sei; es hätte vielmehr den Beweisangeboten des Beklagten zum Inhalt des Gesprächs vom 19.09.2002 nachgehen müssen.

Ebenso habe sich das Landgericht ohne überzeugende Gründe gegen das Urteil des BGH vom 14.03.2003 zur Sittenwidrigkeit einer Arbeitnehmerbürgschaft gestellt und im Übrigen die Stellung des Beklagten als Vorstandsmitglied des I... e.V. falsch bewertet. Insbesondere habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem I... e.V. um einen eingetragenen Verein im Sinne des § 21 BGB gehandelt habe, dessen Geschäftsbetrieb nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei, und dass darüber hinaus die maßgeblichen Entscheidungen durch die Mitgliederversammlung des Vereins getroffen würden.

Schließlich habe der Beklagte seine Bürgschaftserklärung mit Schreiben vom 05.01.2006 gegenüber der Klägerin widerrufen. Dieser Widerruf sei auch wirksam, da der Beginn des Laufs einer Widerrufsfrist nicht nur eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung und deren Aushändigung, sondern darüber hinaus voraussetze, dass dem Beklagten durch die Klägerin eine Bürgschaftserklärung oder eine Abschrift derselben zur Verfügung gestellt worden sei. Der Beklagte könne sich nicht erinnern, dass ihm bei Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung ein Exemplar ausgehändigt worden sei. Er habe bei Durchsicht seiner Unterlagen die Bürgschaftserklärung auch nicht aufgefunden. Er bestreite daher, dass er eine Zweitschrift der Bürgschaftserklärung erhalten habe. Die von ihm unterzeichnete Bestätigung des Erhalts der Zweitschrift der Bürgschaft sei gemäß § 309 Nr. 12 b BGB als AGB der Klägerin unwirksam. Das Empfangsbekenntnis sei insbesondere von dem übrigen Vertragstext nicht hinreichend deutlich abgesetzt.

Der Beklagte beantragt,

das am 01.09.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus, Az. 2 O 53/05, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Landgericht Cottbus zurückzuverweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie vertritt insbesondere die Auffassung, der Beklagte sei mit seinem Widerruf der Bürgschaft in der Berufungsinstanz ausgeschlossen; er sei während des Rechtsstreits in der ersten Instanz durch nichts gehindert gewesen, den Widerruf zu erklären. Der Widerruf sei aber auch nicht mehr wirksam, weil die Frist zum Widerruf zwei Wochen nach der Widerrufsbelehrung vom 14.11.2002 abgelaufen sei. Soweit der Beklagte meine, seine Bestätigung für den Empfang der Bürgschaft sei gemäß § 309 Nr. 12 b BGB unwirksam, weil sie nicht auf einem gesonderten Blatt erklärt worden sei, übersehe er, dass gerade durch die Empfangsbestätigung auf der Bürgschaftsurkunde selbst am besten sichergestellt werden könne, dass der Empfang einer Zweitschrift bestätigt werde. Die Empfangsbestätigung sei hinreichend von dem weiteren Text abgegrenzt. Schließlich habe der Beklagte eine Zweitschrift der Bürgschaftsurkunde tatsächlich erhalten, was in das Wissen des Zeugen R... gestellt werde.

II.

Die Berufung ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Beklagten gegen das angefochtene Urteil steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch aufgrund der Bürgschaft vom 14.11.2002 zu.

1. Die Bürgschaft ist nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

a) Soweit der Beklagte sich auf die vom BGH entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft wegen krasser Überforderung des Bürgen stützen will, fehlt es bereits an der - vom Landgericht offen gelassenen - Voraussetzung, dass die Übernahme der Höchstbürgschaft in Höhe 100.000,00 € für ihn (den Beklagten) eine nicht hinnehmbare, mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnis unvereinbare Belastung begründet.

Maßstab für eine krasse Überforderung ist im Hinblick auf das Einkommen des Bürgen nämlich nicht, ob ihm bezogen auf sein Einkommen zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft nach Abzug seiner Lebenshaltungskosten und sonstigen Verbindlichkeiten ein "freies" Einkommen verbleibt, das ausreicht, um wenigstens die Zinsen der verbürgten Verbindlichkeit bezahlen zu können. Maßstab ist vielmehr, ob sein Einkommen gemessen an den gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO nicht einmal ermöglicht, die Zinsen für die verbürgte Verbindlichkeit zu tragen. Legt man diesen Maßstab an, reichte das Einkommen des Beklagten, das dieser in seiner Selbstauskunft vom 22.09.2002 angegeben hat, aber ohne Weiteres aus, die Zinsen für die verbürgte Verbindlichkeit zu tragen. Diese betrugen nämlich bezogen auf die Bürgschaftsbetrag von 100.000,00 € und den nach der Kreditbestätigung vom 06.11.2002 vereinbarten Zinssatz von 8,75 % jährlich 8.750,00 €, d.h. monatlich 729,17 €. Der Beklagte verfügte nach seiner Selbstauskunft allein aus seinem Gehalt über ein Nettoeinkommen in Höhe von 3.200,00 € und damit nach der Lohnpfändungstabelle zu § 850 c ZPO über ein pfändbares Einkommen in Höhe von 1.693,00 €. Selbst wenn man berücksichtigen müsste, dass der Beklagte die Einkünfte aus seinem Gehalt gerade aufgrund seines Anstellungsverhältnisses bei der Hauptschuldnerin bezog und damit in der Prognose für den Sicherungsfall, d.h. der Unfähigkeit der Hauptschuldnerin, die Kreditverbindlichkeiten weiterhin zu bedingen, gerade auch diese Einkünfte des Beklagten gefährdet sein könnten, könnte bezogen auf das Einkommen aus einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit eine krasse Überforderung nur dann angenommen werden, wenn davon ausgegangen werden müsste, dass der Beklagte nur noch in der Lage wäre, ein Einkommen zu erzielen, das unterhalb von 1.980,00 € läge. Dafür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere reicht insoweit allein der Umstand, dass der Beklagte in den neuen Bundesländern tätig ist und gerade in diesem Bereich der Bundesrepublik Deutschland die Arbeitslosenquote besonders hoch ist, nicht aus.

Es kann deshalb dahinstehen, ob und in welchem Umfang die weiteren Einkünfte des Beklagten aus Vermietung und Verpachtung, die als solche keiner Pfändungsgrenze unterliegen, bei der Bemessung des für die Verbindlichkeit aus der Bürgschaft zur Verfügung stehenden Einkommens zu berücksichtigen sind oder ob auf diese Verbindlichkeiten die von dem Beklagten nach seiner Selbstauskunft zu erbringenden Aufwendungen für Zinsen und Tilgung des durch eine Grundschuld an den vermieteten Eigentumswohnungen in B... gesicherten Darlehens anzurechnen sind.

Entgegen der Auffassung des Beklagten spricht auch viel dafür, dass bei der Beurteilung einer krassen Überforderung des Beklagten das von ihm in der Selbstauskunft mit 280.000,00 € angegebene Vermögen - wenn auch abzüglich der mit 224.000,00 € valutierenden Grundschuld - d.h. aber jedenfalls in Höhe der verbleibenden 56.000,00 € zu berücksichtigen wäre, so dass die Zinsen, die der Beklagte aus seinem Einkommen erbringen müsste, nur aus einem Betrag von 44.000,00 € in Ansatz zu bringen wären mit der Folge, dass die Bürgschaft schon dann nicht als sittenwidrig angesehen werden könnte, wenn der Beklagte aus seinem Einkommen auch nur Zinsen in Höhe von 320,83 €/Monat aufzubringen könnte. Letztlich kann aber auch diese Frage dahinstehen.

b) Selbst wenn man nämlich von einer krassen Überforderung des Beklagten ausginge, reicht allein der Umstand, dass der Bürge danach voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft tragen kann, nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. nur beispielhaft: Urteil vom 14.05.2002, XI ZR 50/01). Auf zusätzliche Umstände, die die Sittenwidrigkeit begründen könnten, kann sich der Beklagte aber ebenfalls nicht mit Erfolg stützen.

aa) Er hat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Klägerin die Übernahme der Bürgschaft durch unangemessenen Druck oder die Ausnutzung einer Zwangslage erreicht hat.

Allein der Umstand, dass der Beklagte als Vorstandsmitglied des I... e.V. befürchten musste, dass die Klägerin dem Verein den laufenden Kontokorrentkredit in Höhe von 1.022.600,00 €, dessen Befristung am 12.03.2002 ausgelaufen war, nicht verlängern würde und damit die wirtschaftliche Existenz des I... e.V. in Frage stand, genügt nicht, um dem Verlangen der Klägerin nach einer Bürgschaft der hauptamtlichen Vorstände des I... e.V. ein sittlich anstößiges Gepräge zu geben. Der insoweit von der Klägerin ausgehende Druck stellt sich vielmehr als Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen dar (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 23.01.1997, IX ZR 55/96). Dass die Klägerin im Zusammenhang mit der weiteren Verlängerung des Kredits Sicherheiten forderte, ist legitim. Ebenso legitim ist es, dass die Klägerin eine Sicherheit in Form einer Bürgschaft gerade von dem Beklagten als im September 2002 in den Vorstand des I... e.V. gewähltem und aufgrund des Anstellungsvertrages vom 04.09.2002 hauptamtlich tätigem Vorstandsmitglied forderte. Die gängige Bankpraxis, die Kreditgewährung davon abhängig zu machen, dass die rechtlich und wirtschaftlich verantwortlichen Personen für die entstehenden Forderungen eintreten, ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. nur BGH, Urteil vom 18.09.2001, IX ZR 183/00). Hier kommt hinzu, dass die Klägerin nicht etwa mit der Bürgschaft des Beklagten eine neue, unerwartete Sicherheit verlangte sondern eine Sicherheit, die sie in gleicher Weise von den vorherigen Vorständen des I... e.V., den ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern O... K... und V... G..., verlangt hatte, die - unstreitig - nach der Bürgschaftsübernahme durch den Beklagten aus den von ihnen übernommenen Bürgschaften entlassen wurden. Mit einer Druck- oder Überrumpelungssituation, wie sie der BGH im Einzelfall als sittenwidrig erachtet hat (BGH, Urteil vom 16.01.1997, IX ZR 250/95), ist deshalb der vorliegende Fall nicht vergleichbar.

bb) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des BGH zur Sittenwidrigkeit einer Arbeitnehmerbürgschaft (BGH, Urteil vom 14.10.2003, XI ZR 121/02) berufen.

In der vorgenannten Entscheidung hat der BGH die Sittenwidrigkeit einer angesichts seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse für den Bürgen ruinösen Bürgschaft angenommen, die ein bei einer GmbH beschäftigter Bauleiter für Darlehensverbindlichkeiten der schon zum Zeitpunkt der Kreditgewährung und Bürgschaftsübernahme in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten befindlichen und dann schon vier Monate später in Insolvenz gefallenen GmbH übernommen hatte. Dies hat der BGH u.a. damit begründet, dass der Bürge ohne Gewinnbeteiligung und ohne irgend eine Gegenleistung in einem Umfang mit dem wirtschaftlichen Risiko der Arbeitgeberin und dem Kreditrisiko belastet worden sei, der geeignet gewesen sei, ihn für den Rest seines Lebens zu ruinieren. Angesichts dieser Umstände bestehe in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wie sie seit längerer Zeit vor allem auch in den neuen Bundesländern herrsche, eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Arbeitnehmer die Bürgschaft allein aus Angst um seinen Arbeitsplatz bei der Hauptschuldnerin und den Verlust seines Einkommens, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestritten habe, übernommen habe. Diese Angst, die sich der Bank als Grund für die ersichtlich unüberlegte Übernahme der für ihm ruinösen Bürgschaft aufgedrängt habe, habe den Bürgen daran gehindert, das Risiko der ruinösen, ohne jeden Ausgleich übernommenen Bürgschaft realistisch abzuschätzen, sich zu vergegenwärtigen, dass die Verpflichtung aus der Bürgschaft nicht mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Hauptschuldnerin ende, und eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Dies habe die dem Bürgen weit überlegende Bank ausgenutzt, um das mit der Ausreichung des Geschäftskredits verbundene Risiko (auch) dem Beklagten sowie zwei anderen Arbeitnehmern der nahezu insolventen Hauptschuldnerin aufzubürden, obwohl sich die Fragwürdigkeit der Arbeitnehmerbürgschaften für sie aufdrängen musste.

Mit der dieser Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Situation ist die Übernahme der Bürgschaft durch den Beklagten nicht vergleichbar.

Es ist bereits zweifelhaft, ob die wirtschaftliche Situation des I... e.V. mit derjenigen der Hauptschuldnerin in dem vom BGH entschiedenen Fall gleichgesetzt werden kann. Jedenfalls handelt es sich bei dem Beklagten - auch wenn man annimmt, dass er, obwohl der Vertrag vom 04.09.2002 möglicherweise mit Bedacht als "Dienstvertrag" bezeichnet worden ist, in einem arbeitnehmerähnlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptschuldnerin stand - nicht um einen Bürgen, der mit einem Arbeitnehmer im Sinne der Entscheidung des BGH vom 14.10.2003 vergleichbar ist. Als hauptamtlich tätiges Vorstandsmitglied des I... e.V. war der Beklagte im Gegensatz dem Bauleiter in der Entscheidung des BGH vom 14.10.2003 in einer Position, in der er die Entstehung von Schulden des I... e.V. und dessen Möglichkeiten, bereits entstandene Verbindlichkeiten zu bedienen, beeinflussen konnte. Bürgschaften derartiger Personen sind jedoch in der Regel bereits aus diesem Grund nicht als sittenwidrig zu betrachten. Dies gilt - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht nur für den Geschäftsführer einer GmbH (vgl. dazu nur BGH WM 1996, 588, 592), sondern auch etwa für einen Handlungsbevollmächtigten, der eine GmbH anstelle des Geschäftsführers leitete und die Bürgschaft übernahm, um seinen Arbeitsplatz zu sichern (BGH, Urteil vom 16.12.1999, IX ZR 36/98) und nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats u.U. sogar für eine bürgende Ehefrau, die über eine uneingeschränkte Vollmachtsverhandlungen im Geschäftsverkehr für das von ihrem Ehemann geführte Unternehmen verfügte (Urteil vom 25.08.2004, 4 U 155/03).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es bei den vorgenannten Funktionsträgern - anders als etwa bei einem Gesellschafter einer GmbH - auch nicht entscheidend, ob der Bürge an dem Unternehmen selbst beteiligt ist und damit die Aussicht besteht, aufgrund des verbürgten Kredits an einem möglichen Gewinn zu partizipieren. Deshalb kann sich der Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass es sich bei dem I... e.V. nicht um ein Wirtschaftsunternehmen im eigentlichen Sinn, sondern um einen eingetragenen Verein im Sinne des § 21 BGB handelt, dessen (Haupt-)Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist; dies ändert nichts daran, dass der I... e.V. - wie bereits der Umstand zeigt, dass er Kreditmittel im Umfang von über einer Million DM benötigte - in erheblichem Umfang am Wirtschaftsleben teilnahm und gerade der Beklagte als hauptamtlich tätiges Vorstandsmitglied des I... e.V. Einfluss darauf hatte und nehmen konnte, welche Verbindlichkeiten der Verein einging und in welcher Weise er diese erfüllte. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte diese Entscheidungen nicht - jedenfalls nicht sämtlich -allein treffen konnte, sondern nach Ziffer 3.2 seines Anstellungsvertrages sowie den entsprechenden gesetzlichen Regelungen Entscheidungen über außergewöhnliche Geschäfte und Geschäfte, die grundlegende Änderungen des Zwecks oder der Ziele des Vereins mitbrachten, der Mitgliederversammlung zur Zustimmung vorlegen musste und auch im Übrigen an Beschlüsse der Mitgliederversammlung gebunden war. Dieser Umstand, der sich im Übrigen auch nicht von den Bindungen eines Geschäftsführers einer GmbH an die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung unterscheidet, ändert weder etwas an den Einflussmöglichkeiten, die der Beklagte als Vorstandsmitglied auf die wirtschaftlichen Entscheidungen des I... e.V. und deren Umsetzung hatte, noch daran, dass die Klägerin aufgrund der Funktion des Beklagten davon ausgehen durfte, dass er in der Lage war, auch die ihn persönlich betreffende Entscheidung über die Übernahme der Bürgschaft unter realistischer Abwägung der damit verbundenen Chancen und Risiken zu treffen.

2. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten auch nicht automatisch mit seiner Abberufung als Vorstandsmitglied des I... e.V. vom 09.12.2003 erloschen.

Insoweit hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass gegen die Annahme, dass die Bürgschaft auf die Zeit der Tätigkeit des Beklagten im Vorstand des I... e.V. begrenzt oder befristet sein sollte, bereits die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Bürgschaftsurkunde vom 14.11.2002 spricht, die eine solche Beschränkung gerade nicht enthält.

Diese Vermutung hat der Beklagte mit seinem Vortrag zu dem (angeblichen) Inhalt des am 19.09.2002 geführten Gesprächs nicht erschüttert.

So fällt bereits auf, dass der Beklagte dem Inhalt des Gesprächs vom 19.09. 2002 durchgehend im Passiv wiedergibt, d.h. weder benennt, wer von vier Vertretern der Klägerin, die an dem Gespräch am 19.09.2002 teilgenommen haben sollen, sich zu dem Thema geäußert haben soll, noch welche Erklärungen konkret abgegeben worden sein sollen.

Jedenfalls fehlt eine plausible Erklärung des Beklagten dazu, aus welchem Grund er am 14.11.2002 sowohl die Kreditbestätigung der Klägerin vom 06.11.2002 unterzeichnet hat, obwohl auf deren Seite 2 in Bezug auf die Höchstbetragsbürgschaften der hauptamtlichen Vorstände der I... e.V. ausdrücklich formuliert ist "die Entlassung eines ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes aus der übernommenen Bürgschaft erfolgt erst, wenn der Nachfolger im Amt sich entsprechend wirksam verbürgt hat" als auch - ebenfalls am 14.11.2002 - die Bürgschaftsurkunde, die die nach den Vortrag des Beklagten besprochene Beschränkung seiner Verpflichtung ebenfalls nicht enthält. Die Erklärung des Beklagten, er habe das Kreditbestätigungsschreiben vom 06.11.2002 für eine bloße Formalie gehalten und darauf vertraut, was mit den Vertretern der Klägerin am 19.09.2002 vereinbart worden sei sowie seine rechtlichen Erwägungen, bei den Regelungen in dem Kreditbestätigungsschreiben handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin und im Übrigen um eine lediglich deklaratorische Benennung der Sicherheiten, reicht zur Erschütterung der aus der Bürgschaftsurkunde folgenden Vermutung nicht aus.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die ehemaligen Vorstandsmitglieder des I... e.V., K... und G..., von der Klägerin aus den von ihnen übernommenen Bürgschaftsverpflichtungen entlassen worden sind. Diese Entlassung erfolgte nach dem eigenen Vortrag des Beklagten erst, nachdem er seinerseits die Bürgschaft übernommen hatte. Dass die Klägerin den Beklagten ebenfalls entlassen hätte, wenn sein Nachfolger im Vorstand eine entsprechende Bürgschaft übernommen hätte, steht zwischen den Parteien jedoch ebenso außer Streit, wie der Umstand, dass eine solche Übernahme der Bürgschaft durch den Nachfolger des Beklagten nicht erfolgt ist.

Schließlich spricht gegen eine Vereinbarung zwischen den Parteien, dass die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten auf die Zeit seiner Bestellung zum Vorstand des I... e.V. begrenzt und automatisch mit seiner Abberufung enden sollte, die - bereits vom Landgericht erwähnte - im Verhältnis zwischen den Beklagten und dem I... e.V. in unmittelbaren Zusammenhang mit der Abberufung am 09.12.2003 getroffene Regelung, wonach sich der I... e.V. "im Innenverhältnis" verpflichtet hat, den Beklagten von seinen Verpflichtungen aus der Bürgschaft frei zu stellen. Auch insoweit reicht die Erklärung des Beklagten, dies sei auf eine Empfehlung des damaligen Rechtsbeistandes, Rechtsanwalt Re..., erfolgt, nicht aus. Die Empfehlung des Rechtsbeistandes war durchaus sinnvoll, aber eben nur, wenn die Bürgschaft im Außenverhältnis zur Klägerin über die Zeit der Beendigung der Vorstandstätigkeit hinaus wirksam blieb, und rechtfertigt deshalb die Annahme, dass auch die an der Vereinbarung vom 09.12.2003 Beteiligten (einschließlich des Beklagten) nicht von einem automatischen Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung mit der Beendigung der Vorstandstätigkeit ausgingen.

Für die Vernehmung der vom Beklagten zum Inhalt des Gesprächs vom 19.09.2002 benannten Zeugen besteht deshalb kein Anlass.

3. Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf den mit Schreiben vom 05.01.2006 erklärten Widerruf seiner Bürgschaft stützen.

a) Es sprechen bereits gute Gründe dafür, dass der diesbezügliche Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz nicht zulassungsfähig ist. Insbesondere bestehen Bedenken dagegen, ob eine Zulassungsfähigkeit gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nur deshalb angenommen werden kann, weil es sich bei dem Widerruf um eine Gestaltungserklärung handelt und diese - allein vom Willen des Beklagten abhängige - Erklärung erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung abgegeben worden ist, obwohl die Voraussetzungen für den Widerruf und damit die Möglichkeit der Abgabe der Gestaltungserklärung - wenn überhaupt - auch bereits in der ersten Instanz vorgelegen haben. Ein zwingender Grund, weshalb die Abgabe einer Gestaltungserklärung nicht ebenso dem Novenrecht des § 531 Abs. 2 ZPO unterfallen und damit im Hinblick auf § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nur zulassungsfähig sein soll, wenn die Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht, ist ebenso wenig erkennbar, wie dies bei der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB (vgl. dazu nur: Zöller/Gummer-Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 533 Rn. 17) oder für die Geltendmachung der Einrede der Verjährung (BGH Urteil vom 21.12.2005 - Az: X ZR 165/04 ) der Fall ist.

b) Letztlich bedarf es dazu jedoch keiner grundsätzlichen Entscheidung durch den Senat, da dem Beklagten am 06.01.2005 ein Recht zum Widerruf der Bürgschaft nicht mehr zustand.

Zwar hat die Klägerin den Beklagten ein solches Widerrufsrecht eingeräumt. Die danach bestehende Frist zum Widerruf begann jedoch - auch gemessen an den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB - am 14.11.2002.

Dass die Widerrufsbelehrung als solche den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB entspricht, wird vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Der Beklagte bestreitet lediglich, dass ihm über die Widerrufsbelehrung hinaus auch die Bürgschaftserklärung als solche "in Textform mitgeteilt", d.h. übergeben worden ist.

Zweifel bestehen allerdings bereits daran, ob das Bestreiten der Übergabe einer Zweitschrift der Bürgschaftsurkunde durch den Beklagten überhaupt erheblich ist, da er dieses lediglich damit begründet, er könne sich eine Übergabe der Bürgschaftsurkunde durch die Klägerin nicht erinnern und habe eine solche auch nicht in seinen Unterlagen vorgefunden.

Selbst wenn man dieses an § 138 Abs. 4 ZPO zu messende Bestreiten mit Nichtwissen als zulässig erachtet, reicht es aber jedenfalls nicht aus, um die zugunsten der Klägerin streitende Vermutung der Aushändigung einer Zweitschrift der Bürgschaft zu erschüttern, die sich aus dem vom Beklagten unstreitig am 14.11.2002 auf dem Original der Bürgschaftsurkunde unterzeichneten Empfangsbekenntnis ergibt.

Dieses Empfangsbekenntnis ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gemäß § 309 Nr. 12 b BGB unwirksam. § 309 Nr. 12 b BGB gilt ausdrücklich nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben sind. Dies bedeutet nicht, dass das Empfangsbekenntnis in einer gesonderten Urkunde abgegeben werden muss; es ist lediglich erforderlich, dass eine klare Trennung von dem weiteren Vertragstext erfolgt und der Kunde die Erklärung gesondert unterschreibt (vgl. nur: OLG Hamburg, ZIP 1986, 1258, 1260). Diesen Anforderungen wird das vom Beklagten unterschriebene Empfangsbekenntnis gerecht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es insbesondere nicht an einer hinreichenden Absetzung des Textes des Empfangsbekenntnisses von dem Text der Bürgschaftserklärung als solcher (zu diesem Erfordernis: BGH NJW 1993, 2868 in Bezug auf das Empfangsbekenntnis für die Widerrufsbelehrung nach dem Abzahlungsgesetz). Auch wenn man berücksichtigt, dass das Empfangsbekenntnis hinsichtlich der Zweitschrift der Bürgschaftsurkunde nicht in gleichem Maße deutlich abgesetzt ist wie das Empfangsbekenntnis hinsichtlich der Widerrufsbelehrung als solcher, so reicht es doch, dass dem Beklagten auch in Bezug auf die Bürgschaft jedenfalls die Unterzeichnung einer ersichtlich zusätzlichen Erklärung abverlangt wurde, die ebenso ersichtlich mit der Bürgschaft als solcher nichts zu tun hatte.

4. Der Beklagte kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin habe das Bestehen der Hauptforderung in Höhe von mindestens 100.000,00 € nicht hinreichend dargelegt.

Zwar mag man dem Landgericht in Bezug auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht in vollem Umfang folgen können. Die Regelungen des Kreditvertrages gemäß Kreditbestätigung vom 06.11.2002 sind dahin zu verstehen, dass die Klägerin dem I... e.V. mit einem in einem Kontokorrent geführten Rahmenkredit von 1.022.600,00 € zur Verfügung stand. Dafür spricht insbesondere die Vereinbarung zu Zinsen "auf die jeweilige Inanspruchnahme" und zu einer "Verrechnung" "über das laufende Konto". In einem Kontokorrentverhältnis obliegt es jedoch zunächst dem Anspruchsteller vorzutragen, woraus sich der von ihm geltend gemachte Saldo zum maßgeblichen Zeitpunkt - hier der Kündigung des Darlehens - ergibt. Der in Anspruchgenommene ist lediglich darlegungs- und beweispflichtig, soweit er geltend machen will, dass nicht alle zu seinen Gunsten in das Kontokorrent einzustellende Rechnungspositionen berücksichtigt worden sind oder soweit er sich auf nach der Kündigung eingetretene Erfüllungstatbestände berufen will. Dem Anspruchsteller kommt jedoch im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses eine Darlegungserleichterung in der Weise zu Gute, dass er sich entsprechend § 355 Abs. 2 HGB ggf. auf ein Saldoanerkennntnis stützen kann.

Die Klägerin hat ihrer Darlegungsobliegenheit deshalb dadurch genügt, dass sie sich, nachdem der Beklagte die Absendung und den Zugang des Rechnungsabschlusses vom 31.12.2003 bei der Hauptschuldnerin bestritten hatte, auf einen von Seiten des I... e.V. unwidersprochen gebliebenen Rechnungsabschluss vom 30.09.2003 berufen und für die Folgezeit vom 30.09.2003 bis zum 31.12.2003 sowie für die Zeit vom 31.12.2003 bis zum 19.02.2004 die entsprechenden Kontostaffeln mit den jeweiligen Einzelbuchungen vorgelegt hat. Den Zugang des Rechnungsabschlusses zum 30.09.2003 beim I... e.V. und das daraus folgende Saldoanerkenntnis hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Er hat auch im Übrigen keine Einwendungen gegen die daraus sowie aus den nachfolgenden Buchungen abzuleitende Höhe der Hauptforderung erhoben.

Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Beklagte im Hinblick auf seine weitere Tätigkeit beim I... e.V. - wenn auch nicht mehr als Vorstandsmitglied - den Rechnungsabschluss vom 31.12.2003 überhaupt wirksam mit Nichtwissen bestreiten kann, kommt es deshalb nicht mehr an.

Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 13.03.2004 ist infolge der Invollzugsetzung des Beklagten mit Schreiben vom 13.02.2004 gemäß § 288 Abs. 1 BGB begründet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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