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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.06.2004
Aktenzeichen: 4 U 193/99
Rechtsgebiete: EGBGB, ZPO, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 233 § 11 ff.
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 2 S. 2
EGBGB Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 c
EGBGB Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 d
ZPO § 62
ZPO § 62 Abs. 1 S. 2
ZPO § 148
BGB § 119
BGB § 779
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 193/99 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 9.6.2004

verkündet am 9.6.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 07.05.2004 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Rechtsstreit hat sich insgesamt durch den Vergleich vom 25.07.2001 erledigt.

Die Kosten des weiteren Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beklagte zu 1. möchte mit ihrem Antrag vom 19.02.2004 die Fortführung des Rechtsstreits erreichen, nachdem zwischen ihr und dem klagenden Land in der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2001 ein Vergleich geschlossen worden war.

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das klagende Land die Beklagten zu 1. und zu 2. auf Auflassung und Bewilligung der Eintragung hinsichtlich ihrer Miteigentumsanteile (Beklagte zu 1. 25/32; Beklagte zu 2. 7/32) an einem Grundstück Gemarkung C..., Flur 1, Flurstück 117/2 - gestützt auf Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 c EGBGB - in Anspruch genommen.

Mit Teilversäumnisurteil vom 20.05.1997 hat das Landgericht zunächst die Beklagte zu 2. antragsgemäß verurteilt. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden.

Die Beklagte zu 1. hat bereits mit ihrer Klageerwiderung vom 16.04.1997 den Anspruch des klagenden Landes bezogen auf eine Teilfläche des Grundstücks im Umfang von 34.979 qm anerkannt.

Im Termin vom 10.06.1997 hat die Beklagte zu 1. keinen Antrag gestellt und ist deshalb durch Schlussversäumnisurteil vom 10.06.1997 - ebenfalls antragsgemäß - bezogen auf die gesamte Grundstücksfläche von insgesamt 38.267 qm verurteilt worden.

Mir Teil- und Kostenschlussurteil vom 26.10.1999 hat das Landgericht die Beklagte zu 1. unter Aufhebung des Teilversäumnisurteils vom 10.06.1997 verurteilt "gemeinsam mit der durch Teilversäumnisurteil ... vom 07.05.1997 verurteilten Beklagten zu 2. das Eigentum an dem Grundbesitz ... Flurstück 117/2 ... an das klagende Land aufzulassen ...". Im Rahmen der Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das Teilversäumnisurteil vom 10.06.1997 sei bereits deshalb aufzuheben, weil es wegen einer notwendigen Streitgenossenschaft der Beklagten im Sinne des § 62 Abs. 1 S. 2 ZPO aufgrund deren Eigentümerstellung in ungeteilter Erbengemeinschaft keine vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Aus demselben Grund sei auch das Anerkenntnis der Beklagten zu 1. hinsichtlich der Teilfläche von 34.979 qm unwirksam.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte zu 1. Berufung eingelegt und diese u.a. damit begründet, dass ihr Teilanerkenntnis wirksam sei. Nur hinsichtlich der darüber hinaus gehenden Teilfläche des Grundstücks von 3.600 qm, bei der es sich um Gebäude- und Gartenflächen handelte und von denen 1.233 qm bereits verkauft waren, hat die Beklagte das Urteil in der Sache, d.h. in Bezug auf die Besserberechtigung im Hinblick auf Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 2 c bzw. d EGBGB, angegriffen.

Ausweislich des Grundbuchauszuges (Bl. 798 ff.) ist das ursprüngliche Flurstück 117 mit einer Größe von 38.579 qm zunächst geteilt worden in die Flurstücke 117/1 mit 1.233 qm und 117/2 mit 37.034 qm (nur dieses war Gegenstand des Rechtsstreits). Das Flurstück 117/2 ist im Verlaufe des Rechtsstreits weiter geteilt worden in die Flurstücke 327 (Gebäude- und Hofflächen 2.243 qm) und 328 (Landwirtschaftsflächen 34.791 qm).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2001 haben die Parteien sodann folgenden Vergleich geschlossen:

1. Die Beklagte zahlt an das klagende Land die Summe von 15.000,- DM.

2. Das klagende Land verzichtet im Hinblick auf das Grundstück ... Flurstück 327 mit einer Fläche von 2.243 qm, vormals ... Flurstück 117/2 ... auf Auflassungsansprüche gegen die Beklagte zu 1. ...

Das klagende Land tritt seinen Anspruch auf unentgeltliche Auflassung ... hinsichtlich des Miteigentumsanteils von 7/32 an dem vorstehend genannten Grundbesitz gegen die frühere Beklagte zu 2. ... an die Beklagte zu 1. ab. ...

3. Nach Zahlung des in Ziff. 1 bezeichneten Betrages wird das Land die Löschung der zu seinen Gunsten auf dem vorbezeichneten Grundstück eingetragenen Vormerkung bewilligen.

4.Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts.

Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 1. 3/4 und das klagende Land 1/4.

Die vorstehende Regelung gilt nicht für die Kosten des Vergleichs, die gegeneinander aufgehoben werden.

Den Streitwert hat der Senat anschließend für das Berufungsverfahren auf 93.750 DM (25/32 von 120.000,- DM) und für den Vergleich auf 120.000,- DM festgesetzt, wobei der Wert von 120.000,- DM der Streitwertfestsetzung des Landgerichts für das Gesamtgrundstück entspricht. Die Beklagte zu 1. begründet ihren Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens nunmehr damit, dass die Grundlage des Vergleich im Sinne des § 779 BGB aufgrund des Urteils des EGMR vom 22.01.2004 in Sachen J... u.a. gegen die Bundesrepublik Deutschland entfallen sei. Selbst wenn man die Voraussetzungen des § 779 BGB nicht als gegeben erachte, so habe jedenfalls ein beiderseitiger Irrtum über die Vereinbarkeit der Regelungen des Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB vorgelegen, so dass die Geschäftsgrundlage des Vergleichs entfallen sei. Das Verfahren sei aber auch deshalb fortzusetzen, weil der Vergleich sich lediglich auf das Flurstück 327 bezogen habe. Hinsichtlich des Flurstücks 328 sei weder im Vergleich eine Regelung getroffen worden, noch sei die Berufung der Beklagten zu 1. insoweit zurückgenommen worden mit der Folge, dass das Verfahren insoweit noch nicht beendet worden sei. Soweit ihre Erklärungen hinsichtlich des Flurstücks 328 ein Anerkenntnis zum Inhalt hätten, bestreite sie dessen Wirksamkeit; im Übrigen widerrufe sie nunmehr dieses Anerkenntnis. Jedenfalls sei der Vergleich jedoch, sofern er das Flurstück 328 miteinbezogen habe, ebenfalls gemäß § 779 BGB anfechtbar.

Die Beklagte zu 1. beantragt,

das Verfahren fortzusetzen sowie

1. unter Abänderung des Teilurteils und des Kostenschlussurteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26.01.1999 das Teilversäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10.06.1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen und

2. hilfsweise die Beklagte nur Zug um Zug gegen Zahlung von 59.381,11 DM zu verurteilen.

Das klagende Land beantragt,

auszusprechen, dass sich der Rechtsstreit insgesamt durch den Vergleich vom 25.07.2001 erledigt hat,

hilfsweise, die Berufung der Beklagten zu 1. zurückzuweisen.

Es macht geltend, der Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Vergleich, auf den sich die Beklagte letztlich berufe, sei nicht im Wege der Fortführung des Verfahrens, sondern im Wege einer neuen Klage geltend zu machen. Die Voraussetzungen des § 779 BGB lägen nicht vor, da Rechtsirrtümer als unbeachtlich Motivirrtümer nicht zur Anfechtungsberechtigung führen könnten. Der Rechtsstreit sei auch nicht in Bezug auf das Flurstück 328 fortzuführen, da die Berufungsbegründung der Beklagten im Hinblick auf ihre Ausführungen zum Anerkenntnis so zu verstehen sei, dass sie insoweit das Urteil des Landgerichts nicht bzw. lediglich wegen der Kostenentscheidung (§ 93 ZPO) angegriffen habe. Das Flurstück 328 sei deshalb nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag der Beklagten zu 1. auf Fortsetzung des Verfahrens nach Abschluss des Vergleichs vom 27.05.2001 hat unter keinem der von der Beklagten zu 1. angeführten Gesichtspunkte Erfolg.

1. Eine Fortsetzung des Verfahrens ist zunächst nicht wegen der Entscheidung des EGMR vom 22.01.2004 geboten.

a) Soweit die Beklagte zu 1. die Auffassung vertritt, der Vergleich vom 27.05.2001 sei - gleichgültig, ob er sich nur auf das Flurstück 327 oder auch auf das Flurstück 328 beziehe - gemäß § 779 BGB unwirksam, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden.

aa) Zwar ist der Streit über die Wirksamkeit des Vergleichs, soweit sich die Beklagte zu 1. auf § 779 BGB stützt, durch Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens und nicht im Wege eines neuen Klageverfahrens auszutragen. Die Fortsetzung des Verfahrens, in dem ein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden ist, ist nicht nur dann geboten, wenn der Vergleich aus verfahrensrechtlichen Gründen unwirksam ist, sondern auch dann, wenn Gründe geltend gemacht werden, die dazu führen, dass der Vergleich von Anfang an unwirksam ist (vgl. nur Palandt-Sprau, BGB, 63. Aufl., § 779 Rn. 31). § 779 BGB betrifft den Fall, dass der nach dem Inhalt des Vergleichs zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit, d.h. der Wirklichkeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs, nicht entspricht und führt deshalb dazu, dass der Vergleich von Anfang an "unwirksam ist", also nicht erst mit der Aufdeckung der wahren Sachlage unwirksam wird.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1. hat die Entscheidung des EGMR vom 22.01.2004 jedoch nicht zur Folge, dass der Vergleich gemäß § 779 BGB unwirksam ist.

Zwar mögen gute Gründe für die Annahme sprechen, dass der von der Beklagten zu 1. in Anbetracht der Entscheidung des EGMR vom 22.01.2004 als Anfechtungsgrund im Sinne des § 779 BGB reklamierte Irrtum über die Vereinbarkeit der Regelungen des Art. 233 § 11 ff. EGBGB mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (im folgenden EMRK) als Irrtum über den dem Vergleich zugrunde gelegten Sachverhalt im Sinne des § 779 BGB in Betracht kommt, obwohl es sich dabei nicht um einen Irrtum über Tatsachen sondern um einen reinen Rechtsirrtum handelt. Immerhin wird die Anwendbarkeit des § 779 BGB auch auf Fälle eines reinen Rechtsirrtums inzwischen von einer beachtlichen Anzahl von Stimmen in Literatur und Rechtsprechung bejaht (Palandt-Sprau, a.a.O, § 779 Rn. 14; MK-Habersack, BGB, 4. Aufl., § 779 Rn. 64; Staudinger-Marburger, BGB, 13. Bearb. (2002), § 779 Rn. 71; LG Tübingen NJW-RR 1997, 472). Diese Frage bedarf jedoch letztlich keiner Entscheidung.

Es fehlt nämlich an der zweiten Voraussetzung des § 779 BGB, wonach der dem Vergleich zugrunde gelegte Sachverhalt - d. h. hier die dem Vergleich zugrunde gelegte Rechtslage - der Wirklichkeit nicht entsprochen hat. Die Rechtslage, die die Parteien dem Vergleich vom 27.05.2001 zugrunde gelegt haben, war - auch soweit sie die Vereinbarkeit der Regelungen des Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB mit der EMRK betrifft - zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs nicht unrichtig.

Die Regelungen des Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB, die eine Verpflichtung der Erben von Bodenreformgrundstücken vorsehen, waren (und sind) ebenso geltendes Recht im Rang eines einfachen Gesetzes wie die Regelungen der EMRK, die mit ihrer Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland im Rang eines einfachen Gesetzes unmittelbar anwendbar ist (vgl. dazu nur Meyer-Ladewig, Handkommentar zur EMRK, Einleitung Rn. 29), geltendes Recht war (und ist). Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs am 27.05.2001 war lediglich umstritten, ob die Regelungen des Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB mit den Regelungen der EMRK und dessen Zusatzprotokoll vereinbar sind.

Daran hat sich aber durch die Entscheidung der 3. Kammer des EGMR vom 22.01.2004 nichts geändert. Dies gilt schon deshalb, weil es sich bei der Entscheidung des EGMR vom 22.01.2004 nicht um eine endgültige Entscheidung des EGMR im Sinne der Art. 44, 46 EMRK handelt, nachdem die Bundesrepublik Deutschland nunmehr die Verweisung an die Große Kammer des EGMR beantragt hat.

Der Umstand, dass wegen der Anrufung der Großen Kammer eine endgültige Entscheidung des EGMR noch aussteht, führt aber auch nicht dazu, dass das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung des EGMR über die Vereinbarkeit der Regelungen des Art. 233 §§ 11 ff. EGBGB mit der EMRK auszusetzen wäre.

Auch wenn die Große Kammer die Entscheidung vom 22.01.2004 bestätigen würde, könnte dies nicht zu der Annahme führen, die von den Parteien bei Abschluss des Vergleichs zugrunde gelegte Rechtslage sei unrichtig gewesen. Selbst wenn der EGMR zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die Regelungen des Art. 233 § 11 ff. EGBGB "von Anfang an" mit den Regelungen der EMRK nicht vereinbar waren, folgt daraus nichts anderes. Die EMRK verpflichtet zwar in Art. 46 die Vertragsparteien, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen. Die Feststellung und damit die Rechtskraft einer Entscheidung des EGMR bezieht sich jedoch auf die Konventionsverletzung durch einen bestimmten Verwaltungsakt oder ein bestimmtes Urteil. Das präjudizielle Rechtsverhältnis wird nicht erfasst (Hk-EMRK Art. 46 Rn. 10). Dies bedeutet in Fällen, in denen die Konventionswidrigkeit eines Verwaltungsaktes oder eines Urteils die angewandten innerstaatlichen Rechtsnormen als solche betrifft, dass der Vertragsstaat allenfalls - und dies wohl nicht einmal wegen der Wirkungen des Art. 46 EMRK, sondern wegen der Bindung an die Konvention als solche gemäß Art. 1 EMRK - allgemeine Maßnahmen treffen muss, um künftige Verstöße gegen die Konvention zu verhüten, also etwa eine Änderung des innerstaatlichen Rechts vornehmen muss (Hk-EMRK a.a.O.). Solange eine solche Änderung des innerstaatlichen Rechts nicht erfolgt ist, bleibt jedoch selbst eine konventionswidrige Norm geltendes Recht und wird auch - selbst wenn der Gesetzgeber Regelungen für bereits abgeschlossene Verfahren treffen mag - nicht etwa rückwirkend aufgehoben. Nur eine rückwirkende Aufhebung der dem Vergleichschluss zugrunde gelegten Regelungen könnte jedoch zu dazu führen, dass der dem Vergleich zugrunde gelegte Sachverhalt "der Wirklichkeit" also der Sachlage zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses, nicht entspricht.

b) Eine Anfechtung gemäß § 119 BGB als Grund für eine von Anfang an bestehende Unwirksamkeit des Vergleichs kommt nicht in Betracht, da die Parteien - wie ausgeführt - allenfalls einem Rechtsirrtum unterlegen sein könnten, dieser aber als bloßer Motivirrtum nicht zur Anfechtung nach § 119 BGB berechtigt.

c) Soweit die Beklagte zu 1. in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2004 geltend gemacht hat, die Entscheidung des EGMR vom 22.01.2004 lasse - wenn sie mangels Rückwirkung der Entscheidung des EGMR nicht zu einer Unwirksamkeit des Vergleichs im Sinne des § 779 BGB führen könne - doch jedenfalls die Geschäftsgrundlage für den Vergleich entfallen, so ist dieser Gesichtspunkt ebenfalls nicht geeignet, ihrem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zum Erfolg zu verhelfen. Der nachträgliche Wegefall der Geschäftsgrundlage für einen Vergleich kann aus den bereits zu 1. a) ausgeführten Gründen nicht im Wege der Fortsetzung des Rechtsstreits geltend gemachten werden, sondern lediglich im Wege eines neuen Klageverfahrens.

2. Der Antrag der Beklagten zu 1. auf Fortsetzung des Rechtsstreits ist schließlich auch nicht insoweit begründet, wie sie geltend macht, hinsichtlich des Flurstücks 328 sei der Rechtsstreit ohnehin noch nicht beendet.

Dieser Auffassung kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Der Vergleich vom 27.05.2001 ist vielmehr dahin auszulegen, dass er auch das Flurstück 328 umfasst und zwar in der Weise, dass es insoweit bei der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26.10.1999 verbleiben sollte.

Zwar verhält sich der Vergleich vom 27.05.2001 nicht ausdrücklich darüber, was mit dem Flurstück 328 geschehen sollte.

Aus den Umständen, die zu dem Vergleichsschluss geführt haben, insbesondere aus dem prozessualen Verhalten im Hinblick auf das Flurstück 328 lässt sich jedoch eindeutig auf einen entsprechenden Willen der Parteien schließen, mit dem Abschluss des Vergleichs den Rechtsstreit insgesamt und damit auch im Hinblick auf das Flurstück 328 in dem vorgenannten Sinne zu beenden. So hat die Beklagte zu 1. ihre Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bezogen auf das Flurstück 328 als solche nie in Frage gestellt; sie hat im Gegenteil bereits im Rahmen ihrer Klageerwiderung den Anspruch in Bezug auf die Teilfläche des damaligen Flurstücks 117/2 in einer Größe von 34.979 qm - und damit die nunmehr die unter der Bezeichnung Flurstück 328 im Grundbuch eingetragene Fläche - ausdrücklich anerkannt. Der Erlass eines entsprechenden Anerkenntnisurteils ist lediglich deshalb unterblieben, weil das Landgericht die - im Hinblick auf Art. 233 § 11 Abs. 2 S. 2 EGBGB unzutreffende - Rechtsauffassung vertreten hat, dem Erlass eines Anerkenntnisurteils stehe entgegen, dass die Beklagten zu 1. und zu 2. als Miteigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 ZPO seien. Dieser Auffassung ist die Beklagte zu 1. in der Berufungsinstanz ausdrücklich entgegengetreten und hat weiterhin reklamiert, ihr Anerkenntnis sei wirksam gewesen. Ist danach aber der Anspruch des klagenden Landes hinsichtlich des Flurstücks 328 materiell zwischen den Parteien nie streitig gewesen, so kann das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in dem Vergleich vom 27.05.2001 nur dahin ausgelegt werden, dass die Parteien es insoweit bei dem Urteil des Landgerichts verbleiben lassen wollten. Dass die Parteien mit dem Vergleich vom 27.05.2001 ihren Streit nicht nur teilweise, sondern insgesamt beenden wollten, ergibt sich bereits daraus, dass sie hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits eine Regelung für den gesamten Rechtsstreit in beiden Instanzen getroffen haben.

Die Beklagte zu 1. kann ihr Anerkenntnis hinsichtlich des Anspruches des klagenden Landes in Bezug auf das Flurstück 328 auch nicht - wie im Schriftsatz vom 18.05.2004 geschehen - wirksam widerrufen und so der vorstehenden Auslegung des Vergleichs die Grundlage entziehen. Ein Anerkenntnis kann als Prozesshandlung nur solange widerrufen werden, wie der Gegner sich auf die durch das Anerkenntnis herbeigeführte Rechtlage noch nicht eingestellt hat. Dies ist jedoch aus den vorgenannten Gründen spätestens durch die Erklärungen des klagenden Landes im Rahmen des Vergleichs vom 27.05.2001 geschehen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Zwar mag die Frage, welche Wirkungen eine Entscheidung des EGMR, mit der dieser inzident eine innerstaatliche Rechtsnorm als konventionswidrig erachtet, auf einen auf der Grundlage dieser Rechtsnorm geschlossenen gerichtlichen Vergleich hat, von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sein. Dies gilt jedoch nicht im Hinblick auf die hier allein streitentscheidende Frage der Fortsetzung des Rechtsstreits wegen der Unwirksamkeit des Vergleichs gemäß § 779 BGB. Wegen der weiteren Fragen besteht für eine Zulassung der Revision kein Anlass.

Der Streitwert wird auf 47.933,61 € (= 93.750,- DM) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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