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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.08.2005
Aktenzeichen: 4 U 34/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 157
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 270 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 2
BGB § 291
BGB § 397 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 818 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 818 Abs. 4
ZPO § 156
ZPO § 307 Abs. 1
ZPO § 267
ZPO § 525 Satz 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 533
ZPO § 533 Nr. 1
ZPO § 533 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Teilanerkenntnis- und Schlussurteil

4 U 34/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 24.08.2005

Verkündet am 24.08.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10.08.2005 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 19.01.2005 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Ihrem Anerkenntnis gemäß wird die Beklagte dazu verurteilt, den vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 31.01.2001 - 11 O 251/97 -an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte wird zudem verurteilt, an die Klägerin 7.274,78 nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz - höchstens jedoch 11,25 % - seit dem 22.04.2005 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 31.01.2001 zu betreiben. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Darin hat das Landgericht Potsdam die Vollstreckungsgegenklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte betreibe berechtigtermaßen die Zwangsvollstreckung aus dem Titel. Der zwischen den Parteien am 16.07.2001 abgeschlossene Vergleich enthalte einen auflösend bedingten Erlass des über 4.000,00 DM hinausgehenden Restbetrages aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss. Auflösende Bedingung sei der nicht rechtzeitige Eingang der Zahlung bei der Klägerin. Da der Zahlungseingang unstreitig erst nach dem 20.07.2001 erfolgt sei, sei die auflösende Bedingung eingetreten und der Erlass des Restbetrages entfallen. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagte gleichwohl auf die Zahlung des Restbetrages verzichtet hätte oder ihr Zahlungsverlangen gegen § 242 BGB verstoße. Die Behauptungen der Klägerin zu dem Inhalt eines Telefonats vom 20.07.2001 mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten seien für einen Verzicht nicht ausreichend. Die Tatsache, dass die Beklagte zunächst Pfändungsmaßnahmen zurückgenommen habe und danach etwa 1 3/4 Jahre zuwartete, bevor sie mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am 01.04.2003 ihre Ansprüche auf Zahlung des Restbetrages aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss weiterverfolgte, reiche für die Annahme des im Rahmen der Verwirkung erforderlichen Zeitmoments noch nicht aus.

Mit der Berufung rügt die in der ersten Instanz unterlegene Klägerin die materielle Rechtsanwendung, verfolgt den erstinstanzlich abgewiesenen Antrag auf Herausgabe des Titels uneingeschränkt weiter und stellt im übrigen die Vollstreckungsabwehrklage - nach einem unstreitigen vollständigen Ausgleich der Forderung durch Zahlungen vom 21.02.2005 und 23.02.2005 - auf einen Zahlungsantrag um. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für den aufschiebend bedingten Teilerlass nicht erfüllt habe. Es komme hier auf die rechtzeitige Leistungshandlung der Klägerin und nicht auf den Zahlungseingang beim Gläubiger an. Im übrigen habe der Beklagtenvertreter in dem Telefonat vom 20.07.2001 wenigstens konkludent auf die Einrede der Verfristung des Zahlungseingangs verzichtet. Anders könne auch die Kontenfreigabe nicht ausgelegt werden. Die Wiederaufnahme der Zwangsvollstreckung habe zudem Treu und Glauben widersprochen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 26.01.2005 -2 O 439/04 - zu verurteilen,

1. den vollstreckbaren Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 31.01.2001 - 11 O 251/97 - an die Klägerin herauszugeben und

2. an die Klägerin 7.274,78 € nebst 11,25 % Zinsen auf 1.000,00 € seit dem 27.10.2003, auf 2.000,00 € seit dem 21.11.2003, auf 5.900,51 € seit dem 21.02.2005 sowie auf 7.274,78 € seit dem 23.02.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat den Antrag zu Ziffer 1) in der mündlichen Verhandlung anerkannt und beantragt im übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, hält die Anwendung des materiellen Rechts durch das Landgericht für fehlerfrei und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1.

Der als Antrag zu Ziffer 1) verfolgte Herausgabeantrag der Klägerin hinsichtlich der vollstreckbaren Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts Potsdam vom 31.01.2001 ist durch das Teilanerkenntnis der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 ZPO erledigt.

2.

Die weitergehende Klage ist mit dem in der Berufungsbegründung neu eingeführten Antrag zu Ziffer 2) zulässig und überwiegend begründet.

a) Die mit der Berufungsbegründung erfolgte Klageänderung ist gemäß § 533 ZPO zulässig.

Die Umstellung der erstinstanzlich erhobenen Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) in einen Zahlungsantrag gegen die Beklagte (sogenannte "verlängerte Vollstreckungsabwehrklage") ist im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO sachdienlich und zudem mit Einwilligung der Beklagten gemäß §§ 525 Satz 1, 267 ZPO erfolgt. Soweit die Klägerin ihren Zahlungsantrag auch auf neue Tatsachen zu durch weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen veranlassten Zahlungen an die Beklagte am 21.02.2005 und 23.02.2005 - also jeweils nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils - stützt, sind diese zwischen den Parteien unstreitig. Zudem wären diese Tatsachen, die im ersten Rechtszug von der Klägerin naturgemäß nicht geltend gemacht werden konnten, auch im Rahmen der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zulassungsfähig. Damit liegt für eine zulässige Klageänderung auch die weitere Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO vor.

b) Der Zahlungsantrag der Klägerin ist auch - bis auf einen Teil der Zinsforderung - begründet.

aa) Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe von 7.274,78 € zu.

Einen Geldbetrag in dieser Gesamthöhe hat sie aufgrund der im Jahr 2003 fortgesetzten Zwangsvollstreckung an die Beklagte als Gläubigerin geleistet, obwohl diese Summe von ihr nicht gefordert werden durfte. Da die Leistungen an die Beklagte damit die Forderung überstiegen haben, hat die Klägerin insoweit ohne Rechtsgrund geleistet (vgl. auch BGH, Urteil vom 06.03.1987, BGHZ 100, 211 ff. = NJW 1987, 3266).

(1) Die Klägerin kann sich für das Fehlen eines Rechtsgrundes für die weitere Zwangsvollstreckung allerdings nicht mit Erfolg auf eine Erfüllung der Vereinbarung der Parteien vom 16.07.2001 berufen, durch die ein Erlass der Restforderung aus dem Kostenfestsetzungsbe-schluss nur unter der auflösenden Bedingung einer nicht rechtzeitigen Zahlung von 4.000,00 DM (§ 158 Abs. 2 BGB) durch die Klägerin vereinbart worden war.

(a) Die Klägerin hat mit der Überweisung des Vergleichsbetrages in Höhe von 4.000,00 DM die in der Vereinbarung vorgesehene Zahlungsfrist bis zum 20.07.2001 nicht eingehalten.

(aa) Nach dem nicht auslegungsbedürftigen Text der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung sollte die Zahlung von 4.000,00 DM bis zum 20.07.2001 auf dem Geschäftskonto des Rechtsanwalts ... bei der ...bank eingehen. Durch das Abstellen auf den Geldeingang ist eine von § 270 Abs. 1 BGB abweichende Vereinbarung für die Rechtzeitigkeit der Leistung dahin getroffen worden, dass der Eintritt des Leistungserfolges, also der Eingang des Geldes auf dem Konto des Bevollmächtigten der Beklagten, und nicht - wie bei der am gleichen Tag zwischen der Klägerin und Rechtsanwalt ... in eigener Sache getroffenen Vereinbarung - der Zeitpunkt der Leistungshandlung maßgeblich sein sollte (vgl. hierzu auch: BGH, Urteil vom 24.06.1998, BGHZ 139, 123 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 13.10.1992, NJW-RR 1993, 583).

(bb) Die Anforderungen dieser vertraglichen Vereinbarung über die Rechtzeitigkeit der Leistung hat die Klägerin nicht erfüllt. Es genügte für die Klägerin nicht, den Überweisungsauftrag am 19.07.2001 bei der ...bank abzugeben; durch die erst am 23.07.2001 erfolgte Abbuchung des Betrages von dem Konto der Klägerin (Wertstellung: 20.07.2001) und den erst nach dem 23.07.2001 bei der Beklagten erfolgten Geldeingang - der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nennt hierzu in seinem Schreiben vom 13.10.2004 (Anlage K 14) das Zahlungsdatum 24.07.2001 - war die vereinbarte Zahlungsfrist versäumt. Damit kam die in der Vereinbarung vom 16.07.2001 enthaltene auflösende Bedingung mit dem Ergebnis zur Geltung, dass der zunächst gewährte teilweise Forderungsverzicht durch das Eintreten des alten Rechtszustandes zum 21.07.2001 wieder entfallen war.

(b) Dem Entfallen des teilweisen Verzichts steht nicht das von der Klägerin behauptete Telefongespräch zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 20.07.2001 entgegen.

Für die Behauptung der Klägerin, Rechtsanwalt ... habe in diesem von der Beklagten bestrittenen Telefonat lediglich auf den Nachweis der rechtzeitigen Leistungshandlung Wert gelegt und hierzu um die Übersendung des Überweisungsauftrags per Telefax gebeten - jedoch keinen Vorbehalt für den Fall eines Zahlungseingangs auf seinem Geschäftskonto nach dem 20.07.2001 gemacht -, hat sie trotz des zulässigen Bestreitens der Beklagten keinen Beweis angetreten. Bereits aus diesem Grund können die Ausführungen der Klägerin zu dem Inhalt des Telefongesprächs bei der Entscheidung des Rechtsstreits nicht berücksichtigt werden.

Zudem ist dem Landgericht darin beizutreten, dass sich aus dem vorgetragenen Inhalt des Gesprächs keine schlüssige Erklärung der Beklagten dahin ergibt, dass sie nun - entgegen der schriftlichen Vereinbarung - nicht mehr an der Rechtzeitigkeitsklausel festhalten wolle. Unklar bleibt auch, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in einem etwaigen Telefonat überhaupt für diese tätig geworden ist oder ob seine - bestrittenen - Äußerungen nicht im Zusammenhang mit der zweiten Vereinbarung vom 16.07.2001 in eigener Sache gemacht worden sein könnten. Immerhin enthielt die weitere Vereinbarung vom 16.07.2001 - wie bereits erwähnt - keine Rechtzeitigkeitsklausel, so dass für die Zahlung der 5.000,00 DM an Rechtsanwalt ... persönlich nicht auf den Zahlungseingang, sondern nur entsprechend § 270 Abs. 1 BGB auf die rechtzeitige Absendung des Geldes abzustellen war. Schließlich hat die Beklagte auch zu Recht darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf den Nachweis der Leistungshandlung das Vorbringen der Klägerin unlogisch sei, da von der Klägerin bereits am 19.07.2001 eine Kopie des Überweisungsauftrags per Telefax an die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten übermittelt worden sein soll.

(2) Die Beklagte hat jedoch mit der von ihr am 25.07.2001 - unverzüglich nach dem Eingang des Überweisungsbetrages - kommentarlos veranlassten Aufhebung aller eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch die Freigabe der Kontenpfändung einen konkludenten Verzicht auf die den Betrag von 4.000,00 DM übersteigende Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam erklärt.

(a) Es ist grundsätzlich anerkannt, dass der durch eine Bedingung Begünstigte - hier: die Beklagte - einseitig auf die mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung verbundenen Rechtsfolgen verzichten kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25.03.1998, BGHZ 138, 195 ff. = NJW 1998, 2360). Für die Eindeutigkeit des für einen Verzicht notwendigen rechtsgeschäftlichen Erklärungswillens gelten hierbei - wegen der gleichgerichteten Wirkung - im Wege der Auslegung keine geringeren Anforderungen als für eine entsprechende Erklärung zur Begründung eines Erlassvertrages im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB. Dabei sind an die Feststellung eines Erlasswillens strenge Anforderungen zu stellen, da es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat in vollem Umfang anschließt, einem Erfahrungssatz entspricht, dass ein Erlass nicht zu vermuten und eine entsprechende Erklärung im Zweifel eng auszulegen ist. Die in § 157 BGB bestimmte Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben hat bei der Auslegung vertraglicher Vereinbarungen zur Folge, dass stets davon auszugehen ist, dass beide Parteien mit der getroffenen Vereinbarung ihren Interessen gerecht werden wollen. Bei der Bestimmung dieser Interessen kann die Lebenserfahrung nicht unberücksichtigt bleiben. Hiernach ist es lebensfremd, anzunehmen, dass eine Partei ohne einen besonderen Grund auf eine offensichtlich begründete Forderung verzichtet (so auch BGH, Urteil vom 09.07.1999, NJW-RR 2000, 130 m. w. N.). Für einen durchaus möglichen konkludenten Erlass ist daher ein unzweideutiges Verhalten erforderlich, das von dem Erklärungsgegner als Aufgabe des Rechts verstanden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 20.05.1981, FamRZ 1981, 763).

(b) Nach den Feststellungen des Senats liegt in dem zu entscheidenden Einzelfall bei einer Gesamtschau der vorgetragenen, unstreitigen Begleitumstände im Ergebnis ein solches unzweideutiges Verhalten der Beklagten nach dem Eingang des Geldbetrages vor.

(aa) Es sind ausnahmsweise besondere Umstände gegeben, die der Klägerin trotz des Bestehens einer titulierten Forderung die berechtigte Annahme erlaubt haben, die Beklagte habe ihre weitergehenden Rechte nach dem Erhalt der Teilzahlung aufgegeben:

(aaa) Bereits die nach dem Eingang der verspäteten Zahlung am 25.07.2001 erfolgte vorbehaltlose Rücknahme der auf der Grundlage des Kostenfestsetzungsbeschlusses eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen deutete aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin darauf hin, dass die Beklagte an ihren weiteren Rechten aus dem Titel nicht länger festhalten wollte.

(bbb) Zudem hat die Beklagte die sofortige Beendigung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auch gegenüber der Klägerin kundgetan, indem sie der Klägerin - ohne ein erläuterndes Begleitschreiben - per Telefax vom 25.07.2001 um 9.26 Uhr ihr Anschreiben vom gleichen Tag an das Amtsgericht ... (Anlage K 6 a), mit dem sie ihren Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 28.04.2001 zurückgenommen und um die Rücksendung der Vollstreckungsunterlagen gebeten hat, zur Verfügung gestellt hat. Auf die gleiche Weise hat die Beklagte der Klägerin auch ihr Anschreiben an die ...bank T... (Anlage K 6 b), in dem ausdrücklich für den Fall der schon durchgeführten Pfändung die Freigabe der gepfändeten Kontoverbindung erklärt worden ist, kommentarlos übermittelt.

Soweit die Beklagte in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.08.2005 unter Hinweis auf Seite 6 der erstinstanzlichen Klageerwiderung vom 02.11.2004 bestreitet, dass die Klägerin die insoweit vorgelegten Unterlagen von ihr oder ihrem Prozessbevollmächtigten erhalten habe, ergibt sich ein derartiges Bestreiten der Beklagten aus ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen nicht. Auf der angegebenen Seite der Klageerwiderung äußert sich die Beklagte nicht zu den beiden Schreiben vom 25.07.2001, sondern vertritt nur die Rechtsauffassung, kein Erlassangebot abgegeben zu haben. Somit handelt es sich bei dem aufgezeigten Bestreiten um ein neues Vorbringen der Beklagten nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung. Dieses neue Vorbringen, das gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO ohnehin im Berufungsverfahren nicht zulassungsfähig sein dürfte, gibt dem Senat keine Veranlassung, die ordnungsgemäß geschlossene mündliche Verhandlung gemäß §§ 525 Satz 1, 156 ZPO wiederzueröffnen.

(ccc) Schließlich kommt hinzu, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vor dem Eingang des Überweisungsbetrages auf seinem Geschäftskonto ein Telefax des Geschäftsführers der Klägerin erhalten hatte (Anlage K 4 und B 4), in dem dieser die Kopie des Überweisungsträgers vom 19.07.2001 mit dem Kommentar verbunden hatte, dass damit "die Vergleiche gültig" seien. Diese Anmerkung des Geschäftsführers der Klägerin verdeutlicht, dass er den oben aufgezeigten inhaltlichen Unterschied der beiden am 16.07.2001 getroffenen Vereinbarungen nicht richtig verstanden hatte und daher irrtümlich davon ausging, dass die von ihm veranlasste Zahlung ausreichend sei, um die Wirkungen des jeweiligen Verzichts zugunsten der Klägerin erhalten zu können. Die von ihm in diesem Zusammenhang benutzte Formulierung einer "Gültigkeit der Vergleiche" zielt sprachlich laienhaft, aber gleichwohl gut erkennbar ausschließlich darauf ab, dass wegen der aus seiner Sicht rechtzeitigen Zahlung der am 16.07.2001 vereinbarte Erlass der jeweiligen Restbeträge - hierin lag der einzige Regelungsgegenstand und der für die Klägerin wesentliche Vorteil der Vereinbarungen - wirksam bleiben soll.

Soweit die Beklagte in dem Schriftsatz vom 15.08.2005 die Auffassung vertritt, der Zugang des Telefaxes bei ihren Bevollmächtigten am 19.07.2001 sei nicht unstreitig, da die Klägerin schriftsätzlich darauf bestanden habe, dass das Telefax erst nach dem behaupteten Telefongespräch am 20.07.2001 versandt worden sei, bedarf dieser Unterschied im tatsächlichen Vorbringen der Parteien keiner weiteren Aufklärung. Da keine der Parteien den Zugang des Telefaxes vor dem 25.07.2001 in Abrede gestellt hat, kann es aus rechtlichen Erwägungen dahinstehen, ob die Übertragung dieses Schreibens schon am 19.07.2001 - so die Faxkennung, die als Uhrzeit 18.57 Uhr ausweist - oder erst am 20.07.2001 erfolgt ist.

Im übrigen ist der Senat - entgegen der von dem Beklagten in dem Schriftsatz vom 15.08.2005 geäußerten Rechtsauffassung - dazu berechtigt, dass Telefax vom 19.07.2001 in seine Gesamtschau der vorgetragenen Begleitumstände einzubeziehen und hieraus die rechtlich gebotenen Schlüsse zu ziehen. Dieses Telefax, das seinem Inhalt nach unstreitig ist, wurde von beiden Parteien als Anlage zu ihren erstinstanzlichen Schriftsätzen vorgelegt und ist damit auch im Berufungsverfahren ein Teil des zu berücksichtigenden Prozessstoffes. Zudem hat sich der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage am 10.08.2005 ausdrücklich auf den unstreitigen Inhalt des Telefaxes zum Beleg dafür bezogen, dass er davon ausgegangen sei, mit der rechtzeitigen Veranlassung der Überweisung alles zur Bewirkung des vereinbarten Erlasses Erforderliche getan zu haben. Der Umstand, dass die Klägerin in ihrem schriftsätzlichen Vorbringen dem Telefax keinen gesteigerten Wert beigemessen hat, bindet den Senat in seiner rechtlichen Würdigung nicht. Schließlich greift auch die von der Beklagten in dem Schriftsatz vom 15.08.2005 zu dem Vorbringen des Geschäftsführers der Klägerin erhobene Verspätungsrüge (§ 530 ZPO) nicht, da die Bezugnahme auf unstreitiges Tatsachenvorbringen zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits führen kann.

(ddd) Da die Beklagte, die sich die Kenntnisse ihres mit der Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss beauftragten Bevollmächtigten gemäß § 166 Abs. 1 BGB als eigene Kenntnisse zurechnen lassen muss, in Kenntnis der offen gelegten Fehlvorstellung der Klägerin über die Rechtzeitigkeit ihrer Zahlung gleichwohl ohne jede einschränkende Erklärung gegenüber der Klägerin nach dem Eingang des Geldbetrages die Zwangsvollstreckung beendet und dies der Klägerin auch mitgeteilt hatte, konnte die Klägerin dieses Verhalten der Beklagten nur dahin verstehen, dass sie ihr tatsächlich - wie vereinbart - den Rest der titulierten Forderung erlassen wollte. Angesichts der aufgezeigten Abläufe im Juli 2001 gab es für die Klägerin keinen Anlass, an der uneingeschränkten Wirksamkeit der Zahlung und dem damit verbundenen Erlassvertrag zu zweifeln. Es hätte in dieser Situation vielmehr der Beklagten oblegen, die Klägerin - etwa durch ein begleitendes Anschreiben am 25.07.2001 - auf ihren ersichtlichen Irrtum hinzuweisen und sich dabei künftige Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Titel vorzubehalten. In Ermangelung eines solchen - mündlichen oder schriftlichen -Hinweises genügen die festzustellenden Umstände für die Annahme eines konkludenten Forderungsverzichts durch die Beklagte. Da aus Sicht der Klägerin an der vollständigen Erfüllung der titulierten Forderung bis zu der Fortsetzung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Frühjahr 2003 keine Zweifel mehr bestehen konnten, kommt es nicht darauf an, dass sie vorprozessual von der Beklagten nicht die Herausgabe des aus ihrer Sicht wertlosen Titels oder die Erstellung einer Ausgleichsquittung verlangt hat.

(bb) Soweit die Beklagte demgegenüber die Auffassung vertritt, ihr Verhalten sei nicht so unzweideutig, dass es von der Klägerin als Aufgabe der weiteren Rechte aus dem Titel habe verstanden werden können, da das vorübergehende Absehen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unterschiedliche Gründe haben könne - insbesondere komme neben einer "Deeskalation" in Betracht, dass der Klägerin durch die Freigabe des Geschäftskontos eine Fortführung ihres Betriebes ermöglicht werden sollte, um ihr die Gelegenheit zu geben, die Geldbeträge zu verdienen, die von ihr in Zukunft freiwillig gezahlt werden können -, übersieht sie den aufgezeigten Zusammenhang zwischen der Erklärung der Klägerin in dem Telefax und den hiermit übereinstimmenden Erklärungen der Beklagten gegenüber der ...bank und dem Amtsgericht vom 25.07.2001, die der Klägerin noch am gleichen Tag zugänglich gemacht worden sind. In den damaligen Erklärungen findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beendigung der Zwangsvollstreckung nur vorübergehender Natur sein könnte. Eine solche Erläuterung hätte jedoch angesichts des Inhalts des Telefaxes gegenüber der Klägerin zwingend erfolgen müssen.

(3) Die von der Klägerin an die Beklagte aufgrund der gegen sie ergriffenen Zwangsvollstrek-kungsmaßnahmen zwischen dem 27.10.2003 und dem 23.02.2005 geleisteten Zahlungen belaufen sich unstreitig jedenfalls auf die von der Klägerin geforderte Gesamtsumme von 7.274,78 . Ihr liegen Teilzahlungen vom 22.10.2003 (1.000,00 ), 21.11.2003 (1.000,00 ), 21.02.2005 (3.900,51 ) und 23.02.2005 (1.374,39 ) zu Grunde. Der Gesamtbetrag ist der Klägerin von der Beklagten gemäß § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen. Auf einen etwaigen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) hat sich die Beklagte nicht berufen.

Soweit die Beklagte erstinstanzlich gegen den Rückzahlungsanspruch der Klägerin hilfsweise die Aufrechnung mit einem noch nicht titulierten Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 1.024,40 € aus dem Verfahren 51 O 46/04, Landgericht Potsdam, erklärt hatte, hat sie dieses Verteidigungsvorbringen in der Berufung nicht wieder aufgegriffen.

bb) Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz - höchstens jedoch die geforderten 11,25 % - ab dem Tag nach der Zustellung der Berufungsbegründung (21.04.2005) zu.

Der weitergehende Zinsanspruch ist unbegründet. Insbesondere besteht kein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Zinsen als gezogene Nutzungen im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB ab dem Zeitpunkt der Bereicherung. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, ob und welche Nutzungen die Beklagte aus den erhaltenen Geldbeträgen tatsächlich gezogen haben soll. Soweit sich die Klägerin zur Begründung einer Zinshöhe von 11,25 % auf einen Rechnungsabschluss ihrer Bank bezogen hat, ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ab dem 22.04.2005 Sollzinsen für einen Kontokorrentkredit zumindest in Höhe der Klageforderung in Anspruch genommenen hat.

3.

a) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Hinsichtlich der Zinsen ist die Mehrforderung der Klägerin im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.

Soweit die Beklagte in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.08.2005 den Antrag der Klägerin auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung anerkannt hat, fallen ihr auch für diesen Teil des Verfahrens die Kosten des Rechtsstreits zur Last. Eine Anwendung des § 93 ZPO kommt nicht in Betracht, da die Beklagte hinsichtlich der vollstreckbaren Ausfertigung durch ihr Verhalten zur Erhebung der Herausgabeklage Anlass gegeben hat. Die Beklagte hat insbesondere - trotz des oben aufgezeigten Verzichts auf einen Teil der titulierten Forderung - bis in den Februar 2005 mit Hilfe der vollstreckbaren Ausfertigung die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin betrieben und auch nach der Beendigung der Zwangsvollstreckung - trotz des bereits erstinstanzlich gestellten Herausgabeantrags - den Titel nicht freiwillig an die Klägerin herausgegeben.

b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

c) Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 7.374,78 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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