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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.03.2005
Aktenzeichen: 4 U 6/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 254 Abs. 2 Satz 1
BGB § 273
BGB § 273 Abs. 1
BGB § 389
BGB § 634 Abs. 1 S. 1 a. F.
BGB § 635 a. F.
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 268
ZPO § 273
ZPO § 756
ZPO § 765
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 6/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Verkündet am 16.03.2005

in dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12.01.2005 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufungen der Parteien wird das am 18.12.2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 2 O 35/01 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.759,05 € nebst 5 % Zinsen seit dem 06.10.2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Hilfswiderklage wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten jedweden Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entsteht, dass die Klägerin die bei ihr in Auftrag gegebenen Gewässerbohrungen im T...See bei P... mangelhaft ausgeführt und der Beklagten im Januar unzutreffend, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmende, als B 1.1, B 2.1, B 3.1, B 4.1, B 5.1 und B 6.1 bezeichnete Bohrproben einschließlich zugehöriger Schichtenverzeichnisse und Schichtenprofile übergeben hat, soweit dieser Schadensersatzanspruch nicht bereits durch Aufrechnung mit 6.049,60 erloschen ist.

Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3, die Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug tragen die Klägerin zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Vergütung für drei Trockenkernbohrungen im P... Jungfernsee in Anspruch.

Der Werklohnforderung liegt ein im April 2000 nebst Nachträgen geschlossener Vertrag zugrunde, der auf ein noch von einer E... Brunnenbau GmbH am 11.11.1999 unterbreitetes Angebot verweist. Daraus ist der Klägerin nach mangelfreier Leistungserbringung ein unstreitiger Vergütungsanspruch in der klagegegenständlichen und im ersten Rechtszug titulierten Höhe von 44.609,85 DM entstanden.

Die Parteien streiten darüber, ob der Werklohnanspruch durch Aufrechnung wegen Schlechterfüllung eines vorangegangenen Bohrauftrages aus Januar 2000 namentlich in Höhe der hierfür geleisteten Vergütung erloschen und im Übrigen wegen gegen die Beklagte geltend gemachter Schadensersatzansprüche durchsetzbar ist (die ihre Auftraggeberin - P... GmbH - am 07./09.02.2001 an deren Auftraggeberin - G... GmbH & Co. KG - abgetreten hat).

Der Erteilung dieses Auftrages ging das genannte, von der E... Brunnenbau GmbH am 11.11.1999 unterbreitete Angebot voraus, das die Entnahme im Wesentlichen von "gestörten Bodenproben" zum Gegenstand hatte. Dieses Angebot nahm die Beklagte unter dem 23.12.1999 an, indem sie drei Bohrungen im J...und fünf Bohrungen im T... See in Auftrag gab und dem das Angebotsschreiben mit einigen, hier nicht interessierenden Änderungen beigefügt war. Mit Schreiben noch an die E...Brunnenbau GmbH vom 03.01.2000 und mit Schreiben schon an die Klägerin vom 06.01.2000 stellte die Beklagte Lagepläne zur Verfügung. Vom 12. bis 20.01.2000 führte die Klägerin die Bohrungen als Subunternehmerin der E... Brunnenbau GmbH durch. Die von dieser unter dem 26.01.2000 gelegte Rechnung wurde von der Beklagten beglichen.

Mit Schreiben vom 18.01.2000 stellte die Beklagte der Klägerin "evtl. weitere Gewässerbohrungen auf dem T...See" für ein neues Bauvorhaben betreffend die Dükerung einer Lichtwellenleiter-Trasse im T...See in Aussicht. Am 19.01.2000 erteilte die Beklagte den - gegenforderungsgegenständlichen - Auftrag für sechs Bohrungen unter Beifügung eines Lageplanes im Maßstab von 1 : 5000, von dem streitig ist, ob die Bohrpunkte hierauf bereits bei Planüberreichung eingezeichnet waren. Die Klägerin führte die Bohrungen vom 19.01. bis 25.01.2000 durch und erstellte am 26.01.2000 ein aus den Bohrproben abgeleitetes Bodenschichtverzeichnis. Die Beklagte vergütete ihr die Werkleistung mit absprachegemäß 10.200,00 DM zzgl. Umsatzsteuer (insgesamt 6.049,60 €). In Höhe dieser Zahlung rechnet sie gegen die Werklohnforderung der Klägerin auf.

Das Bodenschichtenverzeichnis der Klägerin weist ab 1 m Seegrundtiefe im Wesentlichen sandigen Untergrund aus. Auf Grundlage dieser Feststellungen sowie nach labortechnischer Untersuchung der von der Klägerin genommenen Bohrproben erstellte die Beklagte gegenüber ihrer Auftraggeberin (P... GmbH) unter dem 02.02.2000 eine Baugrundbeurteilung. Entsprechend der Baugrundbeurteilung empfahl sie ihrer Auftraggeberin die Dükerung der Lichtwellenleiter-Trasse im Wege einer gesteuerten Horizontalbohrung oder mittels Einsatzes eines Spülschiffes. Ausweislich später durch Dritte vorgenommener Ergänzungsbohrungen wurde bis in Tiefe von durchschnittlich etwa 15 m unter Seegrund nur Schlick angetroffen.

Der gemäß Kammerbeschluss vom 30.07.2001 angeordnete Sachverständigenbeweis hat zu den Untergrundverhältnissen im Wesentlichen Folgendes ergeben:

(1) Die Bohrergebnisse der Klägerin passten nicht zu den in der Umgebung festgestellten Untergrundverhältnissen und somit könnten aus den lagemäßigen Abweichungen der beiden Bohrtrassen die durchweg signifikant unterschiedlichen Bohrergebnisse nicht erklärt werden

(2) Die unterschiedlichen Bohrergebnisse der Klägerin und der Ergänzungsbohrungen ließen sich auf der Grundlage geotechnischer Betrachtungen nicht zweifelsfrei erklären (keine Erklärung mit dem eingesetzten Bohrverfahren).

(3) Die Richtigkeit der Bohrergebnisse der Klägerin würde eine außergewöhnliche geologische Anomalie voraussetzen.

Dem folgend - hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) - hat das Landgericht der Klage nur Zug um Zug gegen Freistellung der Beklagten von jedwedem Schadensersatz stattgegeben, der ihr gegenüber von der Auftraggeberin ihrer Auftraggeberin (G...GmbH & Co. KG) wegen der Baugrundbeurteilung vom 02.02.2000 geltend gemacht wird. Über die von der Beklagten zusätzlich erklärte Aufrechnung mit der gezahlten Vergütung der 6 Bohrungen im T... See hat die Kammer nicht entschieden.

Den Befreiungsanspruch hat das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht damit begründet, dass die Vorgabe eines falschen Bohrverfahrens durch die Beklagte für die fehlerhafte Beurteilung des Seegrundes nicht ursächlich geworden sein könne. Wie der Sachverständige nämlich im Rahmen seiner mündlichen Anhörung im Verhandlungstermin vom 02.04.2003 ausgeführt habe, sei der Sandinhalt der Bohrventilbüchse nur mit vorangegangenen Schlickausspülungen erklärlich. Da Schlick einen Sandanteil von maximal 2 % habe, hätte sich zwangsläufig ein geringes Bohrvolumen ergeben müssen, was wiederum die Schlickausspülung belegt hätte.

In rechtlicher Hinsicht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte nach Abtretungsvereinbarung vom 07./09.02.2001 Schadensersatzansprüchen der Auftraggeberin ihrer Auftraggeberin ausgesetzt ist. Diese ergäben sich aus der Nichtrealisierbarkeit der von der Beklagten auf Basis der Bohrungen der Klägerin vorgeschlagenen Dükerungskonzeptionen. Der Höhe des von der Auftraggeberin der Auftraggeberin der Beklagten geltend gemachten Schadens sei die Klägerin nur pauschal und deshalb unerheblich entgegengetreten. Diese mögen zwar auch sogenannte Sowieso-Kosten enthalten, was sich aber angesichts ihrer absoluten, die Klageforderung weit übersteigenden Höhe nicht auswirke.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die unbedingte Verurteilung der Beklagten erstrebt. Die Klägerin macht unter Berufung auf die Ausführungen des Sachverständigen auf Seite 13 des Gutachtens geltend, dass die Beklagte mit der Beauftragung der Entnahme gestörter Bodenproben ein falsches Bohrverfahren vorgegeben habe. Das habe der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung bestätigt, indem er die Sandproben auf vorangegangene Ausspülungen der eingesetzten Bohrventilbüchse zurückgeführt habe. Zur Gewinnung für die Dükerung der Lichtwellenleitung hinreichender Bohrergebnisse hätten zudem die Bohrpunkte und die Maßkette durch die Beklagte festgelegt werden müssen. Diese seien im von der Beklagten dem Schreiben vom 18.01.2000 beigefügten Dükerungsplan im Maßstab 1 : 5000 indes nicht verzeichnet gewesen, sondern ihrem Geräteführer vielmehr erst nachträglich am 26.01.2000 bekannt gegeben worden. Dieser habe dann auf entsprechende Bitte der Beklagten hin eine lediglich chronologischen Zwecken dienende Nummerierung der Bohrpunkte vorgenommen (B 1.1. - B 6.1).

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem erstinstanzlichen Antrag auf unbedingte Verurteilung der Beklagten zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, das angefochtene Urteil durch Klageabweisung insoweit abzuändern, als sie zur Zahlung eines 16.759,05 € übersteigenden Betrages und zur Zahlung von Zinsen verurteilt worden ist und hilfsweise widerklagend für den Fall, dass die Beruffung der Klägerin Erfolg hat, festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten jedweden Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entsteht, dass die Klägerin die bei ihr in Auftrag gegebenen Gewässerbohrungen im T... See bei P... mangelhaft ausgeführt und der Beklagten im Januar unzutreffend, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmende, als B 1.1, B 2.1, B 3.1, B 4.1, B 5.1 und B 6.1 bezeichnete Bohrproben einschließlich zugehöriger Schichtenverzeichnisse und Schichtenprofile übergeben hat, soweit dieser Schadensersatzanspruch nicht bereits durch Aufrechnung mit 6.049,60 erloschen ist.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil in den Feststellungen und greift mit ihrer Berufung eine fehlerhafte Rechtsanwendung dergestalt an, als das Landgericht das aufrechnungsbedingte Erlöschen der Klageforderung in Höhe von umgerechnet 6.049,60 €, nämlich in Höhe der Vergütung für die schlechthin unbrauchbaren Bohrungen der Klägerin übersehen habe. Weiterhin hindere der ihr vom Landgericht einredeweise zuerkannte Freistellungsanspruch bereits den Verzugseintritt, so dass das Zinsbegehren der Klägerin endgültig hätte abgewiesen werden müssen.

II.

Die zulässigen Berufungen führen im tenorierten Umfang zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

1. Berufung der Klägerin

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, ohne dass es hierfür auf die Schlechterfüllung des Auftrages vom 19.01.2000 ankommt. Denn die Klägerin hat Anspruch auf unbedingte Zahlung des Werklohns aus dem Vertrag vom April/Mai 2000, soweit ihre Vergütungsforderung nicht durch Aufrechnung untergegangen ist.

Ein Zurückbehaltungsrecht i. S. v. § 273 Abs. 1 BGB steht der Beklagten mangels Konnexität nicht zu. Der Begriff desselben rechtlichen Verhältnisses i. S. d. Vorschrift erfordert nach der Rechtsprechung (schon des Reichsgerichts, vgl. BGHZ 47, 157) ein innerlich zusammengehöriges einheitliches Lebensverhältnis, das es als wider Treu und Glauben verstoßend erscheinen lässt, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und verwirklicht werden soll.

a) Der in dieser Definition enthaltene Treu-und-Glauben-Vorbehalt wird gerade bei Freistellungsansprüchen praktisch. Zwar kann Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB auch ein auf Befreiung von Drittschulden gerichteter Anspruch sein (BGH, NJW 1967, 1278). Weil das Zurückbehaltungsrecht ein besonderer Anwendungsfall des Verbots unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB ist, darf es jedoch nicht seinerseits zur faktischen Vereitelung der Durchsetzung der Forderung führen. Eine solche Vereitelungswirkung ist zu besorgen, wenn die Erfüllung einer nach Grund und Höhe unbestrittenen Forderung, wie es die Klageforderung ist, wegen einer Gegenforderung verweigert wird, deren Klärung schwierig und zeitraubend ist, und die Zubilligung eines Zurückbehaltungsrechts dadurch die Durchsetzung der Forderung des Gegners auf unabsehbare Zeit verhindern kann (BGHZ 91, 73).

Im Streitfall gestaltet sich die Klärung des Freistellungsanspruchs im Sinne dieser Rechtsprechung, der der Senat beitritt, offenkundig zeitraubend und schwierig, so dass die Durchsetzung des Werklohnanspruchs auf unabsehbare Zeit verhindert wird, wenn der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht eingeräumt würde. Bis heute ist ein möglicher Schadensersatzanspruch nämlich weder durch die Beklagte noch durch die Zessionarin abschließend beziffert worden. Nach einer ersten Zahlungsaufforderung aus Sommer 2001 belief sich der geltend gemachte Schaden noch auf vorläufig 808.900,00 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Nachdem die Beklagte den Schaden schriftsätzlich zunächst mit 1.142.059,60 DM zuzüglich Umsatzsteuer beziffert hat, soll er sich ausweislich des anwaltlichen Schreibens der Auftraggeberin ihrer Auftraggeberin vom 18.07.2003 auf nunmehr nur noch "zumindest ca. 300.000,00 " belaufen. Auch in der Folgezeit hat sich die Beklagte nicht in der Lage gesehen, den beklagten Schaden näher zu beziffern. Neuere und nähere Erkenntnisse zur Schadenshöhe sind bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, mithin rund fünf Jahre nach Schadenseintritt und knapp vier Jahre nach der ersten Zahlungsaufforderung, nicht vorgetragen worden; vielmehr wird seitens der Beklagten weiterer Erörterungs- und Verhandlungsbedarf mit der Zessionarin bejaht, die gegen sie neben der Hauptforderung zusätzliche Zins- und Kostenansprüche in einer 300.000,00 € insgesamt "deutlich" übersteigenden Höhe geltend mache. Nur eine genaue Bezifferung dieser Ansprüche, letztlich bis auf Euro und Cent, gäbe der Klägerin aber die Möglichkeit, die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der §§ 756, 765 ZPO nachzuweisen.

b) Davon abgesehen handelt es sich bei dem Auftrag vom 19.01.2000 und dem im April/Mai des Jahres abgeschlossenen Vertrag nicht nur um eigenständige Rechtsgeschäfte, sondern auch um deutlich voneinander unterscheidbare Lebenssachverhalte. Bei einer derartigen Sachlage käme ihre Verknüpfung i. S. d. § 273 ZPO nur dann in Betracht, wenn zwischen den Prozessparteien zum damaligen Zeitpunkt eine dauernde Geschäftsbeziehung bestanden hätte. Eine derartige laufende Geschäftsbeziehung wird allerdings nicht bereits durch die mehrmalige Erteilung auch gleichartiger Aufträge, sondern erst dann begründet, wenn ein Vertrag als Fortsetzung früherer Vertragsabschlüsse anzusehen ist (BGHZ 54, 244; OLG Naumburg, BauR 1997, 1049).

Hierfür bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Das Fortsetzungsmoment müsste nämlich bereits bei Auftragserteilung am 19.01.2000 vorgelegen haben. Dagegen spricht neben dem zeitlichen Abstand zwischen den beiden Vertragsabschlüssen bereits, dass der Auftrag aus April/Mai 2000 die Dükerung des J... und damit ein auch räumlich getrenntes Bauvorhaben betraf. Ein und dasselbe rechtliche Verhältnis wird zwar durch das Ausgangsangebot vom 11.11.1999 suggeriert. So nimmt die Beklagte in dem Auftragsschreiben vom 19.01.2000 ausdrücklich auf "den Leistungsumfang der bereits für das benachbarte Bauvorhaben ausgeführten Gewässerbohrungen ..." Bezug. Auch dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich ausweislich ihres vorangegangenen Schreibens vom 18.01.2000 um "weitere Gewässerbohrungen ... für ein neues Bauvorhaben" handelte. Vor allem aber kann dem Angebot vom 11.11.1999 deshalb nicht der Wille zur Begründung einer dauerhaften Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien entnommen werden, weil es noch von der E...Brunnenbau GmbH stammte und von der Beklagten auch dieser gegenüber angenommen wurde. Dass ein solches Rechtsgeschäft nicht zur Begründung einer dauernden Geschäftsbeziehung mit dem Subunternehmer einer der Vertragsparteien dienen kann, ist eben deshalb, weil der Subunternehmer nicht an dem Rechtsgeschäft beteiligt war, eine nicht weiter begründungsbedürftige Selbstverständlichkeit.

2. Berufung der Beklagten

Auch die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen erfolgreich.

a) Aufrechnung mit der gemäß Auftrag vom 19.01.2000 gezahlten Vergütung von 6.049,60 €

Der Werklohnanspruch der Klägerin von 44.609,85 DM ist durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB i. H. v. 11.832,00 DM erloschen, beläuft sich mithin nurmehr auf 32.777,85 DM (16.759,05 €).

aa) Die Beklagte hat einen zur Aufrechnung geeigneten Gegenanspruch infolge der Rechnungsbegleichung und damit ein Erlöschen der Klageforderung schlüssig dargelegt.

Wenn die Bohrleistungen der Klägerin eine unzutreffende Seegrundbeschaffenheit belegten, waren sie für die Beklagte völlig wertlos. Nachdem sich die Leistungen bereits in deren Baugrundbeurteilung vom 02.02.2000 verkörpert hatten, war die an sich gebotene Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 634 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. entbehrlich, weil die Nachbesserung der Bohrungen unmöglich war (§ 634 Abs. 2 BGB a. F.). Infolge dessen wäre die Beklagte zur Minderung des Werklohns um 100 % berechtigt gewesen. Da sie die Vergütung bereits entrichtet hat, kann sie das Geleistete nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangen.

bb) Im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht auch zur sicheren Überzeugung des Senats fest, dass die Bohrungen der Klägerin derart mangelbehaftet waren.

(1) So können die vom Sachverständigen als theoretische Option angesprochenen geologischen Anomalien ausgeschlossen werden. Auch die Klägerin selbst behauptet solche Anomalien nicht. Sie kann sie auch nicht gar behaupten, da sie sich selbst nicht in der Lage sieht, "ihre" Bohrpunkte zu benennen.

Davon abgesehen ist auch unerheblich, wo die Klägerin konkret gebohrt hat. Denn die vermeintlichen Anomalien müssten an jedem beliebigen Punkt ihrer sechs Bohrungen aufgetreten sein. Das kann in Anbetracht der generellen Schlickbeschaffenheit des Seegrundes zuverlässig ausgeschlossen werden. Daraus folgt des Weiteren, dass eine mangelnde Vorgabe der Bohrpunkte durch die Beklagte in keinem Fall für die Bohrergebnisse ursächlich geworden sein kann.

(2 ) Auch die Beauftragung von sogenannten gestörten Bodenproben vermag die Klägerin nicht zu entlasten.

Das Landgericht hat sachverständig beraten festgestellt, dass der Sandinhalt der Bohrventilbüchse nur mit vorangegangenen Schlickausspülungen erklärlich sei. Die Berufung zeigt keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen (§ 529 Abs. Nr. 1 ZPO). Der Sachverständige hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer überzeugungskräftig ausgeführt, dass sich in Anbetracht der Seegrundbeschaffenheit zwangsläufig ein geringes Bohrvolumen hätte ergeben müssen, weil Schlick einen Sandanteil von maximal 2 % aufweise; das hätte zugleich die Schlickausspülungen belegt und dem Bohrmeister einen Rückschluss auf die tatsächliche Bodenbeschaffenheit erlaubt. Derartige Ausspülungen erklären zudem, weshalb die nachfolgend veranlassten Ergänzungsbohrungen, die der Sachverständige ebenfalls als gestörte Bodenproben und mithin gleichwertig qualifiziert hat, die Seegrundverhältnisse zutreffend abbildeten (Seite 13 f. des Gutachtens). Denn die vom Sachverständigen dargelegten Ungenauigkeiten, die bei Probennahme mittels Ventilbüchse auftreten können, beziehen sich in erster Linie auf die Festlegung der Bodenschichtgrenzen. Der vom Sachverständigen als weitere denkbare Fehlerquelle ausgemachte Kolbeneffekt setzt demgegenüber gerade voraus, dass in den jeweiligen Bohrrohrtiefen hinreichend sandiger Boden ansteht. Folgerichtig hat der Sachverständige ausgeschlossen, dass die Bohrergebnisse der Beklagten hierdurch verursacht worden sind.

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annimmt, dass sich die Seegrundbeschaffenheit mittels den beauftragten Bodenproben nicht zuverlässig ermitteln ließ, hätte sie sich daher darauf beschränken müssen, gegebenenfalls Schlick und Sand auszuweisen. Stattdessen hat die Klägerin detaillierte Schichtenverzeichnisse erstellt, in denen unter anderem die Schichtenfolge metergenau festgelegt ist. An diesem Leistungsanspruch muss sie sich festhalten lassen. Wenn sich diese präzisen Festlegungen mit dem beauftragten Bohrverfahren nicht treffen ließen, hätte es mindestens eines dahingehenden Hinweises gegenüber der Beklagten bedurft. Einen solchen Bedenkenhinweis trägt die Klägerin nur bezüglich der Lokalisierung der Bohrpunkte vor, die aus den genannten Gründen nicht mangelursächlich geworden sein kann (oben [1]). Ihr weiterer, auf die Entbehrlichkeit derartiger Hinweise abzielender Vortrag, sie sei davon ausgegangen, dass es sich lediglich um "Voruntersuchungen zum Zwecke einer Vorplanung" gehandelt habe, reicht schon deshalb nicht aus, weil der Nutzen falscher Bohrergebnisse auch zu diesem Zweck unklar bleibt. In Ermangelung des ihr obliegenden Bedenkenhinweises schuldete die Klägerin mithin ohne weiteres korrekte Schichtenverzeichnisse, nämlich als ein zweckentsprechendes, funktionstaugliches Werk, weshalb sie sich nicht darauf berufen kann, die Leistungsvorgaben der Beklagten seien unrichtig oder unvollständig gewesen.

b) Zinsanspruch

Der auf die nach Aufrechnung verbleibende Werklohnforderung bezogene Zinsanspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus Verzug, weil der Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht zusteht (§§ 284 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F.).

c) Auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Klägerin gerichtete Hilfswiderklage

Die Hilfswiderklage der Beklagten ist zur Entscheidung gestellt, nachdem die Berufung der Klägerin mit der Verneinung eines Zurückbehaltungsrechts erfolgreich ist. Sie ist zulässig und begründet.

aa) Die Beklagte hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO). Es folgt aus denselben Gründen, aus denen ihr ein Zurückbehaltungsrecht abgesprochen worden ist. Insbesondere kann die Beklagte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auf eine vorrangige Leistungsklage verwiesen werden (oben 1. a]). Ob im Wechsel von dem Feststellungshauptantrag in einen Feststellungshilfsantrag im ersten Rechtszug eine Klageänderung zu sehen ist, kann trotz Verweigerung der Einwilligung der Klägerin hierzu dahinstehen. Denn das Landgericht hätte eine solche Klageänderung jedenfalls als sachdienlich zugelassen, weil sie ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 20.11.2003 auf seine Anregung hin erfolgte (§ 263 ZPO). An diese Bewertung der Kammer ist der Senat gemäß § 268 ZPO gebunden.

bb) Dem Grunde nach unterliegt der Schadensersatzanspruch der Beklagten keinen Bedenken. Er rechtfertigt sich aus § 635 BGB a. F. hinsichtlich der Mangel- und nahen Mangelfolgeschäden und positiver Forderungsverletzung hinsichtlich der entfernten Mangelfolgeschäden. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden (oben a]). Fehlendes Vertretenmüssen hat die Klägerin nicht dargelegt. Soweit die Begründetheit der Feststellungsklage zudem eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraussetzt (vgl. BGH, NJW 2001, 1431), ergibt sich eine solche Wahrscheinlichkeit hinreichend aus den durch die Beklagte beigebrachten, von der Zessionarin und deren Subunternehmerin stammenden Unterlagen (Anlagenkonvolut B 6). Danach hat die Abstandnahme vom ursprünglich vorgesehenen Dükerungsverfahren zu Mehrkosten geführt, die jedenfalls nicht ausschließlich Sowieso-Kosten beinhalten (z. B. Stillstands- und Vorhaltekosten).

Die Beklagte hat auch nicht ihre Schadensabwendungs- und -minderungsobliegenheit nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB verletzt, so dass sie den ihr entstehenden Schaden vollständig von der Klägerin ersetzt verlangen kann. Zwar hat sie in ihrer Baugrundbeurteilung vom 02.02.2000 gegenüber ihrer Auftraggeberin einen Hinweis auf die Entnahme lediglich "gestörter Bodenproben" unterlassen, obwohl ihr als Fachunternehmen die geringere Aussagekraft der so gewonnenen Bohrergebnisse hätte bewusst sein müssen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sich dieses Versäumnis auf die Entstehung oder die Höhe des Schadens ausgewirkt hat. Die Beklagte hat ihrer sie insoweit treffenden sekundären Darlegungslast durch den Vortrag genügt, dass sie bei Hinweisen auf schlickartigen Bodengrund zusätzlich "ungestörte", also verrohrte Erkundungsbohrungen in Auftrag gegeben hätte. Diese Behauptung wird durch den Inhalt des klagegegenständlichen Vertrags betreffend die Bohrungen im Jungfernsee unterlegt. Denn insoweit hat die Beklagte tatsächlich belastbarere Bohrungen beauftragt, nachdem mittels einer "Schlammbüchse" zunächst Schlick gebohrt wurde.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dabei hat der Senat den Wert des Feststellungsantrags auf 30.000,00 € (1/10 des zuletzt bezifferten Schadensersatzes) geschätzt und der Beklagten im zweiten Rechtszug die Verneinung des Zurückbehaltungsrechts lediglich in Höhe der Hälfte der zugesprochenen Klageforderung als Teilunterliegen zugerechnet.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

Der Gebührenstreitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 52.808,65 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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