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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.12.2007
Aktenzeichen: 4 U 64/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, VVG


Vorschriften:

BGB § 254
ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
VVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 64/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 19.12.2007

Verkündet am 19.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28.11.2007 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Chwolik-Lanfermann, den Richter am Oberlandesgericht Werth und die Richterin am Landgericht Brune

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 19. Januar 2007 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung wegen des Verlustes von Schmuckstücken in Anspruch.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.320,00 € nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz ab 28.05.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen P... und die Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Po... vom 27.04.2006.

Durch Urteil vom 19.01.2007 hat das Landgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von 12.500,00 € nebst Zinsen an den Kläger verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger dieser Betrag aus dem Versicherungsverhältnis zustehe. Nach der Aussage des Zeugen P... stehe fest, dass die Schmuckstücke dem Kläger am 09.12.2004 in der Gaststätte "M..." in B... geraubt worden seien. Der Wert der Schmuckstücke betrage nach dem Gutachten des Sachverständigen Po... rund 16.000,00 €. Ein Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB sei nicht gegeben, da er sich in einem allgemein zugänglichen Bereich der Gaststätte aufgehalten habe und es dort zuvor nicht zu solchen Vorkommnissen gekommen sei. Die Eintrittspflicht der Beklagten sei für Wertsachen allerdings auf den Betrag von 12.500,00 € begrenzt.

Gegen dieses Urteil, das ihr am 23.02.2007 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 12.03.2007 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 23.05.2007 an diesem Tag begründet.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 19.01.2007 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Im Hinblick auf das Schadensereignis vom 09.02.2004 besteht kein Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Versicherungsvertrag. Dabei kann dahinstehen, ob das Schadensereignis sich wie vom Kläger behauptet und vom Landgericht festgestellt ereignet hat und in welcher Höhe gegebenenfalls dem Kläger ein Schaden daraus erwachsen ist. Denn die Beklagte ist nach § 61 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, da der Kläger den Schadensfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt, indem er einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet, was im gegebenen Fall einem jeden einleuchten muss (BGH NJW 2005, 981, 982; 1992, 3236; NJW-RR 1994, 1469, 1471; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 276 Rn. 14, und § 277, Rn. 5; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 61, Rn. 2). Das ist für den Kläger hier zu bejahen.

Der Kläger hat sich mit auffällig sichtbaren und erkennbar wertvollen Schmuckstücken in eine - wie er selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - nur mäßig beleuchtete Räumlichkeit begeben. In der Gaststätte, die - wie er in der ersten Instanz ausdrücklich vorgetragen hat (Bl. 58 d. A.) - annähernd leer gewesen ist, hat er am Tresen sitzend mit einer ihm unbekannten Person männlichen Geschlechts ein Gespräch begonnen und sich mit dieser Person sodann in einen Nebenraum des Lokals begeben. Auch das ergibt sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers, der in der ersten Instanz ausdrücklich vorgetragen hat, dass die Gaststätte annähernd leer (Bl. 58 d. A.) und sein Gesprächspartner ihm unbekannt gewesen ist (Bl. 2, 3 d. A.); dass er mit jenem sodann das Nebenzimmer aufgesucht hat, ist der Aussage des Zeugen P... (Bl. 102 ff. d. A.) zu entnehmen, die der Kläger sich zu Eigen gemacht hat (Bl. 337 d. A.).

Dieses Verhalten ist als grob fahrlässig zu bewerten. Dem Kläger konnte und musste angesichts der dargestellten Umstände und Gegebenheiten unmittelbar einleuchten, dass er sich durch sein Verhalten einem besonderen Risiko des Bestohlen- oder Beraubtwerdens ausgesetzt hat. Das gilt umso mehr, als es sich nach der Aussage des Zeugen P... bei dem Nebenraum um ein "Separée" gehandelt hat. In dem von der Beklagten vorgelegten und seinem Inhalte nach unstreitigen Ausdruck der Homepage der Gaststätte "M..." (Bl. 110 b d. A.) ist der Raum als "darkroom" beschrieben. Es erschließt sich schon aus diesen Bezeichnungen und erst recht aus der von der Beklagten vorgelegten enzyklopädischen Definition des Begriffs "darkroom" (Bl. 110 c d. A.), dass es sich dabei um einen abgeteilten und abgedunkelten Raum handelt. Letzterem entspricht auch das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in dem ohnehin nur mäßig beleuchteten Lokal mit dem Gesprächspartner einen noch dunkleren Bereich aufgesucht; dass es sich dabei nicht um den Nebenraum, sondern um einen Bereich im Hauptraum der Gaststätte gehandelt haben soll, kann vor dem Hintergrund der Bekundungen des Zeugen P... und des Inhalts der Berufungserwiderung (Bl. 337 d. A.) indes nicht angenommen werden. Hat aber der Kläger solchermaßen mit einer ihm unbekannten Person einen dunklen und unbeaufsichtigten Raum und damit eine besonders ungeschützte Örtlichkeit aufgesucht, so hat er die einem jeden ohne weiteres ersichtliche und sich geradezu aufdrängende Gefahr einer Wegnahme des Schmucks missachtet und sich demzufolge grob fahrlässig verhalten. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass der Raum nicht mit einer Tür versehen und für jede Person, die die Toiletten des Lokals aufgesucht hat, einsehbar gewesen sei. Dieser Einwand kann schon deshalb nicht verfangen, weil - wie erwähnt - das Lokal seinerzeit von nur sehr wenigen Gästen besucht gewesen ist und der Bereich, in dem er sich aufgehalten hat, noch dunkler gewesen ist als der ohnehin nicht ausgeleuchtete Gastraum des Lokals. Zudem ergibt sich aus der Aussage des Zeugen P... (Bl. 103 d. A.), dass in der Gaststätte eine Bedienung der Gäste an ihrem Platz nicht stattgefunden hat; auch daraus erschließt sich, dass der Nebenraum ein in besonderer Weise ungeschützter Ort gewesen ist und das dem Kläger nicht verborgen geblieben sein kann.

Umstände, die eine andere rechtliche Bewertung herbeiführen könnten, lassen sich dem Vorbringen - insbesondere - des Klägers nicht entnehmen. Sein Hinweis darauf, dass er keine Drogen nimmt und nicht in Gaststätten mit anderen Menschen sexuell verkehrt (Bl. 338 d. A.), ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Denn es kommt nicht darauf an, ob er solche Gewohnheiten pflegt oder nicht; wie ausgeführt, erfüllt sein Verhalten auch dann, wenn das nicht der Fall ist, die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit. Ebenso kann dahinstehen, ob der Kläger die von ihm vorgelegte Informationsbroschüre (Bl. 66 d. A.) und die Plakataktion über Raubüberfälle unter Zuhilfenahme sogenannter "k.o.-Tropfen" erst nach oder bereits vor dem 09.02.2004 wahrgenommen hat. Denn auch ohne eine solche Warnung hat sich ihm die Erkenntnis aufdrängen müssen, dass er in der Lage, in die er sich begeben hatte, einem erheblich gesteigerten Schadensrisiko ausgesetzt gewesen ist. Schließlich ist es auch ohne Belang, ob und in welchem Umfang der Kläger zuvor alkoholhaltige Getränke, insbesondere Bier, zu sich genommen hat. Der Vortrag der Parteien bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass er infolge eines vorherigen Alkoholgenusses in seiner Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit einschränkt gewesen ist; aus diesem Grund bedarf es auch keiner Entscheidung dazu, ob in einem solchen eine - weitere - Fahrlässigkeit zu sehen sein mag.

Nach alledem ist das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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