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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 13.10.2004
Aktenzeichen: 4 U 68/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 854
BGB § 858
BGB § 891
BGB § 919
BGB § 920
BGB § 920 Abs. 1
BGB § 920 Abs. 1 Satz 1
BGB § 920 Abs. 1 S. 2
BGB § 920 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 308 Abs. 1
ZPO § 531
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 68/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 13.10.2004

Verkündet am 13.10.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22.09.2004 durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 22.03.2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über den Grenzverlauf zwischen ihren benachbarten Grundstücken.

Der Kläger ist Eigentümer der Flurstücke 25/2 und 40 der Flur 1 sowie des Flurstücks 116 der Flur 10 der Gemarkung ... Der Beklagte ist Eigentümer des Flurstücks 36 der Flur 1 der Gemarkung ...

Unstreitig ist insoweit lediglich ein Teilstück der Grenze, die sich zwischen den Flurstücken 36 und 25/2 der Flur 1 befindet. Insoweit fand im April 2000 ein förmliches Grenzfeststellungsverfahren statt, dessen Ergebnis für die Teilgrenze zwischen den beiden Messpunkten 290105 und 209110 die Parteien anerkannt haben.

Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob zwei Teiche zum Grundstück des klägerischen Flurstücks 40 der Flur 1 oder zum Flurstück 36 der Flur 1 des Beklagten gehören.

Der Kläger hat den Beklagten mit seinen Hauptanträgen auf Duldung der Vermessung und Abmarkung sowie Anerkennung der von ihm behaupteten Grundstücksgrenze sowie auf Feststellung seines Eigentums in den entsprechenden Grenzen in Anspruch genommen. Hilfsweise hat er beantragt, den Beklagten im Wege einer Grenzscheidungsklage durch Grenzbestimmung des Gerichts entsprechend zu verurteilen.

Das Landgericht hat eine amtliche Auskunft des Kataster- und Vermessungsamtes des Landkreises ... über die dort vorhandenen Unterlagen und den rechtlichen Status der betroffenen Grenzabschnitte eingeholt sowie im Rahmen eines Ortstermins die örtlichen Verhältnisse in Augenschein genommen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit Urteil vom 20.3.2004 hat das Landgericht die Grenze zwischen den Flurstücken 25/2 und 40 der Flur 1 sowie dem Flurstück 116 der Flur 10 der Gemarkung ... einerseits und den Flurstücken 36 der Flur 1 der Gemarkung ... andererseits wie folgt bestimmt:

"Das Flurstück 36 der Flur 1 ist gegenüber den Flurstücken 25/2 und 40 der Flur 1 sowie dem Flurstück 116 der Flur 10 begrenzt durch die Außenseite des am 20.2.2004 auf dem von dem Beklagten genutzten Grundstück stehenden Zaunes sowie den südlichen Rand der Grundstückszufahrt von dem Flurstück 115 der Flur 10. Die hiermit bestimmte Grenze beginnt an dem Schnittpunkt des genannten Zaunes mit der Linie zwischen den Grenzpunkten 290105 und 290110, verläuft von dort um den südöstlichen Teil des Grundstücks entlang des Zaunes bis zu dem den Flurstück der Flur 10 gegenüberliegenden Tor. Von dem südlichen Pfosten dieses Tores verläuft die Grenze in einer zum Verlauf des Zaunes an jener Stelle senkrechten Linie bis zu der Grenze mit dem Flurstück 115 der Flur 10. Der Verlauf der Grenze ist in dem als Anlage beigefügten Lageplan durch eine rotgestrichelte Linie schematisch dargestellt."

Zur Begründung hat das Landgericht in Bezug auf den (in der Berufung allein streitgegenständlichen) Hilfsantrag des Klägers u. a. ausgeführt, der Umfang, in dem der Kläger die Bestimmung des Grenzverlaufs beantrage, ergebe sich zwar nicht ausdrücklich aus seinem Klageantrag zu 3., jedoch aus seinem Vortrag, insbesondere im Schriftsatz vom 24.6.2003. Für die Bestimmung der Grenze sei gemäß § 920 Abs. 1 Satz 1 BGB der Besitzstand maßgebend. Die Bestimmung der Grenze nach diesem Besitzstand entspreche auch der Billigkeit im Sinne des § 920 BGB. Insbesondere lasse der Umstand, dass die danach maßgebliche vom Beklagten genutzte umzäunte Fläche deutlich größer sei als die im Liegenschaftskataster angegebene Grundstücksfläche von 4.650 m² die Bestimmung des Grenzverlaufs entsprechend dem Besitzstand nicht unbillig erscheinen. Soweit die Bestimmung der Grenze gemäß § 920 Abs. 2 BGB orientiert an der "feststehenden Größe der Grundstücke" erfolgen solle, sei nicht auf die aus dem Grundbuch oder Kataster ersichtliche Größe, sondern auf den tatsächlichen Flächeninhalt abzustellen. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass die ihm zur Verfügung stehenden Flächen aufgrund des derzeitigen Besitzstandes tatsächlich kleiner seien als die, die ihm nach den Kataster zustünden.

Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht dem Kläger gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO insgesamt auferlegt und insoweit ausgeführt, auch wenn der Verlauf der Grenze auf Antrag des Klägers hin gerichtlich bestimmt worden sei, so sei der Kläger doch in der Sache in vollem Umfang unterlegen, da sein Begehren darauf abgezielt habe, den Grenzverlauf anders als nach dem Besitzstand zu bestimmen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klageziel zu seinem ursprünglichen Klageantrag zu 3. (Hilfsantrag) im Wesentlichen weiter verfolgt.

Er macht geltend, das Landgericht sei mit seiner Entscheidung (eigenmächtig) über den Klageantrag des Klägers hinausgegangen, indem es die Grenze zwischen dem Flurstück 36 Flur 1 und dem Flurstück 116 der Flur 10 in die Entscheidung einbezogen habe, obwohl der Kläger lediglich die Grenze zwischen dem Flurstück 36 der Flur 1 einerseits und der Flurstücken 25/2 und 40 der Flur 1 andererseits habe geklärt wissen wollen.

In der Sache habe das Landgericht zu Unrecht nicht beachtet, dass aus den Angaben der Größe des dem Beklagten gehörenden Flurstücks 36 der Flur 1 im Kataster mit 4.650 qm zu folgern sei, dass der Beklagte die vom Landgericht als von ihm benutzt bezeichnete Grundstücksfläche in verbotener Eigenmacht besitze. Darüber hinaus habe das Landgericht § 920 Abs. 1 S. 2 BGB nicht geprüft. Auch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit gemäß § 920 Abs. 2 BGB hätte das Landgericht berücksichtigen müssen, dass die katasterlich festgelegte Fläche des Flurstücks 36 des Beklagten nur 4.650 m² betragen habe und dem Beklagten bereits durch die Überhaken in der neuesten amtlichen Flurkarte eine weitere Fläche von 618 m² zugeschlagen worden sei. Da das Landgericht dem Beklagten zu Unrecht weitere 1.500 m² und in Bezug auf das Flurstück 116 nochmals zusätzliche 2.000 m² zuerkannt habe, vergrößere sich die Größe des Grundstücks des Beklagten bei einer Grenzbestimmung, wie sie das Landgericht vorgenommen habe, auf fast das Doppelte der im Kataster angegebenen Größe. Der Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass laut Kataster eine Wasserfläche von ca. 400 m² zu dem Flurstück 36 gehört habe und es sich dabei um die beiden Teiche handeln müsse. Tatsächlich könne der Kläger nunmehr beweisen, dass die alte Wasserfläche in den 70iger Jahren ausgetrocknet und die beiden streitgegenständlichen Teiche erst 1984 ausgebaggert worden seien. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung habe das Landgericht auch beachten müssen, dass es für den Beklagten zu DDR-Zeiten ein leichtes gewesen sei, Nutzungsbefugnisse zu erhalten, weil sämtliche Flurstücke damals Volkseigentum gewesen seien. Der Beklagte habe auch nicht an einer Ausschreibung zum Flurstück 116 teilgenommen und damit nicht die Chance genutzt, auf gängigem Wege sein Eigentum zu komplettieren. Darüber hinaus habe das Landgericht selbst in seinem Beschluss vom 30.10.2003 und dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag anlässlich des Ortstermins zu erkennen gegeben, dass es innerhalb der Umzäunung für den Beklagten nicht erkennbar erforderliche Flächen gebe.

Schließlich habe das Landgericht dem Kläger zu Unrecht die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 22.3.2004 wird die Grenze zwischen den Flurstücken 25/2 und 40 der Flur 1 und dem Flurstück 115 der Flur 10, Gemarkung ..., einerseits und dem Flurstück 36 der Flur 1 der Gemarkung ... andererseits so bestimmt, dass ausgehend vom Grenzpunkt 290110 am nördlichen Ufer der beiden Teiche, in westlicher Richtung verlaufend die Grenzlinie um den westlichen der beiden Teiche verläuft und dann in westlicher Richtung schräg bis zum Flurstück 115 der Flur 10 verläuft und dort auf den südlichen Pfosten des vorhandenen Tores trifft (siehe rote Linie des diesem Antrag beigefügten Lageplanes).

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Er bestreitet insbesondere den Vortrag des Klägers in Bezug auf die beiden Teiche sowie die Angaben des Klägers zu der angeblichen Vergrößerung der Fläche des Flurstücks 36.

II.

Die Berufung ist zulässig; in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

1.Eine Abänderung des landgerichtlichen Urteils ist - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht etwa deshalb geboten, weil das Landgericht im Rahmen der vorgenommenen Grenzbestimmung über den erstinstanzlichen Antrag des Klägers hinaus gegangen wäre und damit gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen hätte. Das Landgericht hat den Antrag zu 3. des Klägers in zulässiger Weise dahin ausgelegt, dass der Kläger damit auch eine Bestimmung der Grenze zwischen seinem Flurstück 116 der Flur 10 und dem Flurstück 36 der Flur 1 des Beklagten anstrebte. Es hat zur Auslegung des Antrages aus der Klageschrift, der als solcher die konkreten Flurstücke, zwischen denen der Kläger eine Grenzziehung durch das Gericht beantragte, nicht bezeichnet, in zulässiger Weise auch den Schriftsatz des Klägers vom 24.6.2003 herangezogen. Mit diesem Schriftsatz hat der Kläger Grundbuchauszüge für seine Flurstücke 40 der Flur 1, 25/2 der Flur 1 und 116 der Flur 10 vorgelegt und erklärt "Die genannten drei Flurstücke sind gegen das Flurstück 36 der Flur 1 des Beklagten abzumarken.". Diese Äußerung des Klägers konnte das Landgericht aber nicht anders verstehen als dahin, dass der Kläger auch eine Klärung der Grenze zwischen seinem Flurstück 116 der Flur 10 und dem Flurstück 36 der Flur 1 des Beklagten anstrebte.

2.Die Grenzbestimmung, die das Landgericht auf der Grundlage des § 920 BGB vorgenommen hat, begegnet entgegen der Auffassung des Klägers keinen Bedenken.

a)Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass eine Grenzverwirrung im Sinne des § 920 BGB vorliegt, d.h., dass die richtige Grenze zwischen den Grundstücken des Klägers (Flurstücke 40 und 25/2 der Flur 1 und 116 der Flur 10 der Gemarkung ...) und dem Grundstück des Beklagten (Flurstück 36 der Flur 1 der Gemarkung ...) nicht ermittelt werden kann.

Die Grenze zwischen den genannten Flurstücken ergibt sich insbesondere weder aus dem Grundbuch noch aus dem Liegenschaftsbuch. Zwar gilt auch im Rahmen des § 920 BGB die Vermutungswirkung des § 891 BGB, die auch die Grundstücksgrenzen und die Grundflächen umfasst, die sich aus dem Grundbuch, dem Liegenschaftsbuch und der diesem zugrunde liegenden Flurkarte ergeben (vgl. dazu nur OLG Celle, NJW 1956, 632, 633; Soergel/Baur, BGB, § 920 Rn. 3). Wie das Landgericht im Zusammenhang mit einem Anspruch des Klägers aus § 919 BGB zutreffend ausgeführt hat, greift diese Vermutungswirkung im vorliegenden Fall jedoch nicht ein. Ausweislich der amtlichen Auskunft des zuständigen Kataster- und Vermessungsamtes vom 28.8.2003 liegen festgestellte Grenzpunkte im Bereich der streitgegenständlichen Flurstücke nämlich nur in Bezug auf den gemeinsamen Grenzpunkt der Flurstück 36 der Flur 1 und 116 der Flur 10 am Wege Flurstück 115 der Flur 10 sowie im Verhältnis des Flurstückes 36 der Flur 1 und des Flurstückes 40 der Flur 1 in Bezug auf den Grenzpunkt 290110 vor. Darüber hinaus steht lediglich die Grenze zwischen den Flurstücken 25/2 der Flur 1 und dem Flurstück 36 der Flur 1 zwischen den Grenzpunkten 290110 und 290105 aufgrund der Grenzfeststellung im Jahr 2000 fest. Im Übrigen gelten die Grenzen aus der maßgeblichen Sicht des Liegenschaftskatasters als nicht festgestellt. Lassen sich mithin die richtigen Grenzen zwischen den streitgegenständlichen Grundstücken nicht ermitteln, so folgt daraus aber auch, dass die Angaben des Grundbuchs über die jeweiligen Grundstücksflächen, die der Liegenschaftskarte entnommen worden sind, keine Aussagekraft für die Grenzen oder auch nur für entsprechende Größen der im jeweiligen Eigentum der Parteien stehenden Flurstücke haben und damit auch keine Vermutung im Sinne des § 891 BGB begründen können.

b)Da sich hiernach die richtigen Grenzen zwischen den streitgegenständlichen Grundstücken nicht ermitteln lassen, ist gemäß § 920 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Abgrenzung der Besitzstand, und zwar derjenige Besitzstand zur Zeit des Urteils (Staudinger/Roth, a.a.O., § 920 Rn. 11; Palandt-Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 920 Rn. 3), maßgebend. Die Feststellungen des Landgerichts in Bezug auf den Besitzstand sind nicht zu beanstanden.

aa) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte Besitzer derjenigen Flächen ist, die sich innerhalb derim Ortstermin am 20.2.2004 vorgefundenen und auf der als Anlage dem Urteil beigefügten Lageskizze rot gekennzeichneten Umzäunung befinden. Der Beklagte hat - dies ist vom Kläger nie bestritten worden - vorgetragen, dass er die innerhalb dieser Umzäunung liegenden Flächen, einschließlich der dort befindlichen zwei Fischteiche bereits seit 1981 nutzt. Sowohl diese Nutzung als auch die entsprechende Einfriedung sind Kennzeichen einer vom Rechtsverkehr anerkannten tatsächlichen Sachherrschaft einer Person über eine Sache und damit für Besitz im Sinne des § 854 BGB. Entsprechendes gilt für den Besitz des Beklagten an der Zufahrt im westlichen Grenzbereich der Flurstücke 36 und 116 zum Flurstück 115; auch diese Zufahrt wird unstreitig (allein) durch den Beklagten genutzt.

bb) Der Kläger kann sich in Bezug auf die für § 920 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblichen Besitzverhältnisse auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur der frühere Besitzstand maßgebend sein soll, wenn der Nachbar den derzeitigen Besitzstand durch verbotene Eigenmacht erlangt hat (vgl. dazu nur OLG Koblenz, OLGZ 1975, 216; Staudinger-Roth, a.a.O., § 920 Rn. 11).

Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Beklagte den Besitz an den eingezäunten Flächen sowie der Zufahrt durch verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB erlangt haben könnte. § 858 BGB definiert die verbotene Eigenmacht dahin, dass der Besitz dem vormaligen Besitzer ohne dessen Willen entzogen worden sein muss. Der Kläger hat nicht bestritten, dass der Beklagte den Besitz an den eingezäunten Flächen im Jahr 1981 aufgrund eines Mietvertrages erlangt hat. Der Besitzerwerb aufgrund eines Mietvertrages ist jedoch regelmäßig mit dem Willen des vormaligen Besitzers erlangt, da es sich bei dem vormaligen Besitz typischer Weise um den Vermieter handelt, der anderenfalls einer Verpflichtung, den Mieter den Besitz zu verschaffen, nicht nachkommen könnte.

Etwas anderes lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht daraus schließen, dass die im Grundbuch und im Liegenschaftskataster angegebene Größe des Grundstücks des Beklagten (Flurstück 36 der Flur 1) mit 4.650 m² unstreitig kleiner ist, als die innerhalb der Umzäunung liegende Fläche, die nach den - bestrittenen - Berechnungen des Klägers ca. 8.000 m² ausmachen soll. Zum Einen steht aus dem bereits unter a) ausgeführten Gründen nicht fest, dass das Flurstück 36 der Flur 1 tatsächlich nur eine Größe von 4.650 m² hat. Zum Anderen wäre eine geringere Grundstücksgröße als diejenige, die der Beklagte im Besitz hat, auch nicht geeignet zu belegen, dass der Beklagte seinen Besitz ohne Willen des Vorbesitzers erlangt hat.

c)Kann danach der Besitzstand festgestellt werden, so ist - auch dies entgegen der Auffassung des Klägers - für eine Anwendung des § 920 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Raum. Diese Regelung, wonach jedem der Grundstücke ein gleichgroßes Stück der streitigen Fläche zuzuteilen ist, greift nämlich nach den eindeutigen Gesetzeswortlaut nur ein, wenn ein Besitzstand nicht festgestellt werden kann.

d)Dem Kläger kann auch nicht gefolgt werden, soweit er die Auffassung vertritt, die vom Landgericht vorgenommene Grenzbestimmung nach Maßgabe des Besitzstandes entspreche nicht der Billigkeit im Sinne des § 920 Abs. 2 BGB.

Maßgebend für die Billigkeitskontrolle ist nach dem Wortlaut des § 920 Abs. 2 BGB, dass die Bestimmung der Grenze nach dem Maßstab des § 920 Abs. 1 BGB, hier also nach dem Besitzstand, zu einem Ergebnis führt, das mit den ermittelten Umständen, insbesondere mit der feststehenden Größe der Grundstücke, nicht übereinstimmt.

aa) Auch insoweit kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine Grenzziehung nach dem Besitzstand, wie das Landgericht vorgenommen habe, dazu führe, dass sich die Größe des Flurstückes 36 der Flur 1 im Verhältnis zu der im Grundbuch und im Kataster angegebenen Größe von 4.650 m² auf fast das Doppelte vergrößere.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist unter "feststehender Größe" der Grundstücke im Sinne des § 920 Abs. 2 BGB nicht die aus dem Bestandverzeichnis des Grundbuchs oder dem Kataster ersichtlichen Größe der Grundstücke zu verstehen. Wollte man den Begriff der "feststehenden Größe" im Sinne des § 920 Abs. 2 BGB im vorgenannten Sinne verstehen, müsste diese Regelung aufgrund der bereits erläuterten Wirkungen des § 891 BGB leer laufen, da es bei diesem Verständnis bereits an einer Grenzverwirrung überhaupt und damit an der elementaren Voraussetzung des § 920 Abs. 1 BGB fehlen würde. Der Begriff der "feststehenden Größe" ist deshalb wörtlich und damit dahin zu verstehen, dass die beiden Grundstücke in der Natur eine ganz bestimmte Größe haben (vgl. dazu BGH LM Nr. 2 zu § 920). Mit der Regelung in § 920 Abs. 2 BGB soll berücksichtigt werden, dass trotz einer Grenzverwirrung genau feststehen kann, ein wie großer Teil des streitigen Flächenabschnittes dem einen oder dem anderen Nachbarn gehört (vgl. nur Staudinger-Roth, a.a.O., § 920 Rn. 13). Anhaltspunkte dafür, dass die Grundstücke der Parteien tatsächlich etwa aufgrund der natürlichen Gegebenheiten die aus den Grundbüchern bzw. dem Liegenschaftskataster ersichtlichen Größen haben oder jedenfalls eine Gesamtgröße der streitgegenständlichen Grundstücke feststeht, aus der sich die Größenverhältnisse der Grundstücke des Klägers einerseits und des Beklagten andererseits ergeben würde, hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger noch nicht vorgetragen. Darüber hinaus könnte die Grenzbestimmung durch das Landgericht auch allenfalls dann im Verhältnis zum Kläger unbillig sein, wenn sich seine von der Grenzbestimmung betroffenen Grundstücke - auch dies nicht gemessen an den Angaben im Grundbuch oder Kataster, sondern in der Natur - verkleinern würden; dazu hat jedoch der Kläger nichts vorgetragen.

bb) Gegen die Billigkeit der vom Landgericht nach Maßgabe des durch die Umzäunung begründeten Besitzstandes des Beklagten vorgenommenen Grenzziehung spricht auch nicht, dass in der aktuellen Flurkarte sowie - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 22.9.2004 vorgetragen hat - auch schon in früheren Flurkarten sogenannte Überhaken der Flurstücke 36 und 25/2 im Verhältnis zum Flurstück 40 verzeichnet waren, die darauf hindeuten könnten, dass das Flurstück 40, das einen (ehemaligen) Bachlauf nachzeichnet, die Flurstück 36 und 25/2 der Flur 1 durchschneidet, während dies bei der vom Landgericht vorgenommenen Grenzziehung zwischen dem Flurstück 36 und dem Flurstück 40 der Flur 1 nicht mehr der Fall ist. Dieser Umstand könnte nur dann unter dem Gesichtspunkt einer in der Natur feststehenden Größe im Sinne des § 920 Abs. 2 BGB von Bedeutung sein, wenn der insoweit darlegungspflichtige Kläger vorgetragen hätte, wann und aus welchen Gründen die jeweiligen Überhaken in die Flurkarten aufgenommen sind. Aus den Katasterunterlagen als solchen ergibt sich dafür nichts.

cc) Dem Beklagten kann auch nicht dahin gefolgt werden, dass das Landgericht zu Unrecht als zusätzliches Argument für die Billigkeit der Grenzbestimmung nach dem vorgefundenen Besitzstand, insbesondere in Bezug auf die zwischen den Parteien streitigen Teiche, darauf abgestellt hat, dass sich aus dem Liegenschaftskataster für das Flurstück 36 der Flur 1 unter der Überschrift "tatsächliche Nutzung" eine Wasserfläche von 400 m² ersehen lasse. Zwar sind auch diese Angaben des Liegenschaftskatasters aus den bereits dargestellten Gründen nicht verlässlich. Immerhin ist diesen Angaben jedoch zu entnehmen, dass sich auch auf dem Flurstück 36 zumindest zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Angaben in das Liegenschaftskataster aufgenommen worden sind, eine Wasserfläche befunden haben muss. Dass es sich bei dieser Wasserfläche - entgegen dem Vortrag des Klägers in der ersten Instanz - nicht um den unstreitig ausgetrockneten Mühlenteich gehandelt haben kann, hat bereits das Landgericht überzeugend begründet. Der Kläger hat aber - auch mit seinem Vortrag in der Berufungsinstanz - nicht hinreichend dargelegt, dass es sich jedenfalls auch nicht um die streitgegenständlichen Teiche handeln kann. Selbst wenn der erstmalige Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz, die Teiche seien erst im Jahre 1984 angelegt worden, gemäß § 531 ZPO zuzulassen und bewiesen werden könnte, so könnte damit das Argument des Landgerichts nur dann entkräftet werden, wenn die Angaben zu einer Wasserfläche von 400 m² im Liegenschaftskataster schon vor 1984 aufzufinden gewesen wären; dazu hat der Kläger jedoch nichts vorgetragen.

dd) Auch die weiteren Gesichtspunkte, die der Kläger anführt, geben keinen Anlass von der Entscheidung des Landgerichts abzuweichen.

Dass es zu DDR-Zeiten für den Beklagten leicht gewesen sei, Nutzungsbefugnisse zu erhalten, da sämtliche Flurstücke damals - unstreitig - Volkseigentum waren, spricht nicht gegen die Billigkeit der Grenzziehung nach dem derzeit festzustellenden Besitzstand. Dieser Umstand ändert nämlich nichts daran, dass weder die Grenzen noch die Grundstücksgrößen der Grundstücke des Klägers einerseits und des Grundstücks des Beklagten feststehen und damit jede vom gesetzlichen Maßstab des Besitzstandes abweichende Grenzziehung eine nicht begründbare Bevorzugung des nichtbesitzenden Klägers bedeuten würde.

Gegen die Billigkeit der Grenzbestimmung des Landgerichts spricht auch nicht, dass der Beklagte sich nach dem - ebenfalls erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen und vom Beklagten bestrittenen - Vortrag des Klägers nicht an einer Ausschreibung des Flurstücks 116 beteiligt haben soll und gleichwohl durch die Grenzziehung des Landgerichts nunmehr einen Grundstücksanteil an dem Flurstück 116 in einer - nach den Angaben des Klägers - Größe von 2.000 m² erhalten soll. Zum Einen hat der Kläger auch insoweit keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der ihm verbleibende Teil des Flurstücks 116 aufgrund der Grenzziehung durch das Landgericht nunmehr tatsächlich kleiner als die im Grundbuch und im Liegenschaftskataster angegebene Größe von 4.650 m² geworden ist. Zum Anderen lag es allein im Risikobereich des Klägers, dass er das Flurstück 116 auf der Grundlage einer Größenangabe von 4.650 m² erworben hat, obwohl dieses Flurstück nicht vermessen war und sich auch aus der Flurkarte zum Liegenschaftskataster keine gesicherten Messpunkte ergaben.

Schließlich widerspricht die Grenzbestimmung des Landgerichts nach dem Besitzstand auch nicht insoweit der Billigkeit, wie dem Beklagten danach Flächen als zum Flurstück 36 gehörig zuerkannt worden sind, die für eine sinnvolle Nutzung des Grundstückes durch den Beklagten nicht zwingend erforderlich sind. Unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit im Sinne des § 920 Abs. 2 BGB könnte man allenfalls daran denken, eine Grenzbestimmung nach dem Besitzstand zu korrigieren, wenn Flächen, die für den besitzenden Grundstückseigentümer nicht zwingend erforderlich sind, für den nichtbesitzenden Nachbarn zwingend erforderlich wären. Dazu hat der Kläger jedoch nichts vorgetragen.

3.Ohne Erfolg wendet sich der Kläger auch gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts, wonach ihm die Kosten nicht nur hinsichtlich der abgewiesenen Hauptanträge zu 1. und 2., sondern auch hinsichtlich des Hilfsantrages auferlegt worden sind. Der Senat verkennt nicht, dass die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits bei einer Grenzscheidungsklage in der Literatur umstritten ist. Der Auffassung, im Falle einer Grenzbestimmung durch das Gericht trage der Beklagte, sofern er lediglich Klageabweisung beantragt habe, immer die Kosten des Rechtsstreits, auch wenn die Grenze anders geführt werde, als vom Kläger beantragt (so Staudinger-Roth, a.a.O., § 920 Rn. 20), vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Es ist vielmehr kein Grund ersichtlich, weshalb bei einer Grenzscheidungsklage die Kostenentscheidung unter Berücksichtigung des vom Landgericht zutreffend angeführten Gesichtspunkts des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in anderer Weise ausgeübt werden sollte, als in anderen Fällen einer im Ermessen des Gerichts stehenden Entscheidung über die Klageforderung. Lässt sich aber in derartigen Fällen anhand der in den Anträgen zum Ausdruck kommenden widerstreitenden Interessen der Parteien ein Obsiegen oder Unterliegen eindeutig feststellen, so sind nach diesem das gesamte Kostenrecht bestimmenden Maßstab auch die Kosten zu verteilen (so auch RGRK-Augustin, BGB, § 920 Rn. 4). Dies führt zu einer Auferlegung der Kosten auf den Kläger in vollem Umfang, da - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - sein Begehr darauf abzielte, den Grenzverlauf anders als nach dem Besitzstand zu bestimmen.

Die Nebenentscheidungen für die Berufungsinstanz beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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