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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 4 U 81/06
Rechtsgebiete: VOL/A, GWB, VgV, ZPO


Vorschriften:

VOL/A § 2 Nr. 2
VOL/A § 2 Nr. 3
VOL/A § 7 a Nr. 2 Abs. 1 lit. b
VOL/A § 7 a Nr. 5
VOL/A § 24 Nr. 2 Abs. 1
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2 a
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2 c
VOL/A § 25 Nr. 4 Satz 1 Nr. 2
VOL/A § 25 Nr. 4 Satz 1 Nr. 3
VOL/A § 27 a
GWB § 126
GWB § 100 Abs. 1
VgV § 2 Nr. 1
ZPO § 291
ZPO § 296 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 81/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 10.01.2007

verkündet am 10.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2006 durch

die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Amtsgericht Dr. Lammer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 18.05.2006 wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 18.05.2005 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aufgrund einer Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften durch die Beklagte gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Höhe des entgangenen Gewinns (positives Interesse) oder zumindest in Höhe der seitens der Klägerin im Vergabeverfahren getätigten Aufwendungen (negatives Interesse) zusteht.

Die Beklagte führte Anfang 2002 eine öffentliche Ausschreibung der technischen Betriebsführung für ihre Trinkwasserversorgung und Abwasserversorgung mit einem angegebenen geschätzten Gesamtvolumen in Höhe von 380.680,00 € durch. Gegenstand der Ausschreibung waren neben der Betriebsführung und Wartung gemäß Ziffer 5.1 des Leistungsverzeichnisses auch die mit der Betriebsführung verbundenen Kosten. Dabei wurden Nebenangebote unter Ziffer 5.3 der Bewerbungsbedingungen in Verbindung mit einem Hauptangebot ausdrücklich für zulässig erklärt. Als Ausführungszeitraum war die Zeit vom 01.04.2002 bis zum 31.03.2006, d.h. vier Jahre, vorgesehen. Die Klägerin beteiligte sich an dieser Ausschreibung mit dem Hauptangebot vom 18.02.2002 zu einem Angebotspreis in Höhe von 196.040,00 € brutto, das unter Ziffer 6.2 ein Nebenangebot hinsichtlich einer Pauschalpreisgestaltung enthielt. Fristgerecht eingereicht wurden vier Angebote, wobei die Klägerin nach der von der Beklagten vorgenommenen Bewertung in der Bieterfolge den 3. Platz nach der Entsorgungsgesellschaft E... mbH (im Folgenden E... mbH) auf Platz 1 und der A... / Bietergemeinschaft Z... (im Folgenden A...) auf Platz 2 einnahm. Die P... GmbH & Co. KG hat den 4. Platz in der Bieterfolge eingenommen. Am 21.03.2002 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, mit Wirkung zum 01.04.2002 die streitgegenständliche Leistung an die E... mbH zu vergeben. Die Beklagte schloss ebenfalls am 21.03.2002 mit der E... mbH einen entsprechenden Betriebsführungsvertrag. Dieser Vertrag enthielt keine Regelung hinsichtlich der Entsorgung von Klärschlamm sowie der Bereitstellung von Strom und Wasser und berücksichtigte für die Unterhaltung einschließlich Kleinreparaturen lediglich bis maximal 3.480,00 € pro Wirtschaftsjahr. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Vertrag vom 21.03.2002 (Anlageband Bl. 180 d. A.). Die Klägerin machte sodann mit Schreiben vom 19.07.2002 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des entgangenen Gewinns geltend. Mit Schreiben vom 05.09.2002 wies die Beklagte die Forderung zurück.

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses in Höhe von 109.920,00 €, hilfsweise einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens in Höhe von 7.070,00 € geltend.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Potsdam vom 18.05.2006 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 7.070,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.09.2002 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten lediglich ein Anspruch auf Ersatz ihres Vertrauensschadens, nicht jedoch ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns zustehe. Das Bestehen eines Anspruches der Klägerin auf Ersatz des negativen Interesses stützte das Landgericht darauf, dass die Teilnahme an einem Ausschreibungsverfahren ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Ausschreibenden und dem Bieter begründe, aus dem im Falle eines schuldhaften Verstoßes gegen die Vergabevorschriften einen Schadensersatzanspruch des Bieters folge. Das Landgericht ist der Argumentation der Klägerin zwar insoweit nicht gefolgt, dass sich allein aufgrund der Tatsache, dass der Vertrag am selben Tag unterzeichnet wurde, an dem in der Stadtverordnetenversammlung der Zuschlag beschlossen wurde, darauf schließen lasse, dass unzulässige Verhandlungen im Sinne von § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A seitens der Beklagten geführt worden seien. Das Landgericht ist jedoch der Auffassung, dass ein Verstoß gegen § 2 Nr. 3 VOL/A darin liege, dass die Mitbieterin P... GmbH & Co. KG die Ausschreibungsunterlagen erstellt habe, was seitens der Beklagten nicht bestritten worden sei. Ein vergaberechtlicher Verstoß sei hier gegeben, weil die Ausschreibung in ausschließlicher Verantwortung der Vergabestelle zu erfolgen habe. Im Übrigen stelle es einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 2 Nr. 2 VOL/A dar, wenn Projektanten, die bereits wesentliche Vorarbeiten im Zusammenhang mit der Ausführungsplanung bzw. Erstellung der Leistungsverzeichnisse erbracht haben, sich im Anschluss ebenfalls um die Vergabe bewerben. Ferner habe die Beklagte es versäumt, das Nebenangebot der Klägerin gemäß § 25 Nr. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 VOL/A zu werten. Es hätte der Beklagten oblegen, sich weitergehend mit dem Angebot, insbesondere mit den für die Störfallbeseitigung veranschlagten Kosten, auseinanderzusetzen. Nach Auffassung der Kammer sei ferner von einer fehlenden Kongruenz des mit der E... mbH geschlossenen Vertrages mit den Ausschreibungsanforderungen auszugehen. Denn diese enthielten nach Maßgabe des Leistungsverzeichnisses auch die Entsorgung von Klärschlamm, die Bereitstellung von Strom und Wasser und die Unterhaltung der Anlage einschließlich kleiner Reparaturen, die der mit der E... mbH geschlossene Betriebsführungsvertrag nicht umfasse. Schließlich sei gemäß Ziffer 5.3 der Bewerbungsbedingungen ein Nebenangebot nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen worden, die Entsorgungsgesellschaft E... mbH habe jedoch lediglich drei Nebenangebote abgegeben. Hierin liege ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 25 Nr. 1 Abs. 2 c VOL/A begründet. Aufgrund der aufgezeigten Vergabeverstöße stehe der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses in Form der durch die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren entstandenen Kosten zu, wobei deren Höhe zwischen den Parteien unstreitig geblieben sei. Ein solcher Anspruch sei regelmäßig bereits durch einen Vergabeverstoß als solchen begründet, da der Bieter in diesem Fall so zu stellen sei, wie er stünde, wenn er sich an dem streitgegenständlichen Verfahren nicht beteiligt hätte.

Das Landgericht Potsdam hat die darüber hinausgehende Forderung auf Ersatz des positiven Interesses abgewiesen.

Ein grundsätzlich vorrangiger Anspruch aus § 126 GWB scheide aus, da von einem geschätzten Gesamtvolumen der Ausschreibung in Höhe von 380.680,00 € netto auszugehen sei. Der Auftragswert liege damit unterhalb des Schwellenwerts nach § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 1 VgV, der für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Trinkwasserversorgung mit 400.000,00 € festgelegt sei.

Zudem habe es die Klägerin nicht vermocht darzulegen, dass sie bei Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Zuschlag erhalten hätte. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, dass es der Klägerin oblegen hätte, sich eingehend mit dem Angebot der zweitplatzierten Bietergemeinschaft A... Betriebsführung Z...r auseinanderzusetzen. Der Vortrag der Klägerin, das Angebot der A... sei wegen fehlender Nachweise nicht berücksichtigungsfähig gewesen, sei jedoch nicht hinreichend substanziiert. Zudem ergebe sich aus den Angebotsunterlagen, dass die entsprechenden Nachweise wie Bankenerklärung, Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamts und der Innungskrankenkasse, die Auskunft aus dem Gewerbezentralregister, der Nachweis der Berufshaftpflichtversicherung und sonstige Referenzen vorhanden gewesen seien. Das Landgericht Potsdam konnte sich auch nicht der Auffassung der Klägerin anschließen, das Angebot der A... sei wegen widersprüchlicher Angaben nicht berücksichtigungsfähig gewesen. Zwar habe diese Bieterin in der Anlage 4 des Leistungsverzeichnisses unterschiedliche Einheits- und Gesamtpreise angegeben, insoweit ergebe sich jedoch aus Ziffer 3 der zusätzlichen Vertragsbedingungen, dass der Einheitspreis der vertraglich vereinbarte Preis sei, auch wenn im Angebot der Gesamtbetrag einer Position nicht dem Ergebnis der Multiplikation von Mengensatz und Einheitspreis entspreche. Mangels Darlegung einer Kausalität des Verstoßes gegen vergaberechtliche Vorschriften für den entgangenen Gewinn scheide daher ein Anspruch auf das positive Interesse aus.

Gegen dieses Urteil wendet sich zunächst die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Ziel der vollständigen Stattgabe der Klage weiter verfolgt.

Sie rügt sowohl verfahrensrechtliche Fehler als auch die Verletzung materiellen Rechts. Das Gericht habe entscheidungserhebliche Feststellungen nicht richtig oder unvollständig gewonnen sowie in mehrfacher Hinsicht gegen die Obliegenheit zur Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen.

Sie meint, das Landgericht habe die ihm obliegenden Hinweispflichten verletzt, in dem es versäumt habe, darauf hinzuweisen, dass es davon ausgehen werde, dass der für die Anwendbarkeit des § 126 GWB maßgebliche Schwellenwert nicht erreicht worden sei. Das Landgericht habe es versäumt, Beweis darüber zu erheben, ob die mit Schriftsatz vom 30.11.2004 als Anlage K 15 eingereichte Ermittlung der Kosten der Beklagten zuzurechnen sei. Die Klägerin habe mit Schriftsatz vom 08.02.2005 diesbezüglich Zeugenbeweis angeboten. Das Gericht habe auch versäumt, die Klägerin darüber zu informieren, dass es den Vortrag der Klägerin zu unzulässigen Verhandlungen im Sinne von § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A für unzureichend bzw. nicht zwingend erachte. Auch hätte die Kammer die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass sie den Vortrag der Klägerin zum Angebot der A... / Betriebsführung Z... für unzureichend halte.

Ferner beruhe das angefochtene Urteil auch insoweit auf einem fehlerhaften Verfahren, als die Kammer sowohl den nach Ablauf der zu Protokoll vom 07.02.2006 eingeräumten Stellungnahmefrist eingereichten Schriftsatz der Beklagten vom 28.03.2006, als auch den weiteren Schriftsatz vom 04.04.2006 berücksichtigt habe. Der Vortrag der Beklagten sei verspätet gewesen, zumindest sei gemäß § 296 a ZPO eine Wiedereröffnung der Verhandlung geboten gewesen. Die Ausführungen des Landgerichts im Zusammenhang mit den Schwellenwerten und der davon abhängigen Anwendbarkeit des GWB und der Mitteilungspflichten der Beklagten nach § 27 a VOL/A seien nicht nachvollziehbar, denn die Kostenschätzung der Klägerin vom 14.01.2002 sei nicht plausibel. Die Klägerin habe mit den Schriftsätzen vom 30.11.2004 und vom 08.02.2005 dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Beklagte selbst die als Anlage K 15 eingereichte Auftragswertermittlung in Auftrag gegeben habe. Diese weise einen Auftragswert von 774.983,48 € aus und liege weit über dem Schwellenwert von 400.000,00 €. Der Vortrag der Beklagten, man habe erwartet, die Kosten von jährlich 193.745,87 € auf unter 100.000,00 € reduzieren zu können, entbehre jeglicher Grundlage. Woher diese gewaltige Einsparung konkret herrühren sollte, sei in keiner Weise erkennbar. Dies zeige sich auch daran, dass in den Jahren 2002 und 2003, d.h. nach der Vergabe, die jährlichen Kosten 344.432,95 € bzw. 311.795,53 € betragen hätten. Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass sämtliche Angebote, einschließlich desjenigen der letztlich beauftragten E... mbH für den maßgeblichen 4-Jahreszeitraum über dem Schwellenwert lägen. Die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils angegebenen Werte stellten dem gegenüber lediglich die Jahreskosten dar. Die Ausführungen der Kammer zur Kausalität seien nicht überzeugend, denn wäre die Klägerin rechtzeitig informiert worden, hätte sie Gelegenheit zur Überarbeitung ihres Angebotes gehabt und ihr Angebot wäre das Günstigste gewesen.

Die Beklagte habe die Vergabeentscheidung nicht substanziiert erläutert. Der Vortrag der Beklagten hierzu in den Schriftsätzen vom 28.03.2006 und 25.04.2006 wäre als verspätet nicht mehr zuzulassen gewesen. Da es auch in Bezug auf das Angebot der A... an entsprechendem Vortrag der Beklagten gefehlt habe, habe sich für die Klägerin die Frage, ob sie sich mit diesem Angebot substanziiert auseinander zu setzen habe, gar nicht gestellt. Die Kammer sei unzutreffend davon ausgegangen, dass dem Angebot der A... die als fehlend gerügten Nachweise beigefügt gewesen seien. Gemäß Anlage 6 der Verdingungsunterlagen der Beklagten sei als zwingende Voraussetzung für die Berücksichtigung als Bieter verlangt worden, dass dieser die aufgelisteten Unterlagen und Nachweise beifüge. In Ziffer 10.1 der besonderen Vertragsbedingungen sei geregelt, dass die geforderten Nachweise und Unterlagen komplett vorzulegen seien. Etwaige Nachreichungen seien grundsätzlich unstatthaft. Ein Bieter, der nicht alle geforderten Nachweise vorlege, sei zwingend auszuschließen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 18.05.2006, Az. 12 O 286/03, zu verurteilen, an die Klägerin weitere 102.850,00 € nebst 5 % Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz per anno seit dem 05.09.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Potsdam vom 18.05.2006, Az. 12 O 286/03, die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit die Klage abgewiesen wurde.

Die späte Vorlage der Vergabeunterlagen sei nicht von der Beklagten zu vertreten gewesen. Sie habe auch nicht fehlerhaft unterhalb der Schwellenwerte ausgeschrieben. Es sei eine deutliche Kostensenkung zu erwarten gewesen, da mit der Vergabe das Störungsbeseitigungsbudget so eng gefasst werden sollte, dass jedes Eigeninteresse des Auftragnehmers an der Störungsbeseitigung entfallen sollte. Dass die Klägerin den Zuschlag unter teilweiser Aufhebung der Leistungsbereiche Energielieferung und Klärschlammentsorgung erteilt habe, sei darin begründet gewesen, dass zu diesen Leistungsbereichen bestehende ungekündigte Verträge zwischen der Stadt Z... und anderen Vertragspartnern zu berücksichtigen gewesen seien.

Schließlich sei zwischen den Parteien entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht unstreitig gewesen, dass das negative Interesse sich auf 7.070,00 € belaufe. Die Beklagte habe damit, dass sie den geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit Schriftsatz vom 23.07.2003 in voller Höhe bestritten habe, sowohl das behauptete positive Interesse als auch das behauptete negative Interesse der Höhe nach bestritten. Der erstmals mit Schriftsatz vom 16.10.2003 hilfsweise geltend gemachte Vertrauensschaden sei schon an der notwendigen Substanziierung gescheitert, da eine Bezugnahme auf eine Anlage zur Erläuterung dessen, was an Aufwand für die Teilnahme am Vergabeverfahren betrieben wurde, nicht ausreichend sei. Die in der Anlage K 14 aufgeführten Stundenzahlen seien deutlich überzogen. In der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2004 sei lediglich der Hauptanspruch erörtert worden, der sich auf den Ersatz des positiven Interesses bezogen habe. Entsprechendes gelte hinsichtlich der öffentlichen Sitzung vom 07.02.2006. Hinsichtlich des personellen Einsatzes von Mitarbeitern für die Erstellung der Angebotsunterlagen bedürfe es der Darstellung, was sonst in der Zeit, die für dieses Vergabeverfahren aufgewendet worden sei, anderweitig hätte erledigt werden können, da kein Schaden gegeben sei, wenn eine anderweitige Beschäftigung ohnehin nicht vorhanden gewesen wäre.

II.

Sowohl die Berufung als auch die Anschlussberufung sind zulässig, in der Sache hat jedoch nur die Anschlussberufung Erfolg.

A.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz des von ihr behaupteten entgangenen Gewinns (positives Interesse), denn die von der Klägerin vorgetragenen vergaberechtlichen Verstöße sind für den von der Klägerin behaupteten Gewinnausfall nicht kausal gewesen, da die Klägerin den Zuschlag auch unter Wahrung der vergaberechtlichen Vorschriften nicht hätte erhalten müssen.

Das LG Potsdam geht zutreffend davon aus, dass die schuldhafte Verletzung von vergaberechtlichen Vorschriften einen auf das positive Interesse/Erfüllungsinteresse gerichteten Schadensersatzanspruch eines Bieters nur dann begründet, wenn dieser Bieter bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen ( Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. A., Rdn. 1885).

Die Berufung der Klägerin wäre daher nur dann begründet, wenn kumulativ festgestellt würde, dass

- aufgrund von Vergaberechtsverstößen die E... mbH den Zuschlag nicht hätte erhalten dürfen,

- ebenso die A... den Zuschlag nicht hätte erhalten dürfen,

- und stattdessen die Klägerin den Zuschlag hätte bekommen müssen.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin scheitert zwar entgegen der Ansicht des Landgerichts Potsdam nicht daran, dass die Klägerin nicht hinreichend dargelegt hat, dass die A... den Zuschlag nicht hätte erhalten dürfen. Gleichwohl bedarf es keiner Auseinandersetzung des Senats mit vergaberechtlichen Verstößen hinsichtlich der Zuschlagserteilung an die E... mbH. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des positiven Interesses ist jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Klägerin ihrerseits den Zuschlag nicht hätte erhalten dürfen.

1. Der Auffassung des Landgerichts, die Klägerin habe sich mit dem Angebot der A... nicht hinreichend auseinandergesetzt, vermag der Senat nicht zu folgen.

Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 05.09.2005, dem Angebot der A... hätten in erheblichem Maße Nachweise gefehlt (Betriebshaftpflicht, Bankerklärung, zertifizierte Bilanz, Leistungsfähigkeit Personal) bzw. seien unvollständig gewesen, war hinreichend substanziiert. Der Beklagten wäre es möglich gewesen zu überprüfen, ob die konkret bezeichneten Unterlagen dem Angebot der A... beigelegen haben oder nicht. Der Vortrag der Klägerin ist auch erheblich, denn das Fehlen der von der Klägerin bezeichneten Unterlagen hätte gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A zum Ausschluss des Angebots der A... geführt.

Die Beklagte hatte in ihrer öffentlichen Ausschreibung des streitgegenständlichen Auftrages unter Ziffer 16 mitgeteilt, dass Kriterium der Auftragsvergabe sei:

"Der Bieter der das wirtschaftlichste Angebot in Bezug auf die Jahreskosten und mengenmäßigen Kosten, sowie eine überzeugende fachspezifische Betreuung der Anlagen des Verbandes sichert und mit kundenorientierten Strukturen arbeitet, erhält den Zuschlag. Beibringung der geforderten Unterlagen gem. Punkt 14."( Bl. 78 d.A.).

Unter Ziffer 14 der Ausschreibung werden die mit dem Angebot verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bieters aufgeführt (Bl. 78 d.A.). Den Ausschreibungsunterlagen, die den Bietern seitens der Beklagten zur Verfügung gestellt wurden, lag als Anlage 6 die "Liste der vom Bieter als Anlage beizufügenden Unterlagen und Nachweise" bei (Bl. 47 d. AB). Hierin wurden die einzelnen, dem Angebot beizufügenden Anlagen im Vergleich zur Ausschreibung noch konkretisiert bzw. ergänzt. Die von der Klägerin im Angebot der A... vermissten Nachweise sind gemäß der Anlage 6 sämtlich dem Angebot beizufügen gewesen (Betriebshaftpflicht 1.6; Bankenerklärung 1.2, zertifizierte Bilanz 2.2; Leistungsfähigkeit Personal 3.1-3.3).

Tatsächlich fehlt entgegen der Darstellung des Landgerichts die gem. Ziffer 1.2 der Anlage 6 der Ausschreibung geforderte Bankerklärung. Die A... hat, anstatt eine Bankerklärung einzureichen, die Beklagte aufgefordert, bei den kontoführenden Banken die finanzielle Situation der Beteiligten der A... abzufragen (Ordner Angebot Betriebsführung Z..., Anlage 1.2). Dieses Angebot ersetzt jedoch nicht den geforderten Nachweis. Die Bieter sind gehalten, die erforderlichen Nachweise innerhalb der gesetzten Angebotsfrist selbst zu erbringen. Es ist nicht Aufgabe der Beklagten, die Nachweise ihrerseits zusammenzutragen. Zudem hätte eine solche Initiative der Beklagten gegen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

Die Anlage 1.6 (Berufshaftpflichtversicherung) fehlt, statt ihrer findet sich in den Unterlagen lediglich das vorbereitete Deckblatt ( a.a.O., Anlage 1.6).

Die zertifizierten Bilanzen fehlen ebenfalls. Die A... hat als Anlage 2.2 eine Erklärung eingereicht, nach der sie aus Kostengründen von einer Zertifizierung der Jahresabschlüsse abgesehen habe.

Lediglich die ebenfalls als fehlend kritisierten Angaben zu den Punkten 3.1 bis 3.3 finden sich in der Anlage des Angebotes der A....

Da die Anlagen des Angebotes unvollständig waren, hätte die Beklagte der zweitplazierten A... den Zuschlag nicht erteilen dürfen. Vielmehr hätte sie die A... mit ihrem Angebot ausschließen müssen. Denn werden in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Erklärungen nicht abgegeben, führt dies zwingend dazu, dass ein solches Angebot von der Wertung auszuschließen ist (BGH v. 07.06.005, X ZR 19/02, juris Rn. 13 zu § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. B VOB/A; VK Schleswig-Holstein v. 27.07.2006, VK-SH 17/06 juris 1. LS; OLG Düsseldorf v. 13.04.2006 VII-Verg 10/06, juris Rn. 32.).

2. Doch auch die Klägerin hätte den Zuschlag nicht erhalten dürfen.

Nur wenn feststeht, dass die Klägerin den Zuschlag hätte erhalten müssen, können die von der Klägerin behaupteten Verstöße der Beklagten gegen vergaberechtliche Vorschriften dafür kausal gewesen sein, dass die Klägerin den von ihr geltend gemachten Gewinn nicht erwirtschaften konnte. Daher kommen Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines durch die Ausschreibung begründeten vorvertraglichen schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses dann nicht in Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war (BGH, v. 07.06.2005, X ZR 119/02, juris, 1. LS und Rn. 12).

a) Das Angebot der Klägerin wäre aus denselben Gründen auszuschließen gewesen, aus denen das Angebot der A... den Zuschlag nicht hätte erhalten dürfen.

Auch das Angebot der Klägerin enthielt nicht sämtliche in der Anlage 6 der Ausschreibung (Bl. 47 Anlageband) geforderten Nachweise. Es fehlt an einem aktuellen Nachweis der Haftpflichtversicherung. Die Klägerin hat zwar einen Versicherungsschein in Kopie eingereicht (Bl. 67 Anlageband). Doch bestätigt der eingereichte Versicherungsschein lediglich das Bestehen einer Gewerbehaftpflichtversicherung bis zum 09.04.2001. Die Ausschreibung bezog sich jedoch auf einen Vertragsbeginn zum 01.04.2002. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin ihr Angebot eingereicht hat (Februar 2002), war der nachgewiesene Versicherungsschutz bereits abgelaufen. Dass der Versicherungsschein den Hinweis enthält, dass der Vertrag sich jährlich verlängert, wenn nicht einer der Vertragspartner bis spätestens drei Monate vor dem jeweiligen Ablauf schriftlich kündigt, genügt nicht, um das Bestehen des Versicherungsschutzes zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bzw. zum Vertragsbeginn nachzuweisen. Sind jedoch die vom Bieter vorgelegten Nachweise über seine finanzielle Leistungsfähigkeit bzw. Zuverlässigkeit nicht mehr aktuell oder wegen Zeitablaufs ungültig, ist der geforderte Eignungsnachweis nicht erbracht und das Angebot zwingend von der Wertung auszuschließen ( OLG Düsseldorf, Vergabesenat, 09.06.2004, VII-Verg 11/04, juris 1.LS).

aa) Anders als in dem vom OLG Düsseldorf (a.a.O.) entschiedenen Fall kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte mit der Forderung nach einem Nachweis nicht eine offizielle Bescheinigung, z.B. in Form einer Bestätigung der Haftpflichtversicherung, verlangt habe. Dafür spricht schon, dass alle Bieter mit Ausnahme der A..., deren Beleg vollständig gefehlt hat, die Nachweispflicht im letztgenannten Sinn verstanden und entsprechende Versicherungsbescheinigungen eingereicht haben. Auch die Klägerin hat - und auch dies unterscheidet sich vom Fall des OLG Düsseldorf - eine Versicherungsbescheinigung und nicht etwa einen Eigenbeleg zum Nachweis des Versicherungsschutzes vorgelegt.

bb) Der von der Klägerin eingereichte Versicherungsschein erfüllt nicht die Anforderungen an den von der Beklagten geforderten Nachweis. Die Aufforderung der Beklagten in den Verdingungsunterlagen, die Angebote einschließlich der geforderten Nachweise bis zum 20.02.2002 einzureichen, ist dahin zu verstehen, dass der Nachweis stichtagsbezogen aktuell sein muss. Ist ein bestimmter Termin zur Abgabe der geforderten Eignungsnachweise vorgesehen, kommt es darauf an, dass die Unterlagen zu diesem Zeitpunkt Gültigkeit haben (OLG Düsseldorf - Vergabesenat - vom 09.06.2004, VII-Verg 11/04, Juris Rn. 38). Denn ein nicht mehr aktueller Nachweis ermöglicht der Vergabestelle nicht zu prüfen, ob und inwieweit der Bieter zum Zeitpunkt der Vergabeentscheidung zuverlässig und leistungsfähig ist.

Darauf, dass auch ein aktueller Versicherungsnachweis der Beklagten keine Gewähr dafür geboten hätte, dass bis zum Ende der Vertragslaufzeit am 31.03.2006 Versicherungsschutz bestanden hätte, kommt es nicht an, nachdem die Beklagte dessen Vorlage von den Bietern zwingend verlangt hat und davon aufgrund der Selbstbindung und der Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Bieter nicht abrücken kann. Zudem ist, trotz der eingeschränkten Aussagekraft eines aktuellen Versicherungsscheines über das Bestehen von Versicherungsschutz für den gesamten Vertragszeitraum, die Einforderung eines aktuellen Versicherungsnachweises sinnvoll. Denn dieser belegt, jedenfalls soweit zu diesem Zeitpunkt möglich, das Bestehen von Versicherungsschutz. Hat ein Bieter seinen Versicherungsvertrag bereits vor längerer Zeit abgeschlossen, so dass sich aus dem Versicherungsschein selbst keine Angaben zum aktuellen Versicherungsschutz ergeben, ist es ihm zuzumuten, vom Versicherer eine Bestätigung des aktuellen Versicherungsschutzes anzufordern (vgl. Angebot der P... GmbH & Co. KG).

b) Der fehlende Versicherungsnachweis stellt einen zwingenden Ausschlussgrund hinsichtlich des Angebotes der Klägerin dar.

Die Beklagte wäre aufgrund des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gehalten gewesen, bezüglich der Klägerin ebenso zu verfahren wie bei Ausschluss der A... wegen fehlender Unterlagen. Denn das Gebot der Gleichbehandlung der Bieter verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber solche Angebote, die an einem vergaberechtlich gleichartigen Mangel leiden, vergaberechtlich gleich zu behandeln, d.h. aus dem übereinstimmend vorliegenden Mangel die gleichen Konsequenzen zu ziehen (OLG Düsseldorf, Vergabesenat, 27.04.2005, juris, Rn 19).

aa) Eine quantitative Unterscheidung je nachdem, wie viele Anlagen fehlen, wäre unzulässig und würde die Klägerin gegenüber einem Bieter, der seinerseits vollständige Unterlagen eingereicht hat, bevorteilen.

bb) Dass die Beklagte den Nachweis des Versicherungsschutzes nicht bereits in der öffentlichen Ausschreibung im Ausschreibungsblatt ( Bl. 78 d.A.), sondern erst in der Anlage 6 zu den von der Beklagten erstellten Angebotsunterlagen für erforderlich erklärt hat, ist insofern unschädlich. Denn der öffentliche Auftraggeber ist nicht verpflichtet, sämtliche Einzelheiten seiner Nachweisforderung schon in der Bekanntmachung anzugeben. Es reicht vielmehr aus, wenn der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung angibt, welche Nachweise er von den Bietern fordert. Eine Konkretisierung der Nachweise kann in den Ausschreibungsunterlagen erfolgen (Vergabekammer Schleswig-Holstein, v. 27.07.2006, VK-SH 17/06, juris 2.LS).

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte mit dem Verlangen eines Versicherungsnachweises neben einer Bankbestätigung zum Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter auch nicht gegen § 7 a Nr. 2 Abs. 1 lit. b VOL/A verstoßen. Denn die im Katalog des Abs. 1 der Nr. 2 dargestellten Nachweismöglichkeiten sind nicht abschließend. Es handelt sich ("in der Regel") um eine Regelvorschrift, die weder zwingend noch abschließend ist. Der Auftraggeber hat die Möglichkeit, andere als die aufgezählten Nachweise zu verlangen (Müller/Wrede-Noch, VOL/A, § 7 a Rn. 28).

dd) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit a VOL/A ein Ausschluss lediglich erfolgen könne, jedoch nicht erfolgen müsse. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass das Berufungsgericht das hiernach eingeräumte Ermessen nicht anstelle der Beklagten ausüben kann. Es ist darauf beschränkt deren Ermessensausübung auf seine Grenzen hin zu überprüfen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist. Liegt eine Reduzierung des Ermessens auf Null vor, ist das Gericht in der Lage festzustellen, dass ein Angebot auszuschließen ist (Vergabekammer Schleswig-Holstein, v. 28.03.2006, VK-SH 1/06, juris 1.LS). Darauf, ob der Auftraggeber sich insoweit ein Ausschlussermessen vorbehalten hat oder, gleich in welchem Stadium der Wertung, auf diesen Ausschlussgrund berufen hat, kommt es nicht an (OLG Dresden, Vergabesenat, 17.10.2006, WVerg 0015 / 06, juris, 1.LS).

(1) So liegt es hier. Im Fall unvollständiger Nachweise liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor (OLG Dresden, Vergabesenat, 06.04.2004, WVerg 0001 / 04, juris 2. LS und Rn. 24). Wenn der öffentliche Auftraggeber bestimmte Unterlagen zu unbedingt vorzulegenden Angebotsunterlagen erklärt, ist der Auftraggeber aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, an dieser Voraussetzung zwingend festzuhalten. Um Willkürentscheidungen und subjektiv motivierte Vergabeentscheidungen zu verhindern, ist der Auftraggeber an die einmal festgelegten Parameter gebunden (Vergabekammer Schleswig-Holstein, 27.07.2006, VK-SH 17/06, juris Rn. 41). Hier hat die Beklagte in der öffentlichen Ausschreibung mitgeteilt, dass bestimmte Unterlagen zwingend einzureichen sind und klargestellt, dass den Zuschlag nur der Bieter erhalten kann, der die Nachweise einreicht (Ziffer 16, letzte Zeile der öffentlichen Ausschreibung, Bl. 78 d.A.). Denn aufgrund der Ausschreibung waren die fehlenden Angaben als ein Umstand ausgewiesen, der nach den bekannt gegebenen Vorstellungen des Auftraggebers für die Vergleichbarkeit der Angebote und die Vergabeentscheidung wettbewerbliche Relevanz haben sollte (vgl. BGH, 26.09.2006, X ZB14/06, juris Rn. 26; OLG Düsseldorf, Vergabesenat, 13.04.2006, VII-Verg 10/06, juris Rn. 49).

(2) Soweit die Klägerin sich bei ihrer Argumentation, die Beklagte hätte ein bestehendes Ermessen dahingehend ausüben müssen, der Klägerin den Zuschlag zu geben, auf die Kommentierung von Noch stützt (Müller/Wrede-Noch, § 25 VOL/A, Rn. 42), ist darauf hinzuweisen, dass hier auf Rechtsprechung aus dem Jahre 1999 und 2000 Bezug genommen wird. Die Kommentierung aus dem Jahr 2001 berücksichtigt jedoch nicht die jüngere Entwicklung in der Rechtsprechung des BGH und der Obergerichte, wonach - wie oben ausgeführt - infolge einer Ermessensreduzierung auf Null ein zwingender Ausschlussgrund gegeben ist, wenn geforderte Nachweise unvollständig eingereicht werden.

(3) Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aufgrund des Argumentes der Klägerin, dass lediglich ein aktueller Nachweis gefehlt habe und dies den vergleichenden Wettbewerb nicht beeinflusst hätte. Teilweise wird zwar vertreten, dass die fehlenden Nachweise dann nicht zu einem Ausschluss des Angebotes führen könnten, wenn die sog. Bagatellgrenze nicht erreicht sei (unklar OLG Dresden, Vergabesenat 06.04.04, WVerg 0001 / 04, juris Rn. 31; Müller-Wrede, Kommentar zur VOL/A 2001, § 25 Rn. 14). Teilweise wird vertreten, dass bei kleineren und unwesentlichen Versehen, die offensichtlich ohne Verfahrens- und Wettbewerbsrelevanz seien, vom Ausschluss aus dem Vergabeverfahren abgesehen werden könne (vgl. OLG München, Vergabesenat, 06.11.2006, Verg 17/06, juris Rn. 41). Eine derartige Ausnahme wird von der Rechtsprechung z.B. bejaht, wenn in einem Angebot die zusätzlich verlangte Ordnungsziffer des Leistungsverzeichnisses zwar nicht angegeben ist, aufgrund der schlagwortartigen Bezeichnung eine Zuordnung jedoch ohne weiteres möglich war (BayObLG, 27.07.2004, Verg 14/04, juris LS). Ein solcher Fall liegt jedoch erkennbar nicht vor. Der Nachweis einer bestehenden Betriebshaftpflichtversicherung ist hiermit nicht vergleichbar. Denn bei dem Betrieb der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung handelt es sich um einen haftungssensiblen Bereich, so dass davon auszugehen ist, dass die Beklagte ein besonderes Interesse daran hatte, bei der Wertung der Angebote das Bestehen von Versicherungsschutz einbeziehen zu können. Das Bestehen des Versicherungsschutzes stellt ein wichtiges Kriterium bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens in finanzieller Hinsicht dar (Müller-Wrede, VOL/A § 7 a, Rn. 26).

(4) Darüber hinaus kommt es nach der Rechtsprechung des BGH nicht darauf an, ob die fehlenden Nachweise tatsächlich zu einer fehlenden Vergleichbarkeit des betroffenen Angebotes mit den anderen Angeboten geführt haben. Denn ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebender Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden (BGH, v. 07.06.2005, X ZR 19/02, juris Rn. 13). Für Überlegungen, ob trotz der fehlenden Anlage die Klägerin als geeignet zu bewerten wäre, besteht im Interesse eines korrekten Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bieter kein Raum (Vergabekammer Schleswig-Holstein, v. 27.07.2006, VK-SH 17/06juris Rn. 44.) Sämtliche geforderten Erklärungen sind mit dem Angebot vorzulegen (a.a.O., Rn. 45).

dd) Aus denselben Gründen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte gemäß § 7 a Nr. 5 VOL/A die Klägerin hätte auffordern können, den Versicherungsnachweis zu ergänzen oder zu erläutern. Zwar kann nach dem Wortlaut des § 7 a Nr. 5 VOL/A der Auftraggeber Unternehmen auffordern, die vorgelegten Bescheinigungen zu vervollständigen oder zu erläutern. Doch ist auch hier das eingeräumte Ermessen bei einer zwingenden Nachweisforderung auf Null reduziert.

Der Auftraggeber ist aus Gründen der Gleichbehandlung nicht befugt, die fehlenden Erklärungen nachzufordern bzw. zu ergänzen. Denn eine Nachforderung der Unterlagen hätte Einfluss auf den Wettbewerb (Vergabekammer Schleswig-Holstein, v. 27.07.2006, VK-SH 17/06, juris Rn. 43; OLG Düsseldorf, Vergabesenat, 16.11.2005, juris Rn. 17).

c) Die Tatsache, dass die Klägerin mit ihrem Angebot einen Versicherungsschein vorgelegt hat, der keinen aktuellen Versicherungsschutz nachweist, ist bei der rechtlichen Prüfung des Rechtsmittels zu berücksichtigen. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der Vortrag der Klägerin, welche ihr Angebot selbst mit der Klageschrift eingereicht und damit zu ihrem Parteivortrag gemacht hat, von vornherein unschlüssig ist. Denn jedenfalls liegt eine gerichtskundige Tatsache im Sinne des § 291 ZPO vor. Die Tatsache ergibt sich aus den Verfahrensakten dieses Rechtsstreits. Die Klägerin hat mit der Klageschrift ihr Angebot vom 18.02.2002 nebst sämtlichen Anlagen eingereicht. Auf Seite 12 der Klageschrift hat die Klägerin vorgetragen, dass das Angebot der Klägerin im Vergleich zu den von der Beklagten vorzulegenden Angeboten der Mitbewerber als das Erstrangige zu bewerten wäre. Das Gericht war aufgrund dieses Vortrages gehalten, dass zur Akte gereichte Angebot der Klägerin auch zu lesen. Die sich hieraus ergebenden Erkenntnisse sind gemäß § 291 ZPO zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob eine der Parteien diese zum Gegenstand ihres Sachvortrages gemacht hat. Denn das Gericht darf offenkundige Tatsachen auch ohne Parteibehauptung berücksichtigen (Rosenberg/Schwab-Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. A.,§ 111 Rn. 25; MüKo-Prütting, § 291 ZPO, Rn. 13; Zöller-Greger, 26. Aufl., § 291 ZPO, Rn. 2).

aa) Der Umstand, dass das Landgericht die Tatsache nicht als offenkundig behandelt hat, steht deren Bewertung als gerichtskundig nicht entgegen. Denn eine Tatsache, die für das Gericht des ersten Rechtszuges offenkundig ist, braucht es für das Gericht des höheren Rechtszuges nicht zu sein und umgekehrt (Stein/Jonas-Leipold, 21. Aufl., § 291 ZPO, Rn. 8; Baumbach-Hartmann, 65.A., § 291 ZPO, Rn. 8).

bb) Der Meinungsstreit, ob auch sogenannte aktenkundige Tatsachen als offenkundig im Sinne des § 291 ZPO behandelt werden können (so OLG Nürnberg, JurBüro 1978, S. 762; Thomas/Putzo-Reichold, § 291 ZPO, Rn. 2; Gottwald, a.a.O.), ist hier nicht relevant. Um bloß aktenkundige und nicht auch gerichtskundige Tatsachen handelt es sich bei solchen Informationen, die ein Richter nicht aus seiner jetzigen oder früheren Tätigkeit kennt und sich erst durch Vorlegung von Akten oder Einsicht in ein Register verschaffen muss (Greger, a.a.O.; Leipold, a.a.O., Rn. 5). Diese Tatsachen sind nach h.M. der Entscheidung nicht zugrunde zu legen, da die Berücksichtigung von Informationen, die erst durch Heranziehung anderer Akten verschafft werden, die Grenze zum Urkundenbeweis überschreiten würde. Dieser setzt jedoch einen entsprechenden Beweisantritt einer Partei voraus (Thüringer Oberlandesgericht, vom 13.09.2001, 6 W 519/01, Juris Rn. 17; Leipold, a.a.O., Rn. 5; Hartmann, a.a.O., Rn. 5; Greger, a.a.O., Rn. 1).

Hier hat der Senat jedoch aufgrund seiner Tätigkeit Kenntnis von dem Inhalt des als Nachweis eingereichten Versicherungsscheines erlangt, ohne andere Akten beiziehen zu müssen. Vielmehr hat er lediglich die von der Klägerin eingereichten Anlagen gelesen.

cc) Soweit die Klägerin einwendet, die Berücksichtigung dieser Tatsache verletze den Beibringungsgrundsatz und stelle eine unzulässige Amtsermittlung dar, ist dem nicht zuzustimmen. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass grundsätzlich nur die Tatsachen Berücksichtigung finden können, die von den Parteien vorgetragen werden. Es ist auch zutreffend, dass die Beklagte sich nicht darauf berufen hat, dass die Klägerin ihrem Angebot keinen aktuellen Versicherungsnachweis beigefügt habe. Der Beibringungsgrundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Eine vom Gesetzgeber vorgesehene Ausnahme ist in § 291 ZPO geregelt. Denn selbst von Parteien behauptete Tatsachen oder Geständnisse sind für das Gericht gemäß § 291 ZPO nicht bindend, wenn deren Gegenteil offenkundig ist (Leipold, a.a.O., Rn. 10). Die mit der Verhandlungsmaxime verbundene Parteidisposition über den Tatsachenstoff findet nach Sinn und Zweck des § 291 ZPO dort ihre Grenze, wo unterlassene Behauptungen der richterlichen Urteilsgrundlage offenkundige Tatsachen entziehen würden (Prütting, a.a.O., Rn. 13). Soweit von Hartmann vertreten wird, dass die Partei die offenkundige Tatsache behaupten müsse (a.a.O., Rn. 7), kann dem nicht gefolgt werden. Die Kommentierung nimmt Bezug auf eine ältere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (JZ 1960, 124), in der jedoch lediglich ausgeführt wird, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs es gebiete, auch gerichtskundige Tatsachen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht in einer jüngeren Entscheidung entschieden, dass es genüge, wenn allgemein bekannte Tatsachen im Sinne des § 291 ZPO von dem Gericht in den Prozess eingeführt werden (Bundesverfassungsgericht, vom 16.05.1989, 1 BvR 705/88, juris Rn 9).

Dies ist hier erfolgt. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2006 darauf hingewiesen, dass der als Nachweis für die Berufshaftpflichtversicherungsdeckung eingereichte Versicherungsschein eine Versicherungsdauer lediglich bis zum 09.04.2001 ausweise und daher feststehe, dass von der Klägerin kein aktueller Versicherungsschein eingereicht worden sei.

Die Klägerin erhielt auch Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu, so dass das rechtliche Gehör gewährt worden ist (vgl. Reichold, a.a.O., Rn. 5; Gottwald, a.a.O., Rn. 25; Leipold, a.a.O., Rn. 12).

B.

Die Anschlussberufung ist begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses. Auch die Ersatzfähigkeit des negativen Interesses setzt grundsätzlich über einen Vergaberechtsverstoß hinaus voraus, dass der Klägerin der Zuschlag hätte erteilt werden müssen.

Ein Bieter erhält auch bei einem vergaberechtlich korrekten Verfahren keine Erstattung der Auslagen, die ihm durch die Teilnahme an dem Bieterverfahren entstanden sind. Vielmehr weiß der Bieter, dass das Risiko besteht, dass, wenn er den Zuschlag nicht erhält, die Kosten als vergebliche Akquisitionsausgaben verloren sind. Selbst der Bieter, der den Zuschlag erhält, bekommt seine Auslagen nicht erstattet und kann nur darauf hoffen, über den durch den Auftrag erwirtschafteten Gewinn die Akquisitionskosten zu amortisieren.

Daher kann entgegen der Auffassung des Landgerichts Potsdam der Klägerin auch nicht Ersatz der Aufwendungen bei der Angebotserstellung zugebilligt werden, den sie auch bei richtiger Vergabe nicht erhalten hätte (vgl. BGH, 12.07.1984, VII ZR 111/83 juris Rn. 7). Es genügt nicht, dass die Klägerin eine Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten ( a.a.O., Rn. 4f). Auch die vom Landgericht in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 08.09.1998 (X ZR 48/97 = NJW 1998, 3636) billigt nur dem Bieter einen Anspruch auf Ersatz der mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen zu, der bei Vergabe des Auftrags den Zuschlag erhalten hätte (1. LS).

Unabhängig von einer gebotenen Zuschlagserteilung ist ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses nur dann begründet, wenn das Angebot bei vergaberechtlich korrektem Verhalten der Vergabestelle nicht abgegeben worden wäre. Einen solchen Vergabeverstoß macht die Klägerin nicht geltend.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, Satz 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Klage weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts gebieten (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 109.920,00 € festgelegt (Berufung: 102.850,00 €, Anschlussberufung: 7.070,00 €).

Ende der Entscheidung

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