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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 31.01.2001
Aktenzeichen: 4 W 86/00
Rechtsgebiete: EGBGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB § 14
EGBGB § 11 Abs. 3
ZPO § 276 Abs. 1 S. 1
ZPO § 99 Abs. 2
ZPO § 577 Abs. 2 S. 1
ZPO § 276 Abs. 1 S. 1
ZPO § 93
ZPO § 91 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

4 W 86/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 13 O 542/00 Landgericht Frankfurt/Oder

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts

am 31. Januar 2001

durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frechen,

den Richter am Oberlandesgericht Pliester und

den Richter am Amtsgericht Kopfmüller-Knabe

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die im Anerkenntnisurteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 28. November 2000 - Az.: 13 O 542/00 - getroffene Kostenentscheidung abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 9.000,00 DM

Gründe:

I.

Die Klägerin hat von den Beklagten, die neben anderen Miterben Eigentümer waren, die unentgeltliche Auflassung von Bodenreformland begehrt. Der Einreichung der Klage am 02. Oktober 2000, dem letzten Tag der Frist des Art. 233 § 14 EGBGB, war ein vorgerichtliches Schreiben des Klägervertreters vom 21. September 2000 unter Beifügung eines Klageentwurfs vorausgegangen, welches der Beklagten zu 3 am Samstag, dem 23. September 2000 zugegangen ist. Die Beklagte zu 3 begab sich daraufhin zu ihrer Prozessbevollmächtigten, die am 27. und 28. September sowie am 02. Oktober 2000 vergeblich versuchte, den klägerischen Bevollmächtigten telefonisch zu erreichen. Mit Schreiben vom 02. Oktober - nach Einreichung der Klage - hat die Prozessbevollmächtigte, der Bitte aus dem gegnerischen Schreiben vom 21. September 2000 folgend, bis zum 31. Dezember 2000 auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede verzichtet.

Nachdem alle Beklagten den Klageanspruch innerhalb der Frist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO von anerkannt hatten, hat das Landgericht am 28. November 2000 antragsgemäß ein Anerkenntnisurteil erlassen. Die Kostenentscheidung lautet: "Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten zu je 1/3 auferlegt." Dieses Urteil ist den Beklagten zu 1 und 2 ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Bl. 106 d.A.) am 07. Dezember 2000, der Beklagten zu 3 am 08. Dezember 2000 (Bl. 107a d.A.) zugestellt worden.

Mit Schriftsätzen, beim Landgericht Frankfurt/Oder jeweils am 21. Dezember 2000 eingegangen, haben die Beklagten sofortige Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, die Kosten des Rechtsstreit, soweit sie sie betreffen, der Klägerin aufzuerlegen.

Die Beklagten zu 1 und 2 machen geltend, die Post mit dem vorgerichtlichen Anspruchsschreiben habe sie nicht erreicht; wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 19. Dezember 2000 Bezug genommen (Bl. 125 d.A.).

II.

Die sofortigen Beschwerden der Beschwerdeführer sind statthaft gemäß § 99 Abs. 2 ZPO und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der Zwei-Wochen-Frist des § 577 Abs. 2 S. 1 ZPO beim Landgericht Frankfurt/Oder eingegangen.

In der Sache führen die Rechtsmittel zur Abänderung der getroffenen Kostenentscheidung wie geschehen. Das durch die Beklagten erklärte Anerkenntnis innerhalb der Frist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO war in jedem Falle "sofort" im Sinne des § 93 ZPO; auf die Streitfrage, ob auch ein Anerkenntnis innerhalb der weiteren gesetzten Erwiderungsfrist noch als sofortiges anzuerkennen wäre, kommt es demgemäß hier nicht an.

Im Gegensatz zu der Rechtsauffassung des Landgerichts kann der Senat nicht erkennen, dass die Beklagten Veranlassung zur Klage gegeben hätten. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, auch den Beklagten zu 1 und 2 wäre die an sie gerichtete Post mit dem vorgerichtlichen Anspruchsschreiben zugegangen - wofür die Klägerin die Beweislast tragen würde -, konnte man aus dem Verhalten der Beklagten aus der Sicht der Klägerin nicht schließen, eine Durchsetzung ihrer Ansprüche wäre ohne die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe nicht zu erwarten.

Ein Gläubiger, der eine Forderung durchsetzen will, die nicht auf Zahlung gerichtet ist, muss diese zunächst außergerichtlich geltend machen. Hierbei ist dem Schuldner eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen; die Länge dieser Frist lässt sich nicht allgemein bestimmen, sondern richtet sich nach der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage. Für Auffassungsklagen nach Art. 233 § 11 Abs. 3 EGBGB erachtet der Senat eine Frist von weniger als zwei Wochen in der Regel für zu kurz; dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Auffassungsschuldner die Sach- und Rechtslage bis zu dem vorgerichtlichen Anspruchsschreiben nicht näher bekannt war. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass allein die Rechtslage für eine nicht geschulte Partei kaum zu durchschauen ist; zumeist wird er darauf angewiesen sein, Rechtsrat einzuholen. Dies erfordert neben der Auswahl eines Rechtsanwalts, der zur Übernahme eines Beratungsmandats bereit und in der Lage ist, die Vereinbarung eines Besprechungstermins mit diesem und einen gewissen Zeitraum, den der Partei für die Entscheidungsbildung zuzubilligen ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung zur Abwicklung der Bodenreform bis in die jüngste Zeit verfeinert und - teilweise grundlegend - geändert hat; auch ein Rechtsanwalt, der mit Fällen dieser Art nicht ständig befasst ist, wird einen bestimmten Zeitraum benötigen, um seine Partei nach der erforderlichen Recherche umfassend und richtig beraten zu können.

Ob die vom Senat für angemessen erachtete Frist in jedem Falle ausreichend ist, bedarf hier nicht der Entscheidung; die Mindestfrist von zwei Wochen ist hier durch die Klägerin nicht eingehalten worden, sodass - wie auch das spätere Verhalten der Beklagten belegt - diese einen Anlass zur Klage nicht gegeben haben. Der Umstand, dass die Klägerin ohne Einreichung einer Klage den Eintritt der Verjährung fürchten musste, führt zu keiner anderen Beurteilung; denn die Klägerin hätte es in der Hand gehabt, ihre Ansprüche früher geltend zu machen. Der Senat vermag nicht zu erkennen, warum das Zuwarten der Klägerin zu einer Verkürzung der Überlegungsfrist zu Lasten der Beklagten führen sollte (a.A. - ohne nähere Begründung Zöller/Herget § 93 RN 6 Stichwort "Aufforderung").

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren bemisst sich nach den in erster Instanz angefallenen Kosten des Rechtsstreits.

Ende der Entscheidung

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