Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.01.2002
Aktenzeichen: 5 U 1/00
Rechtsgebiete: EGBGB, AV BWasserV, ZPO, EGZPO, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 233 § 2 a Abs. 9
AV BWasserV § 8 Abs. 1
AV BWasserV § 8 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative
ZPO § 511
ZPO § 511 a
ZPO § 516
ZPO § 518
ZPO § 519
EGZPO § 26 Nr. 5
BGB § 1004
BGB § 1004 Abs. 1
BGB § 823
BGB § 862
BGB § 905 Satz 1
BGB § 905 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 1/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 24.1.2002

verkündet am 24.1.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im schriftlichen Verfahren auf Grund der Sach- und Rechtslage am 14. Dezember 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richterin am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 25. November 1999 - 10 O 467/97 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu je 1/2.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 3.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 6.000,00 EUR leisten.

Den Parteien bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen schriftlichen Bürgschaftserklärung eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Wert der Beschwer der Kläger: 55.833,00 EUR (= 109.200,00 DM)

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von den Beklagten die Entfernung einer im Grundstück verlegten Wasser- und Abwasserleitung, die Unterlassung künftiger Eigentumsstörungen, hilfsweise die Unterlassung des Betriebs der Leitungen und weiter hilfsweise Zahlung einer Nutzungsentschädigung, äußerst hilfsweise eine Zahlung einer Nutzungsentschädigung gegen Bewilligung einer Dienstbarkeit für die verlegten Leitungen.

Die Kläger sind im Wege der Erbfolge Eigentümer verschiedener Grundstücke in der Gemarkung S... , bezeichnet mit "Die Mittelblöcke", die nunmehr - seit dem 15. Dezember 1993 - im Grundbuch von S... des Amtsgerichts ... Blatt 1019 eingetragen sind. Diese Grundstücke sind aus einem Grundbesitz hervorgegangen, der ehemals im Grundbuch von S... Band III, Blatt 99 für die Rechtsvorgänger der Kläger eingetragen war. Die Kläger sind unter anderem Eigentümer der Grundstücke der Gemarkung S... , Flur ... , Flurstück 925, 927 und 928.

Mit notarieller Erklärung vom 14. Januar 1929 (Urkunde des Notars K... in B... , UR-Nr. 65/1929) haben die damaligen Eigentümer, die Rechtsvorgänger der Kläger, folgende Erklärung abgegeben:

"Die Gemeinde S... hat uns als Miteigentümer des im Grundbuch von S... Band III, Blatt 99 verzeichneten Grundstücks die ausnahmsweise Befreiung vom Bauverbot erteilt.

Als Gegenleistung hierfür übernehmen wir als Gesamtschuldner folgende Verpflichtung:

1. das zum Straßenbau in bebauungsplanmäßiger Breite erforderliche Gelände an die Gemeinde unentgeltlich, sowie schulden- und lastenfrei zu übereignen (den Zeitpunkt der Auflassung bestimmt die Gemeinde, ...);

2. an die Gemeinde S... für die jeweilige von der Gemeinde zu bestimmende Befestigung, Pflasterungen sowie für die Entwässerungs- und Beleuchtungsvorrichtung der Straßen auf dem genannten Grundstück wiederkehrende Beiträge zu leisten, deren Höhe ..... .

Diese Reallast beschränkt sich auf 30 Jahre seit Eintragung.

Zur Sicherung des Anspruchs der Gemeinde S... auf Übereignung des in Ziffer 1 erwähnten Geländes bewilligen und beantragen wir die Eintragung einer Vormerkung und bewilligen und beantragen ferner die Eintragung der unter Ziffer 2 vereinbarten Belastung."

Demgemäß wurden im Grundbuch zu Gunsten der Gemeinde S... eine Auflassungsvormerkung sowie ebenfalls in Abteilung II eine Reallast eingetragen.

Sodann wurde mit der Parzellierung der Flächen begonnen, die jedoch offensichtlich nie zu Ende geführt worden ist. Hinsichtlich des Anteils eines der ursprünglichen Miteigentümer wurde am 15. Dezember 1933 die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet und ins Grundbuch eingetragen.

Das spätere Flurstück 925 soll von Beginn an als Straßenland genutzt worden sein; zumindest ab 1980 wurde das Flurstück als Straßenverkehrsfläche genutzt.

In einem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Potsdam nahmen die Eigentümer die Gemeinde S... auf Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung sowie der Reallast und einer Sicherungshypothek in Anspruch. Das Amtsgericht Potsdam hat mit Urteil vom 14. Mai 1996 - 28 C 119/95 - die Gemeinde S... antragsgemäß zur Abgabe der Löschungsbewilligung verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. Auflassungsvormerkung sowie Reallast wurden dementsprechend am 19. September 1996 im Grundbuch gelöscht.

1996 wurden in dem Flurstück 925 eine Trinkwasserleitung sowie eine Schmutzwasserleitung verlegt. An diese Leitungen sind derzeit die nicht im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücke, Flurstücke 923 und 924 der Flur ... der Gemarkung S... , angeschlossen, die jeweils mit einem Wohnhaus bebaut sind.

Vor Beginn dieser Bauarbeiten zur Verlegung wurde eine Genehmigung der Kläger für diese Verlegung der Leitungen nicht eingeholt.

Auf Grund eines Bauvertrages vom 21. September 1995/05. Oktober 1995 ließ der Beklagte zu 2. einen Schmutzwasserkanal in S... im R...weg herstellen, der in das Flurstück 925 hineingeführt wurde. Ebenso ließ er eine Trinkwasserleitung verlegen. Durch Betriebsführungsvertrag vom 30. Juni 1994 hatte der Beklagte zu 2. die Beklagten zu 1. mit dem Betrieb, der Unterhaltung und der Bauüberwachung der Wasser- und Abwasseranlagen beauftragt.

Einen Vorschlag der Kläger zur Wiederbelebung des Vertrages vom 14. Januar 1929 hat das Amt S... mit Schreiben vom 20. März 1997 abgelehnt und sich vorsorglich auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Ansprüche aus diesem Vertrag berufen. Für das Jahr 1997 hat das Amt S... für die Nutzung des Flurstückes 925 als öffentliches Straßenland eine Entschädigung nach Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB in Höhe von 46,20 DM bezahlt.

Die Prozessparteien haben sich in der Berufungsinstanz, da zunächst der Wortlaut des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes für alle Prozessbeteiligten nicht bekannt war, in der mündlichen Verhandlung vom 1. November 2001 mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Die Kläger haben behauptet, sie seien mit ihren Eigentümergrundstücken, nämlich Flurstücke 927 und 928, nicht an die Wasser- und Abwasseranlage angeschlossen. Sie haben geltend gemacht, sie würden letztlich durch die Inanspruchnahme des Grundstücks durch die Verlegung der Frischwasserleitung sowie des Abwasserkanals entschädigungslos enteignet.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, den Abwasserkanal und die Frischwasserleitung in dem Flurstück 925 des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von S... des Amtsgerichts ... Blatt 1019, zu entfernen und künftige Eigentumsstörungen zu unterlassen,

hilfsweise,

die Beklagten zu verurteilen, eine künftige Inanspruchnahme des Flurstücks 925 für Betriebsführung, für Versorgung mit Frischwasser und die Entsorgung von Abwasser zu unterlassen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, das Urteil des Amtsgerichts Potsdam sei ihnen nicht bekannt. Sie haben vorgetragen, die Flurstücke 919 und 925 seien an die Wasserversorgung angeschlossen. Die Flurstücke 927 und 928 hätten hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil. Die Pflicht zur Duldung der Leitungen ergebe sich aus § 19 Abs. 1 der Entwässerungssatzung des Beklagten zu 2. vom 24. März 1995 sowie aus § 8 Abs. 1 Satz 2 3. Alternative der Allgemeinen Versorgungsbedingungen BWasserV.

Mit Urteil vom 25. November 1999 hat das Landgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Entfernung der Leitungen gegen die Beklagte zu 1. bestehe nicht, weil diese lediglich als unmittelbare Besitzerin auf Grund des bestehenden Vertragsverhältnisses mit dem Beklagten zu 2., dem Eigentümer der Leitungen, nicht zur Entfernung berechtigt sei. Auch gegen den Beklagten zu 2. bestehe ein solcher Anspruch nicht, weil die Kläger zur Duldung der verlegten Leitungen verpflichtet seien, wobei sich schon aus § 19 Abs. 1 der Satzung und § 8 Abs. 1 AV BWasserV eine solche Duldungspflicht ergeben könnte.

Die unterbliebene vorherige Benachrichtigung mache die Duldung für die Kläger nicht unzumutbar. Für die Beklagten sei im Zeitpunkt der Leitungsverlegung nicht erkennbar gewesen, dass es zu der durch Vormerkung noch gesicherten Auflassung von Straßenland hinsichtlich des Flurstücks 925 nicht kommen werde, zumal dieses Flurstück 925 bereits als öffentliche Straße gewidmet gewesen sei. Auch derzeit hätten die Kläger keine Gründe für die Unzumutbarkeit dargelegt. Im Gegenteil, sie seien "Nutznießer" der verlegten Leitungen.

Da ein Anspruch auf Entfernung nicht bestehe, sei auch der Hilfsantrag auf Unterlassung der Nutzung der verlegten Leitungen unbegründet.

Gegen das ihnen am 02. Dezember 1999 zugestellte Urteil haben die Kläger mit Schriftsatz vom 03. Januar 2000, eingegangen bei Gericht am selben Tage, einem Montag, Berufung eingelegt und dieselbe - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 03. März 2000 - mit weiterem Schriftsatz vom 03. März 2000, eingegangen bei Gericht am selben Tage, begründet.

Unter Wiederholung, Erweiterung und Vertiefung des Vorbringens machen die Kläger mit der Berufung geltend, beide Beklagten seien passivlegitimiert. Es handele sich um verbotene Eigenmacht. Auf Grund der Betriebsführungsabrede hätten beide Beklagten die Verlegung veranlasst.

Eine wirksame öffentlich-rechtliche Widmung für das Flurstück 925 liege nicht vor. Bei dem Flurstück 925 handele es sich nicht um Straßenland, sondern um einen unbefestigten Sandweg, der als Notweg für die Flurstücke 923 und 924 sowie für das sich daran anschließende Kleingartengelände der Flurstücke 931 und 932 (Lageskizze Bl. 254 d. A.) diene. Das Flurstück 925 sei im Jahre 1929 lediglich als Wegefläche parzelliert worden. Es habe lediglich der Vorbereitung der Vertragsdurchführung gedient, nicht aber dem Vollzug des Vertrages. Die Parzellierung sei auch nicht abgeschlossen worden. Die Moratoriumsregelung sei nicht einer Widmung gleichzusetzen. Eine Widmung habe zur Zeit des Beitritts nicht bestanden.

Ebenso wenig bestehe eine Duldungspflicht. Eine Regelung aus dem Einigungsvertrag und hierauf beruhende besondere Regelungen kämen nicht in Betracht, da die Leitungen später verlegt worden seien. Auch aus der früheren Nutzungsbefugnis der Gemeinde ergebe sich kein Leitungsrecht. Eine Duldungspflicht sei ihnen auch unzumutbar, weil sie bestimmte Abstandsflächen bei der Bebauung einhalten müssten.

Die Beklagten müssten sich die Kenntnis der Gemeinde zurechnen lassen. Der Bürgermeister der Gemeinde sei Mitglied des Vorstandes des Beklagten zu 2.

Auch das Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz ändere hieran nichts. Zwar sei es richtig, dass die Gemeinde S... das Flurstück 925 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe in Anspruch genommen habe. Diese beschränke sich aber lediglich auf die Nutzung als Verkehrsfläche. Die Nutzung als oberirdische Verkehrsfläche ergebe aber nicht die Befugnis zu einer unterirdischen Inanspruchnahme des Flurstücks. Gleiches gelte für das Nutzungsrecht aus dem bisherigen Moratorium. Offengehalten sei nur die Abgeltung der Verkehrsflächennutzung.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 25. November 1999, Az.: 10 O 467/97, abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, die Frischwasserleitung und den Abwasserkanal in dem Flurstück 925 des Grundstücks auf Blatt 1019 des Amtsgerichts ... für S... zu entfernen und künftige Eigentumsstörungen zu unterlassen,

hilfsweise,

den Betrieb der Frischwasserleitung und des Abwasserkanals in dem Flurstück 925 des Grundstücks auf Blatt 1019 des Amtsgerichts ... für S... zu unterlassen,

äußerst hilfsweise,

an die Kläger gesamtschuldnerisch einen Teilbetrag in Höhe von 1.000,00 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 10. März 2000 zu zahlen,

äußerst äußerst hilfsweise,

an die Kläger gesamtschuldnerisch Zug um Zug gegen Bewilligung einer Dienstbarkeit für eine im Erdreich unterirdisch verlegte Leitung für Frischwasser und für einen Abwasserkanal einen Teilbetrag von 1.000,00 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 10. März 2000 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil und tragen insbesondere vor, die Verlegung der Leitungen sei nicht durch beide Beklagten veranlasst worden. Eine solche Veranlassung ergebe sich nicht daraus, dass Erweiterungsmaßnahmen zwischen dem Beklagten zu 2. und der Beklagten zu 1. abzustimmen seien.

Ein Anspruch auf Beseitigung der verlegten Leitungen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Besitzstörung komme nicht in Betracht. Es sei fraglich, ob die Kläger überhaupt an dem Flurstück 925 Besitz hätten, da es sich, wie sie auch in zweiter Instanz vortragen, um einen Sandweg handele.

Im Übrigen seien die Kläger verpflichtet, die Verlegung von Leitungen für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung unter dem als öffentliche Straßenfläche genutzten Flurstücks 925 durch den Beklagten zu 2. zu dulden. Bei dem Flurstück 925 handele es sich um eine Verkehrsfläche im Sinne des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz vom 26.10.2001. Auf Grund dessen stehe der Gemeinde S... ein Recht zum Besitz zu. Hierdurch seien die Kläger rechtlich und tatsächlich an eine anderweitige Nutzung des Flurstücks gehindert. Durch die Verlegung der Leitungen komme es nicht zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger.

Auch die Hilfsanträge seien unbegründet. Auf Grund der Nutzung des Flurstücks als öffentliches Straßenland fehle den Klägern bereits die Beeinträchtigung ihres Eigentums und ferner scheitere der Anspruch an dem Ausschließungsinteresse.

Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien sowie auf die hierzu überreichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 5 EGZPO zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Denn die Kläger als Eigentümer des als Verkehrsfläche in Anspruch genommenen Grundstücks, Flurstück 925 der Flur ... der Gemarkung S... , sind auf Grund eines abgeleiteten Rechts zum Besitz der Beklagten gemäß Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB in Verbindung mit Art. 1 §§ 3, 9 des Gesetzes zur Bereinigung offener Fragen des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz) vom 26.10.2001 (BGBl. I 2001 S. 2716 ff.) verpflichtet, die Verlegung der Leitungen zu dulden.

Die Kläger können von den Beklagten weder die Entfernung der Frischwasserleitung und des Abwasserkanals, d. h. die Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung, noch die Unterlassung einer fortbestehenden Eigentumsbeeinträchtigung verlangen. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 1004 BGB, noch aus dem Gesichtspunkt der verbotenen Eigenmacht als Besitzschutz nach § 862 BGB, noch aus § 823 BGB.

Die Kläger sind, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, Eigentümer des Flurstücks 925 der Flur ... der Gemarkung S... . Durch die Verlegung der Frischwasserleitung sowie des Abwasserkanals im Jahre 1996 ist ihr Eigentum beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung dauert auch zukünftig fort, da diese Versorgungsleitungen auf Dauer in das Grundstück verlegt worden sind. Gemäß § 905 Satz 1 BGB erstreckt sich das Recht des Eigentümers auch auf den Erdkörper unter der Oberfläche.

Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten wurde die Trinkwasserleitung mit einem Durchmesser von 100 mm mit einer Gesamtlänge von 61 m mit zwei Hausanschlüssen für die Flurstücke 923 und 924 in einer Tiefe von 1,20 m in das Grundstück der Kläger verlegt. Ebenso unwidersprochen von Seiten der Kläger - und damit als unstreitig anzunehmen - blieb, dass die Schmutzwasserableitung mit einem Durchmesser von 200 mm mit einer Länge von 54,45 m und drei Hausanschlüssen in einer Tiefe von 1,80 m verlegt wurde. Bei denen in üblicher Tiefe verlegten Leitungen ist eine etwaige Nutzung des Grundstücks durch die Kläger beeinträchtigt, wobei mit zu berücksichtigen ist, dass letztlich offen ist, ob die Gemeinde S... von ihrem Erwerbsrecht gemäß Art. 1 § 3 Abs. 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes Gebrauch macht. Denn für die Frage, ob ein Interesse des Eigentümers im Sinne des § 905 Satz 2 BGB gegeben ist, ist auch die zukünftige Entwicklung des Grundstücks zu beachten (BGH in WM 1981, S. 129 (130)).

Im Hinblick auf diese Eigentumsbeeinträchtigung sind sowohl der Beklagte zu 2. als auch die Beklagte zu 1. Störer im Sinne des § 1004 BGB.

Der Beklagte zu 2. ist ein Zweckverband, bei dem es sich um die typische Organisationsform der interkommunalen Zusammenarbeit handelt. Der Zweckverband ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisatorisch und rechtlich verselbstständigt. Er verwaltet seine Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung. Wenn der Zweckverband eine einzelne kommunale Aufgabe übernimmt, geht die kommunale Aufgabe selbst, nicht lediglich die Aufgabenerfüllung auf den Verband über. Die abgebende Gemeinde wird insoweit vollständig von ihrer Verpflichtung befreit. Bei den einzelnen Gemeinden verbleiben keinerlei Rechte und Pflichten hinsichtlich der betreffenden Aufgabe. Die Verantwortlichkeit kann folglich nach dem Übergang der Aufgaben auf den Zweckverband auch nicht mehr durch Aufsichtsmittel gegenüber den beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbänden durchgesetzt werden. Der Zweckverband ist möglicher Aufgabeninhaber und Aufgabenträger. Dem Beklagten zu 2. ist die öffentliche Wasserversorgung, die sowohl die Trinkwasser- als auch die Abwasserversorgung umfasst, übertragen worden. Gemäß § 59 Abs. 1 Brandenburgisches Wassergesetz vom 13. Juli 1994 (GVBl I 1994, S. 302 ff.) ist die öffentliche Wasserversorgung eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde. Nach §§ 5, 15 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg vom 15. Oktober 1993 (GVBl I 1993, S. 398 ff.) in Verbindung mit § 6 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Lande Brandenburg i. d. F. der Bekanntmachung vom 28. Mai 1999 (GVBl 1999 I, S. 194 ff.) ist die Aufgabe der öffentlichen Wasserversorgung in der Gemeinde S... auf den Beklagten zu 2. übergegangen. Im Rahmen dieser übertragenen Aufgabe hat der Beklagte zu 2. entsprechend seiner Verpflichtung mit Hilfe eines Bauunternehmens Abwasserkanal sowie die Trinkwasserleitung verlegt.

Auch die Beklagte zu 1. ist Störerin im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB. Denn Störer ist auch derjenige, der eine störende Anlage hält, d. h. betreibt, wenn von seinem Willen die Beseitigung abhängt. Die Beklagte zu 1. ist jedenfalls mittelbare Störerin, weil sie die unmittelbare Sachherrschaft über diese Leitungen ausübt, wie sich dies aus dem Betriebsführungsvertrag ergibt.

Die Kläger sind jedoch zur Duldung dieser Anlagen verpflichtet. Das Flurstück 925 ist Teil der B...straße in S... und wurde von Alters her faktisch als öffentliche Straße genutzt. Dabei kann offen bleiben, ob das Grundstück der Kläger auch bereits vor dem 8. Mai 1945 als öffentliche Straße genutzt wurde. Jedenfalls während der Zeit, in der die Deutsche Demokratische Republik bestand, wurde dieses Grundstück wie eine öffentliche Straße genutzt, was auch die Kläger jedenfalls für die Zeit ab ca. 1980 ab einräumen.

Zwar vermag der Senat nicht festzustellen, dass es sich bei dem Grundstück um eine Straße im Rechtssinne handelt, die gemäß §§ 3, 4 der Verordnung über die öffentlichen Straßen vom 22. August 1974 (GBl/DDR 1974 I S. 515) in Verbindung mit § 48 Abs. 7 Brandenburgisches Straßengesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. Juni 1999 (GVBl 1999 I, S. 211 ff. d. A.) als gewidmet gilt. Denn ein Beschluss des Rates der Gemeinde über die öffentliche Nutzung und über die Zuordnung zu Straßen, die ausschließlich der öffentlichen Nutzung dienen, ist hinsichtlich dieses Grundstückes nicht feststellbar. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben, denn das Grundstück wurde wie eine öffentliche Straße genutzt, was für den Zeitraum ab 1980, als die Anliegergrundstücke bebaut wurden, zwischen den Parteien unstreitig ist. Die tatsächliche Nutzung des privaten Grundstücks für öffentliche Zwecke ist nämlich ausreichend für ein Recht zum Besitz gemäß Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB.

Bei dem Grundstück der Kläger handelt es sich um einen unbefestigten, jedoch befahrbaren Straßenteil der Bahnhofstraße in S... . Ausweislich des vorgelegten Stadtplanes bildet das Grundstück die Fortsetzung der Bahnhofstraße ab der Straßeneinmündung R... weg in S... . An diesem unbefestigten Straßenteil befinden sich zwei mit Wohnhäuser bebaute und genutzte Grundstücke, die ihren Zugang über diesen Straßenteil erhalten. Dieser Straßenteil wird zudem als Zufahrt für eine sich auf der Kopfseite der Straße befindlichen Kleingartenanlage genutzt. Gemäß dem vorgelegten Auszug aus dem Straßenkataster der Gemeinde S... wird das Grundstück als unbefestigte Straße geführt. Daraus folgt aber, dass dieser Straßenteil durch Anliegerverkehr befahren wird. Damit ist aber festzustellen, dass die Gemeinde S... als öffentliche Körperschaft das Grundstück der Kläger insgesamt zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe im Sinne des Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB nutzt. Diese bereits vor dem 3. Oktober 1990 erfolgte Grundstücksnutzung für öffentliche Zwecke gewährt der nutzenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft ein Recht zum Besitz. Dieses sich aus der Regelung des Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB ergebende Recht zum Besitz setzt sich jedoch gemäß Art. 1 § 3 in Verbindung mit § 9 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz (BGBl. 2001 I, S. 2716 ff.) längstens bis zum 30. Juni 2007 fort.

Nach § 1 gilt dieses Gesetz für Grundstücke privater Eigentümer, sofern das Grundstück innerhalb des Zeitraums vom 9. Mai 1945 bis 30. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurde, einer Verwaltungsaufgabe noch dient und Verkehrsfläche im Sinne dieses Gesetzes ist. Wie oben dargelegt, wurde das Grundstück tatsächlich für den öffentlichen Verkehr, zumindest Anliegerverkehr der Kleingartenanlage sowie der Grundstückseigentümer der Flurstücke 923 und 924 genutzt, was nach wie vor der Fall ist. Auch handelt es sich um eine Verkehrsfläche im Sinne des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes. Nach Art. 1 § 2 dieses Gesetzes sind Verkehrsflächen dem öffentlich Verkehr gewidmete oder kraft Gesetzes als öffentlich oder gewidmet geltende Straßen, Wege, Plätze und einschließlich Zubehör und Nebenanlagen. Es genügt für das Tatbestandsmerkmal Verkehrsfläche eine tatsächliche Inanspruchnahme eines privaten Grundstücks, ohne dass ein förmlicher Widmungsakt oder Beschluss des Rat des Kreises zur öffentlichen Nutzung vorliegt (vgl. Trimbach/Matthiessen, Das Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz in VIZ 2002, S. 1 ff. (2)).

Auf dieses Recht zum Besitz können sich auch die Beklagten berufen. Denn die Gemeinde S... hat die ihr nach § 59 Abs. 1 Brandenburgisches Wassergesetz obliegende öffentlich-rechtliche Aufgabe der Beklagten zu 2. übertragen, die sich zur Erfüllung und Durchführung ihrer Pflicht der Beklagten zu 1. bedient. Der Rat der Gemeinde S... hat das private Eigentum für einen öffentlichen Zweck in Anspruch genommen, für den er allein in seinem Zuständigkeitsbereich verantwortlich war. Auch das durch das Moratorium begründete Besitzrecht der Gemeinde S... gründet sich auf einen öffentlichen Zweck, der allein in ihren Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich fällt, da die Verkehrsfläche als anliegergenutzte Fläche allein der Straßenbaulast der Gemeinde unterfällt. Das zur Bereinigung des Rechtsverhältnisses gewährte Erwerbsrecht und das damit verbundene Besitzrecht erfasst das Grundstück als Ganzes, ohne dass eine Unterscheidung zwischen oberflächenbedingte Nutzung des Grundstücks und eine Nutzung in der Tiefe des Grundstücks vom Gesetzgeber getroffen wird. Zudem umfasst das Nutzungsrecht von öffentlichen Straßen neben einen Gemeingebrauch oder Anliegergebrauch auch die sonstige Nutzung des Straßengrundstücks. Diese sonstige Nutzung umfasst auch die öffentliche Versorgung, wie Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Gerade diese Aufgaben waren aber auch eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde S... , die sie der Beklagten zu 2. übertragen hat. Die vor dem 3. Oktober 1990 begonnene öffentliche Nutzung des Grundstücks als Verkehrsfläche für Anlieger umfasste von vornherein auch die Nutzung des Grundstückes für weitere öffentliche Zwecke, die üblicherweise mit der Nutzung als öffentliche Verkehrsfläche verbunden sind.

Daraus folgt zugleich, dass eine Besitzbeeinträchtigung der Kläger sowie zukünftige Eigentumsbeeinträchtigung wegen der bestehenden Duldungspflicht nicht gegeben ist, da die Besitzbeeinträchtigung gegen den Willen der Kläger sowie die zukünftige Eigentumsbeeinträchtigung nicht widerrechtlich war bzw. ist.

Auf Grund der bestehenden Duldungspflicht steht den Klägern auch nicht der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung des Betriebes der Frischwasserleitung und des Abwasserkanals zu.

Auch die äußerst hilfsweise geltend gemachten Ansprüche, die als sachdienlich - in zweiter Instanz erstmals geltend gemacht - zulässig sind, sind nicht begründet. Den Klägern steht sowohl der in Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB und der in Art. 1 § 9 Abs. 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz normierte Nutzungsentgeltanspruch nicht zu. Dieser richtet sich gegen den öffentlichen Nutzer, der für die Verkehrsfläche unterhaltspflichtig ist. Unterhaltspflichtig für die durch die Anlieger genutzte Straßenfläche Flurstück 925 ist der Träger der Straßenbaulast die Gemeinde S... , nicht die Beklagten.

Dies gilt auch hinsichtlich des Anspruchs auf Nutzungsentgelt Zug um Zug gegen Bewilligung einer Dienstbarkeit für die beiden Leitungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 109.200 DM (= 55.833 EUR)

Bei der Wertversetzung hat sich der Senat davon leiten lassen, dass die Kläger mit dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch der Eigentumsbeeinträchtigung wirtschaftlich den vollen Grundstückswert geltend machen. Der Senat sieht für das streitgegenständliche Grundstück einen Preis von 200,00 DM/m² als angemessen an. Bei 536 m² Grundstücksfläche ergibt dies einen Betrag von 107.200,00 DM. Der erste Hilfsantrag hat nach Auffassung des Senates keinen darüber hinausgehenden Wert. Hinsichtlich der beiden weiteren Hilfsanträge, über die entschieden worden ist, ist jeweils ein Betrag von 1.000,00 DM anzusetzen.

Ende der Entscheidung

Zurück