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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 19.07.2007
Aktenzeichen: 5 U 153/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 745 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 903
BGB § 985
BGB § 986
BGB § 986 Abs. 1 Satz 1
BGB §§ 987 ff.
BGB § 1091
BGB § 1092 Abs. 1 S. 2
BGB § 1093 Abs. 1
BGB § 1093 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1093 Abs. 2
BGB § 1093 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 153/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 19. Juli 2007

Verkündet am 19. Juli 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 05. Juli 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und den Richter am Oberlandesgericht Tombrink

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. Juli 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 12 O 50/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Vater der Klägerin war Eigentümer von Grundbesitz, eingetragen in den Grundbüchern von M... Blatt 1201 und Blatt 1995, Flur 5, Flurstücke 254/52, 881 (Blatt 1201) sowie 760 (Blatt 1995) mit einer Größe von 510, 1040 und 363 m² gelegen in M..., ...weg 7, den er gemeinsam mit der Beklagten, seiner Lebensgefährtin, bewohnt.

Mit notariellem Übertragungsvertrag vom 28. November 2001 (Notar B... in E..., UR-Nr. 1707/2001- Bl. 6 ff GA) übertrug der Vater der Klägerin seinen mit einem Einfamilienhaus und Nebengebäude bebauten Grundbesitz, und zwar die Flurstücke 254/52 und 760 der Beklagten zu 1. zu einem ideellen Anteil von 1/10, der Klägerin zu einem solchen von 9/10, und das Flurstück 881 der Flur 5 zu einen ideellen Anteil von 1/10 der Klägerin.

In Ziffer II des Vertrages vereinbaren die Parteien als Erwerber mit dem Veräußerer, diesem auf Lebenszeit "als Gegenleistung" für die Überlassung des Grundbesitzes ein Wohnrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit des Inhalts zu gewähren, dass dem Vater der Klägerin an der in der oberen Etage des Hauses gelegenen Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad, ein unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt werde, mit dem Recht, sämtliches Nebengelass im Wohnhaus und sämtliche Räume in den Nebengebäuden zu nutzen.

Mit der Begründung, die Beklagte nutze das Kellergeschoss des zweigeschossigen Wohnhauses, in dem sich ein Wohnraum sowie Dusche und WC befänden sowie die auf dem Wohngrundstück befindliche Garage, verlangt die Klägerin mit der Klage Zahlung eines Nutzungsentgelts. Durch diese Eigennutzung des Kellergeschosses zu Wohnzwecken sowie der Garage nehme die Beklagte ihr, der Klägerin, die ihr als Eigentümerin gemäß § 903 BGB zustehende Nutzungsmöglichkeit. Denn diese Nutzung der Beklagten werde von dem dem Veräußerer eingeräumten Wohnungsrecht nicht erfasst.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme über die Nutzung des Kellers und der Garage die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte die Kellerräume des Wohnhauses nicht nutze. Der hierzu gehörte Zeuge, der Vater der Klägerin und Lebensgefährte der Beklagten, habe das Haus näher beschrieben. Danach handele es sich um einen einfachen einstöckigen Bungalow mit ausschließlich einer Wohnung im Erdgeschoss und dem einfachen, nicht zu Wohnzwecken nutzbaren Keller, der ausschließlich von ihm, dem Zeugen, genutzt werde. Zudem handele es sich bei dem Keller um Nebenräume im Sinne des § 1093 Abs. 3 BGB. Die Klage sei auch nicht mit der Hilfsbegründung gerechtfertigt, wonach die Beklagte die Erdgeschosswohnung des Bungalows gemeinsam mit dem Zeugen N... nutze. Der Berechtigte könne gemäß § 1093 Abs. 2 BGB seine Familie sowie die zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufnehmen. Hierzu zähle auch die Lebensgefährtin des Zeugen. Soweit nach der Regelung im Notarvertrag vom 28. November 2001 die Ausübung des Wohnrechts nicht einem Dritten überlassen werden dürfe, unterliege die Lebensgefährtin des Zeugen nicht dieser Regelung, da darunter nur Personen außerhalb der Familienangehörigen oder des Hauspersonals zu verstehen seien. Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Die Klägerin rügt mit der Berufung, dass das erstinstanzliche Gericht ihren unstreitigen Vortrag nicht berücksichtigt habe. Zudem habe es den Regelungsgehalt des § 1093 Abs. 1 BGB verkannt.

Während des gesamten erstinstanzlichen Rechtsstreits sei unstreitig gewesen, dass die Beklagte das Kellergeschoss nutze. Die Beklagte habe lediglich bestritten, das Kellergeschoss zu bewohnen, sie nutze den Keller jedoch als Abstellraum. Dennoch habe das Landgericht den Zeugen N... zu der Frage der Kellernutzung durch die Beklagte gehört. Es fehlten auch die Ausführungen des Gerichts zur Glaubwürdigkeit des Zeugen als Lebensgefährten der Beklagten. Schließlich seien die Ausführungen zur Abbedingung des § 1093 Abs. 2 BGB nicht haltbar. Die Beklagte sei als Dritte im Sinne der vertraglichen Vereinbarung zu sehen und dürfe deswegen das Erdgeschoss nicht nutzen.

Die Klägerin beantragt,

das am 25. Juli 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 12 O 50/06 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie 4.355,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 14. Dezember 2005 (Rechtshängigkeit der Klage) und

2. an sie für die Nutzung des Grundstücks ...weg 7 in M... eine jeweils am letzten Tag des Monats fällige monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 522 € seit dem 14. Dezember 2005 (Rechtshängigkeit der Klage) nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus, seit dem Datum der Fälligkeit der jeweiligen monatlichen Nutzungsentschädigung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.

Wegen des Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts im angefochtenen Urteil und ergänzend auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die vorgelegten Unterlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 517, 520, 519 ZPO). In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten für die Nutzung des Hauses ...weg 7 in M..., einem unterkellerten Bungalow, aufstehend auf dem Flurstück 254/52 der Flur 5, kein Nutzungsentgelt verlangen.

Vertragliche Ansprüche sind nicht ersichtlich.

Die Klägerin kann den Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts auch nicht aus § 745 Abs. 2 BGB herleiten. Gemäß Abs. 3 Satz 2 dieser Vorschrift kann das Recht des einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Ehegatte, der nach Scheitern der Ehe das gemeinsame Hausgrundstück verlässt, eine Nutzungsentschädigung als Ausgleich für die entgangene Nutzungsmöglichkeit verlangen kann. Bei einem solchen Scheitern der Gemeinschaft kann der ausziehende Teilhaber von dem verbleibenden gemäß § 745 Abs. 2 BGB entspr. eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen, die in der Regel auf Entschädigung der entgangenen Nutzungsmöglichkeit gerichtet sein wird; dabei kann unmittelbar auf Zahlung dieses Entgelts geklagt werden. Dies gilt allerdings nur, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist.

Auf den vorliegenden Fall übertragen könnte der Klägerin nur dann ein Nutzungsentgelt zugesprochen werden, wenn ihr dadurch, dass die Beklagte das Haus mitbewohnt, eine zuvor bestehende Nutzungsmöglichkeit genommen würde. Der Senat vermag jedoch nicht festzustellen, dass jemals eine solche Nutzungsmöglichkeit der Klägerin bestanden hätte.

Die Parteien haben mit dem Vater der Klägerin in dem Übertragungsvertrag vereinbart, dass Letzterem unter Ausschluss des Eigentümers ein dingliches unentgeltliches Wohnrecht an den Wohnräumen des Hauses, welches nur über eine Wohnung verfügt, auf Lebenszeit zusteht. Dieses Wohnrecht ist nicht nur auf einige räumliche Bereiche des einstöckigen Wohnhauses beschränkt. Denn dem Vater wurde auch das Recht eingeräumt, sämtliches Nebengelass, das heißt auch den Keller und sämtliche Räume in den Nebengebäuden, also auch die Garage, zu nutzen und nicht nur im Sinne von § 1093 Abs. 3 BGB mitzubenutzen. Dem Wohnrecht unterfallen damit nach der insoweit eindeutigen Regelung auch die Nebenräume und Nebengelass, so dass der Berechtigte dies alles unter Ausschluss des Eigentümers nutzen darf. Die Urkunde, die die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat, gibt nichts dafür her, dass dennoch eine Aufspaltung des Nutzungsverhältnisses in zwei räumliche Bereiche dahingehend vereinbart worden wäre, dass ein Teil des Gebäudes dem Wohnrecht unterliegt, während etwa der Keller und die Garage hiervon ausgenommen worden wären. Insbesondere vermag die Regelung über die anteilige Tragung der Wohnungsnebenkosten durch die Beteiligten als Nebenleistung der zünftigen Eigentümer das Wohnungsrecht nicht einzuschränken. Eindeutig wurde das Wohnrecht gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB auch unter Ausschluss des Eigentümers bewilligt, so dass das Nutzungsrecht nicht den Eigentümern und damit anteilig der Klägerin sondern allein dem Berechtigten zusteht. Damit haben zugleich sämtliche am Abschluss des Vertrages Beteiligte die Benutzung des Wohnhauses im Sinne von § 745 Abs. 2 BGB dahin geregelt, dass das Nutzungsrecht allein dem Berechtigten und nicht den Eigentümern zusteht. Der Klägerin kann dann aber keine Nutzungsmöglichkeit genommen werden, wenn sie sie nach dem Vertrag von vorneherein nicht hatte und auf Lebenszeit des Berechtigten auch nicht haben sollte.

Die Klägerin kann Nutzungsersatz von der Beklagten auch nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß §§ 812 Abs. 1, Satz 1, 2. Alternative, 818 Abs. 2 BGB verlangen.

Soweit es um die Nutzung des Hausgrundstücks auf Kosten der Klägerin geht, gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Durch das Wohnrecht des Veräußerers ist es den Eigentümern verwehrt, selbst Nutzungen aus der Wohnung zu ziehen, solange das Wohnrecht besteht, also auf dessen Lebenszeit. Auf Kosten des Bereicherungsgläubigers wäre der Bereicherungsschuldner aber nur dann bereichert, wenn dem Vermögensvorteil auf der einen Seite ein Vermögensnachteil auf der anderen Seite gegenüberstünde, also eine irgendwie geartete wirtschaftliche Schlechterstellung einträte. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Eigentümer nicht nur faktisch gehindert ist, die Räume anderweitig zu nutzen, sondern, wie vorliegend, ihm eine Nutzungsmöglichkeit zu Wohnzwecken rechtlich nicht zusteht. Ein daraus erzielter Gewinn wäre nämlich nur dann auf Kosten des Eigentümers erlangt, wenn er selbst diesen Nutzen mit dem ihm verbliebenen Zuweisungsgehalt hätte erzielen können. Selbst eine unberechtigte Überlassung der Wohnung durch den Wohnungsberechtigten würde nichts daran ändern, dass der Eigentümer selbst die von dem Berechtigten weitergegebene Nutzung nicht ziehen kann. Daraus folgt, dass die möglicherweise unentgeltliche Überlassung der Wohnung an die Beklagte, selbst wenn die Klägerin dies nicht dulden müsste, nicht dazu führen würde, dass die Klägerin nunmehr hieraus selbst Nutzungen aus der Wohnung ziehen könnte, so lange das Wohnrecht besteht. Die Beklagte wäre also nicht auf Kosten der Klägerin, sondern lediglich auf Kosten des Wohnberechtigten bereichert. Allein die wirtschaftlich unter Umständen vorteilhafte, aber wohnrechtswidrige Nutzung kann deshalb nicht dazu führen, dass ein daraus erzielter Nutzungsvorteil an den Eigentümer abgeführt werden müsste. Schließlich fehlt es an der weiteren Anspruchsvoraussetzung, dem Fehlen eines Rechtsgrundes.

Die Beklagte ist die Lebensgefährtin des Berechtigten. Damit ist sie Familienangehörige des Berechtigten im Sinne des § 1093 Abs. 2 BGB. Als solche steht der Beklagten gemäß § 986 BGB ein von dem Besitzrecht des Berechtigten abgeleitetes Besitzrecht an der Wohnung zu, so dass die Klägerin die Aufnahme der Beklagten in die Wohnung und damit auch deren Mitnutzung zu dulden hat.

Aus der § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechenden Regelung des notariellen Vertrages, wonach die Ausübung des Wohnrechts keinem Dritten überlassen werden darf, ergibt sich nichts anderes. Eine Überlassung der Ausübung des Wohnrechts an einen Dritten ist nicht darin zu sehen, dass die Beklagte von ihrem Lebensgefährten, dem Vater der Klägerin, in die Wohnung aufgenommen worden wäre. In Erweiterung von § 1091 BGB bestimmt § 1093 Abs. 2 BGB, dass der Wohnungsberechtigte befugt ist, auf Dauer seine Familie sowie die zur standesgemäßen Bedienung und Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufzunehmen. Hieraus resultiert für den Eigentümer des dienenden Grundstücks eine erweiterte Duldungspflicht, die von der Möglichkeit, auf Grund einer ausdrücklichen Gestattung nach § 1092 Abs. 1 Satz 2 die Ausübung der Dienstbarkeit auch Dritten zu überlassen, zu unterscheiden ist (BGH NJW 1962, 1392, OLG Celle MDR 1998, 1344) und aus der der Aufgenommene selbst kein eigenes Recht zum Wohnen erlangt. Die Beklagte kann aber dieses von dem Berechtigten abgeleitete Recht zum Wohnen gemäß § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB als Rechtsgrund entgegenhalten.

Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus §§ 987 ff. BGB aus. Denn diese das Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer regelnden Vorschriften setzen das Bestehen eines Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB voraus, den der Eigentümer gegen den Wohnberechtigten und damit auch gegenüber der Beklagten, die ihr Besitzrecht gemäß § 986 BGB von dem Wohnberechtigten ableiten kann, nicht hat.

Aus den vorgenannten Gründen folgt zugleich, dass der Schriftsatz der Klägerin vom 11. Juli 2007 keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt und dass kein Grund vorliegt, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 11, 711.

Streitwert: 23.147,00 €.

Ende der Entscheidung

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