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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 5 U 156/05
Rechtsgebiete: SachenRBerG, BGB


Vorschriften:

SachenRBerG § 5 Abs. 2
SachenRBerG § 29
SachenRBerG § 29 Abs. 1
SachenRBerG § 29 Abs. 1 Satz 2
SachenRBerG § 29 Abs. 2
SachenRBerG § 29 Abs. 2 Nr. 2
SachenRBerG § 29 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt.
SachenRBerG §§ 88 f.
SachenRBerG § 121 Abs. 2
SachenRBerG § 121 Abs. 2 lit. b)
BGB § 126 Abs. 2 Satz 2
BGB § 257
BGB § 545
BGB § 581 Abs. 1
BGB § 581 Abs. 2
BGB § 594
BGB § 594 a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 156/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 7. September 2006

Verkündet am 7. September 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth

auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 18. November 2005 - Az. 1 O 419/04 - teilweise abgeändert und die Beklagten zu 1 und 2 verurteilt, die Grundstücke der Gemarkung W..., Flur 8, Flurstücke 55/1, 55/2, 55/3 sowie 55/5, eingetragen im Grundbuch von W... Blatt 6893 des Amtsgerichts Potsdam zum 31. Dezember 2006 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers hat die Klägerin nur insoweit zu tragen, als diese nach dem Beitritt des Streithelfers auf der Seite der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2006 entstanden sind.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 218.412,92 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist als Alleinerbin nach Frau E... M... Eigentümerin mehrerer Grundstücke in W... unter der postalischen Anschrift ... mit einer Gesamtgröße von ca. 3.600 m². Bei den Flurstücken 55/1 (348 m²), 55/2 (854 m²) und 55/5 (833 m²) handelt es sich um Grundstücke, die als Garten genutzt werden, wobei durch das Flurstück 55/5 der Seezugang hergestellt wird, während die Flurstücke 55/1 und 55/2 unmittelbar an der Straße liegen. Bei dem Flurstück 55/3 (343 m²) handelt es sich um eine Wegefläche, über die das mit dem Wohnhaus bebaute Flurstück 55/4, das Gegenstand der Ansprüche nach dem SachenRBerG ist, erreicht werden kann.

Die Beklagte zu 1. bewohnte zusammen mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann und dem Beklagten zu 2., ihrem Sohn, das Obergeschoss des Hauses ... in W... auf Grund einer Wohnraumzuweisung vom 29. Oktober 1985 und einem nachfolgend abgeschlossenen Mietvertrag. Der im Jahre 1998 verstorbene Ehemann der Beklagten zu 1. wurde von dieser zu 1/2, von dem Beklagten zu 2. zu 1/4 und einem weiteren Sohn, für den Pflegschaft angeordnet ist, ebenfalls zu 1/4 beerbt. Am 9. März 1990 schlossen die Beklagte zu 1. und ihr Ehemann mit dem Rat der Stadt W... einen Kaufvertrag über das Gebäude und nachfolgend am 4. Mai 1990 einen weiteren über das Flurstück 55/4 ab. Zwischenzeitlich war den Eheleuten Ho... am 21. März 1990 an dem Flurstück 55/4 vom Rat des Kreises P... ein dingliches Nutzungsrecht verliehen worden. Jedenfalls im Jahre 1994 wurde das Haus von der Familie Ho... - das Erdgeschoss war zu dieser Zeit an eine Familie J... vermietet - zu Wohnzwecken genutzt. Zu einem Vollzug der Kaufverträge ist es wegen der von der Erblasserin E... M... gestellten Restitutionsanträge nicht mehr gekommen.

Die weiteren Flurstücke werden von der Beklagten auf Grund von Pachtverträgen genutzt. Weil die nach dem Vortrag der Beklagten bereits zu DDR-Zeiten geschlossenen Pachtverträge nicht mehr aufgefunden werden konnten, kündigte die Stadt W... diese Verträge vorsorglich am 22. April 1992 zum 31. Oktober 1992. Ob es danach mit der Grundstücksverwalterin zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages am 31. Dezember 1994 gekommen ist, ist zwischen den Parteien des Rechtsstreits streitig. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Herausgabe sämtlicher Flurstücke, wobei sie vorsorglich gegenüber allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft, also auch gegenüber dem weiteren Sohn der Beklagten zu 1. am 12. Oktober 2005 den Pachtvertrag zum 31. Dezember 2005 gekündigt hat.

Widerklagend begehren die Beklagten die Feststellung ihrer Berechtigung nach dem SachenRBerG an dem Flurstück 55/4.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, hinsichtlich des mit einem Wohnhaus bebauten Flurstückes 55/4 stehe der Klägerin ein Anspruch auf Herausgabe nicht zu; die Besitzberechtigung der Beklagten beruhe hier auf ihre Anspruchsberechtigung nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG. Ohne Erfolg berufe sich die Klägerin auf die Einrede des § 29 SachenRBerG. Es brauche in diesem Zusammenhang nicht aufgeklärt zu werden, ob die Beklagte zu 1. Ende des Jahres 2001 die Nutzung länger als ein Jahr nachhaltig aufgegeben habe, denn unstreitig sei ab Anfang des Jahres 2004 eine Nutzung durch den Beklagten zu 2. erfolgt, wie dies auch die polizeiliche Ummeldung zum 1. April 2004 zeige. Eine Anspruchsberechtigung scheide auch nicht deshalb aus, weil es sich um ein Mehrfamilienhaus handele; Eigenheime im Sinne der Sachenrechtsbereinigung seien Ein- oder Zweifamilienhäuser und es sei nicht ersichtlich, dass das Objekt über mehr als zwei Wohnungen verfüge. Hinsichtlich der übrigen Flächen stehe der Klägerin ein Herausgabeanspruch ebenfalls nicht zu. Nach § 7 des Pachtvertrages müsse eine Kündigung spätestens am 3. Werktag eines Pachtjahres für den Schluss dieses Pachtjahres ausgesprochen werden. Hieran fehle es jedenfalls derzeit. Der Ausspruch einer Kündigung gegenüber dem weiteren Miterben W... Ho..., sei nicht ausnahmsweise entbehrlich gewesen, denn auf Grund des Schriftsatzes der vormals von den Beklagten bevollmächtigten Rechtsanwälte ... vom 18. März 2002 im gerichtlichen Verfahren 5 AR 2/02 seien jedenfalls der Rechtsvorgängerin der Klägerin die Erbverhältnisse nach dem verstorbenen M... Ho... bekannt gewesen; dieses Wissen müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Die weitergehende Klage auf Löschung von Grundbuchbelastungen sei ebenfalls unbegründet. Ein solcher Löschungsanspruch würde voraussetzen, dass eine Anspruchsberechtigung nach dem SachenRBerG nicht gegeben sei. Hieran fehle es, denn die Widerklage der Beklagten auf Feststellung ihrer Berechtigung nach dem SachenRBerG sei begründet.

Gegen das ihr am 24. November 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts Potsdam hat die Klägerin mit am 14. Dezember bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. Februar 2006 - mit am 10. Februar 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 12. Februar 2006 dem Streithelfer der Beklagten den Streit verkündet. Dieser ist mit Schriftsatz vom 5. April 2006 dem Rechtsstreit zunächst auf der Seite der Klägerin beigetreten. Nach Durchführung der Beweisaufnahme im Termin vom 17. August 2006 hat er dann den Beitritt auf der Seite der Beklagten erklärt und hat sich nunmehr deren Anträgen angeschlossen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt die Klägerin vor, dass die Beklagten hinsichtlich des Grundstücks spekulative Verwendungsabsichten hätten, ergäbe sich aus einem Treffen am Bahnhof in P... am 16. Oktober 2003, an dem der Lebenspartner der Klägerin, der Beklagte zu 2. und ein Rechtsanwalt ... teilgenommen hätten. Der Lebenspartner der Klägerin habe dabei mitgeteilt, dass unter Beteiligung des Streitverkündeten zügig eine Einigung erzielt werden könne, die dazu führe, dass die Klägerin das Grundstück endgültig in Besitz nehmen könne und auch dem Anliegen der Beklagten zur Zahlung eines Abgeltungsbetrages von 175.000 DM nachgekommen werden könne. In dem Gespräch sei deutlich geworden, dass der Beklagte zu 2. mit dem Streithelfer in Verbindung stehe und ausgelotet habe, wie weit man den Abgeltungsbetrag "ausreizen" könne. Danach hätten die Beklagten offensichtlich "Blut geleckt" und einige Monate später das Objekt wieder bezogen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 18. November 2005 - Az. 1 O 419/04 - die Beklagten zu verurteilen,

1. das Grundstück der Gemarkung W..., Flur 8, Flurstück 55/4 eingetragen im Grundbuch von W..., Amtsgericht Potsdam zu räumen und an die Klägerin herauszugeben;

2. die Grundstücke der Gemarkung W..., Flur 8, Flurstücke 55/1, 55/2, 55/3 sowie 55/5 eingetragen im Grundbuch von W..., Blatt 6893, Amtsgericht Potsdam, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben;

3. hilfsweise die Grundstücke der Gemarkung W..., Flur 8, Flurstücke 55/1, 55/2, 55/3 sowie 55/5, eingetragen im Grundbuch von W... Blatt 6893, Amtsgericht Potsdam, zum 31. Dezember 2006 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben;

4. die Löschung des zu ihren Gunsten im Grundbuch von W..., Amtsgericht Potsdam, Blatt 6893 eingetragenen Nutzungsrechts an dem Grundstück der lfd. Nr. 1, Flur 8, Flurstück 55/4 der Gemarkung W..., Größe 1.460 m², zu bewilligen;

5. die Löschung des zu ihren Gunsten in Abteilung II des Grundbuchs von W... Blatt 6893 lfd. Nr. 1 eingetragenen Vermittlungsvermerks gemäß § 88 f. SachenRBerG Flur 8, Flurstück 55/4 der Gemarkung W... zu bewilligen;

6. hilfsweise, die Löschungsbewilligung sowie alle notwendigen Anträge zur Löschung des Vermittlungsvermerks der Gemarkung W..., Abteilung II, Blatt 6893 lfd. Nr. 1, Flur 8, Flurstück 55/4 zu bewilligen und zu stellen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kläger wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen. Sie machen geltend, die Kündigung der Pachtverträge sei nach den Bedingungen des Pachtvertrages frühestens zum 31. Dezember 2007 wirksam geworden.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M...; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17. August 2006 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO).

In der Sache bleibt das Rechtsmittel überwiegend ohne Erfolg; die Klägerin hat gegen die Beklagten lediglich einen Anspruch auf Räumung der gepachteten Flurstücke 55/1, 55/2, 55/3 und 55/5 zum 31. Dezember 2006.

A) Flurstück 55/4

Hinsichtlich des mit dem Wohnhaus bebauten Flurstücks 55/4 kann die Klägerin weder die Herausgabe dieses Grundstücks noch die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Nutzungsrechts sowie des eingetragenen Vermittlungsvermerks verlangen. Das Landgericht hat insoweit zu Recht unter Stattgabe der Widerklage eine Berechtigung der Beklagten nach dem SachenRBerG und ein darauf resultierendes Besitzrecht festgestellt.

1.

Die Berechtigung der Beklagten nach dem SachenRBerG ergibt sich vorliegend aus der Vorschrift des § 121 Abs. 2 SachenRBerG, dessen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die Beklagte zu 1. hatte gemeinsam mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann rechtzeitig vor dem 13. Oktober 1989 auf Grund einer Wohnraumzuweisung aus dem Jahre 1985 einen Mietvertrag über die Wohnung im Obergeschoss des Gebäudes geschlossen und die vereinbarte Miete bezahlt. Die Wohnung wurde am 1. Oktober 1994 von der Beklagten zu 1. und von ihrem Ehemann zu eigenen Wohnzwecken benutzt. Im Ergebnis ist auch vom Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages im Sinne von § 121 Abs. 2 lit. b) auszugehen.

Die Beklagte zu 1. und ihr Ehemann hatten am 9. März 1990 einen notariellen Kaufvertrag über das Gebäude und am 4. Mai 1990 einen weiteren über das Grundstück abgeschlossen. Das der Kaufvertrag über das Gebäude noch nicht auf der Grundlage des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 erfolgte, sondern gemäß dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Eigenheime vom 19. Dezember 1973 ist für die Anwendung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG ohne Bedeutung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG). Die Klägerin vermag sich nicht mit Erfolg darauf berufen, bei dem Gebäude handele es sich nicht um ein Eigenheim im Sinne des SachenRBerG. Tatsächlich war das Gebäude zu DDR-Zeiten in zwei Wohneinheiten aufgeteilt, wobei die Beklagten das Obergeschoss bewohnten. Zwar war nach § 1 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz über den Verkauf volkseigener Eigenheime vom 19. Dezember 1973 ein Eigenheim grundsätzlich ein Wohngebäude, das als persönliches Eigentum für den Wohnbedarf einer Familie bestimmt ist. Darauf, ob das auf dem Flurstück 55/4 befindlichen Gebäude diese Voraussetzung erfüllt, was nicht von vornherein ausgeschlossen ist, kommt es aber deswegen nicht an, weil nach § 1 Abs. 1 der zum 1. Mai 1985 geänderten Durchführungsbestimmungen das Gebäude durchaus auch über eine zweite selbständige Wohnung verfügen durfte, die auch vermietet werden konnte. Der Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages scheitert daher nicht daran, dass zum Zeitpunkt des Verkaufs des Gebäudes möglicherweise zwei selbständige Wohnungen vorhanden waren. Dies entspricht im Übrigen der Regelung in § 5 Abs. 2 SachenRBerG.

Es mag zwar zweifelhaft sein, ob zu DDR-Zeiten an dem Gebäude selbständiges Gebäudeeigentum entstanden war - nach dem Restitutionsbescheid vom 23. Januar 1997 war ein Gebäudegrundbuch nicht angelegt worden -, was aber deswegen keiner weiteren Aufklärung bedarf, weil zusätzlich am 4. Mai 1990 ein weiterer Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen worden ist. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 SachenRBerG erfasst auch Kaufverträge über Eigenheimgrundstücke (BGH VIZ 1999, 605, 606; VIZ 2002, 49, 50).

Damit sind die Beklagten nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG, nach diesem Gesetz anspruchsberechtigt.

2.

Die Klägerin kann der Geltendmachung der Rechte nach dem SachenRBerG die Einrede nach § 29 Abs. 1, 2 SachenRBerG nicht entgegenhalten.

a)

In diesem Zusammenhang streiten die Parteien darüber, ob die Beklagte zu 1. im Jahre 2001 endgültig ausgezogen ist und der Einzug des Beklagten zu 2. zu Beginn des Jahres 2004 nur zum Schein erfolgt ist.

Dieser von der Klägerin unter Beweis gestellte Vortrag spielt aber lediglich im Rahmen des § 29 Abs. 1 SachenRBerG eine Rolle im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Nutzung für mindestens ein Jahr aufgegeben worden ist und deswegen zu vermuten ist, dass eine solche in Zukunft nicht mehr stattfinden wird (§ 29 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG).

b)

Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es jedoch nicht, weil der Klägerin die Einrede nach § 29 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG zusteht; dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Der Beklagten und ihrem Ehemann wurde am 21. März 1990 durch den Rat des Kreises P... an dem Flurstück 55/4 auf der Grundlage des Gesetzes vom 4. Dezember 1970 über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken - dieses Gesetz ist auf Grund des Art. 8 des Einigungsvertrages erst mit Wirkung vom 2. Oktober 1990 außer Kraft getreten - ein dingliches Nutzungsrecht verliehen. Die Einrede des § 29 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG - dessen Voraussetzungen an dieser Stelle unterstellt - kann in einem solchen Fall dem Nutzer dann entgegengehalten werden, wenn nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen des Nutzers nur eine Verwertung durch Veräußerung zu erwarten ist, § 29 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative SachenRBerG. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht davon ausgegangen werden, dass seitens der Beklagten nach deren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nur eine Verwertung durch Veräußerung zu erwarten ist. Schon auf Grund des Umstandes, dass der Beklagte zu 2. mit seiner Familie und mittlerweile - nach der Trennung von bestehen für eine Nutzung allein durch Verwertung keine konkreten Anhaltspunkte.

c)

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann weiter nicht davon ausgegangen werden, dass der auch bei dem Termin am 17. August 2006 im Sitzungssaal anwesende Rechtsanwalt M... beabsichtigt, in absehbarer Zeit das gesamte Objekt von den Beklagten zu übernehmen. Dieser von den Beklagten bestrittene Vortrag der Klägerin ist nach der Vernehmung des Zeugen als widerlegt anzusehen.

Der Zeuge hat angegeben, dass seine Ehefrau seit Mitte der 90iger Jahre Eigentümerin des Grundstücks ... in W... sei. Er und der Ehemann der Beklagten zu 1., der von Beruf ebenfalls Rechtsanwalt gewesen sei, hätten sich häufiger über die anstehende Grundstücksproblematik beruflich ausgetauscht; er habe anfänglich auch Frau Ho... anwaltlich beraten, habe jedoch kein Mandat übernehmen wollen, um nicht gegen einen nachbarlichen Eigentümer auftreten zu müssen. Allein vor diesem Hintergrund sei auch seine Anwesenheit in den Terminen zur mündlichen Verhandlung zu erklären. Er habe zu keiner Zeit mit Frau Ho... darüber gesprochen, einmal das Grundstück ... erwerben zu wollen. Es sei auch nicht darüber gesprochen worden, dass sie im Vorfeld das Grundstück für sich im Wege der Sachenrechtsbereinigung erwerbe, damit er es dann später übernehmen könne. Dies sei der Stand bis heute. Er könne sich nicht daran erinnern, bei dem Richtfest im Jahre 2000 auf seinem Grundstück gegenüber dem Nachbarn, Herrn B..., erklärt zu haben, das Grundstück erwerben zu wollen. Möglicherweise rühre die Äußerung des Herrn B... daher, das er, der Zeuge im Jahre 1996 oder 1997 von Frau Ho... darauf angesprochen worden sei, ob er ihr eine finanzielle Unterstützung bei dem Erwerb des Grundstücks gewähren könne.

Nach der Aussage des Zeugen, an der zu Zweifeln der Senat keinerlei Veranlassung sieht, kann danach nicht davon ausgegangen werden, dass seitens der Beklagten nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nur eine Verwertung durch Veräußerung zu erwarten ist. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch den weiteren Umstand, dass die Beklagten im Rahmen des notariellen Vermittlungsverfahrens nicht den Ankauf des Grundstücks geltend machen, sondern den Abschluss eines Erbbaurechtsvertrages begehren. Wäre jedoch eine Verwertung durch Veräußerung zu erwarten, so hätte es näher gelegen, das Grundstück anzukaufen.

Da somit jedenfalls die Voraussetzung des § 29 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. SachenRBerG nicht erfüllt sind, steht der Klägerin in keinem Fall die Einrede nach § 29 Abs. 1 SachenRBerG zu. Die Beklagten sind danach nicht gehindert, ihre Rechte nach dem SachenRBerG geltend zu machen.

3.

Daraus folgt, dass die Klägerin weder die Herausgabe des Grundstücks noch die Löschung des Nutzungsrechts bzw. die Löschung des Vermittlungsvermerks im Grundbuch verlangen kann, vielmehr auf die Widerklage der Beklagten hin deren Berechtigung nach dem SachenRBerG dem Grunde nach festzustellen war.

B) Flurstücke 55/1, 55/2, 55/3 und 55/5

Soweit die Klägerin weiter die Herausgabe der Flurstücke 55/1, 55/2, 55/3 und 55/5 (im Folgenden: Gartengrundstücke) verlangt, hat die Berufung nur teilweise insoweit Erfolg, als dem Hilfsantrag der Klägerin auf Herausgabe zum 31. Dezember 2006 stattzugeben war; der auf die sofortige Räumung und Herausgabe gerichtete Hauptantrag bleibt ohne Erfolg.

1.

Hinsichtlich der Gartengrundstücke ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten davon auszugehen, dass sie diese Flächen, die mit zwei Garagen und einem massiven Schuppen bebaut sind, weitgehend schon zu DDR-Zeiten genutzt haben, hierüber seinerzeit aber gesonderte vertragliche Vereinbarungen nicht getroffen worden sind. Soweit nach dem Schreiben der Stadt W... vom 22. April 1992 möglicherweise für das Jahr 1991 ein Pachtvertrag bestand, ist dieser offensichtlich weder bei der Stadt W... noch bei der Beklagten vorhanden. Ebenfalls nach dem Vorbringen der Beklagten ist weiter davon auszugehen, dass es vor diesem Hintergrund im Dezember 1994 zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages gekommen ist, und zwar mit der gemeinnützigen H... ...gesellschaft mbH, die bereits zuvor die Nutzungsgebühren eingezogen hatte, nachdem ein mögliches altes Pachtverhältnis zuvor vorsorglich gekündigt worden war.

2.

Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, es sei im Jahre 1994 nicht zum Abschluss eines wirksamen Pachtvertrages gekommen, weil das von den Beklagten vorgelegte Vertragsexemplar nicht von der Beklagten zu 1. und ihrem Ehemann unterschrieben worden sei.

Es trifft zwar zu, dass die Beklagten nur ein von der Verpächterseite unterzeichnetes Exemplar vorgelegt haben; dies steht aber schon im Hinblick auf die Vorschrift des § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB einem wirksamen Vertragsschluss nicht entgegen. Das es tatsächlich zum Abschluss eines Pachtvertrages im Jahre 1994 gekommen ist, also die Verpächterin ein von der Beklagten zu 1. und ihrem Ehemann unterzeichnetes Exemplar erhalten hat, ergibt sich ohne weiteres aus dem Schreiben der Verwalterin vom 26. Oktober 1998, in dem mitgeteilt wird, dass zum 1. November 1998 die Rückübertragung des Grundstücks bestandskräftig geworden sei und sich die Eigentümerin wegen der Pachtzahlungen an sie wenden werde. Für das Jahr 1998 sei aber noch die anteilige Pacht für zehn Monate an sie zu entrichten. Vom Abschluss eines Pachtvertrages kann danach ohne weiteres ausgegangen werden, zumal nachfolgend von der Beklagten zu 1. und ihrem Ehemann der in dem Pachtvertrag genannte Pachtzins entrichtet worden ist.

Dieser Pachtvertrag ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch hinreichend bestimmt. In § 1 des Vertrages ist der Pachtgegenstand mit Flur 8, Flurstück 55 bezeichnet. Es wird aber deutlich, dass es sich um Gartenland und Garagennutzung handelt. Da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass Teile der genannten Flurstücke durch Dritte genutzt werden sollten, ist damit hinreichend deutlich, dass abgesehen von dem mit dem Haus bebauten Flurstück 55/4 sämtliche weiteren Flurstücke zur Nutzung überlassen werden sollten; dies ergibt sich im übrigen auch aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben der Verwalterin vom 16. Dezember 1994 (GA 55).

3.

Ist damit vom Abschluss eines wirksamen Pachtvertrages auszugehen, so ist dieser durch die Kündigung der Klägerin vom Oktober 2005 zum 31. Dezember 2006 beendet worden.

a)

Da es sich bei dem streitgegenständlichen Pachtvertrag um einen solchen aus dem Jahre 1994 handelt, steht fest, dass im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses die Vorschriften des SchuldRAnpG keine Rolle spielen. Im Ergebnis ist weiter davon auszugehen, dass jedenfalls seit dem Jahre 1998 vom Vorliegen eines unbefristeten Pachtverhältnisses auszugehen ist.

In § 3 des Pachtvertrages war eine Pachtzeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1995 vereinbart worden; das Pachtverhältnis sollte sich um jeweils ein Jahr verlängern, wenn auf die schriftliche Anfrage eines Vertragsteiles, ob der andere Teil zur Fortsetzung des Pachtverhältnisses bereit sei, dieser nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten seit Erhalt der Anfrage schriftlich erkläre, dass er die Fortsetzung ablehne.

In dieser Regelung ist vor dem Hintergrund, dass die Parteien in § 8 des Pachtvertrages ausdrücklich die Geltung der gesetzlichen Bestimmungen für die Landpacht vereinbart hatten, eine der Vorschrift des § 594 BGB vergleichbare zu sehen. Aus § 7 Abs. 1 des Pachtvertrages ergibt sich weiter, dass nach § 3 des Vertrages eine Verlängerung des Pachtverhältnisses auf unbestimmte Zeit erfolgen sollte und dann der Pachtvertrag - in Anlehnung an die Regelung in § 594 a Abs. 1 BGB - bis zum 3. Werktag eines Pachtjahres für den Schluss dieses Pachtjahres gekündigt werden konnte. Die vertragliche Regelung unterscheidet sich insofern vom Inhalt des § 594 a Abs. 1 BGB, als nach der gesetzlichen Regelung die Kündigung bis zum Schluss des nächsten Pachtjahres vorgesehen ist. Sieht man die Regelungen in § 7 und § 3 des Pachtvertrages im Zusammenhang, so können diese dahingehend ausgelegt werden, dass nach zweimaliger Verlängerung des Pachtvertrages um jeweils ein Jahr - also insgesamt nach drei Jahren - ein unbefristetes Pachtverhältnis vorliegen sollte, das dann ordentlich gekündigt werden konnte. Wollte man dies anders sehen, so müsste nach der Regelung in § 545 BGB, die dann über § 581 Abs. 2 BGB anwendbar wäre - trotz der Vereinbarung der Geltung der Bestimmungen über die Landpacht handele es sich um einen Pachtvertrag im Sinne von § 581 Abs. 1 BGB - von einem unbefristeten Pachtverhältnis ausgegangen werden.

b)

Dieser unbefristete Pachtvertrag ist durch die am 12. Oktober 2005 gegenüber allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft ausgesprochene Kündigung zum 31. Dezember 2006 ordentlich beendet worden.

Von einer früheren Beendigung des Pachtverhältnisses kann nicht ausgegangen werden. Insbesondere war es entgegen der Auffassung der Klägerin unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht entbehrlich, die Kündigung auch gegenüber dem weiteren Mitglied der Erbengemeinschaft W... Ho... auszusprechen. Unabhängig von der Frage, ob es treuwidrig war, auf das Bestreiten der Erbfolge durch die Klägerin hin nicht mitzuteilen, dass die Erbengemeinschaft ein weiteres Mitglied habe, könnte ein solches - unterstelltes - treuwidriges Verhalten nicht zu Lasten eines Dritten gehen. Eine Kündigung gegenüber W... Ho... war danach in keinem Fall entbehrlich. Das hier aber auch nicht von einem treuwidrigen Verhalten der Beklagtenseite ausgegangen werden kann, diese insbesondere nicht verheimlichen wollte, dass die Erbengemeinschaft über ein weiteres Mitglied verfügt, ergibt sich ohne weiteres aus dem notariellen Vertragsentwurf aus dem Jahre 2001, mit dem eine vergleichsweise Regelung mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin herbeigeführt werden sollte und in der W... Ho... ausdrücklich als Miterbe zu 1/4 aufgeführt ist.

Allerdings kann auch nicht der Ansicht der Beklagten gefolgt werden, die ordentliche Kündigung sei erst zum 31. Dezember 2007 wirksam geworden. Zwar ist in § 3 am Ende festgehalten, dass das Pachtjahr jeweils vom 1.1. eines Kalenderjahres bis zum 31.12. des folgenden Kalenderjahres laufen solle. Vor dem Hintergrund der vorangegangenen eindeutigen Bestimmungen, wonach das Pachtverhältnis am 1.1.1995 beginnen und am 31.12.1995 enden sollte und sich jeweils um ein Jahr verlängern sollte, kann hierin jedoch nur ein Versehen gesehen werden, das daraus resultiert, dass die Parteien ein Formularvertrag verwendet haben, der ersichtlich ursprünglich für Landpachtverträge, bei denen das Pachtjahr nicht typischerweise das Kalenderjahr ist, erstellt worden war. Unter Pachtjahr ist danach das Kalenderjahr zu verstehen, so dass nach § 7 die Kündigung bis zum 3. Werktag eines Pachtjahres zum Schluss dieses Pachtjahres wirksam wird; die Kündigung vom Oktober 2005 hat das Pachtverhältnis damit zum 31. Dezember 2006 beendet. Zu diesem Zeitpunkt sind die Beklagten, die insoweit nach § 257 BGB bereits jetzt auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen werden können, verpflichtet, die Gartengrundstücke zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben. Der Umstand, dass es sich bei dem Flurstück 55/3 um eine Verkehrsfläche handelt, die offensichtlich die Zuwegung zu dem mit dem Wohnhaus bebauten Flurstück herstellt, hindert eine Herausgabe auch dieses Flurstückes nicht. Selbst wenn den Beklagten insoweit möglicherweise ein Notwegerecht oder eine andere Berechtigung zur Nutzung zustehen soll - worüber vorliegend nicht zu entscheiden war -, würde hieraus kein Recht zum unmittelbaren Besitz resultieren, so dass die Beklagten auch in diesem Fall zur Herausgabe verpflichtet sind.

C)

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Soweit die Berufung allein mit dem Hilfsantrag auf Räumung der Gartengrundstücke zum 31. Dezember 2006 Erfolg hat, ist von einem im Sinne des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geringfügigen Unterliegens der Beklagten auszugehen, durch das besondere Kosten nicht verursacht worden sind. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers nach § 101 ZPO nur insofern zu tragen, als diese nach dem Wechsel des Beitritts in der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2006 entstanden sind (OLG Hamm JurBüro 1989, 401)

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Hinsichtlich der Zusammensetzung des Streitwertes wird auf den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 23. Januar 2006 Bezug genommen.

Ende der Entscheidung

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