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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 5 U 167/05
Rechtsgebiete: InsO, BGB, HGB, ZPO


Vorschriften:

InsO § 81
InsO § 81 Abs. 1
BGB § 260
BGB § 985
BGB § 987
BGB § 989
HGB § 128
ZPO § 138 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 167/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 7. September 2006

Verkündet am 7. September 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Huth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 1. bis 3. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. November 2005 - Az. 17 O 547/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1. bis 3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Beklagten zu 1. bis 3. können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 35.004,68 €.

Gründe:

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des A... B... einen Schadenersatzanspruch geltend, weil der Gemeinschuldner an die Beklagte zu 1., deren Gesellschafter die Beklagten zu 2. und 3. sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Teile seines Warenlagers zu einem Kaufpreis in Höhe der Klageforderung veräußert hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der an die Beklagte zu 1. veräußerte Warenbestand gehöre zur Insolvenzmasse, über die der Schuldner nach § 81 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr habe wirksam verfügen können. Die Beklagten seien danach grundsätzlich zur Herausgabe nach § 985 BGB verpflichtet. Der Kläger habe gestützt auf die Aussagen der Zeugen S... und J... im Ermittlungsverfahren dargelegt, dass die erworbenen Gegenstände (nach der Rechnung Kastenmaterial, Stabware in PVC und Aluminium, Kleinmaterial und Zubehörteile) verbaut und veräußert worden seien. Dies reiche für die schlüssige Darlegung der Unmöglichkeit der Herausgabe. Demgegenüber reiche das Vorbringen der Beklagten nicht aus, diesen Vortrag zu erschüttern, worauf sie ausdrücklich hingewiesen worden seien.

Die Beklagten haben gegen das ihnen am 28. November 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) mit am 28. Dezember 2005 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 30. Januar 2006 (einem Montag) eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens machen die Beklagten mit ihrer Berufung geltend, das Landgericht habe hinsichtlich der Frage, ob ihnen die Herausgabe der erworbenen Waren ganz oder teilweise unmöglich geworden sei, die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Die Beklagten hätten ein Verzeichnis des noch vorhandenen Warenbestandes gefertigt, welches an Präzision weit über die Maßstäbe der über die Veräußerung des Warenbestandes erstellten Rechnung des Gemeinschuldners hinausginge. Sie hätten ferner Lichtbilder gefertigt und unmissverständlich erklärt, dass es sich bei dem aufgelisteten Warenbestand um den noch vorhandenen Teil der streitgegenständlichen Warenlieferung aus dem Lager des Gemeinschuldners handele. Eine weitergehende Aufklärungspflicht der Beklagten als der nicht beweisbelasteten Partei komme unter Berücksichtigung der Grundsätze der Darlegungs- und Beweislastverteilung nicht in Betracht. Die bereits in erster Instanz erklärte Aufrechnung mit dem Anspruch auf Rückgewähr der Kaufpreissumme werde aufrecht erhalten.

Die Beklagten zu 1. bis 3. beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. November 2005 - Az. 17 O 547/04 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 1. bis 3. zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter näherer Darlegung die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung der Beklagten zu 1. bis 3. ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis ohne Erfolg; die Entscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1.

Wegen des in § 81 Abs. 1 InsO enthaltenen Verfügungsverbotes konnte die Beklagte zu 1. an dem Warenbestand, der Gegenstand der Rechnung vom 12. Dezember 2000 ist, kein Eigentum erwerben.

2.

Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass der Beklagten zu 1. die Herausgabe des erworbenen Warenbestandes nicht mehr möglich ist und sie deswegen nach § 989 BGB zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet ist; hinsichtlich dieses Zahlungsanspruches haften die Beklagten zu 2. und 3. in entsprechender Anwendung von § 128 HGB als Gesamtschuldner.

a)

Im Falle des Vorliegens einer Vindikationslage ist die Beweisnot des Gläubigers allgemein anerkannt, weil dieser nicht überblicken kann, ob der bisherige unrechtmäßige Besitzer die Sache überhaupt noch hat oder inzwischen schon weitergegeben hat und er sich nun gleichwohl zwischen Herausgabeklage und Schadensersatzklage entscheiden soll.

Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung im Bereich der §§ 987, 989 BGB dem Gläubiger zur Durchsetzung seiner Ansprüche einen Auskunftsanspruch nach § 260 BGB zugesteht (BGHZ 27, 204, 209; RGZ 137, 206, 212, MünchKomm/Medikus, 4. Aufl., § 987 BGB Rn. 20), kann der Eigentümer in einer solchen Situation zunächst ohne weiteres Klage auf Schadenersatz erheben und es ist dann Sache des Beklagten seinerseits den Besitzverlust substantiiert - in der Regel durch Vorlage der Sache - zu bestreiten. Gelingt ihm dies, so kann die Klage auf Herausgabe umgestellt werden (Staudinger/ Gursky, § 989 BGB Rn. 39).

Es kommt hinzu, dass der BGH nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast in bestimmten Fällen der Gegenpartei die Pflicht auferlegt, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die maßgeblichen Vorgänge - wie im vorliegenden Fall - im Wahrnehmungsbereich des Prozessgegners abgespielt haben und es diesem zumutbar ist, dazu nähere Angaben zu machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1999, 715 m. w. N.).

b)

Der Kläger hat sich im konkreten Fall schon nicht darauf beschränkt, ohne näheren Vortrag zum Verbrauch der verkauften Sachen eine auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage zu erheben, sondern er hat unter Berufung auf die im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen der Zeugen J... und S..., Mitarbeiter der Beklagten zu 1., seinen Vortrag weiter konkretisiert. Danach wurde immer dann, wenn Material aus dem Bestand des verkauften Warenlagers gebraucht wurde, dies aus diesem Lager geholt. Diese Aussage des Zeugen S... hat der Zeuge J... bei seiner Vernehmung bestätigt und weiter ausgeführt, von dem Material hätten viele Rollläden gebaut werden können, die Materialien seien alle verbraucht worden.

c)

Es ist weiter zu berücksichtigen, dass es sich bei dem veräußerten Warenbestand, Materialien die im wesentlichen dem Rollladenbau dienten, nicht um solche Sachen handelt, die dazu bestimmt waren im Besitz des Erwerbers zu verbleiben, sondern im Rahmen des üblichen Geschäftsverkehrs verbaut und weiterveräußert werden sollten, so dass auch aus diesem Grunde vieles dafür spricht, dass nach über vier Jahren diese Waren bei der Beklagten zu 1. nicht mehr vorhanden sind.

d)

Auf der Grundlage der unter a) bis c) umschriebenen rechtlichen und tatsächlichen Ausgangslage haben die Beklagten den Vortrag der Klägerin zum Verbrauch des vom Gemeinschuldner erworbenen Materials nicht hinreichend dargelegt, zumindest zum Teil noch im Besitz dieses Materials zu sein.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist zunächst unstreitig, dass die Beklagte zu 1. einen der Rechnung vom 12. Dezember 2000 entsprechenden Warenbestand übernommen hat. Bei diesem Warenbestand handelt es sich im wesentlichen um Material für den Rollladenbau, das im Rahmen des von dem Beklagten betriebenen Baugewerbes Verwendung finden sollte.

Bereits nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast, die auf die vorliegende Fallkonstellation gleichfalls Anwendung finden, weil es sich bei der Frage nach dem Verbrauch der Sachen um Vorgänge handelt, die sich ausschließlich im Wahrnehmungsbereich der Beklagten abgespielt haben und es diesen ohne weiteres zumutbar ist, hierzu nähere Angaben zu machen, haben die Beklagten nicht hinreichend bestritten, noch im Besitz des erworbenen Warenbestandes zu sein. Dies gilt erst Recht, wenn man weiter berücksichtigt, dass der Kläger unter Berufung auf Aussagen im Ermittlungsverfahren konkret dargelegt hat, dass der erworbene Warenbestand in den zurückliegenden vier Jahren tatsächlich auch verbraucht worden ist und es sich um solche Waren handelt, die typischerweise auch zu einem solchen Verbrauch bestimmt waren.

Es hätte bei dieser Ausgangslage den Beklagten oblegen, nähere Angaben zum Verbleib der Waren zu machen. Diesen Anforderungen genügt ihr Vortrag, dass es sich bei der Anlage B2 um einen Teil der erworbenen Materialien handele und der Rest verbraucht sei, ersichtlich nicht. Die Anlage B2 listet lediglich in allgemeiner Form Materialien und Mengen auf, wie sie üblicher Weise beim Rollladenbau Verwendung finden mögen. Nähere Bezeichnungen zu Typ, Hersteller, Fabrikationsnummer etc. fehlen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das auf den Lichtbildern erkennbare Material mit dem auf der Anlage B2 aufgelisteten oder dem vom Gemeinschuldner erworbenen Warebestand auch nur teilweise identisch sein könnte, sind ebenfalls nicht feststellbar. Es lässt sich damit nicht einmal ansatzweise ein Bezug zu dem veräußerten Materialbestand herstellen. Es lässt sich auch nicht erkennen, ob es sich dabei um Waren handelt, die mindestens schon vier Jahre alt sind. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, die Waren näher zu bezeichnen um anhand dieser Angaben möglicherweise auch Rückschlüsse auf das Herstellungsdatum ziehen zu können. Es wäre auch möglich gewesen, worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat, anhand der Darlegung des Geschäftsverlaufes seit Anfang 2001 konkrete Angaben dazu zu machen, welcher Teil des erworbenen Teils noch vorhanden ist. Ohne eine solche Konkretisierung ist der hinsichtlich des Verbrauchs konkrete Vortrag des Klägers dazu, dass die Beklagte zu 1. nicht mehr im Besitz der Materialien ist, nicht hinreichend bestritten, was auch Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2005 war.

Entgegen der Auffassung der Beklagten werden damit auch nicht in unzulässiger Weise die Aussagen der Zeugen J... und S... im Ermittlungsverfahren berücksichtigt. Der Kläger hat unter Bezugnahme auf diese Aussagen lediglich seinen Vortrag hinsichtlich des Verbrauchs der Sachen konkretisiert; als Beweismittel wurden diese Zeugenaussagen im vorliegenden Verfahren nicht verwendet. Zu einer Beweisaufnahme hätte es nur dann kommen können, wenn die Beklagten den Vortrag des Klägers hinreichend bestritten hätten.

Ist danach von einem Verbrauch der Sachen auszugehen, so ist den Beklagten unter Umständen, die sie zu vertreten haben, die Herausgabe unmöglich geworden, so dass sie nach § 989 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sind.

Mangels anderweitiger Anhaltspunkte entspricht die Höhe des Schadensersatzes dem Betrag, zu dem die Beklagte zu 1. den Warenbestand unmittelbar von dem Gemeinschuldner erworben hat. 3.

Diese Schadensersatzforderung des Klägers ist nicht durch die von den Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeinschuldner, der dem Insolvenzverwalter das Warenlager gerade verheimlicht hatte, den Erlös an die Masse weitergeleitet haben könnte, sind nicht einmal ansatzweise vorhanden, so dass die erklärte Aufrechnung der Beklagten ins Leere geht.

Die Berufung war nach alledem insgesamt zurückzuweisen.

5.

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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