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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 5 U 171/07
Rechtsgebiete: GBBerG, ZPO, GKG, BGB


Vorschriften:

GBBerG § 9
GBBerG § 9 Abs. 1 Satz 1
GBBerG § 9 Abs. 3
GBBerG § 9 Abs. 3 Satz 1
GBBerG § 9 Abs. 3 Satz 2
GBBerG § 9 Abs. 3 Satz 3
ZPO § 139 Abs. 5
ZPO § 283
ZPO § 283 Satz 2
ZPO § 296 Abs. 2
ZPO § 296a
ZPO § 296a Satz 1
ZPO § 296a Satz 2
ZPO § 301 Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
GKG § 12 Abs. 1 Satz 2
BGB § 917 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Oktober 2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - 4 O 138/06 - einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Cottbus zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden niedergeschlagen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer (weiteren) Entschädigung nach § 9 Abs. 3 des Grundbuchbereinigungsgesetzes (GBBerG) in Anspruch.

Der Kläger ist Eigentümer der im Grundbuch von E. Blatt 2244 verzeichneten Flurstücke 466 und 461 der Flur 6 der Gemarkung E.. Beide Flurstücke sind durch eine Zerlegung des 4.850 m² großen früheren Flurstücks 367 entstanden, die am 23. Januar 2004 in das Grundbuch eingetragen worden ist. Das Flurstück 466 (1.399 m²) liegt direkt an der ... Straße und ist durch einen Graben (Flurstück 418) von dem dahinter liegenden Flurstück 461 (3.451 m²) getrennt. Auf dem Flurstück 466, in einer Entfernung von etwa 13 m parallel zur ... Straße, verläuft etwa 1 m oberirdisch eine 1980 verlegte Fernwärmeleitung der Beklagten. Auf Antrag der Beklagten erteilte das Landesamt ... (Geschäftszeichen: 96-1320-91) am 15. Oktober 2003 eine Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung für die Fernwärmeleitung, worin die für die Leitung in Anspruch genommene Fläche des Flurstücks 367 (jetzt: Flurstück 466) - unter Zugrundelegung eines Schutzstreifens von 6 m - mit 157,8 m² angegeben ist (26,3 m x 6 m). Unter Bezugnahme auf diese Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung wurde am 17. März 2004 gemäß § 9 GBBerG eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten der Beklagten und zu Lasten der Flurstücke 461 und 466 in das Grundbuch eingetragen. Auf der Grundlage eines Verkehrswertes von 25,- DM/m² (für erschließungsbeitragsfreies baureifes Land im Mischgebiet) errechnete die Beklagte eine Entschädigungssumme nach § 9 Abs.3 GBBerG in Höhe von 2.017,05 € (= 3.945,- DM = 25,- DM/m² x 157,8 m²). Den hälftigen Betrag dieser Summe - 1.008,53 € - zahlte die Beklagte im Jahre 2004 an den Kläger aus; die Zahlung der zweiten Hälfte kündigte sie für den 1. Januar 2011 an.

Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe gemäß § 9 Abs.3 GBBerG eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 61.994,14 € (= 121.250,- DM = 25,- DM/m² x 4.850 m²) zu. Denn durch die Inanspruchnahme für die Fernwärmeleitung der Beklagten sei sein gesamter Grundbesitz (Flurstücke 461 und 466) betroffen und entwertet. Die Flurstücke 461 und 466 könnten deswegen von der ... Straße aus nicht mehr erreicht werden. Damit sei für beide Flurstücke die Anbindung an das öffentliche Straßenland abgeschnitten. Der B.weg sei keine öffentliche Straße und nur durch Überquerung anderer Flurstücke (460, 467, 468) erreichbar. Die L.straße sei durch eine Grabenanlage abgetrennt und liege mindestens 50 m von seinem, des Klägers, Grundbesitz entfernt. Die Flurstücke 461 und 466 könnten mangels Erschließung nicht mehr als Bauland verkauft werden. Der Umfang der Inanspruchnahme seines, des Klägers, Grundbesitzes betrage mindestens 600 m² (20 m x 30 m auf dem Flurstück 466).

Mit seiner im Mai 2006 eingereichten Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines erststelligen Teilbetrages von 5.500,- € aus der von ihm geltend gemachten weitergehenden Entschädigungsforderung. Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2007 hat der Kläger seine Klage um einen Betrag von 24.488,54 € nebst Zinsen erweitert. Diese Klageerweiterung ist der Beklagten mangels Zahlung des hierfür angeforderten Gerichtskostenvorschusses nicht zugestellt und hierüber auch nicht mündlich verhandelt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.500,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat entgegnet, der Entschädigungsbetrag sei von ihr zutreffend ermittelt worden. Der Grundbesitz des Klägers werde durch die Fernwärmeleitung lediglich in einem Umfang von 157,8 m² in Anspruch genommen. Die Erschließung der Flurstücke 466 und 461 sei gesichert, da der Bebauungsplan die Anbindung dieser Flurstücke an den B.weg vorsehe, der nach wie vor ein öffentlicher Weg sei. Zudem seien die Flurstücke 461 und 466 über die L.straße zu erreichen. Jedenfalls stehe dem Kläger für die Erreichbarkeit des öffentlichen Straßenlandes ein Notwegerecht gegenüber den Eigentümern der zur Überquerung benötigten Flurstücke zu. Im Übrigen habe der Kläger nicht vorgetragen, an welcher Nutzung er durch die Fernwärmeleitung gehindert sei.

Das Landgericht Cottbus hat die Klage [hinsichtlich der Forderung in Höhe von 5.500,- € nebst Zinsen] durch sein am 17. Oktober 2007 verkündetes Urteil als unbegründet abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein weitergehender Entschädigungsanspruch nach § 9 Abs.3 GBBerG zu. Er habe nicht schlüssig dargelegt, hinsichtlich welcher Nutzung seines Grundbesitzes er beeinträchtigt sei. Bislang seien die Flurstücke 461 und 466 nur als Grün- und Brachland genutzt worden und diese Nutzung sei weiterhin möglich. Die Erreichbarkeit dieser Flurstücke über das öffentliche Straßenland sei jedenfalls mittels Notwegerechts gewährleistet. Das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 8. Oktober 2007 sei gemäß § 296a ZPO verspätet und nicht zu berücksichtigen gewesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er rügt, dass das Landgericht den Vortrag in seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 2007 fehlerhaft nicht berücksichtigt habe. Das Landgericht habe seinem weiteren Fristverlängerungsantrag vom 5. Oktober 2007 nachkommen müssen, da hierfür erhebliche Gründe dargelegt worden seien. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus: Das Flurstück 466 werde mindestens in einem Umfang von 432 m² (16 m x 27 m) durch die Leitung in Anspruch genommen. Der Grundbesitz sei insgesamt wegen Abschneidung der Anbindung an das öffentliche Straßenland nicht mehr verkäuflich, und die Werteinbuße betrage mindestens 50% des gesamten Grundstückswertes. Auf ein Notwegerecht könne er, der Kläger, schon deshalb nicht verwiesen werden, weil hiermit entsprechende Entschädigungspflichten gegenüber den Eigentümern der für die Überquerung in Anspruch genommenen Grundstücke verbunden seien.

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.500,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

hilfsweise,

Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Cottbus.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor: Zum Bauland seien die Flurstücke des Klägers erst durch den Bebauungsplan aus dem Jahre 1998 geworden. Dieser sehe die Erschließung der Flurstücke 461 und 466 über eine noch zu errichtende Stichstraße von der ... Straße her vor. Die Flurstücke des Klägers seien nur als Brachflächen genutzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Grundakten des Amtsgerichts Bad Liebenwerda von E. Blatt 2244 haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

II.

Auf die zulässige Berufung des Klägers ist die angefochtene Entscheidung einschließlich des ihr zugrunde liegenden Verfahrens gemäß § 538 Abs.2 Satz 1 Nr.1 ZPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Cottbus zurückzuverweisen.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 511 Abs.1 und 2 Nr.1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520, 222 Abs.2 ZPO, § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG).

2. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

a) Allerdings unterliegt das angefochtene Urteil nicht deshalb der Aufhebung, weil es sich um ein unzulässiges Teilurteil handelte (§ 301 Abs.1, § 538 Abs.2 Satz 1 Nr.7 ZPO).

Zwar hat das landgerichtliche Urteil allein über den Klageforderungsbetrag von 5.500,- € nebst Zinsen entschieden und die Klageerweiterung mit Schriftsatz des Klägers vom 2. Januar 2007 [24.488,54 € nebst Zinsen] nicht berücksichtigt. Mit Einreichung dieses Schriftsatzes bei Gericht ist die Klageerweiterung anhängig geworden (arg. § 269 Abs.3 Satz 3 ZPO; s. zur Anhängigkeit durch Klageeinreichung etwa auch Zöller/Greger, ZPO, 26.Aufl.2007, § 253 Rdn.4; Baumbach/Hartmann, ZPO, 66.Aufl. 2008, § 261 Rdn.1; Musielak/Foerste, ZPO, 6.Aufl.2008, § 253 Rdn.11). Durch ihre "Anhängigkeit" ist die Klageerweiterung zum Prozessgericht gelangt und der Klagerücknahme zugänglich geworden (s. § 269 Abs.3 Satz 3 ZPO; vgl. dazu BGH FamRZ 2005, S.794; Baumbach/Hartmann, aaO., § 269 Rdn.5; Zöller/Greger, aaO., § 269 Rdn.8; a.A. Musielak/Forste, aaO., § 269 Rdn.6). Für eine Rücknahme der Klageerweiterung vom 2. Januar 2007 ist kein genügender Anhalt ersichtlich. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2007 ergibt sich hierzu ebenso wenig wie aus den Schriftsätzen des Klägers. Eine Klagerücknahme kann zwar auch konkludent erfolgen, doch muss der dahin gerichtete Wille des Klägers unzweideutig und unmissverständlich zum Ausdruck gekommen sein (s. BGH NJW-RR 1996, S.885, 886); bloßes (teilweises) "Nichtverhandeln" genügt dafür im Allgemeinen nicht (s. Zöller/Greger, aaO., § 269 Rdn.12; Baumbach/Hartmann, aaO., § 269 Rdn.22; Musielak/Foerste, aaO., § 269 Rdn.7). Hätte die Klageerweiterung als Verfahrensgegenstand berücksichtigt werden müssen, so hätte das Landgericht hier ein unzulässiges Teilurteil erlassen, weil die für den Erlass eines Teilurteils nötigen Voraussetzungen nach § 301 Abs.1 ZPO nicht vorgelegen hätten. Zum einen war unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Landgerichts in der Sache selbst der Anspruch des Klägers nicht nur zu einem Teilbetrag von 5.500,- € nebst Zinsen zur Entscheidung reif. Zum anderen wäre die erforderliche umfassende Widerspruchsfreiheit zwischen Teil- und Schlussurteil (auch bezüglich gemeinsamer präjudizieller Vorfragen; vgl. BGHZ Bd.107, S.236, 242; Bd.120, S.376, 380; Bd.139, S.116, 117; BGH NJW 2007, S.144; Zöller/Vollkommer, aaO., § 301 Rdn.7 m.w.Nw.; Baumbach/Hartmann, aaO., § 301 Rdn.5 f., 30; Musielak, aaO., § 301 Rdn.11) nicht gewährleistet gewesen.

Die Klageerweiterung ist aber nicht rechtshängig geworden, weil sie weder in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht noch - mangels Einzahlung des hierfür verlangten Gerichtskostenvorschusses (s. § 6 Abs.1 Nr.1, § 12 Abs.1 GKG) - dem Beklagten zugestellt worden ist (§ 261 Abs.2 ZPO). Damit ist die Klageerweiterung auch nicht Streit- und Verfahrensgegenstand geworden, über den das Landgericht im Hinblick auf § 301 Abs.1 ZPO hätte mitentscheiden müssen. Dagegen, dass eine Klageerweiterung durch bloße "Anhängigkeit" zum Verfahrensgegenstand wird, über den das Gericht (mit) zu entscheiden hat, spricht auch, dass die "Anhängigkeit" für sich allein nicht die Hemmung der Verjährungsfrist bewirken kann (s. § 204 Abs.1 Nr.1 BGB, § 253 Abs.1, § 261 Abs.1 und 2 ZPO). Gemäß § 12 Abs.1 Satz 2 GKG war das Landgericht wegen der unterbliebenen Zahlung des für die Klageerweiterung angeforderten Gerichtskostenvorschusses gehalten ("soll"), insoweit keine gerichtliche Handlung vorzunehmen. Es bestand demnach nur die Möglichkeit, über die rechtshängige Klageforderung über 5.500,- € nebst Zinsen zu entscheiden. Die denkbare Alternative, dass das Gericht insgesamt - also auch: über rechtshängigen Teil der Klageforderung - keine Streitentscheidung herbeiführt, wird von § 12 Abs.1 Satz 2 GKG nicht gerechtfertigt und widerspricht auch dem berechtigten Interesse beider Prozessparteien an einer Erledigung des Rechtsstreits über die rechtshängige Klage(teil)forderung.

Es begegnet nach alldem keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Landgericht in seinem angefochtenen Urteil allein über den rechtshängigen Teil der Klageforderung - 5.500,- € nebst Zinsen - entschieden hat.

b) Das Urteil des Landgerichts hat aber das entscheidungserhebliche Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 2007 verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt und ist deshalb auf den dahingehenden (insoweit genügenden, s. nur Zöller/Gummer/Heßler, aaO., § 538 Rdn.56 m.w.Nw.) Hilfsantrag des Klägers gemäß § 538 Abs.2 Satz 1 Nr.1 ZPO aufzuheben.

Die Auffassung des Landgerichts, dass das Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 2007 wegen § 296a (Satz 1) ZPO nicht zu beachten sei, erweist sich als unzutreffend. Das Landgericht hatte dem Kläger im Termin vom 5. September 2007 einen Schriftsatznachlass eingeräumt und die dafür bestimmte Frist antragsgemäß bis zum 5. Oktober 2007 (einem Freitag) verlängert, die weiterhin beantragte Fristverlängerung bis zum 8. Oktober 2007 (einem Montag) aber mit Beschluss vom 9. Oktober 2007 abgelehnt. Wie sich aus § 296a Satz 2 ZPO ergibt, unterfallen Schriftsätze, die gemäß § 139 Abs.5 oder § 283 ZPO nachgelassen worden sind, nicht der Ausschlussregelung nach § 296a Satz 1 ZPO. Geht ein nachgelassener Schriftsatz nach Ablauf der eingeräumten Frist ein, so ist hierauf gemäß § 283 Satz 2 ZPO (gfs. analog) bzw. nach § 296 Abs.2 ZPO zu verfahren (vgl. dazu BGH NJW 1983, S.2030, 2031). Demzufolge hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob das verspätete Vorbringen bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist. Hat das Gericht zum Zeitpunkt des Eingangs des verspäteten Schriftsatzes seine Entscheidung noch nicht beraten und abgefasst, so ist es regelmäßig ermessensfehlerhaft, wenn es das verspätete Vorbringen bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt (s. Zöller/Greger, aaO., § 283 Rdn.7; Baumbach/Hartmann, aaO., § 283 Rdn.19; Musielak/Foerste, aaO., § 283 Rdn.14). Wie aus der Begründung des Beschlusses vom 9. Oktober 2007 und dem richterlichen Aktenvermerk vom 9. Oktober 2007 (Bl.99 d.A.) hervorgeht, wäre ein - noch fristgerecht - am späten Abend des 5. Oktober 2007 (Freitag) eingegangener Schriftsatz des Klägers dem zuständigen Richter ohnehin nicht vor dem 9. Oktober 2007 zur Kenntnis gelangt. Denn auch das am Abend des 5. Oktober 2007 per Fax eingegangene Gesuch des Klägers um Fristverlängerung bis zum 8. Oktober 2007 ist erst am Dienstag, dem 9. Oktober 2007, dem Richter vorgelegt worden. Bereits am Abend des 8. Oktober 2007 (Montag) aber war der Schriftsatz des Klägers vom selben Tage per Fax bei Gericht eingegangen. Ein Verkündungstermin war erst für den 17. Oktober 2007 anberaumt. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern es infolge der Fristüberschreitung zu einer Verzögerung des Verfahrens oder der richterlichen Entscheidungsfindung gekommen sein könnte. Mithin findet sich insgesamt kein genügender Anhalt für eine Zurückweisung dieses Vorbringens nach § 296 Abs.2 ZPO und stellt sich die Nichtberücksichtigung des Schriftsatzes vom 8. Oktober 2007 hier im Sinne von § 283 Satz 2 ZPO als ermessensfehlerhaft dar.

Der Schriftsatz vom 8. Oktober 2007 verhält sich inhaltlich konkret zu den gerichtlichen Hinweisen im Termin vom 5. September 2007, aufgrund derer der Schriftsatznachlass im Hinblick auf § 139 Abs.5 ZPO auch eingeräumt worden war. Das dortige Vorbringen enthält - unter Beifügung von Unterlagen - nähere Ausführungen zur Nutzung und Nutzbarkeit der Flurstücke 466 und 461 (Bebaubarkeit) und deren Einschränkung durch die Fernwärmeleitung der Beklagten und gibt Anlass zu einer umfangreicheren weiteren Sachverhaltsaufklärung und gfs. nachfolgender Beweisaufnahme.

3. Für das weitere Verfahren wird folgendes zu beachten sein:

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine durchgreifenden Bedenken, nachdem der Kläger klargestellt hat, dass es sich bei dem Betrag von 5.500,- € um einen erststelligen Teilbetrag des noch geltend gemachten Anspruchs aus § 9 Abs.3 GBBerG handelt.

Über die Begründetheit der Klage kann erst nach weiterer Sachverhaltsermittlung und gfs. nachfolgender Beweiserhebung entschieden werden.

Anspruchsgrundlage ist allein § 9 Abs.3 Satz 1 bis 3 GBBerG.

Die Voraussetzungen nach § 9 Abs.1 Satz 1 GBBerG sind unstreitig gegeben.

Maßgeblich für die Bemessung des nach § 9 Abs.3 GBBerG eröffneten Ausgleichsanspruchs ist der Umfang der Inanspruchnahme und die sich hieraus ergebende Beeinträchtigung und Einschränkung der Nutzbarkeit des Grundstücks, wobei es auf die tatsächlichen Nachteile und Nutzbarkeitsbeschränkungen ankommt (s. Senat, Urteil vom 20. März 2003 - 5 U 97/02 - zitiert nach juris, dortige Rdz.74; Böttcher, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, 2007, § 9 GBBerG Rdn.14; Böhringer, in: Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, 2008, § 9 GBBerG Rdn.25; Zimmermann, in: RVI, 2008, § 9 GBBerG Rdn.23; Keller, LKV 1997, S.49, 53). Zu ermitteln ist der hieraus resultierende Wertunterschied (Zimmermann, aaO., Rdn.24), und zwar zum maßgeblichen Stichtag des Inkrafttretens des GBBerG am 25. Dezember 1993, da die beschränkte persönliche Dienstbarkeit an diesem Tage kraft Gesetzes begründet worden ist (§ 9 Abs.1 Satz 1 GBBerG; s. Zimmermann, aaO., Rdn.27; vgl. auch Böhringer, aaO., Rdn.24).

Insoweit ist zum einen die Nutzung und Nutzbarkeit des Grundbesitzes des Klägers zum maßgeblichen Stichtag am 25. Dezember 1993 und zum anderen die Frage, ob der Grundbesitz des Klägers einen Zugang und eine Zufahrt zum öffentlichen Straßenland hat, aufzuklären, und zwar zunächst durch Einholung einer amtlichen Auskunft der Stadt E.

Zwar hat der Kläger seinen Grundbesitz (damals: Flurstück 367) bislang offenbar allein als Grün- und Brachland genutzt. Fraglich (und entscheidend) ist jedoch, ob der Grundbesitz schon zum 25. Dezember 1993 als Bauland im Mischgebiet nutzbar war. Hierfür spricht die Auskunft des Gutachterausschusses vom 2. Juli 2004 und der Umstand, dass die Beklagte den darin genannten Verkehrswert für erschließungsbeitragsfreies baureifes Land im Mischgebiet von 25,- DM/m² (Stichtag: 31. Dezember 1993) selbst für die Berechnung ihrer Entschädigungszahlung an den Kläger zugrunde gelegt hat. Andererseits datiert der Bebauungsplan wohl erst von Juni 1998. Die Einordnung des Grundbesitzes des Klägers als "Bauland" zum Stichtag am 25. Dezember 1993 ist zwischen den Parteien streitig und durch Auskunft der Stadt E. zu klären.

Sollte der Grundbesitz des Klägers zum maßgeblichen Stichtag "Bauland" (im Mischgebiet) gewesen sein, so ist zu berücksichtigen, dass die Nutzbarkeit des Grundbesitzes als Bauland voraussetzt, dass die Erschließung des Grundbesitzes, also die Anbindung an den öffentlichen Verkehrsraum, gesichert ist (§ 30 Abs.1, § 34 Abs.1 Satz 1, § 35 Abs.1 BauGB; § 4 Abs.1 Nr.2 und 3, §§ 5, 65 BrbgBauO). Hierfür genügt ein Notwegerecht (§ 917 BGB) nicht [zumal die hieraus resultierende Entschädigungslast des Klägers nach § 917 Abs.2 BGB dann auch bei der Bemessung der Entschädigung nach § 9 Abs.3 GBBerG mit zu berücksichtigen wäre].

Sollte der Grundbesitz des Klägers deshalb, weil der Zuweg zur ... Straße durch die etwa 1 m oberirdisch quer über die gesamte Breite des Grundbesitzes (jetzt: Flurstück 466) verlaufende Fernwärmeleitung versperrt ist, keinen Zuweg zum öffentlichen Straßenland haben, so wäre also die Nutzbarkeit des gesamten Grundbesitzes des Klägers als "Bauland" gehindert und käme dann gfs. auch für den gesamten Grundbesitz der Wertunterschied zwischen Bauland und Brachland als Entschädigungsbetrag in Betracht. Die Frage der Anbindung des Grundbesitzes des Klägers an eine öffentliche Straße ist zwischen den Parteien freilich streitig und durch Nachfrage bei der Stadt E. zu klären; in diesem Zusammenhang zu klären ist auch die Behauptung der Beklagten, dass nach dem Bebauungsplan eine Stichstraße von der ... Straße aus zum Grundbesitz des Klägers vorgesehen ist. Sodann wäre zur Frage des Wertunterschiedes zwischen Bauland und Brachland gfs. ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Nach alldem wäre folgende Vorgehensweise angezeigt:

(1) Einholung einer amtlichen Auskunft der Stadt E. zur Frage,

- ob der Grundbesitz des Klägers (Flurstücke 461 und 466; damals: Flurstück 367) zum maßgeblichen Stichtag am 25. Dezember 1993 "Bauland" (im Mischgebiet gewesen ist;

- ob der Grundbesitz des Klägers über eine (anderweitige) Anbindung an das öffentliche Straßenland verfügt, nachdem der Zuweg zur ... Straße durch die quer über die gesamte Breite des Flurstücks 466 verlaufende Fernwärmeleitung der Beklagten versperrt ist;

- ob [gfs. wann und mit welcher Beitragslast für den Kläger] der Bau einer Stichstraße geplant ist, durch die der Grundbesitz des Klägers von der ... Straße aus erreicht werden kann;

(2) sodann gfs. Einholung eines SV-Gutachtens zum Wertunterschied zwischen Bauland im Mischgebiet (bislang unstreitig: 25,- DM/m²) und Brachland/Grünland zum Stichtag am 25. Dezember 1993.

4. Die Kostenentscheidung ist insgesamt dem Landgericht vorzubehalten. Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren schlägt der Senat gemäß § 21 GKG nieder, da diese Kosten bei richtiger Sachbehandlung durch das Landgericht nicht angefallen wären (vgl. dazu Zöller/Gummer/Heßler, aaO., § 538 Rdn.58). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr.10 ZPO. Von der Anordnung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 Satz 1 und 2 ZPO hat der Senat abgesehen, da das Urteil keiner Partei die Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung gegen die jeweils andere Partei eröffnet. Gründe für die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof nach § 543 Abs.2 Satz 1 ZPO sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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