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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 5 U 193/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GBO, ZGB/DDR


Vorschriften:

ZPO § 313
ZPO § 539
ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 95
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 920
GBO § 2 Abs. 2
ZGB/DDR § 297 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 193/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20. Dezember 2001

verkündet am 20. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin zu 1. gegen das am 8. September 2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 1 O 390/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Klägerin zu 2. zu 1/3, die Klägerin zu 1. zu 2/3. Die eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerinnen selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer der Klägerin zu 1.: 14.353,90 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§ 511 ZPO) und zulässig (§§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO), insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Dahingestellt bleiben kann, ob das Landgericht zu Unrecht das Vorbringen im Schriftsatz der Klägerin vom 11. August 2000 als verspätet zurückgewiesen hat. Von einer Aufhebung des Urteils und des Verfahrens, auf dem es beruht, sowie die Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht gemäß § 539 ZPO wäre abzusehen. Denn dies wäre wegen der Entscheidungsreife und, weil auch das zurückgewiesene Vorbringen nicht zu einem anderen Ergebnis führt, nicht sachdienlich (§ 540 ZPO).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Der Klägerin zu 1. und den Miterbinnen steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Beseitigung der Ligusterhecke gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu.

Eigentümer der Ligusterhecke war der Eigentümer des Grund und Bodens, auf dem sie gepflanzt war. Dass dies die Klägerinnen und die weitere Miterbin des Ehemannes der Klägerin zu 1. waren, steht nicht fest. Der Senat vermag deswegen nicht festzustellen, dass die Beklagten mit der Beseitigung der Ligusterhecke das Eigentum oder ein sonstiges Recht der Klägerin zu 1. und der Erben ihres Ehemannes beeinträchtigt haben.

Die Klägerin zu 1. mag zwar mit ihrem verstorbenen Ehemann im Jahr 1975 die Ligusterhecke gepflanzt haben. Durch die Anpflanzung der Hecke wäre diese jedoch als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergegangen (§§ 2 Abs. 1 EGZGB, 94 Abs. 1 Satz 2, 93 BGB). Bei der Ligusterhecke handelt es sich nicht etwa um einen Scheinbestandteil gemäß § 95 BGB, der nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden gewesen wäre. Es war vielmehr eine dauerhafte Verbindung beabsichtigt. Denn nach dem Vortrag der Klägerinnen war die Hecke sogleich nach dem Einzug der Klägerin zu 1. und ihres Ehemannes in das Haus T... straße 24 im Jahr 1975 gepflanzt worden, zu einem Zeitpunkt, als der Erwerb des Grundstücks bereits beabsichtigt und mit dem Voreigentümer vereinbart gewesen und nur wegen der eingeschränkten Grundeigentumserwerbsmöglichkeiten in der DDR verzögert worden war. Mit Inkrafttreten des ZGB/DDR am 1. Januar 1976 und des BGB am 3. Oktober 1990 hat sich an den Eigentumsverhältnissen nichts geändert (§ 2 Abs. 2 Satz 2 EGZGB, Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB). Das wäre auch dann nicht der Fall, wenn sich, wie die Klägerinnen in dem von dem Landgericht zurückgewiesenen Schriftsatz vom 11. August 2000 behauptet haben, die Grundstückseigentümer seinerzeit über den Verlauf der Grenze geeinigt hätten.

Die Hecke stand auf einem unvermessenen Hofraum. Eigentümer eines Anteils an dem unvermessenen Hofraum waren die Klägerin zu 1. und ihr Ehemann bzw. deren Voreigentümer. Bei diesem Anteil an dem ungetrennten bzw. unvermessenen Hofraum handelt es sich um ein Grundstück im Rechtssinne, das auch unter der Geltung des BGB bis zum 31. Dezember 1975 und des ZGB der DDR vom 1. Januar 1976 bis zum 2. Oktober 1990 wie ein "normales" Grundstück behandelt wurde. Die Grundstücksgrenzen waren vorhanden. Lediglich im Liegenschaftskataster waren sie als solche nicht erkennbar. Größe und Lage waren weder amtlich nachgewiesen noch sonst verlässlich auffindbar. Ein Veränderungsnachweis, der gemäß § 2 Abs. 2 der Grundbuchordnung i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die grundbuchmäßige Behandlung von Anteilen an ungetrennten Hofräumen als Eigentumsnachweis ausreichen würde und aus dem sich ergeben könnte, dass die Hecke, die hinter dem von der Straße aus links befindlichen Schuppen bis zu der Stadtmauer, und zwar nach links versetzt, gepflanzt war, im Eigentum der Klägerinnen stand, liegt nicht vor. Es bestehen auch keine anderen Anhaltspunkte dafür, dass sich die Hecke auf dem zu dem Haus T... straße 24 gehörenden Grundstück der Klägerinnen befand.

Da sich die Hecke nicht nach dem Verlauf der westlichen Giebelmauer und der Mauer der Nebengebäudes des Wohnhauses T... straße 24 richtete, sondern nach Westen hin um ca. einen Meter vorsprang, ohne dass Grenzmarkierungen einen derartigen Grenzverlauf rechtfertigen könnten, lässt sich das Grundstück der Klägerinnen als Anteil am ungetrennten Hofraum hinsichtlich des Teils, auf dem die Hecke stand, auch nicht hinreichend genau abgrenzen, ohne dass ein Bodensonderungsverfahren durchgeführt worden ist.

Weil es sich bei dem Anteil von einem ungetrennten Hofraum um ein Grundstück im Rechtssinne handelt, konnte eine Einigung der damaligen Eigentümer über einen Grenzverlauf, der nicht dem tatsächlichen Anteil an dem Hofraum entsprach, keine Auswirkung auf die Eigentumssituation haben. Denn hierfür wäre vor dem 1. Januar 1976 gemäß § 313 ZPO und nach dem 1. Januar 1976 gemäß § 297 Abs. 1 ZGB/DDR die Beurkundung der Vereinbarung erforderlich gewesen. Eine derartige Einigung wäre wegen Formmangels auch nicht für das Bodensonderungsverfahren verbindlich (§ 2 Abs. 1 BoSoG). Nachdem das Nachbargrundstück in Volkseigentum überführt worden war, wäre eine Vereinbarung mit dem Rechtsträger des Grundstücks über die Übertragung eines Grundstücksteils des volkseigenen Grundstücks ohnehin nichtig gewesen, da Volkseigentum unveräußerlich war.

Die Klägerin und ihre Familie mögen zwar Besitzer der Ligusterhecke gewesen sein, weil sie sie gepflanzt und den Gartenteil, auf dem sie stand, im Einverständnis mit den Nachbarn genutzt haben. Dies führt jedoch nicht zu einem Grenzscheidungsanspruch nach § 920 BGB. Denn diese Vorschrift regelt nur das Vorgehen bei einer unaufklärbar streitigen Grenze. Für die Feststellung des Eigentums als solchen, um die es hier geht, gilt die Vorschrift nicht (Staudinger/Beutler, BGB, 12. Aufl., § 920 Rn. 1).

Aus den genannten Gründen waren die Klägerinnen als Eigentümer eines Anteils an einem unvermessenen Hofraum auch nicht Miteigentümer der gesamten Hoffläche und damit des Teils, auf dem die Hecke stand. Der Umstand, dass die Flächen mehrerer, nicht einzeln vermessener Grundstücke im Kataster zu einem Sammelflurstück zusammengefasst sind, hat keine Auswirkung auf die Rechtsverhältnisse dieser Grundstücke untereinander. Sie sind und bleiben voneinander unabhängig. Die Klägerinnen können sich deswegen auch nicht darauf berufen, dass der Beklagten ihr Miteigentum an der Hecke verletzt hätten, als sie sie entfernten.

Es bedarf keiner weiteren Ausführung dazu, dass die Institute der Verjährung oder Verwirkung, auf die sich die Klägerinnen berufen wollen, zur Begründung eines Schadensersatzanspruches ungeeignet sind. Das Eigentum an einem Grundstück wirkt gegenüber jedermann und ist daher kein Anspruch, der der Verjährung oder Verwirkung unterliegen könnte.

Schließlich können die Klägerinnen den Schadensersatzanspruch auch nicht auf einen ehemaligen Besitz an der Hecke stützen. § 823 Abs. 1 BGB schützt vor einem Eingriff in das Recht zum Besitz. Dass den Klägerinnen an der Hecke im Zeitpunkt ihrer Beseitigung ein Recht zum Besitz zustand, ist nicht festzustellen. Stand die Hecke nicht auf dem Anteil des Hofraums, der im Eigentum der Klägerinnen stand, sondern auf dem daneben allein in Betracht kommenden Anteil, den die Beklagten erworben haben, war mit Veräußerung des Grundstücks an die Beklagten ein Recht der Klägerinnen zum Besitz an dem streitigen Hofteil beendet. Auf die Frage, ob sich die Klägerin mit den Voreigentümern des Nachbargrundstücks T... straße 25 in ... über eine Nutzung dieses Hofteils geeinigt hat, kommt es deswegen nicht an. Denn dieses obligatorische Besitzrecht hätte mit dem Übergang des Eigentums an dem Nachbargrundstück auf die Beklagten sein Ende gefunden.

Letztlich ist aber auch ein Schaden der Klägerin zu 1. nicht mehr ersichtlich. Ausschlaggebend für die Bemessung des Schadens ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Die Klägerinnen haben ihr Grundstück verkauft. Dass sie bei einem Verkauf des Grundstücks mit darauf stehender Hecke einen höheren Kaufpreis hätten erzielen können, hat die Klägerin zu 1. weder vorgetragen noch ergibt sich dies aus den Umständen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 515 Abs. 3 Satz 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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