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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.11.2001
Aktenzeichen: 5 U 46/01
Rechtsgebiete: SachenRBerG, BaulandG, ZPO, EGBGB, DVO, GKG


Vorschriften:

SachenRBerG § 121
SachenRBerG § 121 Abs. 2
SachenRBerG § 5 Abs. 2
SachenRBerG § 121 Abs. 2 lit. b
BaulandG § 16
VerkaufsG § 2
ZPO § 711
ZPO § 712
ZPO § 319
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 108
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 3
EGBGB § 8 Abs. 2 Satz 1
DVO § 5 Abs. 1 Satz 2
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 14 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 46/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 8. November 2001

verkündet am 8. November 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2001 durch

den Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe sowie den Richter am Oberlandesgericht Dr. Matthiessen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Anschlussberufung der Kläger wird das am 25. Januar 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam - Az. 10 O 463/00 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Kläger betreffend das Grundstück We, W, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Königs Wusterhausen von W Blatt, Flurstück der Flur der Gemarkung W anspruchsberechtigt nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sind und sie insoweit den Ankauf gewählt haben.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheit durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Kreditinstituts zu leisten.

Der Wert der Beschwer des Beklagten wird auf bis zu 200.000 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Anspruchsberechtigung der Kläger nach § 121 SachenRBerG.

Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks Flur Flurstück in W, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Königs Wusterhausen von W auf Blatt, postalische Anschrift We in W. Das Grundstück stand bis zur Überführung in Volkseigentum im Eigentum der Frau P T, der Mutter des Beklagten. Das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück wurde durch Beschluss des Rates des Kreises Königs Wusterhausen vom 16. Juli 1986 gem. § 16 des Baulandgesetzes in Volkseigentum überführt und als Rechtsträger wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1986 der VEB G W eingesetzt. Aufgrund einer Wohnraumzuweisung schlössen die Kläger unter dem 4. März 1986 einen Mietvertrag mit Wirkung zum 1. März 1986 über die im Erdgeschoss gelegene Wohnung (Bl. 46 ff. d.A.). Die im 1. Obergeschoss gelegene weitere Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Toilette, Kammer, Balkon und Abstellraum wurde zwischen 1977 und 1996 vom Ehepaar L bewohnt. Unter dem 20. Juli 1987 schlössen die Kläger erneut einen Mietvertrag über die im Erdgeschoss gelegene Wohnung (Bl. 4 ff. d. A.).

Am 5. Juni 1990 schlössen die Kläger mit dem Rat der Gemeinde W einen "Zweifamilienhaus-Grundstückskaufvertrag" über das gesamte Grundstück mit einer Größe von 784 m² sowie das aufstehende Zweifamilienhaus zu einem Kaufpreis in Höhe von 32.800,00 Mark der DDR (Bl. 9 ff. d.A.).

Unter dem 7. Mai 1991 wurde hierfür eine Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung erteilt. Diese wurde durch Bescheid vom 1. Juli 1993 wieder zurückgenommen. Hiergegen gerichtete Widersprüche der Kläger sowie der Gemeinde W wurden durch Bescheid vom 17. März 2000 zurückgewiesen (Bl. 48 ff. d. A.).

Durch Bescheid vom 28. Oktober 1998 wurde das Grundstück nach dem Vermögensgesetz an den Beklagten resümiert (Bl. 40 ff. d. A.). Der Bescheid ist nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens und nach Rücknahme einer verwaltungsgerichtlichen Klage seit dem 8. August 2000 bestandskräftig (Bl. 28 d. A.). Der Beklagte leistete den ihm auferlegten Hinterlegungsbetrag am 17. Oktober 2000 (Bl. 29 d. A.).

Durch Schreiben vom 14. Juni 2000 teilten die Kläger ihr Interesse an einem Ankauf des Grundstücks mit.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, sie seien gem. § 121 Abs. 2 SachenRBerG anspruchsberechtigt.

Sie haben beantragt,

festzustellen, dass für sie eine Anspruchsberechtigung auf Ankauf nach § 121 SachenRBerG betreffend das Grundstück We, W, verzeichnet im Grundbuch von W, Blatt, Flur, Flurstück besteht und sie den Ankauf gewählt haben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

sowie hilfsweise,

ihm nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, wobei die Sicherheit durch eine unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Volksbank geleistet werden kann.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Anspruchsberechtigung nach dem SachenRBerG bestehe nicht. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Kläger nur eine der beiden Wohnungen angemietet und genutzt hätten. Es liege auch kein wirksamer Grundstückskaufvertrag vor, nachdem die Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung zurückgenommen worden sei.

Das Landgericht hat durch am 25. Januar 2001 verkündetes Urteil festgestellt, dass den Klägern ein Anspruch nach § 121 SachenRBerG zusteht und sie den Ankauf gewählt haben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 SachenRBerG lägen vor. Als Eigenheim im Sinne der Vorschrift sei auch ein Zweifamilienhaus anzusehen. Dies folge aus § 2 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990. Die Kläger hätten auch den überwiegenden Teil des Hauses genutzt. Die im Obergeschoss gelegene Wohnung der Eheleute L sei die kleinere Wohnung gewesen. Für die Wirksamkeit des Kaufvertrages sei unerheblich, ob eine Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt oder wieder zurückgenommen worden sei.

Gegen dieses ihm am 2. Februar 2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch am 26. Februar 2001 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. April 2001 durch an diesem Tage bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Beklagte verfolgt sein erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seiner dortigen Ausführungen weiter. Er ist weiterhin der Auffassung, dass § 121 Abs. 2 SachenRBerG nur anwendbar sei, wenn der spätere Grundstückskäufer ein Eigenheim am 18. Oktober 1989 sowie am 1. Oktober 1994 allein zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Senats sowie des Bundesgerichtshofes sei unzutreffend. Ferner sei der Kaufvertrag zu Unrecht mit der Gemeinde W und nicht mit dem VEB K K W abgeschlossen worden. § 121 SachenRBerG sei jedenfalls in der Anwendung durch den Bundesgerichtshof verfassungswidrig.

Der Beklagte beantragt,

das am 25 Januar 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az.: 100 463/00, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

sowie,

es ihnen nachzulassen, die gem. §§ 711 oder 712 ZPO zu bestimmende Sicherheitsleistung auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Die Kläger beantragen ferner im Wege der Anschlussberufung,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 25 Januar 2001 festzustellen, dass ihnen betreffend das Grundstück We, W, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Königs Wusterhausen von W Blatt, Flurstück der Flur der Gemarkung W ein Anspruch nach § 121 SachenRBerG zusteht und sie insoweit den Ankauf gewählt haben.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen. Im Wege der Anschlussberufung streben sie eine Ergänzung des landgerichtlichen Tenors um die vollständige Grundstücksbezeichnung an. Sie behaupten, der VEB KKW sei dem Rat der Gemeinde W unterstellt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien Bezug genommen, insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 25. April 2001 (Bl. 103 ff. d.A.) und auf die Berufungserwiderung vom 25. Juni 2001 (Bl. 118 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe:

I.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Die Anschlussberufung der Beklagten ist als unselbständige Anschlussberufung statthaft. Die Anschlussberufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt es ihr nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und juristischem Schrifttum nicht deswegen an einem Rechtsschutzbedürfnis, da die Kläger ihr Begehren, eine Ergänzung der exakten Grundstücksbezeichnung im zusprechenden Tenor des landgerichtlichen Urteils, in gleicher Weise mit einem Antrag auf Urteilsberichtigung gemäß § 319 ZPO durchsetzen könnten (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Auflage, § 319 Rdnr. 21 m.w.N.). Dieser Ansicht folgt der Senat jedenfalls für den Fall der Anschlussberufung, da in diesem Fall die erneute Befassung des erstinstanzlichen Gerichts keinen einfacheren Weg als die Befassung des ohnehin in der Sache tätigen Berufungsgerichts darstellt.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Kläger über die Anspruchsberechtigung nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG verfügen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

1. Die Kläger haben das streitgegenständliche Eigenheim bis zum Ablauf des 18. Oktober 1989 auf Grundlage eines Mietvertrages genutzt. Auch das Zweifamilienhaus ist gemäß § 5 Abs. 2 SachenRBerG als Eigenheim im Rechtssinne anzusehen. Dass sie das Eigenheim allein genutzt haben, verlangt § 121 Abs. 2 SachenRBerG - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - nicht ausdrücklich. Eine solche Einschränkung der Vorschrift kann auch nach ihrem Sinn und Zweck nicht angenommen werden. Der Mitbewohner und Alleinkäufer eines Zweifamilienhauses ist in gleicher Weise schützenswert wie der Käufer eines Einfamilienhauses. Besonderheiten können nur dann auftreten, wenn beide Mietparteien jeweils über das gesamte Gebäude einen Kaufvertrag abgeschlossen oder dies zumindest beabsichtigt haben. Dies ist jedoch hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der BGH nimmt - wie der Senat - in ständiger Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 121 Abs. 2 SachenRBerG auch in solchen Fällen an, in denen der Bewohner nur einer Wohnung eines Zweifamilienhauses das gesamte Gebäude gekauft hat (BGH, VIZ 1999, 418; VIZ 1999, 605).

2. Die Kläger haben auch vor dem 14. Juni 1990 einen wirksam beurkundeten Kaufvertrag i.S.d. § 121 Abs. 2 lit. b SachenRBerG über das Eigenheimgrundstück abgeschlossen. Die Vorschrift erfasst über ihren Wortlaut hinaus nicht nur Kaufverträge über das Eigenheim selbst, sondern auch Kaufverträge über Eigenheimgrundstücke (BGH, VIZ 1999, 605).

a) Der Wirksamkeit des Kaufvertrages steht nicht entgegen, dass die zunächst erteilte Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung nachträglich wieder zurückgenommen worden ist. Das Fehlen der Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung ist vielmehr für die Beurteilung der Wirksamkeit des Kaufvertrages gemäß § 121 Abs. 2 lit. b SachenRBerG unerheblich (BGH. VIZ 1999, 418). Keine andere Beurteilung ergibt sich, wenn eine zunächst (rechtswidrig) erteilte Genehmigung, nachträglich wieder zurückgenommen worden ist.

b) Auch der Abschluss des Vertrages durch den Rat der Gemeinde W führt nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages. Die nach dem Inkrafttreten der Kommunalverfassung unzutreffende Verwendung der Bezeichnung "Rat der Gemeinde" ist gemäß Art. 231 § 8 Abs. 2 Satz 1 EGBGB unschädlich. Die Vollmacht des Bürgermeisters auf die für die Gemeinde aufgetretene Bedienstete ist ausweislich des Notarvertrages erst am 1. Juni 1990 ausgestellt worden, mithin bereits nach Inkrafttreten der neuen Kommunalverfassung im Mai 1990, sodass die Vollmacht bereits eine solche der neu entstandenen Gemeinde darstellt. Jedenfalls liegt in der Erhebung des Widerspruchs gegen die Rücknahme der GVO-Genehmigung durch die Gemeinde eine konkludente Genehmigung dieses Vertragsabschlusses.

c) Der Wirksamkeit des Kaufvertrages steht auch nicht entgegen, dass der Vertrag durch die (hier nur falsch bezeichnete) Kommune und nicht durch den Rechtsträger des volkseigenen Grundstücks abgeschlossen worden ist. Zum Rechtsträger war ausweislich der Sachverhaltsdarstellung im Restitutionsbescheid (Bl. 41 d.A.) der VEB G eingesetzt. Die Befugnis zum Abschluss des Vertrages durch den örtlichen Rat ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Satz 2 der DVO zum Verkaufsgesetz. Danach durfte und musste der örtliche Rat der Gemeinde als Verkäufer auftreten, wenn sich das Grundstück - wie hier - in der Rechtsträgerschaft eines kommunalen Wohnungswirtschaftsbetriebes befand.

3. Die Kläger haben das Grundstück auch am 1. Oktober 1994 zu eigenen Wohnzwecken bewohnt. Auch hier ist nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift ausreichend, dass sie einen Teil des Gebäudes bewohnt haben.

4. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 SachenRBerG ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht verfassungswidrig (BVerfG, VIZ 2001, 482). Auch die Anwendung der Vorschrift auf Zweifamilienhäuser begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

III.

Die Anschlussberufung der Kläger ist begründet. Der Tenor des landgerichtlichen Urteils ist um die exakte Grundstücksbezeichnung zu ergänzen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer ergibt sich aus § 546 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 3 ZPO in Höhe des geschätzten Wertes von Grundstück und Gebäude.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird gemäß §§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO 159.168 DM festgesetzt (80 % des Bodenrichtwertes des Jahres 2001 von 784 m² x 190 DM = 148.960 DM zuzüglich 80 % des auf 50.000 DM geschätzten Gebäudewertes). Die Anschlussberufung erhöht den Streitwert nicht.

Ende der Entscheidung

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