Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: 5 U 51/05
Rechtsgebiete: SachenRBerG, ZPO, LPGG, ZGB, SchuldRAnpG


Vorschriften:

SachenRBerG § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2
SachenRBerG § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe e)
SachenRBerG § 5 Abs. 1 Nr. 3
SachenRBerG § 5 Abs. 2
SachenRBerG § 5 Abs. 3
SachenRBerG § 5 Abs. 3 Satz 2
SachenRBerG § 15 Abs. 1
SachenRBerG § 61
SachenRBerG § 108
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 3
LPGG § 18 Abs. 2
ZGB §§ 312 ff.
SchuldRAnpG § 2 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 51/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 17. November 2005

Verkündet am 17. November 2005

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2005 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 15. April 2005 - Az. 1 O 353/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des klagenden Landes durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht das klagende Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz an dem im Grundbuch des Amtsgerichts Zossen von ..., Blatt 725, eingetragenen Flurstück 44 der Flur 3 mit einer Größe von 3.999 qm.

Das klagende Land ist - nach Rückauflassung durch den früheren Bodenreformeigentümer - seit dem 3. April 2001 eingetragener Eigentümer des streitbefangenen Grundstücks. Dieses Grundstück war vormals der LPG (P) B... überlassen worden und durch die Familie H... im Jahre 1969 aufgrund einer Baugenehmigung vom 19. Juni 1969 (Bl. 8 d. A.) mit einem Ferienhaus bebaut worden war (vgl. Lageplan Bl. 7 d.A.). Dieses Wochenendhaus wurde sodann mit Kaufvertrag vom 5. Dezember 1984 (Bl. 11 d.A.) an den Beklagten verkauft. Der Beklagte und die LPG (P) B... schlossen am 11. Oktober 1988 einen Nutzungsvertrag über eine "Kleinstfläche" des Flurstücks 44 mit einer Größe von 2.000 qm "zur intensiven Bewirtschaftung (...) als Wiese/Holzung". Bereits am 27. April 1988 hatte der Rat der Gemeinde ...- auf der Grundlage eines Prüfbescheides der Staatlichen Bauaufsicht vom 15. Oktober 1987 (Bl. 13 d.A.) - dem Beklagten eine Zustimmung zur Errichtung eines "Bungalows (Ersatzbau)" auf dem streitbefangenen Flurstück erteilt (Bl. 12 d.A.). Der Beklagte hat sodann 1988 dieses - unstreitig von Anfang an zu Wohnzwecken geeignete - Gebäude errichtet.

Der Beklagte, ein selbständiger Installateurmeister, und seine - seit 1985 im Betrieb mitarbeitende - Ehefrau haben sich regelmäßig an den Wochenenden, gelegentlich sogar von donnerstags bis montags dort aufgehalten und ihren Urlaub - mit Ausnahme zweier Reisen nach Bulgarien oder Ungarn - dort verbracht. Auch Familienfeste, wie Geburtstage u.ä., sind auf diesem Grundstück gefeiert worden. Die daneben vorhanden gewesene kleinere 2-Raum-Wohnung in Be... ist zu Übernachtungszwecken an vier, gelegentlich eben auch nur drei Tagen die Woche genutzt worden. Der gemeinsame - Mitte des Jahres 1988 bereits 18-jährige - Sohn hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine eigene Wohnung.

Das klagende Land hat die Auffassung vertreten, dem Beklagten stünden Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht zu, weil der Beklagte in dem zwar wohntauglichen Gebäude nicht vor dem 3. Oktober 1990 seinen Lebensmittelpunkt begründet habe. Dies werde auch durch die vorgerichtliche Korrespondenz und das Ergebnis einer Einwohnermeldeamtsanfrage - der Beklagte war jedenfalls bei Klageerhebung im Juni 2003 noch mit seinem Hauptwohnsitz in Be... gemeldet - belegt. Noch mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27. November 1995 (Bl. 24 d.A.) sei ausgeführt worden, dass das Grundstück "ständig als Zweitwohnung genutzt und im übrigen als Alterssitz zu dienen bestimmt" sei. Ein zur Sachenrechtsbereinigung berechtigender sogenannter unechter Datschenfall liege aber nur vor, wenn unter vollständiger Aufgabe des bisherigen Lebensmittelpunktes die alleinige Nutzung auf dem streitbefangenen Grundstück fortgesetzt worden wäre. Ein Ankaufsanspruch des Beklagten sei durch die außergerichtlich geführten Kaufverhandlungen nicht anerkannt worden.

Das klagende Land hat beantragt,

festzustellen, dass dem Beklagten kein Anspruch nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz bezüglich des in ... belegenen, im Grundbuch des Amtsgerichts Zossen von ..., Blatt 725, eingetragenen Grundstücks Flur 3, Flurstück 44 in einer Größe von 3.999 qm zusteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts im Hinblick auf den seiner Ansicht nach unterhalb von 5.000,-- EUR liegenden Gegenstandswert des Rechtsstreits gerügt. Er hat die Klage im Übrigen für rechtsmissbräuchlich gehalten, weil außergerichtlich erklärt worden sei, dass dem Beklagten das Grundstück zum Verkehrswert verkauft werde, allerdings zuvor ein Pachtvertrag abgeschlossen werden solle, der ausdrücklich eine Nutzung zu Wohnzwecken vorgesehen habe (vgl. Vertragsentwurf Bl. 61 d.A.). Er hat behauptet, dass das Haus in ... tatsächlich von Anfang an zu Wohnzwecken genutzt worden sei.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 15. April 2005 festgestellt, dass dem Beklagten kein Anspruch nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zustehe, weil die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 SachenRBerG nicht erfüllt seien. Zwar sei das - ursprünglich zu Erholungszwecken überlassene - Grundstück mit einer entsprechenden behördlichen Genehmigung mit einem zu Wohnzwecken geeigneten Bungalow bebaut gewesen. Der Beklagte habe jedoch bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 dort nicht seinen Lebensmittelpunkt begründet. Er und seine Frau hätten sich vielmehr eigenen Angaben zufolge während der Woche aus beruflichen Gründen regelmäßig in der Be... Wohnung aufgehalten. Gelegentlichen verlängerten Wochenenden (von Donnerstag bis Montag) auf dem streitgegenständlichen Grundstück könnten keine erhebliche Bedeutung beigemessen werden, weil auch solche Aufenthalte angesichts des - aus beruflicher Sicht - existenziellen Wohnsitzes in Be... lediglich Freizeitcharakter gehabt hätten. Eine für die Anwendung des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes erforderliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes nach ... könne - so das Landgericht unter Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 6. November 1997, Az. 5 U 83/97 - nur bei Aufgabe des bisherigen Hauptwohnsitzes festgestellt werden. Daran fehle es aber, wenn ein weiterer Wohnsitz aufrecht erhalten geblieben und regelmäßig genutzt worden sei.

Gegen dieses ihm am 25. April 2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 23. Mai 2005 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. Juli 2005 - mit einem an diesem Tage bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte erstrebt mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts weiterhin die Abweisung der Klage. Er meint, das Landgericht hätte gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung verstoßen, als es von der Durchführung der mit Beschluss vom 26. November 2004 angeordneten Beweisaufnahme abgesehen habe. Die Anhörung des Beklagten habe entgegen der Auffassung des Landgerichts seinen bisherigen Sachvortrag bestätigt, so dass die Beweisaufnahme hätte durchgeführt werden müssen. Darüber hinaus habe der BGH inzwischen der sehr restriktiven Auffassung des erkennenden Senates zu den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG widersprochen und erkannt, dass auch die Beibehaltung einer weiteren Wohnung einem Bereinigungsanspruch nicht entgegen stehe. Er verweist insoweit auf das Urteil des BGH vom 6. April 2001 (abgedruckt u.a. in ZOV 2001, 238) und ein Urteil des Kammergerichts vom 9. Oktober 2001. Welcher von mehreren Wohnsitzen den Lebensmittelpunkt darstelle, werde allein von dem Wohnungsinhaber definiert; ein Zweitwohnsitz aus beruflichen Gründen, wie dieser etwa von Berufspendlern unterhalten werde, besage über den Lebensmittelpunkt noch gar nichts.

Das klagende Land verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung. Das Land hält die Berufung bereits für unzureichend begründet im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO, weil allein ein Hinweis auf Entscheidungen anderer Gerichte ohne Darstellung der Gründe, die eine Übertragung auf den hier vorliegenden Sachverhalt rechtfertigen würden, nicht ausreichend sei. Tatsächlich gäben die zitierten Entscheidungen für eine abweichende Beurteilung des hier in Rede stehenden Sachverhalts nichts her. Von der Durchführung der Beweisaufnahme sei zu Recht abgesehen worden, weil das Landgericht das Vorbringen des Beklagten als wahr unterstellt habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der hierauf beruhenden Feststellungen wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.

Die gemäß § 108 SachenRBerG - in dem hier vorliegenden Fall des Bestreitens der Ankaufsberechtigung des Beklagten auch vor Einleitung eines notariellen Vermittlungsverfahrens - zulässige negative Feststellungsklage ist begründet. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Beklagten in Ansehung des von ihm auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäudes das außergerichtlich beanspruchte Ankaufsrecht nach §§ 15 Abs. 1, 61 SachenRBerG nicht zusteht. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe e) SachenRBerG - der einzigen hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - sind nicht erfüllt.

Der Beklagte hat das streitbefangene Grundstück mit Billigung staatlicher Stellen für bauliche Zwecke, nämlich zur Errichtung eines "Bungalows" in Anspruch genommen. Grundlage dieser Nutzung war die mit der LPG (P) B... am 11. Oktober 1988 abgeschlossene Vereinbarung nach § 18 Abs. 2 LPG-Gesetz, die allerdings eine Nutzung "zur intensiven Bewirtschaftung" vorsah und insbesondere keine Hinweise darauf enthält, das etwa auch eine Bebauung zu Wohnzwecken gestattet sein könnte. Im konkreten Fall war jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Grundstück um in die LPG eingebrachtes Bodenreformland handelte, das die LPG bereits 1969 einem Betriebsangehörigen, der Familie P... H..., für Zwecke der kleingärtnerischen und Erholungsnutzung zur Verfügung gestellt und für eine Bebauung mit einem Bungalow freigegeben hatte. Die in Kenntnis dieser Umstände von der LPG (P) B... mit dem Beklagten abgeschlossene Nutzungsvereinbarung ist daher rechtstatsächlich als ein Nutzungsvertrag im Sinne der §§ 312 ff. ZGB zu qualifizieren. Diese Art der Vertragsgestaltung ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SchuldRAnpG nur dann in die Sachenrechtsbereinigung einzubeziehen, wenn der Beklagte das Grundstück unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe e) SachenRBerG mit einem Eigenheim im Sinne von § 5 Abs. 2 SachenRBerG bebaut hätte.

Der Beklagte könnte deshalb nur dann anspruchsberechtigt nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sein, wenn (a) das von ihm 1988 errichtete Gebäude am 2. Oktober 1990 zu Wohnzwecken bestimmt und geeignet war, (b) er den Bungalow bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 zu Wohnzwecken genutzt hat, (c) diese Nutzung staatlich gebilligt worden ist und (d) der Überlassende dieser Nutzung nicht widersprochen hat.

(a)

Das vom Beklagten 1988 errichtete Gebäude war - was zwischen den Parteien auch unstreitig ist - zu Wohnzwecken bestimmt und geeignet. Es handelt sich um einen Massivbau mit 24`er Mauerwerk und zusätzlicher äußerer Wärmedämmung. Das 1 1/2-geschossige Haus ist voll unterkellert, verfügt über 6 Räume mit ca. 90 qm Wohnfläche. Bereits bei Errichtung im Jahre 1988 ist eine Zentralheizungsanlage eingebaut gewesen, die allerdings in den 90`er Jahren gegen eine moderne Heizquelle ausgetauscht worden ist. Das Haus verfügt seit jeher über eine zentrale Warmwasseraufbereitungsanlage und einen Telefonanschluss. Die Abwasserentsorgung ist über eine - regelmäßig 14-tägig entleerte - Sammelgrube erfolgt.

(c)

Es ist ferner davon auszugehen, dass eine Billigung staatlicher Stellen für die Errichtung eines Wohngebäudes vorgelegen hat. Zwar beziehen sich der Prüfbescheid der Bauaufsicht wie auch die Baugenehmigung ausdrücklich auf den Ersatzbau eines "Bungalows". Auch die vom Beklagten vorgelegten Bauzeichnungen weisen als Bauvorhaben ausdrücklich ein "Wochenendhaus" aus. Allerdings kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das antragsgemäß genehmigte Bauvorhaben schon im Hinblick auf die aus den eingereichten Planungsunterlagen ersichtlichen Außenmaße von 6,00 x 6,97 m und auf die geplante 1 1/2-geschossige Bauweise über die Errichtung der ansonsten in der ehemaligen DDR typischen Ferienbungalows deutlich hinausgeht und daher erkennbar eine Wohnnutzung ermöglichte. Bei dieser Sachlage ist - in Übereinstimmung mit den Parteien - davon auszugehen, dass die Baugenehmigung tatsächlich für ein zu Wohnzwecken dienendes und geeignetes Gebäude erteilt worden ist.

(d)

Nachdem der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass die das Grundstück überlassende LPG um die Nutzungsänderung, also die Nutzung auch zu Wohnzwecken wusste und diese gebilligt hat, ist ferner davon auszugehen, dass auch die Voraussetzung, dass der Überlassende der Wohnnutzung nicht widersprochen hat, vorliegend erfüllt ist.

(b)

Im Ergebnis zutreffend hat allerdings das Landgericht festgestellt, dass der Beklagte das auf dem streitbefangenen Grundstück aufstehende Gebäude bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 nicht in dem für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes erforderlichen Umfang zu Wohnzwecken genutzt hat.

(1)

Wann ein Bauwerk dem Nutzer als Wohnhaus dient, legt § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe e) SachenRberG selbst nicht fest. Aus der Ausnahmeregelung in § 5 Abs. 3 SachenRBerG lässt sich aber schließen, dass ein Bauwerk dann nicht als Eigenheim anzusehen ist, wenn es am 2. Oktober 1990 Erholungszwecken diente und erst später Wohnzwecken zugeführt wurde. Das gilt nach Satz 2 dieser Vorschrift auch dann, wenn der Nutzer am 2. Oktober 1990 in dem Bauwerk zwar zeitweise gewohnt, dort aber nicht seinen Lebensmittelpunkt hatte. Aus diesen Ausnahmen ergibt sich im Umkehrschluss, dass ein Bauwerk im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe e) SachenRBerG als Wohnhaus dient, wenn der Nutzer auf dem Grundstück am 2. Oktober 1990 seinen Lebensmittelpunkt hatte.

Das bedeutet allerdings nicht, dass das Sachenrechtsbereinigungsgesetz in den Fällen sog. unechter Datschen nur dann Anwendung finden kann, wenn neben dem Wohnraum auf dem mit schuldrechtlichem Nutzungsvertrag überlassenen Grundstück weiterer Wohnraum gar nicht mehr vorhanden ist.

Einen davon abweichenden Rechtssatz hat der erkennende Senat auch zu keinem Zeitpunkt - insbesondere nicht in seinem Urteil vom 6. November 1997, Az. 5 U 83/97, abgedruckt u.a. in VIZ 1998, 331 - aufgestellt. Er hat vielmehr - in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 13. Mai 2005, Az. V ZR 191/04, zitiert nach juris) - seit jeher darauf abgestellt, dass der schuldrechtlich berechtigte Nutzer auf dem ihm überlassenen Grundstück nicht nur zeitweilig gewohnt hat, sondern dort mit Ablauf des 2. Oktober 1990 seinen Lebensmittelpunkt gehabt haben muss (so ausdrücklich Leitsatz 3 des zitierten Senatsurteils vom 6. November 1997). Soweit aus der seinerzeit gewählten Formulierung, dass "von einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes i.S. des § 5 III 2 SachenRBerG nur bei Aufgabe des bisherigen Hauptwohnsitzes und Umzug in die unechte Datsche und deren dauernder Wohnnutzung gesprochen werden" könne, verschiedentlich geschlussfolgert worden ist, dass für eine Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz die (vollständige) Aufgabe einer Stadtwohnung erforderlich sei (vgl. etwa das Urteil des BGH vom 13. Mai 2005, Az. V ZR 191/04, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13), nimmt der erkennende Senat den vorliegenden Fall zum Anlass klarzustellen, dass allein das Vorhandensein einer weiteren (Stadt-)Wohnung die Anwendbarkeit des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes nicht von vornherein ausschließt (so auch schon das Senatsurteil vom 28. Oktober 1999, Az. 5 U 264/98, ZOV 2000, 44).

Entgegen den Ausführungen des Beklagten bestand daher schon gar kein Anlass für den Bundesgerichtshof, eine "zu restriktive Rechtsprechung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zu dieser Frage" zu berichtigen. Die gegen das vom Beklagten beanstandete Senatsurteil vom 6. November 1997 eingelegte Revision hat der Bundesgerichtshof vielmehr nicht angenommen (Beschluss vom 10. September 1998, Az. V ZR 395/97). Das vom Beklagten mehrfach zitierte Urteil des BGH vom 6. April 2001, Az. V ZR 438/99, abgedruckt u.a. in ZOV 2001, 238, beschäftigt sich nur am Rande mit der hier interessierenden Frage, wann eine zur Sachenrechtsbereinigung berechtigende Wohnnutzung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe e) SachenRBerG vorliegt und bestätigt insoweit ausdrücklich die zugrunde liegende Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. Oktober 1999, Az. 5 U 264/98.

Wo der Nutzer seinen Lebensmittelpunkt hat, lässt sich nicht allein anhand formaler Kriterien wie der polizeilichen Meldung oder der Aufgabe einer (Stadt-)Wohnung feststellen. Der Annahme des Lebensmittelpunktes auf dem überlassenen Grundstück steht nicht entgegen, dass sich ein Nutzer zeitweilig an anderer Stelle aufhält. Erforderlich ist vielmehr eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände, bei der freilich das Meldeverhalten und die Aufgabe der Stadtwohnung als signifikante Indizien für den Lebensmittelpunkt besonderes Gewicht haben (BGH, Urteil vom 13. Mai 2005, Az. V ZR 191/04).

(2)

Im vorliegenden Fall ist der Umfang der Nutzung des Hausgrundstücks in ... unstreitig. Der Beklagte hat in seiner Anhörung im Termin vor dem Landgericht am 4. März 2005 erklärt, das Grundstück in ... sei regelmäßig an den Wochenenden, gelegentlich auch von donnerstags bis montags genutzt worden. Bis auf zwei Auslandsaufenthalte habe er auf dem Grundstück in ... auch seinen Urlaub verbracht und dort auch Familienfeiern, wie etwa Geburtstage u.ä., durchgeführt. Diesem Vorbringen ist das klagende Land nicht entgegen getreten, so dass es gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Unter diesen Umständen hat das Landgericht zu Recht von der Durchführung der mit Beschluss vom 26. November 2004 angeordneten Beweisaufnahme zum Umfang der Nutzung des Grundstücks in ... abgesehen und das Vorbringen des Beklagten seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

Ausgehend von der Darstellung des Beklagten vermag auch der Senat nicht zu der Feststellung zu gelangen, dass der Beklagte spätestens mit Ablauf des 2. Oktober 1990 seinen Lebensmittelpunkt auf das Grundstück in ... verlegt hat.

Die hier vorliegende Nutzung unterscheidet sich nämlich nicht nur von einer ausschließlichen Wohnnutzung während des Großteils des Jahres (wie etwa in dem vom KG entschiedenen Fall), sie ist auch nicht ohne Weiteres mit dem Fall einer doppelten Haushaltsführung bei Berufspendlern vergleichbar. Diese Pendler unterhalten zwar in aller Regel einen (Zweit-)Wohnsitz am Ort ihrer Arbeitsstelle und kehren an den Wochenenden nach Hause zurück, also dorthin, wo sie ihren Hauptwohnsitz und wohl tatsächlich auch ihren Lebensmittelpunkt haben - dies allerdings doch in aller Regel nur dann, wenn sie dort Familie haben oder aus sonstigen Gründen mit diesem Ort so stark verbunden sind, dass der Wohnsitz am Arbeitsort in der Weise ausschließlich von Zweckmäßigkeitserwägungen getragen wird, dass diesem praktisch nur der Charakter einer Schlafstätte beizumessen ist. So liegt der vorliegende Fall aber nicht. Den Angaben des Beklagten zufolge hat es vielmehr eine - auf das gesamte Jahr betrachtet zeitlich etwa gleichwertige - Teilung des familiären bzw. Ehelebens in der Weise gegeben, dass der Beklagte zusammen mit seiner Ehefrau entweder in ... oder in Be... wohnte. Die etwa bei Berufspendlern mit Zweitwohnsitz typische Trennung von der Familie gab es also gerade nicht. Da die Berufsausübung mehr als nur "Broterwerb" ist und mit seinen vielfältigen sozialen Kontakten einen breiten Raum im Leben des Einzelnen einnimmt, kann der Be... Wohnung auch nicht deshalb von vornherein eine nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden, weil diese im - räumlichen und sachlichen - Zusammenhang mit der Berufsausübung sowohl des Beklagten als auch seiner Frau stand. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass es in Fällen wie dem vorliegenden, in denen durchgehend bis zum 3. Oktober 1990 zwei Objekte etwa gleichwertig zu Wohnzwecken genutzt worden sind, für die Bestimmung des Lebensmittelpunktes nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, welche der Wohnungen etwa komfortabler ist oder in welcher sich der Wohnungsinhaber wohler gefühlt hat.

Nach alledem sind schon bei Gesamtbetrachtung der Lebensgewohnheiten des Beklagten keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser seinen Lebensmittelpunkt bis zum 3. Oktober 1990 in ... begründet hat. Hinzu kommt der Umstand, dass der Beklagte noch 2003 mit seinem Hauptwohnsitz in Be... gemeldet war. Weiterhin hat der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27. November 1995 gegenüber dem klagenden Land erklären lassen, dass das Haus in ... "schon jetzt ständig als Zweitwohnung (...) genutzt und im übrigen als Alterssitz (...) zu dienen bestimmt ist". Diese Aspekte streiten gegen die Verlagerung des Lebensmittelpunktes auf das Grundstück in ... bis zum hier maßgeblichen Stichtag.

Die Beweislast dafür, dass er am 2. Oktober 1990 seinen Lebensmittelpunkt auf dem anzukaufenden Grundstück hatte, trägt der Nutzer (vgl. BGH, Urt. vom 13. Mai 2005, a.a.O.; v. Falkenhayn, RVI, § 5 SachenRBerG, Rdnr. 33; Gehling in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 5 SachenRBerG Rdnr. 16; Vossius, Sachenrechtsbereinigungsgesetz, 2. Aufl., § 5 Rdnr. 25). Es geht mithin zu Lasten des Beklagten, dass der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen vermag, dass der Beklagte seinen Lebensmittelpunkt vor dem 3. Oktober 1990 in ... begründet hat.

Da demnach die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchstabe e SachenRBerG nicht erfüllt sind, ist die negative Feststellungsklage des klagenden Landes begründet. Die gegen diese Entscheidung des Landgerichts gerichtete Berufung des Beklagten musste ohne Erfolg bleiben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung die Revision zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück