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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 05.04.2007
Aktenzeichen: 5 U 74/06
Rechtsgebiete: ZGB/DDR, BGB, EGBGB, VermG, GVG


Vorschriften:

ZGB/DDR § 33 Abs. 2
ZGB/DDR § 70
ZGB/DDR § 70 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz
ZGB/DDR § 70 Abs. 2 Satz 1
ZGB/DDR § 70 Abs. 2 Satz 2
BGB § 894
BGB § 985
EGBGB Art. 233 § 2
EGBGB Art. 233 § 7
EGBGB Art. 233 § 7 Abs. 1
VermG § 1 Abs. 1
VermG § 1 Abs. 3
VermG § 3
VermG § 3 Abs. 1
VermG § 4 Abs. 2 Satz 1
VermG § 4 Abs. 2 Satz 2
VermG § 7 Abs. 7 Satz 1
GVG § 17 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 74/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 5. April 2007

Verkündet am 5. April 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt, die Richterin am Oberlandesgericht Kiepe und den Richter am Landgericht Boecker

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. März 2006 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 1 O 424/04 - abgeändert.

Die Beklagten werden auf die zweitinstanzliche Klageerweiterung als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 3.979,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08. November 2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 9/10, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche der Kläger aus einem "hängengebliebenen" Ausreisekaufvertrag.

Die Kläger waren im Grundbuch von G... Blatt 500 als Eigentümer des 821 m² großen Grundstücks, Flur 1, Flurstück 273, gelegen ... 1 in G... (Grundstück) eingetragen. Nachdem ihre Söhne die DDR verlassen hatten, entschlossen sich auch die Kläger aus der DDR auszureisen.

Am 18. September 1989 verkauften die Kläger den Beklagten durch notariell beurkundeten Vertrag (Staatliches Notariat P..., UR-Nr. 1-20-840-89) das Grundstück zu einem Kaufpreis von 13.300 M/DDR. Anfang November 1989 übersiedelten die Kläger in die Bundesrepublik. Mit Anwaltschreiben vom 25. April 1990 fochten die Kläger gegenüber den Beklagten den Grundstückskaufvertrag nach § 70 ZGB/DDR an, weil ihre Ausreise von den staatlichen Organen von der Veräußerung ihres Grundbesitzes abhängig gemacht worden sei. Die Beklagten widersprachen mit Schreiben vom 11. Juni 1990 der Anfechtung. Daraufhin erhoben die Kläger mit Schriftsatz vom 25. Juni 1990 Klage vor dem Kreisgericht Potsdam Land (Az. 12 Z 260/90) auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages. Sie machten ferner im September 1990 Restitutionsansprüche bei dem Vermögensamt geltend.

Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages wies das Kreisgericht mit Urteil vom 28. Juni 1991 als unzulässig ab, da die Sache in den Geltungsbereich des Vermögensgesetzes falle. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung nahmen die Kläger im April 1992 zurück. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises P... lehnte mit Bescheid vom 10. August 1994 die Rückübertragung des Grundstücks ab mit der Begründung, dass die Eigentumsumschreibung im Grundbuch unterblieben sei und aus diesem Grund kein Vermögensverlust im Sinne des Vermögensgesetzes eingetreten sei. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen mit Bescheid vom 6. Mai 1996 zurück. Daraufhin erhoben die Kläger vor dem Verwaltungsgericht Klage auf Rückübertragung des Grundstücks.

Bereits zuvor, am 23. Juni 1995, hatten sie auch vor dem Landgericht Potsdam eine Klage (1 O 253/95) gegen die Beklagten auf Feststellung der Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages und Zahlung eines Nutzungsentgelts für die Zeit vom 1. Oktober 1989 bis 10. Juni 1995 in Höhe von 5.725,00 DM anhängig gemacht. Die Klage haben sie nicht nur auf die Anfechtung wegen Vorliegens eines Ausreisefalles sondern auch auf einen Beurkundungsmangel wegen Nichtbeurkundung von Nebenabreden sowie auf Sittenwidrigkeit gestützt. Mit Teilurteil vom 18. Juni 1999 hat das Landgericht die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages abgewiesen und den Rechtsstreit im übrigen, wegen des Antrags auf Zahlung des Nutzungsentgelts, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Restitutionsantrag ausgesetzt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages sei unzulässig. Auf Grund der rechtskräftigen Entscheidung des Kreisgerichts vom 28. Juni 1991 stehe fest, dass der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nicht eröffnet sei. Das gelte nicht nur für die Anfechtung nach § 70 ZGB/DDR, auf die sich die Kläger in diesem Verfahren berufen hätten, sondern auch für die im vorliegenden Verfahren gerügten weiteren zivilrechtlichen Mängel. Die Klage betreffe denselben Streitgegenstand. Die von den Klägern nunmehr gerügten weiteren Nichtigkeitsgründe hätten bereits in dem Vorprozess gelten gemacht werden können. Wegen des Zahlungsantrags sei das Verfahren wegen Vorgreiflichkeit des Verwaltungsrechtsstreits auszusetzen. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung haben die Kläger am 25. August 1999 zurückgenommen. Sie nahmen auch ihren Rückübertragungsantrag in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zurück. Daraufhin hat das Verwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingestellt und auf den Hilfsantrag der Kläger den Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen. Dieses Verfahren hat das Landgericht, soweit es das streitige Grundstück betrifft, mit dem nach Erlass des Teilurteils noch rechtshängigen Verfahren auf Zahlung des Nutzungsentgelts (1 O 253/95) zu dem führenden Verfahren 1 O 424/04 verbunden.

Am 2. Februar 2005 wurden die Beklagten auf der Grundlage des Grundstückskaufvertrages vom 18. September 1989 als neue Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Daraufhin haben die Kläger ihre bisherige auf das Eigentum an dem Grundstück gestützte Klage auf Herausgabe des Grundstücks und Zahlung eines Nutzungsentgelts für die Zeit vom 1. Oktober 1989 bis zum 31. Juli 2004 um eine Klage auf Berichtigung des Grundbuchs erweitert. Hilfsweise haben sie die Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht beantragt.

Die Kläger haben gestützt auf die Anfechtung die Ansicht vertreten, der Grundstückskaufvertrag sei wegen wirksamer Anfechtung nichtig. Denn sie seien nach der Flucht ihrer beiden Söhne einer Vielzahl von Schikanen ausgesetzt gewesen und hätten deswegen schließlich die Ausreise beantragt. Die Ausreise aus der DDR sei an die Bedingung geknüpft gewesen, dass sie ihren Grundbesitz veräußern.

Die Beklagten haben die Unzulässigkeit des Rechtswegs gerügt, weil das Vermögensgesetz allein die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Ausreisefälle vorsehe. Für den Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts bestehe keine Rechtsgrundlage, der Anspruch sei im Übrigen verjährt.

Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, das Grundstück an die Kläger herauszugeben und der Berichtigung des Grundbuchs dahingehend zuzustimmen, dass nicht die Beklagten, sondern die Kläger Eigentümer des Grundstücks seien. Es hat die Beklagten ferner als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 14.584,60 € nebst Zinsen zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage sei zulässig und im Wesentlichen begründet. Der Zivilrechtsweg sei eröffnet; der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. Februar 2004 sei hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Die Möglichkeit einer Rückverweisung bestehe nicht, obwohl gerade diejenige Voraussetzung für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts eingetreten sei, deren Fehlen Grundlage des Verweisungsbeschlusses gewesen sei. Denn die Veränderung sei erst eingetreten, nachdem der Rechtsstreit bindend an das Landgericht verwiesen worden sei.

Die Kläger könnten von den Beklagten gemäß § 894 BGB Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs verlangen. Da der Antrag auf Grundbucheintragung der Beklagten bei Vertragsschluss am 6. Oktober 1989 - und damit vor Wirksamwerden des Beitritts - gestellt worden sei, richte sich der Herausgabeanspruch gemäß Art. 233 § 7 Abs. 1 EGBGB nach § 33 Abs. 2 ZGB/DDR, wonach der Eigentümer von jedem, der ihm sein Eigentum unberechtigt vorenthalte, die Herausgabe verlangen könne. Die Kläger seien Eigentümer des Grundstücks geblieben. Sie hätten ihr Eigentum nicht durch den Abschluss des Kaufvertrags am 18. September 1989 und die Eintragung der Beklagten in das Grundbuch am 2. Februar 2005 verloren. Denn zu diesem Zeitpunkt sei die für den Eigentumsübergang erforderliche Einigung der Parteien über denselben auf Grund wirksamer Anfechtung der Kläger entfallen. Die Kläger hätten mit Erklärung vom 25. April 1990 den Kaufvertrag vom 18. September 1989 nach § 70 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz ZGB/DDR wegen rechtswidriger Drohung wirksam angefochten. Zur Bestimmung dessen, was als rechtswidrige Drohung zu werten sei, seien die Wertungsmaßstäbe des VermG heranzuziehen. Für den vorliegenden Fall der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Zivilgericht zu entscheiden sei, obwohl eigentlich nunmehr der Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 3 VermG eröffnet sei und das Vermögensgesetz als Spezialgesetz grundsätzlich die zivilgesetzlichen Regelungen verdränge, könne dieser Grundsatz so keine Anwendung finden. Denn der Rückübertragungsanspruch nach § 3 Abs. 1 VermG sei öffentlich-rechtlicher Natur und richte sich gegen eine staatliche Behörde, die ihn bei Vorliegen durch Erlass eines Bescheides zu erfüllen habe. Eine Restitution in dieser Weise könne das Zivilgericht mit den ihm gegebenen prozessualen Befugnissen nicht vornehmen. Da das Landgericht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen habe, könne eine Lösung dieses - gerade auf den Besonderheiten des zurückliegenden Verfahrens beruhenden - Konflikts zweckmäßigerweise nur so erfolgen, dass der Regelungsgehalt der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 VermG bei der Beurteilung der zivilrechtlichen Ansprüche, die nur bei einer verwaltungsrechtlichen Restitution nach § 3 VermG verdrängt würden, berücksichtigt würden und die Anspruchsgrundlage im vorliegenden Fall unter Einbeziehung der Zielsetzung des Vermögensgesetzes zu interpretieren sei. Bei Anwendung dieser Maßstäbe habe die auf Vertragsschluss gerichtete Erklärung der Kläger auf Ausübung psychischen Zwangs beruht, denn es müsse als rechtswidrige Drohung verstanden werden, wenn die Gestattung einer beantragten Ausreise aus der DDR von der Veräußerung des Grundbesitzes des Ausreisewilligen abhängig gemacht werde. Dafür, dass dies auch bei den Klägern der Fall gewesen sei, spreche eine nach den Regeln des Anscheinsbeweises zu erschütternde Vermutung, die die Beklagten nicht widerlegt hätten. Dabei sei es für die Anwendung des § 70 ZGB/DDR unbeachtlich, dass die Drohung von einem Dritten ausgegangen sei; es komme auch nicht darauf an, ob der Erklärungsempfänger die Drohung gekannt habe oder hätte kennen müssen. Die Kläger hätten den Vertrag fristgerecht nach § 70 Abs. 2 Satz 1 ZGB/DDR im zeitlichen Zusammenhang mit den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 und unter Berücksichtigung eines Überlegungszeitraums von fünf Wochen angefochten. Dass sie die Berufung gegen das Urteil des Kreisgerichts vom 28. Juni 1991 zurückgenommen hätten, habe auf die Wirksamkeit der Anfechtung keinen Einfluss, da die Zurücknahme erfolgt sei, nachdem die mit dem Sachverhalt befassten Gerichte sämtlich zu verstehen gegeben hätten, dass für das Klagebegehren der Zivilrechtsweg nicht eröffnet sei. Infolge der wirksamen Anfechtung sei der Kaufvertrag und damit die der Grundbucheintragung der Beklagten zu Grunde liegende Einigung über den Eigentumsübergang nichtig. Auf die Redlichkeit der Beklagten käme es nicht an, auch wenn man hierbei die Vorschriften des Vermögensgesetzes über den redlichen Erwerb mit einbeziehe. Dem stehe entgegen, dass der Rechtserwerb erst nach Inkrafttreten des Vermögensgesetztes vollendet worden sei. Auf Erwerbsvorgänge ab dem 29. September 1990 finde § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG keine Anwendung. Auch § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG komme nicht in Betracht, da das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft, der Kaufvertrag, bereits vor dem 18. Oktober 1989 geschlossen worden sei. Da sich die Beklagten danach auch bei unmittelbarer Anwendung des VermG nicht auf einen redlichen Erwerb berufen könnten, bestehe für eine Korrektur des Anfechtungsergebnisses kein Anlass.

Darüber hinaus stehe den Klägern ein Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsgelds in Höhe von monatliche 150 DM bis zum 31. Dezember 1990 und für die Zeit sodann in Höhe von 200 DM monatlich zu. Diese Beträge seien für das 821 m² große, mit einem Mehrzweckgebäude mit Garage bebaute Grundstück auf Grund eigener Sachkunde der Kammer als angemessen anzusehen. Der Anspruch sei auch nicht verjährt.

Gegen das Urteil wenden sich die Beklagten mit der Berufung.

Mit der Berufung rügen die Beklagten, dass das Landgericht den Grundstückskaufvertrag in Folge der Anfechtung als unwirksam angesehen hat, obwohl die weiteren Voraussetzungen für den Anfechtungserfolg nach den damals geltenden Bestimmungen des ZGB/DDR, nämlich die Erhebung einer Feststellungsklage zur Klärung der Anfechtungsberechtigung gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 ZGB/DDR wegen der Rücknahme der Berufung gegen das Urteil des Kreisgerichts vom 28. Juni 1991 entfallen seien. Jedenfalls aber hätte das Gericht den Antrag auf Herausgabe der Nutzungen zurückweisen müssen, denn ein derartiger Anspruch sei nach § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG ausgeschlossen.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 29. März 2006 - 1 O 424/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise,

die Beklagten zu verurteilen, an sie 3.979,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. November 2006 zu zahlen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung. Mit dem Hilfsantrag machen sie einen Anspruch auf Erstattung von ihnen entrichteter Kanalanschlussgebühren geltend.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird mit auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die vom Landgericht im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen verwiesen.

II.

1.

Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, Abs. 1, 2, 513, 517, 519, 520 ZPO.

2.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Soweit die Kläger mit der Klage die Herausgabe des Grundstücks und die Berichtigung des Grundbuchs begehren, ist die Klage unzulässig, weil der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben ist.

Zwar prüft gemäß § 17 a Abs. 5 GVG das Gericht, das über ein Rechtsmittel entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Das Landgericht hat jedoch ungeachtet der von den Beklagten erhobenen Rechtswegrüge entgegen § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab durch Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern sogleich durch Urteil über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage entschieden. Da den Parteien durch die Verfahrensweise die vom Gesetz gewollte Möglichkeit einer gesonderten Vorabklärung der Rechtswegfrage im Wege der Beschwerde genommen würde, bleibt dem Rechtsmittelgericht diese Überprüfung möglich und § 17 a Abs. 5 GVG greift in einem solchen Fall nicht ein (BGHZ 130, 159, 163).

Für den Antrag auf Herausgabe des Grundstücks steht den Klägern allein der öffentlichrechtliche Rückübertragungsanspruch zu (BGHZ 118, 34), der gemäß § 13 GVG zum Verwaltungsrechtsweg gehört.

Nach Rücknahme des Restitutionsantrags hat das Verwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich des Hilfsantrags auf Herausgabe des Grundstücks zwar an das Zivilgericht verwiesen. Hieran ist der Senat jedoch nicht mehr gemäß § 17 a Abs. 1 GVG gebunden. Denn im Nachhinein hat sich die der Verweisung zu Grunde liegende Sach- und Rechtslage geändert. Nachdem die Kläger ihren Restitutionsantrag zurückgenommen hatten, konnte die GVO-Genehmigung für den Grundstückskaufvertrag erteilt werden mit der Folge, dass das Grundbuchamt nunmehr das Grundbuch auf die Beklagten umgeschrieben hat. Damit ist der Restitutionsfall und damit zugleich der Vorrang des Vermögensgesetztes eingetreten und dem Verweisungsbeschluss die Grundlage entzogen.

Was den Antrag auf Grundbuchberichtigung angeht, wurde dieser Antrag von den Klägern erst im Wege einer Klageerweiterung nach Verweisung des Herausgabeanspruchs rechtshängig gemacht. Dieser Antrag war also nicht Gegenstand des verwiesenen Verfahrens und ist damit auch nicht von der Bindungswirkung des § 17 a Abs. 5 GVG erfasst. Denn naturgemäß erstreckt sich die Bindung an die verwaltungsgerichtliche Rechtswegentscheidung nur auf Ansprüche, die sie zum Gegenstand hatte.

Auch für diesen Antrag gilt, dass mit Eintreten des Restitutionsfalls den Klägern der öffentlich-rechtliche Rückübertragungsanspruch nunmehr zusteht, so dass auch dieser Antrag von der Verwaltungsgerichtsbarkeit erfasst wird.

Nach alledem ist der ordentliche Rechtsweg lediglich wegen des Zahlungsanspruchs (vgl. § 7 Abs. 8 Satz 1 VermG) gegeben.

Die Klage hätte wegen des Herausgabe- und Grundbuchberichtigungsantrags aber auch dann keinen Erfolg, wenn man die Unzulässigkeit des Rechtswegs durch die Sachentscheidung des Landgerichts als geheilt ansehen würde, weil die Beklagten ihre Rüge der Unzulässigkeit des Rechtswegs in zweiter Instanz nicht mehr aufrechterhalten (vgl. VGH München, NJW 1997, 1251). Diese Anträge wären dann als unbegründet abzuweisen.

a) Die Kläger könnten von den Beklagten nicht die Herausgabe des Grundstücks gemäß § 985 BGB in Verbindung mit Art. 233 § 2 EGBGB verlangen.

Der Anspruch würde voraussetzen, dass die Kläger Eigentümer des Grundstücks sind. Im Grundbuch sind die Beklagten als Eigentümer ausgewiesen. Eigentümer des Grundstücks wären die Kläger mithin nur, wenn die Beklagten nicht durch Abschluss des Kaufvertrages am 18. September 1989 und die Eintragung in das Grundbuch das Eigentum an das Grundstück erlangt hätten. Die Kläger können sich im vorliegenden Verfahren nur noch darauf berufen, dass sie den auf rechtswidriger Drohung beruhenden Vertrag angefochten haben, was zu dessen Nichtigkeit führe. Denn die ursprüngliche, auch auf weitere zivilrechtliche Mängel des Vertrages gestützte Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Kaufvertrages ist durch Teilurteil des Landgerichts rechtskräftig als unzulässig abgewiesen worden. Damit ist über diesen Streitgegenstand rechtskräftig entschieden. Der Rechtsstreit auf Herausgabe des Grundstücks wäre deswegen nur in dem vom Verwaltungsgericht verwiesenen Umfang, also als Ausreisefall, vor das Zivilgericht gelangt, so dass es auch nur noch um diese Frage geht. Auch die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG umfasst nur den Anspruch, also den Streitgegenstand, für den das Verwaltungsgericht den Zivilrechtsweg bindend bestimmt hat, also nur den Ausreisefall. Diese Unrechtsmaßnahme hätte sich zwar nunmehr, nach Eintragung der Beklagten in das Grundbuch, als eine solche im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG vollendet. Dem Senat ist jedoch als Zivilgericht versagt, eine Herausgabe des Grundstücks auf eine Verwirklichung dieses Tatbestands zu stützen, auch wenn er gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hat. Durch die Erweiterung der Rechtswegzuständigkeit sollte vermieden werden, dass nacheinander mehrere Rechtswege beschritten werden müssen. Das gilt aber nur, soweit es sich nach Gegenstand und Parteien um ein und denselben Anspruch handelt (MünchKomm/Wolf, ZPO, § 17 GVG Rn. 13; BGHZ 114, 1, 2). Der Restitutionsanspruch nach dem Vermögensgesetz richtet sich gegen den Staat, der zivilrechtliche Anspruch gegen den Besitzer. Schon wegen der unterschiedlichen Adressaten kann das ordentliche Gericht also in einem Rechtsstreit des privat Betroffenen gegen den privaten Eigentümer oder Besitzer auf Herausgabe aufgrund des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG über den Rückübertragungsanspruch des Betroffenen nicht nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes entscheiden.

Es bliebe danach allein die Möglichkeit, die Wirksamkeit des Geschäfts gemäß Art. 233 § 7 EGBGB i.V.m. den Anfechtungsvorschriften des ZGB/DDR zu überprüfen. Jedoch sind diese zivilrechtlichen Ansprüche bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 3 VermG grundsätzlich durch das Vermögensgesetz ausgeschlossen, weil dieses Gesetz der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften entgegen steht (BGHZ 118, 34). Die Rückgabe von Grundvermögen, das im Zusammenhang mit der Erteilung der Ausreisegenehmigung veräußert wurde, kann danach mit Erfolg ausschließlich in dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz durchgesetzt werden. Die Geltendmachung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche, die sich aus der Unwirksamkeit des Veräußerungsgeschäfts ergeben, ist dem Übersiedler hingegen verwehrt. Dies gilt insbesondere für das in den Ausreisefällen grundsätzlich gegebene Anfechtungsrecht wegen rechtswidriger Drohung, da es vom Ergebnis her keinen Unterschied macht, ob das Anfechtungsrecht selbst oder der in Folge der Anfechtung herbeigeführte Herausgabeanspruch ausgeschlossen ist. Auch die Sachverhalte, denen, wie im vorliegenden Fall, vor dem 3. Oktober 1990 erklärte Anfechtungen zu Grunde liegen, deren Berechtigung trotz Widerspruchs in einem vor dem 3. Oktober 1990 eingeleiteten Gerichtsverfahren an diesem Tag noch nicht rechtskräftig festgestellt war, werden durch die Regelungen des Vermögensgesetzes erfasst (Vermögen in der ehemaligen DDR, Brettholle/Schülke, § 1 Rn. 85). Der Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche, die auf eine unlautere Machenschaft i.S. des § 1 Abs. 3 VermG gestützt werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG VIZ 1997, 31). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es auch, die Regelung des Vermögensgesetz auf Fälle zu erstrecken, in denen vor Inkrafttreten des Vermögensgesetztes die Anfechtung des der Grundstücksveräußerung zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfts schon erklärt war, der darüber geführte Zivilrechtsstreit vor diesem Zeitpunkt aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden ist, wobei für den Ausschluss unerheblich ist (BVerfG a.a.O. S. 32), wie § 70 ZGB/DDR auszulegen ist. Nämlich ob, wovon das Landgericht ausgeht und wogegen sich die Beklagten mit der Berufung wehren, diese Vorschrift dahin zu verstehen ist, dass auch im Falle eines Widerspruchs die gestaltende Wirkung der Anfechtung schon mit Zugang der Anfechtungserklärung an den Anfechtungsgegner eintritt (Kommentar ZGB Autorenkollektiv § 70 Anm. 1.1d.) oder, wie es die Beklagten (mit Göhring in Lehrbuch Zivilrecht, Staatsverlag der DDR 1981 S. 218) sehen wollen, erst nach Durchsetzung durch Gestaltungsklage.

Denn auch in ersterem Fall wäre bis zur Rechtskraft einer eine entsprechende Feststellung treffenden Entscheidung von der Wirksamkeit des ursprünglichen Vertrages auszugehen. Die Anwendung des Vermögensgesetzes setzt in Fällen des § 1 Abs. 3 VermG keinen bei seinem Inkrafttreten zivilrechtlich wirksamen Erwerb voraus.

b)

Für den Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB gelten die obigen Ausführungen entsprechend.

c)

Für den Antrag auf Zahlung von Nutzungsentgelt ist der Senat zwar zuständig (§ 7 a Abs. 8 Satz 1 VermG). Ein derartiger Anspruch ist in Restitutionsfällen jedoch gemäß § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG ausgeschlossen. Bis zum Zeitpunkt der Bestandskraft des Rückübertragungsbescheides bleibt das Restitutionsobjekt im Vermögen des Verfügungsberechtigten. Dieser Zuordnung entspricht es, dass die bis dahin gezogenen Nutzungen grundsätzlich dem Verfügungsberechtigten verbleiben, der andererseits die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen hat (BGHZ 128, 210, 211, BGHZ 137, 183, 186). Dies bedeutet zugleich, dass d) dem Hilfsantrag der Kläger stattzugeben ist, gegen den sich die Beklagten auch nicht wehren.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Gründe, die es rechtfertigen könnten, die Revision zuzulassen (§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO, sind nicht ersichtlich.

Streitwert: 40.564,36 € ( 22.000,00 + 14.584,60 + 3.979,76)

Ende der Entscheidung

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