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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 31.05.2001
Aktenzeichen: 5 W 137/00
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO, RPflG, GKG


Vorschriften:

ZPO § 104
ZPO § 78
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 577
ZPO § 104 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 78 Abs. 1 n.F.
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz u. Satz 2
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 3
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1 u. 2
BRAGO § 26
RPflG § 11 Abs. 1
KostGErmAV § 1
KostGErmAV § 3
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 14 Abs. 1
GKG § 22 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

5 W 137/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 2 O 151/00 Landgericht Potsdam

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kühnholz, den Richter am Oberlandesgericht Gemeinhardt und den Richter am Landgericht Dr. Matthiessen

am 31. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) vom 24. August 2000 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 3. August 2000 - Az. 2 O 151/00 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte zu 1) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 285 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung eines Betrages in Höhe von 45.285,40 DM verlangt. Der Beklagte hat sich in dem Verfahren vor dem Landgericht Potsdam durch einen im Westteil Berlins ansässigen Rechtsanwalt einer überörtlichen Sozietät vertreten lassen, die auch über eine Kanzlei in Potsdam verfügt. Das Landgericht Potsdam hat die Klage durch am 5. Juli 2000 verkündetes - inzwischen rechtskräftiges Urteil - abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Durch Schriftsatz vom 17. Juli 2000 hat die Beklagte zu 1) gemäß § 104 ZPO beantragt, gegen den Kläger zwei 10/10 Gebühren aus einem Streitwert von 45.285,40 DM gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO zuzüglich der Pauschale gemäß § 26 BRAGO in einer Gesamthöhe von 2.890 DM festzusetzen. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 3. August 2000 die vom Kläger an die Beklagte zu 1) zu erstattenden Kosten auf 2.605 DM nebst Zinsen festgesetzt und hierbei die Gebühren auf 90 % gekürzt, da die Beklagte zu 1) in der Lage gewesen sei, einen Anwalt am Ort des Prozessgerichts zu beauftragen. Dessen Gebühren wären gemäß Einigungsvertrag nur in Höhe von je 1.282,50 DM zu erstatten. Gegen diesen, ihr am 10. August 2000 zugestellten Beschluss hat die Beklagte zu 1) durch am 24. August 2000 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Gebührenermäßigung nach dem Einigungsvertrag finde vorliegend keine Anwendung, da sowohl die Beklagte zu 1) als auch ihre Prozessbevollmächtigten im alten Bundesgebiet ansässig seien. Jedenfalls mit Inkraftsetzung von § 78 ZPO in allen Bundesländern zum 1. Januar 2000 sei es nicht mehr geboten, sich durch einen am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Die durch die Neuregelung bezweckte freie Wahl des Mandanten unter den Anwälten des gesamten Bundesgebietes dürfe auch nicht mittelbar durch die Kostenerstattunasvorschriften beeinträchtigt werden.

Das Landgericht - Rechtspfleger - hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 sowie §§ 567 Abs. 2 Satz 2, 577 ZPO statthaft. Der Beschwerdewert des § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist überschritten. Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat der Rechtspfleger bei der Kostenfestsetzung gegen den Gegner gemäß § 104 Abs. 1 ZPO nur die um 10 % gekürzten Gebühren berücksichtigt.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten nur insoweit zu erstatten, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes der obsiegenden Partei zu erstatten. Bei Rechtsstreitigkeiten vor Gerichten der neuen Bundesländer, in denen gemäß Anlage 1 zum Einigungsvertrag, Kapitel III, Sachgebiet A, Abschnitt II, Nr. 26, Maßgabe a in Verbindung mit §§ 1, 3 KostGErmAV vom 15. April 1996 regelmäßig eine Gebührenermäßigung um 10 % eingreift, ist seit langem umstritten, ob und wann die höheren Gebühren eines im alten Bundesgebiet ansässigen Anwaltes im Rahmen des § 104 ZPO erstattungsfähig sind. Dies ist von der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in solchen Fällen mehrheitlich abgelehnt worden, in denen die obsiegende Partei gemäß § 78 ZPO einen vor einem Gericht der neuen Bundesländer postulationsfähigen Rechtsanwalt zu beauftragen hatte. Dies galt auch dann, wenn sich die in den alten Bundesländern ansässige Partei durch eine überörtliche Sozietät vertreten ließ und der die Sache hauptsächlich bearbeitende Rechtsanwalt ebenfalls in den alten Bundesländern ansässig war (vgl. zuletzt OLG Jena, NJW 2001, 685 mit ablehnender Besprechung von Nolting, NJW 2001, 660 mit weiteren Nachweisen auch aus der Rechtsprechung zur Gegenauffassung; ebenso zuvor Brandenburgisches Oberlandesgericht, 8. Zivilsenat, OLGR 1997, 267; OLG Nürnberg. OLGR 1998, 382). Zur Begründung wurde vor allem darauf verwiesen, dass die Partei bereits aus prozessualen Gründen gehalten sei, die Prozessvollmacht einem in den neuen Bundesländern postulationsfähigen Rechtsanwalt zu erteilen, für den aber die Gebührenermäßigung Anwendung finde.

Diese Begründung trägt nach der Änderung des § 78 ZPO zum 1.1.2000 nicht mehr. Nach § 78 Abs. 1 ZPO n.F. kann die Partei nunmehr jeden bei einem Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen. Mandatiert eine Partei aus den alten Bundesländern für einen vor einem Gericht der neuen Länder gerührten Prozess einen in den alten Bundesländern ansässigen Rechtsanwalt, greift im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant die Gebührenermäßigung nach der genannten Maßgabe des Einigungsvertrages nicht. Der Anwalt kann von seinem Mandanten die vollen gesetzlichen Gebühren beanspruchen. Ob der Annahme des OLG Jena (aaO) zu folgen ist, dass eine Hinweispflicht des Anwaltes auf die niedrigeren Gebührenansprüche eines in den neuen Ländern ansässigen Rechtsanwaltes bestehe und dieser bei Verstoß gegen diese Pflicht zum Schadensersatz in Höhe des Differenzbetrages zwischen den Gebührensätzen verpflichtet sei, bedarf hier keiner Entscheidung.

Der Senat folgt jedoch, wenn auch mit anderer Begründung im Ergebnis weiterhin der bisher überwiegenden Rechtsprechung. § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 ZPO ist - über die dort geregelte Frage der Reisekosten und Zeitversäumnis hinaus - der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass die Partei bei der Wahl eines auswärtigen Rechtsanwaltes die Kosten niedrig zu halten hat. Hierzu zählt aber auch die Obliegenheit, eine am Ort des Prozessgerichtes bestehende Gebührenermäßigung auszuschöpfen. Dem steht auch § 91 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz ZPO nicht entgegen, der die Erstattungsfähigkeit der gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes anordnet. Für die Zeit des Fortbestandes der - rechtspolitisch durchaus fragwürdigen - Gebührenermäßigung in den neuen Bundesländern existieren zwei unterschiedliche Regelungen der gesetzlichen Gebühren eines Rechtsanwaltes. In den neuen Bundesländern ist hierbei auch nach Änderung des § 78 ZPO als Regelfall weiterhin die auf 90 % ermäßigte Gebühr anzusehen. Dass eine andere als diese Regelgebühr erstattungsfähig sein soll, ist § 91 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz ZPO nicht zu entnehmen. Auch der Sinn und Zweck der Gebührenermäßigung der genannten Maßgabe des Einigungsvertrages würde durch die Möglichkeit einer Erstattung der vollen Gebühr im Rahmen des § 104 Abs. 1 ZPO in Frage gestellt. Es würde dem Anliegen des Einigungsvertrages widersprechen, wenn die durch die Regelung begünstigte, typischerweise weniger einkommensstarke Partei mit Lebensmittelpunkt in den neuen Ländern bei einem dort geführten Rechtsstreit zwar an ihren eigenen Rechtsanwalt nur 90 % der Gebühren nach der BRAGO zu zahlen, im Falle des Unterliegens dem Gegner für dessen Anwalt jedoch 100 % dieser Gebühren zu erstatten hätte. Eine volle Erstattungsfähigkeit der Gebühren würde schließlich bei überörtlichen Sozietäten mit (mindestens) einem in den alten Bundesländern zugelassenen Rechtsanwalt die Umgehungsmöglichkeit eröffnen, das Mandat auch bei einem in den neuen Ländern geführten Prozess diesem Rechtsanwalt zu erteilen, um den Ansatz der vollen Gebühr zu rechtfertigen.

Durch die Beschränkung der Erstattungsfähigkeiten der Kosten eines auswärtigen Anwaltes wird auch die freie Anwaltswahl nicht unzulässig beschränkt. Diese bleibt weiterhin gewährleistet, auch wenn die durch die Einschaltung eines auswärtigen Anwaltes entstehenden Mehrkosten nicht erstattungsfähig sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 22 Abs. 3 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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