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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.05.2009
Aktenzeichen: 5 W 23/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 91 a Abs. 2
ZPO § 286
ZPO § 567 Abs. 1 Ziff. 1
ZPO § 567 Abs. 3
ZPO § 569 Abs. 1 S. 1
ZPO § 569 Abs. 2
BGB § 123
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten und die Anschlussbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 10. März 2008 - 2 O 213/06 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von bis zu 15.000,-€ tragen die Kläger zu je 12,5 %, im Übrigen tragen die Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu 75 %.

Gründe:

I.

Die Kläger schlossen am 15. Juni 2006 mit den Beklagten einen Kaufvertrag, mit dem die Beklagten den Klägern ein in einem Gewerbegebiet liegendes Grundstück verkauften. Mit der Begründung, die Beklagten hätten ihnen, den Klägern, bei Vertragsabschluss arglistig verschwiegen dass das Grundstück in einem Gewerbegebiet liege und das daraufstehende Haus deswegen auch gewerblich genutzt werden müsse, fochten die Kläger den Kaufvertrag wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels an und begehrten mit ihrer Klage, die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Grundstückskaufvertrag für unzulässig zu erklären. Die Beklagten haben eingewandt, die Kläger hätten bei Vertragsabschluss von dem Umstand gewusst, zudem könne das Haus nunmehr auch zu reinen Wohnzwecken genutzt werden.

Nachdem die Beklagten mit außergerichtlichem Schriftsatz vom 28. November 2007 gegenüber den Klägern den Rücktritt vom Vertrag wegen Nichterfüllung der Kaufpreisschuld erklärt und ihnen die erteilte zweite Ausfertigung der notariellen Vertragsurkunde herausgegeben hatten, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das Gericht hat daraufhin die Kosten gemäß § 91 a ZPO den Beklagten zu 75 % und den Klägern im Übrigen auferlegt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, nach dem bisherigen Sach- und Streitstand sei eine sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits nicht möglich, jedoch sprächen gewichtige Gründe, insbesondere das Ergebnis der Beweisaufnahme dafür, dass die Kläger den Rechtsstreit gewonnen hätten.

Die Umstände sprächen dafür, dass die Beklagten, nicht aber die Kläger, bei Abschluss des Kaufvertrages gewusst hätten, dass das Grundstück nicht ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe, so dass sie die Kläger hierüber hätten informieren müssen. Das Unterlassen dieser Information sei als arglistiges Verschweigen von wesentlichen Umständen gemäß § 123 BGB anzusehen. Dass der mit der Vermittlung des Verkaufs beauftragte Makler Sch. die Kläger über den Umstand aufgeklärt habe, stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest. Der Zeuge will zwar die Kläger darüber informiert haben, dass dort ein Gewerbe angemeldet werden müsse. Dem stünden jedoch die Aussagen der Zeugen Sc. und U. gegenüber, wonach sich die Klägerin zu 1) bei einem Gespräch eine Woche nach Beurkundung des Kaufvertrages sehr überrascht gezeigt habe, dass eine gewerbliche Nutzung des Gründstücks vorgeschrieben sei. Den glaubhaften Aussagen dieser Zeugen nach hätten sich die Kläger in einem Irrtum befunden, denn anderenfalls wäre die Klägerin sich nicht so überrascht gewesen. Demgegenüber sei die eidliche Aussage des Zeugen Sch. mit besonderer Vorsicht zu würdigen, da ihm als Makler ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nicht abgesprochen werden könne. Gehe man daher davon aus, dass die Klägerin zu 1) bei Abschluss des Vertrages von der Nutzungsbeschränkung nichts gewusst habe, könne des weiteren angenommen werden, dass dies auch bei ihrem Ehemann, dem Kläger zu 2) der Fall gewesen sei. Es spreche auch einiges dafür, dass die Beklagten arglistig gehandelt hätten. Nach ihrem eigenen Vortrag habe der Beklagte zu 3) bei der Gemeinde K. vorgesprochen habe, um zu klären, ob das Grundstück auch nach Ablauf von fünf Jahren noch den Beschränkungen unterliege. Aus diesem Grund hätten weitere Erhebungen dazu durchgeführt werden müssen, von wem und welche Auskunft der Beklagte zu 3) bei dieser Rücksprache erhalten habe und ob die Beklagten eine entsprechende Auskunft aufgrund deren Inhalts und aufgrund der Stellung der Auskunftsperson innerhalb der Gemeinde K. für verbindlich hätten halten dürfen. Insoweit sei das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht prognostizierbar. Angesichts des Schreibens des Bürgermeisters der Gemeinde K. an die Kläger vom 8. Februar 2007 sei eine entsprechende Aussage des Bürgermeisters mit dem behaupteten Inhalt jedoch eher unwahrscheinlich. Hinzu komme der Umstand, dass die Gemeinde K. bei rechtmäßigem Handeln eine solche Erklärung nicht hätte abgeben dürfen. Sie habe zwar auf ihre Rechte aus dem Kaufvertrag mit dem Beklagten verzichten können, nicht jedoch eine von den zwingenden Vorschriften des Bauplanungsrechts abweichende Nutzung dauerhaft dulden dürfen.

Gegen die Kostenentscheidung wenden sich die Beklagten mit ihrer Beschwerde und die Kläger mit ihrer Anschlussbeschwerde.

Beide Parteien meinen, die Kosten des Rechtsstreits hätten insgesamt dem Gegner auferlegt werden müssen.

Die Beklagten rügen eine fehlerhafte Beweiswürdigung. Die Aussage des Zeugen Sch. als Makler sei glaubhaft, weil er auf seine Aussage hin vereidigt worden sei. Im Übrigen fehle es an einem Vorsatz. Nachdem er, der Beklagte zu 3) bereits 2003 sein Gewerbe abgemeldet gehabt habe und auch seine 5-jährige Bindungsfrist abgelaufen gewesen sei, habe nach seinem Verständnis die Gemeinde keinerlei Möglichkeit mehr gehabt, gegen die ausschließliche Wohnnutzung vorzugehen. Dies müsse umso mehr gelten, als das Gewerbegebiet im Wesentlichen mit Eigenheimen bebaut sei, deren Eigentümer Gewerbe angemeldet hätten. Schließlich sei Im Oktober/November 2006 die Löschungsbewilligung für die grundbuchliche Sicherung der Rechte der Gemeinde aus der Gewerbebindung erteilt worden. Letztlich hätten die Kläger den Vertrag nur deswegen rückgängig machen wollen, weil sie den Kaufpreis nicht hätten aufbringen können.

Die Kläger meinen, die Beschwerde der Beklagten sei unzulässig, da sie nicht beim Landgericht Cottbus eingelegt worden sei. Es könne sich im übrigen nicht zu ihren, der Kläger, Lasten auswirken, dass das Landgericht von einer Vernehmung des Bürgermeisters der Gemeinde K. abgesehen und auch den Zeugen H. nicht gehört hat Aus dem Schreiben der Gemeinde K. vom 8. Februar 2007 ergebe sich eindeutig, dass eine Rückfrage bei allen in Frage kommenden Mitarbeitern ergeben habe, dass der von den Beklagten behauptete Inhalt des Gesprächs mit dem Gemeindevertreter nicht bestätigt werden könne.

II.

Die gemäß §§ 91 a Abs. 2, 567 Abs. 1 Ziff. 1, 569 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO statthafte und zulässige Beschwerde, die auch bei dem Landgericht eingelegt werden konnte, sowie die nach § 567 Abs. 3 ZPO zulässige Anschlussbeschwerde haben in der Sache keinen Erfolg. Die nach § 91 a ZPO vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung ist nicht zu beanstanden.

Das von den Klägern gekaufte Grundstück war im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem (verdecktem) Mangel behaftet, da das Haus nicht so, wie von den Klägern beabsichtigt und den Beklagten bekannt als reines Wohnhaus genutzt werden konnte. Wurde dies den Klägern bei Abschluss des Vertrages nicht offenbart, liegt eine Täuschung im Sinne von § 123 BGB vor, da hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht bestand. Die Kläger konnten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung hierüber eine Aufklärung erwarten (BGH NJW 1989, 763; NJW-RR 1991, 439), denn die Bauart der Häuser in der Umgebung ließ nicht erkennen, dass das von den Klägern gekaufte Haus in einem Gewerbegebiet liegt und die Nutzungsbeschränkung des Wohnhauses ist ein wesentliches Merkmal der Kaufsache. Da es sich um einen Umstand handelt, der für die Wissensbildung der Kläger offensichtlich und von ausschlaggebender Bedeutung war, hätte er den Klägern auch ungefragt offenbart werden müssen. Denn der Verkäufer darf wesentliche Merkmale der Kaufsache nicht verschweigen (BGH NJW 1990, 975).

Die Feststellung des Landgerichts, wonach eine entsprechende Aufklärung der Kläger bei Vertragsabschluß aufgrund der Aussage des Zeugen Sch. nicht festgestellt werden kann, ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich bei dieser Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und der Senat sieht keinen Anlass, von dem Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen.

Nach § 286 ZPO hat der Richter nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rz. 13). Das Gericht hat die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Zöller/Greger, a. a. O., Rn. 21; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rz. 3, 5).

Das Landgericht hat ausführlich dargelegt, warum es den Bekundungen der Zeugen Sc. und U. nicht aber denen des Zeugen Sch. zu folgen vermag. Dabei ist die Beweiswürdigung des Landgerichts widerspruchsfrei und auch plausibel, auch soweit es der Tatsache, dass der Zeuge Sch. auf seine Aussage vereidigt worden ist, kein höheres Gewicht beimisst. Die Beweiswürdigung verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Das Landgericht würdigt die Aussagen sämtlicher Zeugen sehr ausführlich in ihrer Gesamtheit. Die Darlegungen des Gerichts setzen sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch vor dem Hintergrund des unstreitigen Sachverhalts umfassend und widerspruchsfrei auseinander und legen ohne Verstoß gegen die Erfahrungssätze nachvollziehbar dar, weshalb es von der Richtigkeit der Behauptung der Kläger überzeugt ist.

Ist danach davon auszugehen, dass die Kläger über den Umstand, dass das gekaufte Grundstück auch gewerblich genutzt werden muss, nicht informiert wurden, wären weitere Erhebungen zur Arglist der Beklagten notwendig gewesen. Diese mussten jedoch unterbleiben, nachdem die Parteien den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten. Es ist dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn dass Landgericht auf dieser Basis auch unter Berücksichtigung des Inhalts des Schreibens des Bürgermeisters der Gemeinde K. vom 8. Februar 2007 die beweisbelasteten Kläger mit 25 % an den Kosten beteiligt, da ein gewisses Risiko hierdurch nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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