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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.12.2007
Aktenzeichen: 6 U 109/06
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 511
ZPO § 513
ZPO § 517
ZPO § 519
InsO § 174
InsO § 174 Abs. 1
InsO § 174 Abs. 2
InsO § 179 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 109/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 04.12.2007

Verkündet am 04.12.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard und den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 21. 9.2006 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Neuruppin - 6 O 25/03 - teilweise abgeändert.

Die Klage wird vollständig abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abzuweisen, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Es wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteiles Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht Neuruppin hat mit dem am 21.9.2006 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben und zwar soweit Forderungsanmeldungen zur Tabelle für Debitorabrechnungen betroffen sind für den Zeitraum März 2002 bis Juli 2002. Es hat Forderungen zur Tabelle im Gesamtbetrag von 1.121.614,40 € festgestellt.

Im Übrigen hat das Landgericht, soweit Forderungsanmeldungen für Debitorabrechnungen von weiteren gesamt 914.000,00 € erfolgten, die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Ebenfalls abgewiesen wegen Unzulässigkeit hat das Landgericht die Klage für Forderungsanmeldungen betreffend Debitorabrechnungen "Zinsen" für den Zeitraum Januar 2002 bis März 2002 von gesamt 23.219,80 €.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage sei teilweise unzulässig. Hinsichtlich der Feststellung von Forderungen über 914.000,00 € und 23.219,80 € habe keine wirksame Anmeldung zur Tabelle vorgelegen (§ 174 InsO).

Die Klägerin müsse eine erneute Anmeldung zur Eintragung in die Insolvenztabelle insoweit vornehmen.

Im Übrigen sei die Klage zulässig und begründet. Eine wirksame Anmeldung hinsichtlich der Forderungen für den Zeitraum März 2002 bis Juli 2002 habe vorgelegen, da die angemeldeten Forderungen dem Grunde und der Höhe nach überprüfbar gewesen seien. Zwar handele es sich bei den mit der Klage eingereichten Debitorabrechnungen, auf welche sich die Klägerin berufe, um bloße Rechnungsübersichten. Die in diesen Abrechnungen aufgeführten Einzelrechnungen hätten jedoch der Schuldnerin im Einzelnen vorgelegen. Der Beklagte hätte anhand dieser Rechnungen die Berechtigung der Debitorabrechnungen ohne weiteres prüfen können.

Die Schuldnerin sei auch zur Zahlung der geforderten Kaufpreise an die Klägerin aus Gründen eines Schuldbeitrittes (§ 414 BGB) verpflichtet. Die Schuldnerin als eine sogenannte Regionalgesellschaft habe die Verpflichtung übernommen, aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und der M... AG die Verbindlichkeiten der ihr zugeordneten Standortgesellschaften zu tilgen. Dass eine solche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der M... AG erfolgt sei, zeige die Korrespondenz der Unternehmen (Anlagen K 40 bis 42). Rechtlich unerheblich sei, ob diese Vereinbarung mit Wissen und Wollen der Schuldnerin erfolgt sei. Jedenfalls habe die Schuldnerin diese auch in ihrem Namen erfolgte Vereinbarung dadurch genehmigt, dass sie von Dezember 2001 bis März 2002 Zahlungen auf Debitorabrechnungen geleistet habe, wobei die einzelnen Kaufpreisansprüche begründenden Warenbestellungen von ihren Standortgesellschaften ausgelöst worden seien.

Gegen dieses ihm am 19.10.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 8.11.2006 bei Gericht eingegangene Berufung des Beklagten, welche er mit dem innerhalb verlängerter Frist am 17.1.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 19.10.2006 zugestellte Urteil die am 15.11.2006 bei Gericht eingegangene Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist mit dem am 19.1.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte begehrt weiterhin die Klageabweisung insgesamt.

Er vertritt die Ansicht, die Forderungen der Klägerin seien insgesamt nicht ordnungsgemäß zur Tabelle angemeldet worden. Auch bei sogenannten Sammelanmeldungen - nur eine solche liege hier vor - müsse jede einzelne Forderung nach Grund und Betrag bezeichnet werden. Entsprechend einem zulässigen Klageantrag müsse die Forderung bei der Tabellenanmeldung zweifelsfrei konkretisiert und individualisiert werden. Ferner seien bei Anmeldungen Ablichtungen der Urkunden vorzulegen, aus denen sich die Forderung ergebe. Soweit diese Erfordernisse nicht beachtet würden, sei die Forderungsanmeldung unwirksam. Der Mangel könne nur durch eine Neuanmeldung behoben werden. Selbst wenn man von der Möglichkeit der Heilung einer fehlerhaften Anmeldung ausgehen wolle, sei eine solche im Rechtsstreit nicht erfolgt. Die Klägerin habe nämlich mit ihrer Klage lediglich die Debitorabrechungen (Anlage K 8 bis K 32) vorgelegt, die jedoch den jeweiligen Forderungsgrund nicht erkennen ließen. Die Debitorabrechnungen seien auch nicht aus sich heraus verständlich und prüfbar. Zudem stimmten die Abrechnungen der Klägerin nicht mit der Buchhaltung der Schuldnerin überein. Die Kurzbezeichnungen in den Debitorabrechnungen der Klägerin ermöglichten auch keine Überprüfung mit den der Schuldnerin vorliegenden Unterlagen.

Das Problem liege darin, dass - unstreitig - die Klägerin selbst an die Schuldnerin bzw. deren Standortgesellschaften keine Lieferungen vorgenommen habe. Der Leistungsaustausch sei - unstreitig - allein erfolgt zwischen den Lieferanten der Klägerin und den Standortgesellschaften der Schuldnerin. Es seien seitens der Klägerin die diesen Abrechnungen zuzuordnenden Einzelrechnungen und die jeweiligen Lieferscheine vorzulegen, damit er, der Beklagte, in die Lage versetzt werde, die Einzelforderungen der Klägerin auf ihre Berechtigung hin zu prüfen. Aus seinen Unterlagen ergebe sich, dass abgesehen von einer Rechnung über 7.770,59 € die Schuldnerin selbst keinerlei Bestellungen bei der Klägerin bzw. deren Vertragslieferanten ausgelöst habe.

Bereits mit Schreiben vom 2.9.2002 habe er der Klägerin mitgeteilt, dass die Unterlagen der Schuldnerin nicht mit den von der Klägerin eingereichten Unterlagen übereinstimmten und bereits aus diesem Grunde er die angemeldete Forderung bestreite. Die Klägerin habe auf dieses Schreiben außergerichtlich nicht geantwortet.

Ebenso wenig sei die Klägerin bereit gewesen, während des in erster Instanz angeordneten Ruhen des Verfahrens, das bei ihm befindliche Rechenwerk (eine Vielzahl von Leitzordnern) zu prüfen und Liefervorgänge eventuell zu konkretisieren.

Soweit die Klägerin nunmehr in der Berufung erstmals vortrage, die zur Tabelle angemeldete Forderung sei eine Saldoforderung aus einem Kontokorrentverhältnis, fehle es an einer entsprechenden Anmeldung zur Tabelle. Soweit die Klägerin sich auf eine Saldoforderung aus Kontokorrent berufen wolle, handele es sich um einen anderen prozessualen Anspruch, als demjenigen, der zur Tabelle angemeldet worden sei.

Zudem sei eine Kontokorrentabrede zwischen Klägerin und Schuldnerin nicht getroffen worden, noch liege ein Saldoanerkenntnis seitens der Schuldnerin vor.

Der Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteiles die Klage insgesamt abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin vertritt nach wie vor die Ansicht, es liege eine ordnungsgemäße Anmeldung der Forderung, soweit zugesprochen, zur Tabelle vor. Die Debitorabrechnungen seien aus sich heraus verständlich.

Hierzu behauptet die Klägerin, der Beklagte verfüge über sämtliche Einzelrechnungen zu diesen Debitorabrechnungen.

Weiter behauptet die Klägerin nunmehr in der Berufung, die Schuldnerin und die Klägerin hätten eine Saldoabrede dergestalt getroffen, dass zweimal periodisch in jedem Monat Abrechnungen zu erstellen gewesen seien (§ 4 der Liefer- und Zahlungsbedingungen). Dies stelle eine Kontokorrentabrede dar, die unter Kaufleuten auch stillschweigend getroffen werden könne. Einwendungen gegen den jeweiligen Rechnungsabschluss habe die Schuldnerin nicht erhoben.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Berufung eine Feststellung von Forderungen zur Tabelle insoweit, als die Schuldnerin Ansprüche aus Debitorabrechnungen für Januar 2002 (2. Monatshälfte) und Februar 2002 (1. und 2. Monatshälfte) nicht bezahlt habe bzw. die erstellten Wechsel über gesamt 914.000,00 € bei Fälligkeit nicht eingelöst worden seien. Ferner begehrt sie die Feststellung von Zinsforderungen zur Tabelle, die sich aus nicht beglichenen Debitorabrechnungen (Berechnung Anl. K 37) ergeben sollen.

Die Klägerin meint, das Landgericht hätte aus prozessualen Gründen nicht sozusagen gleichrangig ein Prozess- und Sachurteil über denselben Sachverhalt aussprechen dürfen. Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle könne nur insgesamt wirksam oder unwirksam sein. Auch soweit das Landgericht die Klage abgewiesen habe, liege eine ordnungsgemäße Anmeldung vor. In der Anmeldung zur Tabelle (§ 174 InsO) seien der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben. Diese Voraussetzungen erfülle die Anmeldung. Der Betrag von 914.000 € stelle restliche Kaufpreisforderungen aus den Debitorabrechnungen Januar und Februar 2002 dar. Die Hauptforderung sei mit dem Betrage von 2.038.311,05 € und dem Forderungsgrund "Warenlieferung" angegeben worden.

Zudem komme alternativ eine zulässige Anmeldung zur Tabelle als Wechselforderung in Betracht. Die Anmeldung zur Tabelle vom 7.8.2002 (Anlage K 5) umfasse den Betrag von 914.000,00 € mit der Bezeichnung "Wechselrückruf".

Die Klage sei auch insoweit begründet. Die erforderlichen Einzeldarlegungen und Unterlagen zur Beurteilung der Forderungsinhaberschaft der Klägerin aus restlichen Kaufpreisforderungen der Abrechnungsperioden Januar und Februar 2002 ergäben sich nunmehr aus der Klageschrift. Die Schuldnerin habe als Anlagen zur Klageschrift (Anlage K 8 bis 10) auch die entsprechenden Debitorabrechnungen erhalten. Rechtlich fehlerhaft habe das Landgericht die Forderungen der Klägerin aus Warenlieferungen zu solchen aus Wechselforderungen als alternativ und sich gegenseitig ausschließend behandelt. Richtigerweise bestehe zwischen beiden Ansprüchen Konkurrenz mit einem prozessual einheitlichen Streitgegenstand. Die Wechsel seien erfüllungshalber begeben worden. Dadurch sei für die Kaufpreisforderungen Stundung eingetreten. Die Stundung habe geendet mit Nichteinlösung der Wechsel. Das Landgericht wäre auch nicht gehindert gewesen, der Klägerin die begehrte Forderungsfeststellung allein wegen nicht eingelöster Wechsel zuzuerkennen.

Die Klage sei auch begründet betreffend den angemeldeten Zinsanspruch für die nicht bezahlten Debitorabrechnungen, jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Klagezustellung.

Die Klägerin hat, soweit ihre Klageforderung abgewiesen worden ist, zwischenzeitlich eine Nachanmeldung zur Insolvenztabelle vorgenommen.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils für den Ausfall bei abgesonderter Befriedigung festzustellen, dass der Klägerin aus Warenlieferungen und dafür begründeten Wechselforderungen gegenüber der M... Service B... GmbH, O..., AG Neuruppin -15 IN 246-02 -, weitere Forderungen zustehen:

- Debitorabrechnung für Januar 2002 (2. Monatshälfte) und dafür begebenen Wechsels: 464.000,00 €

- Debitorabrechnung für Februar 2002 (1. Monatshälfte) und dafür begebenen Wechsels: 190.000,00 €

- Debitorabrechnung für Februar 2002 (2. Monatshälfte) und dafür begebenen Wechsels: 260.000,00 €

- Zinsen wie folgt:

a) Debitorabrechnung für Januar 2002 (2. Monatshälfte): 9.907,87 € (Zeitraum vom 7. April 2002 bis zum 30. Juni 2002),

b) Debitorabrechnung für Februar 2002 (1. Monatshälfte): 4.197,01 € (Zeitraum vom 7. April 2002 bis zum 30. Juni 2002),

c) Debitorabrechnung für Februar 2002 (2. Monatshälfte): 5.655,20 € (Zeitraum vom 7. April 2002 bis zum 30. Juni 2002) und

c) Debitorabrechnung für März 2002 (1. Monatshälfte): 3.459,72 € (Zeitraum vom 5. April 2002 bis zum 14. Juni 2002).

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte vertritt weiterhin die Ansicht, die Ansprüche aus Kaufpreis- und Wechselforderung seien prozessual verschieden. Der Übergang im Rechtsstreit von einem Anspruch zum anderen stelle eine Klageänderung dar. Maßgeblich für den Feststellungsprozess und dessen Zulässigkeit sei jedoch der in der Forderungsanmeldung genannte Grund. Dieser könne nicht später ausgetauscht werden. Im Übrigen sei die gesamte Anmeldung zur Tabelle fehlerhaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Parteien sind zulässig, §§ 511, 513, 517, 519 ZPO.

Während die Berufung des Beklagten Erfolg hat, ist das Rechtsmittel der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

I. Berufung des Beklagten

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg, da die Klage insgesamt unzulässig ist.

Es fehlt in Gänze an einer wirksamen Anmeldung der Forderungen zur Tabelle (§ 174 InsO).

1.

Die hier vorliegende Feststellungsklage nach § 179 Abs. 1 InsO ist grundsätzlich dann zulässig, wenn eine Forderung festgestellt werden soll, die ordnungsgemäß angemeldet und vom Insolvenzverwalter bestritten worden ist. Das Bestreiten ist eine Prozessvoraussetzung, deren Fehlen die Klage unzulässig macht. Der Grund hierfür liegt darin, dass das Feststellungsurteil gegenüber allen Insolvenzgläubigern wirkt (§ 201 Abs. 2 InsO). Diese müssen ebenso wie der Verwalter zunächst selbst Gelegenheit haben, die angemeldete Forderung zu prüfen und gegebenenfalls zu bestreiten (BGH, NZI 2002, 37).

Für die Prüfung der Forderung ist derjenige Sachverhalt maßgeblich, wie er in der Anmeldung vom Gläubiger angegeben wird. Dieser Sachverhalt bestimmt, soweit die Forderung als anerkannt in der Tabelle eingetragen wird, den Umfang der Rechtskraft der Eintragung gegenüber den Gläubigern und, soweit die Forderung bestritten wird, den Umfang der Rechtskraft des im Feststellungsprozess ergehenden Urteils. Deshalb muss der Anspruchsgrund bei der Anmeldung zur Tabelle angegeben werden.

Soweit der Anspruchsgrund nach der insolvenzrechtlichen Prüfung geändert wird, bedarf es einer neuen Anmeldung zur Tabelle. Ohne eine erneute Anmeldung ist die auf einen anderen Anspruchsgrund gestützte Feststellungsklage unzulässig (BGH, a.a.O.).

a.

Die Anmeldung der Klägerin entspricht nicht den Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 und 2. InsO.

Eine ordnungsgemäße Anmeldung liegt dann vor, wenn die Art der Forderungen, ihr Entstehungszeitpunkt und deren Betrag mitgeteilt wird (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 174 Rn. 16). Die Angabe des Grundes bedeutet die Angabe derjenigen Tatsachen, aus denen die Forderung resultiert, also die Darstellung des konkreten Sachverhalts, aus dem sich die Berechtigung des Gläubigers ergibt. Die Angabe des Grundes ist unverzichtbar, weil es nicht nur dem Insolvenzverwalter, sondern im Rahmen des Prüfungsverfahrens auch sonstigen Verfahrensbeteiligten möglich sein muss zu prüfen, ob die angemeldete Forderung überhaupt besteht. Die Einreichung einer Rechnung ist allein nicht ausreichend, wenn sie nicht im Einzelnen die Umstände und den Grund für ihre Ausstellung erkennen lässt (Uhlenbruck, a.a.O., § 174 Rn. 17).

b.

Es fehlt an einer ordnungsgemäßen Anmeldung entsprechend den oben genannten Voraussetzungen, soweit das Landgericht Neuruppin mit dem angefochtenen Urteil der Feststellungsklage stattgegeben hat betreffend Debitorabrechnungen für März 2002 bis Juli 2002 im Betrag von 1.121.614,40 €.

Es ist aus der Anmeldung nicht ersichtlich, dass die Insolvenzschuldnerin die Schuldnerin der angemeldeten fälligen Rechnungen ist.

Die Anmeldung der Klägerin stellt eine Sammelanmeldung dar. Bei Vornahme einer Sammelanmeldung müssen die einzelnen Forderungen hinreichend spezifiziert werden (Hess, Großkommentar zur InsO, Aufl. 2007, § 174 Rn. 59).

Der Anmeldung der Klägerin war zu entnehmen, dass die Klägerin sozusagen als Zentralreguliererin halbmonatliche Abrechnungen der Anmeldung nach § 174 InsO unterziehen will. Dies ergibt eine Zusammenschau der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin (Anlage K 3) sowie des Mitgliedsvertrages (Anlage K 2), welche der Anmeldung der Tabelle vom 7.8.2002 beigefügt waren. Die Schuldnerin hatte sich im Mitgliedsvertrag (dort § 9, Anlage K 2) zur Anerkennung der Liefer- und Zahlungsbedingungen der Klägerin verpflichtet.

Die entsprechenden Forderungen hatte die Klägerin unter dem Stichwort "Warenlieferung" unter Nennung der Gesamthauptforderung von 2.038.811,05 € zur Tabelle angemeldet. Rechnungen, bezogen auf die angemeldeten Forderungen, waren nicht beigefügt. Auch die mit der Klageschrift eingereichten Debitorabrechnungen (Anlage K 8 ff.) waren der Anmeldung nicht beigefügt, wobei diese Debitorabrechnungen lediglich eine Zusammenstellung von Rechnungen in Kurzform sind. Der Grund der Forderung, also dass eine bestimmte Leistung seitens der Klägerin bzw. ihrer Vertragslieferanten wann an wen erbracht worden ist, lässt sich den Debitorabrechnungen nicht entnehmen.

Die angemeldeten Forderungen betreffen Lieferungen von Waren, welche die Lieferanten der Klägerin weit überwiegend an die der Schuldnerin zugeordneten Standortgesellschaften erbracht haben. Aus diesen Warenlieferungen erwachsen Kaufpreisansprüche, die nach dem -unstreitigen - Vortrag der Klägerin dieser von ihren Vertragslieferanten abgetreten worden sind.

Wann eine Kaufpreisforderung fällig wird, steht nicht von vornherein fest. Zwar tritt sie in der Regel mit Vertragsabschluss ein. Von Gesetzes wegen ist der Kaufpreis aber nur Zug um Zug gegen Übertragung des Kaufgegenstandes zu leisten (§§ 433 Abs. 1, 320 Abs. 1 BGB). Im Geschäftsverkehr wird meist jedoch eine spätere Fälligkeit vereinbart bzw. die Fälligkeit mit Erhalt der Rechnung bestimmt (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 433 Rn. 41). Der Anmeldung der Klägerin zur Tabelle lässt in Ermangelung der Vorlage der Rechnungen zur Fälligkeit der Forderungen nichts entnehmen.

c.

Auch im Rechtsstreit hat die Klägerin diesen Anmeldungsfehler nicht behoben, wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine Heilung überhaupt möglich ist. Die Klägerin hat bis heute die erforderlichen Rechnungen und Lieferscheine ihrer Vertragslieferanten nicht vorgelegt. Die von ihr mit der Klage eingereichten Debitorabrechnungen helfen nicht weiter. Diese stellen lediglich eine Zusammenfassung von Rechnungen dar, wobei der Rechnungsaussteller, das Rechnungsdatum und der Rechnungsbetrag ersichtlich ist, nicht jedoch, an wen wann Lieferungen erfolgt sind.

Soweit die Klägerin sich auf den Standpunkt stellt, entsprechender Vortrag sei weder bei der Anmeldung zur Tabelle noch im vorliegenden Rechtsstreit zu tätigen, da der Schuldnerin die einzelnen Debitorabrechnungen vorlägen, hilft dies nicht weiter. Die notwendige Forderungsprüfung in der oben bezeichneten Weise kann der Beklagte bzw. können die Insolvenzgläubiger allein anhand der Debitorabrechnungen nicht vornehmen.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2007 vorgetragen hat, die zu den Debitorabrechnungen gehörenden Einzelrechnungen lägen ihr nicht vor, diese existierten allenfalls noch bei ihren angeschlossenen Vertragslieferanten/Mitgliedsunternehmen, entsprechende Unterlagen müssten auch der Schuldnerin vorliegen, verhilft das der Berufung nicht zum Erfolg.

Die Klägerin kann sich ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Anmeldung bzw. substantiierten Darlegung der Klageforderung nicht dadurch entziehen, dass sie auf bei der Schuldnerin vorhandene, dem Gericht unbekannte Unterlagen Bezug nehmen will. Die Klägerin wäre gehalten gewesen, sich die entsprechenden Informationen und Unterlagen bei ihren Vertragslieferanten zu beschaffen. Diese Verpflichtung kann sie nicht auf den Beklagten abwälzen.

d.

Unerheblich für die Frage einer wirksamen Forderungsanmeldung ist, aus welchem Grund der Insolvenzverwalter die angemeldeten Forderungen zurückgewiesen hat. Der Insolvenzverwalter ist nicht berechtigt, Anmeldungen, die den formellen und materiellen Anforderungen nicht genügen, aus eben diesem Grunde zurückzuweisen, da ihm diesbezüglich keine Entscheidungskompetenz durch den Gesetzgeber übertragen worden ist (Hess, a.a.O., § 174 Rn. 102).

e.

Soweit die Klägerin nunmehr in der Berufung erstmals geltend machen will, sie habe zulässigerweise eine Kontokorrentforderung zur Tabelle angemeldet, ist dies aus rechtlichen Gründen nicht zutreffend.

Zwar ist davon auszugehen, dass, wenn Forderungen aus einem Kontokorrent angemeldet werden, lediglich der Saldo anzumelden ist, nicht jedoch die einzelnen Teilbeträge (Hess, a.a.O., § 174, Rn. 58).

An einer Kontokorrentvereinbarung zwischen Klägerin und Schuldnerin fehlt es aber. Unter Kontokorrent versteht man die Reduzierung einer Mehrzahl wechselseitiger Forderungen auf eine einzige Schuld.

Substantiierter Vortrag der Klägerin zur Begründung der Kontokorrentabrede fehlt. Aus den Liefer- und Zahlungsbedingungen der Klägerin ergibt sich hierzu nichts. Zwar heißt es in § 4 der Liefer- und Zahlungsbedingungen der Klägerin (Anlage K 3): "Unsere Kunden erhalten jeweils für die erste Monatshälfte und die zweite Monatshälfte ein Abrechnungskonto übersandt, in dem alle in diesen Zeitabschnitten verbuchten Rechnungen und Buchungsaufgaben aus Lager-, Strecken- und Zentralregulierungsgeschäften aufgeführt sind".

Allerdings heißt es in § 20 der Liefer- und Zahlungsbedingungen, der Kunde könne nur mit solchen Gegenforderungen aufrechnen, die von der Klägerin nicht bestritten oder rechtskräftig festgestellt worden seien.

Der stillschweigende Abschluss einer Kontokorrentvereinbarung - ein solcher ist unter Kaufleuten möglich - lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Die Klägerin und die Schuldnerin haben eine Saldierung nicht praktiziert. Aus den vorliegenden Debitorabrechnungen ergeben sich nur einseitige Forderungen der Klägerin sowie die Gewährung von Nachlässen (Skonti etc.), jedoch keine wechselseitigen Forderungen zwischen Klägerin und Schuldnerin.

2.

An einer wirksamen Forderungsanmeldung zur Tabelle fehlt es auch, soweit die Klage betreffend den Betrag von 914.000 € abgewiesen worden ist.

Es fehlt an der wirksamen Anmeldung einer Forderung aus Warenlieferung zur Tabelle, hinsichtlich einer Wechselforderung fehlt es überhaupt an einer Anmeldung.

Angemeldet ist eine Forderung aus Warenlieferung.

Der Betrag von 914.000 €, welcher Bestandteil der angemeldeten Hauptforderung von 2.038.811,05 € unter dem Stichwort Warenlieferung ist, stellt eine restliche Kaufpreisforderung der Klägerin aus den Monaten Januar und Februar 2002 dar. Der Betrag selbst ist ein Saldo. Die Schuldnerin hatte auf Forderungen aus Lieferungen Zahlungen per Scheck und Wechsel getätigt. Die hingegebenen Wechsel waren bei Fälligkeitszeitpunkt nicht eingelöst worden.

Es fehlt in der Anmeldung an der Angabe des Grundes und Betrages der Forderung (§ 174 InsO). Es ist ferner nicht ersichtlich, für welche restlichen Kaufpreisforderungen sich dieser Betrag ergibt.

Dass die Klägerin Forderungen aus Wechsel anmelden wollte, ist nicht anzunehmen.

In der von ihr aufgefüllten Tabelle (Anlage K 5 Bl. 2) wird als Rechtsgrund der Forderung einzig "Warenlieferung" genannt wird, obwohl die Klägerin in der vorletzten Zeile dieser Tabelle ohne weiteres einen Rechtsgrund hätte eintragen können, der in den vorgehenden Zeilen dieser Rubrik nicht zur Auswahl steht.

Nicht gefolgt werden kann der Klägerin in der Ansicht, die Anmeldung von Forderungen aus Warenlieferungen über 914.000 € umfasse auch diejenigen aus Wechselforderungen über 914.000 €. Der Übergang von einer Forderung auf die andere stellt einen Wechsel des Streitgegenstandes, also ein Klageänderung dar trotz gleichbleibenden Antrages. Der Klagegrund wird ausgetauscht (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 263 Rn 7).

Da es an der (wirksamen) Anmeldung einer Wechselforderung zur Insolvenztabelle fehlt, ist die Klage hinsichtlich der begehrten Feststellung von Wechselforderungen zur Tabelle unzulässig.

3.

An einer wirksamen Forderungsanmeldung zur Tabelle fehlt es auch hinsichtlich des geltend gemachten Zinsbetrages.

Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichtes Neuruppin in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Da es an einer wirksamen Forderungsanmeldung zur Tabelle im Gänze fehlt, ist die Feststellungsklage der Klägerin insgesamt unzulässig.

II. Berufung der Klägerin.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Soweit die Klägerin geltend macht, das Landgericht habe aus prozessualen Gründen nicht gleichzeitig ein Prozess- und Sachurteil über ein und dieselbe Anmeldung zur Insolvenztabelle aussprechen dürfen, kann dem nicht gefolgt werden. Die angemeldeten Forderungen können getrennt auf ihre wirksame Anmeldung hin geprüft werden. Es handelt sich nämlich um teilbare, rechtlich selbständige Forderungen (siehe hierzu BGH, NZI 2002, 37).

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg, da es an einer wirksamen Forderungsanmeldung insgesamt fehlt, wie vorstehend ausgeführt worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, da die Fragen ordnungsgemäßer Anmeldung zur Insolvenztabelle zwecks Fortbildung des Rechts einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes bedürfen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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