Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: 6 U 116/03
Rechtsgebiete: VOL/A, VOL/B, SAbfEV, BGB, 6. Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform


Vorschriften:

VOL/A § 17 Nr. 1
VOL/B § 5 Nr. 6
VOL/B § 2
VOL/B § 2 Nr. 4
SAbfEV § 5 Abs. 2 Satz 3
BGB § 164
BGB § 254
BGB a.F. § 249 Satz 1
BGB a.F. § 252
6. Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform § 31 Abs. 1
6. Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform § 45 Abs. 1
6. Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform § 45 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

6 U 116/03

verkündet am 20.4.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts

durch

... ... ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3.7.2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - 2 O 90/00 - , berichtigt durch Beschluß vom 2.10.2003, wird zurückgewiesen. Die in der Berufungsinstanz neu erhobene Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine Anlage zur Behandlung von kontaminierten Böden. Sie nimmt die Beklagte wegen Mehraufwendungen in Anspruch, die dadurch entstanden sein sollen, daß im Verfahren der Vergabe des Auftrags für die Entsorgung von schadstoffverunreinigtem Material aus A. die Bleiverunreinigungen fehlerhaft zu gering angegeben worden seien.

Die Klägerin hat Klage zunächst gegen das Amt S. erhoben, in dessen Bezirk die Gemeinde A. lag, und der Gemeinde A. den Streit verkündet. Nach Auflösung des Amtes S. zum 31.12.2001 hat die Klägerin die Klage gegen die Gemeinde S. als Rechtsnachfolgerin des aufgelösten Amtes S. gerichtet. Die frühere Gemeinde A. gehört nunmehr zur Gemeinde S. Die Gemeinde S. wird im folgenden nur noch als Beklagte bezeichnet.

In der Gemeinde A. wurde das Gelände eines ehemaligen Glaswerkes saniert. Sanierungsbedingt fielen im Zeitraum 1993 bis 1995 Bauschutt- und Bodengemische mit schädlichen Verunreinigungen an. Diese Gemische wurden mit Kalk versetzt und zunächst in großen Säcken, sog. big bags, gelagert.

In Vorbereitung einer Entsorgung wurde bereits 1993 eine Analyse in Auftrag gegeben. Dabei wurden die sog. Eluat-Werte ermittelt. Eluat-Werte stellen die austragbaren Bestandteile eines Stoffes über den Pfad Wasser dar. Sie ermöglichen die Beurteilung, ob Schadstoffe ins Grundwasser ausgewaschen werden können. Die Eluat-Werte für Blei lagen ausweislich dieser Analyse zwischen 0,048 mg/l und 2,2 mg/l (Bl. 38-41 d. A.). Wer diese Analyse in Auftrag gegeben hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 26.6.1997 (Bl. 241 d. A.) bat der Landkreis O.-L. die Klägerin, ein Angebot zur Immobilisierung des Materials abzugeben. Die Immobilisierung hat das Ziel, lösungsfähige Schadstoffe zu binden. In diesem Schreiben heißt es, daß der Eluat-Wert für Blei 0,1 bis 6,5 mg/kg betrage. Die richtige Maßeinheit für Eluat-Werte ist mg/l, die Maßeinheit mg/kg wird für die Bemessung der Kontaminierung im Feststoff verwendet.

Die Klägerin führte daraufhin Laborversuche zur Immobilisierung durch, deren Ergebnisse sie der Abfallwirtschaftsbehörde mit Schreiben vom 21.7.1997 (Bl. 251 d. A.) mitteilte. Die Eluat-Werte für Blei nach Immobilisierung lagen zwischen 0,05 und 0,12 mg/l.

Im Jahr 1999 schrieb das Amt S. im Ausschreibungsblatt des Landes B. vom 6.4.1999 das Laden, den Transport und die Entsorgung des Materials aus A., insgesamt 13.100 t, gemäß § 17 Nr. 1 VOL/A im Wege öffentlicher Ausschreibung aus. Zu den Verunreinigungen heißt es im Ausschreibungstext "MKW, PAK, Phenole, Blei - Z 1.2 / Z 4 nach LAGA".

Die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) hat technische Regeln festgelegt, die dazu dienen, festzustellen, welches Verfahren der Entsorgung für kontaminierte Böden in Betracht kommt (Auszüge Bl. 69-83 d. A.). Der Grad der Kontaminierung wird durch Zuordnungswerte (Z) beschrieben. Sie beginnen bei Z 0 und gehen bis Z 5, aufsteigend mit der Intensität der Schadstoffbelastung. Ab dem Zuordnungswert 2 nach LAGA ist grundsätzlich der Einbau bzw. die Ablagerung von Abfällen in Deponien erforderlich.

Die Klägerin forderte die Ausschreibungsunterlagen (Bl. 43-68 d. A.) an. In Ziffer 15. "Maßnahmen- und Leistungsbeschreibung" heißt es, das Material entspreche aufgrund der ermittelten Schadstoffgehalte dem Zuordnungswert 4 nach LAGA. Der Bleiwert ist dort allerdings nicht angegeben. Zu den Ausschreibungsunterlagen gehörte ein Prüfbericht (Bl. 61-68 d. A.) über eine Bodenprobe. Darin war für Blei ein Eluat-Wert von 0,053 mg/l angegeben. Dieser Wert liegt zwischen den Zuordnungswerten 1.1 und 1.2 nach LAGA. Ein Feststoff-Wert für Blei war in den Verdingungsunterlagen nicht angegeben.

Nach Ziffer 3. der Bewerbungsbedingungen hat der Bieter den Auftraggeber auf Unklarheiten, die die Preisermittlung beeinflussen können, vor Angebotsabgabe hinzuweisen. In Ziffer 6. heißt es, daß der Bieter Art und Umfang der an Nachunternehmer zu übertragenden Leistungen anzugeben habe; bei einer Auftragserteilung nach § 5 Nr. 6 VOL/B sei er verpflichtet, die Leistung im eigenen Betrieb auszuführen. Er könne mit einer Zustimmung seitens des Auftraggebers zur Übertragung der Leistungen, auf die sein Betrieb eingerichtet sei, nicht rechnen.

Die Klägerin gab am 26.4.1999 ein Angebot ab (Bl. 84-92 d. A.). Darin heißt es, daß dem Angebot die besonderen Vertragsbedingungen zugrunde liegen und die VOL/B. Die Klägerin gab u. a. einen Entsorgungspreis von 46,00 DM netto pro Tonne an. Sie erklärte, daß sie die Arbeiten im eigenen Betrieb ausführen werde. Ihre Anlage hat einen Feststoff-Grenzwert für Blei von 12.000 mg/kg (Bl. 242 d. A.).

Die zuständige Sonderabfallgesellschaft B./B. (SBB) lehnte die Zuweisung der Abfälle an den von der Beklagten favorisierten Bieter ab. Sie erfragte vielmehr unter dem Datum vom 12.8.1999 (Bl. 97 d. A.) die Annahmebereitschaft der drittplazierten Klägerin unter Übersendung der Deklarationsanalyse der Beklagten (Bl. 101 d. A.). Darin ist wiederum für Blei ein Eluat-Wert von 0,053 mg/l angegeben. Weiter übersandte die SBB der Klägerin das Ergebnis der Untersuchung einer Bodenprobe, das ein Labor dem von der Beklagten favorisierten Bieter mitgeteilt hatte (Bl. 103 d. A.). Diese Analyse vom 9.8.1999 ergab für Blei einen Feststoff-Wert von 560 mg/kg. Dieser Wert liegt über dem Zuordnungswert 1.2 und unter dem Zuordnungswert 2 nach LAGA.

Die Klägerin erklärte sich unter dem 11.8.1999 zur Annahme des Materials aus A. bereit (Bl. 111-112 d. A.). Die SBB wies der Klägerin mit Bescheid vom 12.8.1999 (Bl. 113-116 d. A.) das Material zur Beseitigung zu. In diesem Bescheid heißt es:

I. 5.

Die Zuweisungsentscheidung ergeht entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 3 der SAbfEV abweichend zum Erzeugerwunsch.

...

Die Nebenbestimmung I 5 ergeht, da es sich nach uns vorliegenden Untersuchungen um ein sehr inhomogenes Material handelt, in dem offensichtlich PAK-Belastungen bis zu mehr als 1800 mg nachgewiesen wurden. Darüber hinaus weisen diese Untersuchungen auch Überschreitungen der Z2 Werte für den Phenolindex und Blei aus dem Eluat auf. Aufgrund dieser Informationen ist aus Sicht der SBB ... eine Zuweisung in eine mikrobiologische Behandlungsanlage nicht möglich.

...

... Auch ist sicher, daß Feststoffwerte für Blei, die nur durch eine offensichtlich nicht repräsentative Analyse belegt wurden, in der Anlage zu keinen Grenzwertüberschreitungen führen.

Die Parteien schlossen daraufhin unter dem 8.9.1999/13.9.1999 einen Vertrag (Bl. 124-126 d. A.) auf der Grundlage des Angebots der Klägerin vom 26.4.1999. Die Klägerin übersandte der Beklagten die von ihr unterzeichneten Vertragsexemplare mit Schreiben vom 8.9.1999 (Bl. 121-122 d. A.) zur Unterzeichnung und nahm dabei auf den Zuweisungsbescheid der SBB vom 12.8.1999 Bezug. In diesem Schreiben heißt es, die Klägerin werde Eingangsanalysen von dem zu entsorgenden Material ziehen. Bei Abweichungen von der deklarierten Analytik werde die Behandlung des kontaminierten Materials bis zur einvernehmlichen Klärung ausgesetzt. Kostenbezogene Belastungen entstünden durch die vorzunehmenden Beprobungen nicht, da diese mit dem Angebot abgegolten seien. Dies gelte jedoch nicht für Deklarationsüberschreitungen. Die anfallenden Aufwendungen seien durch den Erzeuger zu tragen. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 11.9.1999 (Bl. 123 d. A.), das Schreiben der Klägerin vom 8.9.1999 sei Anlage zum Vertrag.

Vom 14.9.1999 bis zum 28.9.1999 führte die Klägerin Beprobungen durch. Die Beklagte bestreitet, daß diese Beprobungen an dem zu entsorgenden Material erfolgt seien. Streitig ist auch, ob die Beprobungen von den Parteien gemeinsam vorgenommen worden sind.

Die auf Veranlassung der Klägerin gemessenen Bleibelastungen betrugen im Feststoff zwischen 990 mg/kg und 3.843 mg/kg, damit wenigstens knapp unter dem Zuordnungswert 2 nach LAGA, der 1.000 mg/kg beträgt; sie lagen im Eluat zwischen 0,076 und 0,41 mg/l, damit oberhalb des Z 1.1-Wertes nach LAGA bis über Z 2 nach LAGA. Weitere analytische Untersuchungen vom 4.10.1999 ergaben Blei-Werte bis 8.928 mg/kg in der Trockensubstanz.

Die Klägerin informierte die Beklagte darüber, daß die Belastung mit Blei den ursprünglich angegebenen Wert von 560 mg/kg wesentlich überschreite und kündigte Nachforderungen an.

Die Klägerin stellte der Beklagten zunächst unter dem 1.10.1999 die Vergütung nach dem geschlossenen Vertrag in Höhe von insgesamt 904.542,10 DM in Rechnung (Bl. 165-166 d. A.) und forderte mit Schreiben vom 11.10.1999 (Bl. 167 d. A.) weitere 51 DM/t Zulage in Form eines Nachtragsangebotes. Die Beklagte lehnte dieses Nachtragsangebot mit Schreiben vom 25.10.1999 (Bl. 176-177 d. A.) ab.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe nicht gewußt, daß in A. ein Glaswerk betrieben worden sei. Wegen des von der Beklagten bewußt falsch angegebenen Eluat-Wertes habe sie auf eine Feststoffbelastung der Abfälle mit Blei im Bereich Z 1.1 bis Z 1.2 LAGA schließen können. Sie habe auch deshalb, weil im Rahmen der Ausschreibung zwei Betreiber von biologischen Anlagen auf den ersten beiden Plätzen gelegen hätten, davon ausgehen dürfen, daß eine biologische Entsorgung möglich sei.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den nach der Aufbereitung in ihrer Anlage anfallenden sog. Filterkuchen in der nahegelegenen Anlage der Rüdersdorfer Zement GmbH in Rüdersdorf entsorgen wollen, die einen Grenzwert von 500 mg/kg Blei gehabt habe (Bl. 336 d. A.). Sie habe den Filterkuchen aber wegen der erhöhten Bleiwerte in der Anlage der V. GmbH bzw. der I. GmbH in I. zu einem höheren Preis entsorgen müssen. Dabei seien auch höhere als die kalkulierten Transportkosten angefallen. Sie habe in der R.-Anlage entsorgen können, weil sie nach Durchführung eines speziellen Verfahrens den Bleigehalt des Ausgangsmaterials von 560 mg/kg auf 280 mg/kg im Filterkuchen reduziert hätte.

Die Klägerin hat weiter behauptet, sie habe die Behandlung des übernommenen Materials ab dem 27.10.1999 ausgesetzt, nachdem sie bereits 3.000 t entsorgt habe. Den Rest von 9.002,02 t habe sie nach dem Jahreswechsel bis zum 31.1.2000 entsorgt. Später hat sie behauptet, sie habe die Entsorgung bis in den Sommer 2000 hinein vorgenommen.

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte hafte ihr aufgrund Verschuldens bei Vertragsverhandlungen wegen der unterlassenen Information über die tatsächlich vorliegenden Bleigehalte auf Ersatz der höheren Entsorgungs- und Transportkosten. Diese Bleigehalte seien der Beklagten aus den bereits 1993 ermittelten Analysen bekannt gewesen. Es sei ihr aus abfallrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, der Beklagten die Abfälle zurückzugeben. Sie habe sie deshalb entsorgen müssen. Ersatz der Mehrkosten könne sie auch nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen.

Die Beklagte hafte auch auf Ersatz der Lagerkosten, die sie mit 15 DM/t/Monat als branchenübliche Kosten für die Zeit vom 27.10.1999 bis zum 14.1.2000 ansetze. Dies ergebe Lagerkosten in Höhe von 402.685,71 DM.

Die Klägerin hat in der Klageschrift behauptete Mehrkosten für die Aufarbeitung des Materials in Höhe von 568.545,75 DM sowie behauptete Lagerkosten für 9.000 t in Höhe von 402.685,71 DM geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 30.8.2000 hat sie die Klage einerseits um 100.763,10 DM wegen Reduzierung der Mehrkosten für die Entsorgung zurückgenommen und sie andererseits um 6.052,42 DM (1.450 DM für die Positionen 1 und 2 des Vertrages zwischen den Parteien sowie 4.602,42 DM für die Deklarationsanalytik wegen Überschreitung der Deklaration) erweitert.

Die Klägerin hat zuletzt wiederum den Antrag aus der Klageschrift gestellt und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 971.231,46 DM nebst 7 % Zinsen aus 904.542,10 DM seit 17.11.1999, aus 481.797,79 DM seit 21.12.1999, aus 905.297,79 DM seit 23.12.1999 und aus 1.112,725,21 DM seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, die Klägerin habe alle Umstände, die für ihre Kalkulationsgrundlage erheblich waren, gekannt bzw. kennen müssen. Es sei allgemein bekannt, daß bei der Glasproduktion in erheblichem Maße Blei verwendet werde. In der Ausschreibung sei auf Zuordnungswerte bis zu Z 4 hingewiesen worden. Im übrigen wären die Verdingungsunterlagen, wenn man sie so verstehe wie die Klägerin, hinsichtlich des Bleigehaltes widersprüchlich gewesen. Dann wäre sie verpflichtet gewesen, nachzufragen. Der Feststoffwert von 560 mg/kg stamme nicht von ihr, der Beklagten, sondern von der SBB.

Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe das zu entsorgende Material gekannt, weil sie es bereits im Jahre 1997 für ein Angebot zur Immobilisierung beprobt habe. Insbesondere habe sie aufgrund des Schreibens vom 26.6.1997 gewußt, daß die Eluat-Werte für Blei zwischen 0,1 und 6,5 mg/l gelegen hätten.

Die Beklagte meint weiter, der von der Klägerin behauptete Schaden wäre auch eingetreten, wenn ein Feststoffwert für Blei von 560 mg/kg zutreffend gewesen wäre, weil für eine Entsorgung in der Anlage in Rüdersdorf nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin der Maximalwert für Blei bei 500 mg/kg gelegen habe. Darüber hinaus habe die Klägerin davon ausgehen müssen, daß nach der durchzuführenden Bodenwäsche das Restmaterial fast alle Schadstoffe enthalten und damit eine noch höhere Schadstoffkonzentration aufweisen würde, die nach der eigenen Kalkulation der Klägerin bei 1.340 mg/kg gelegen hätte.

Lagerkosten könne die Klägerin schon deshalb nicht geltend machen, weil sie eigenmächtig die Entsorgung unterbrochen habe, um von der Beklagten einen höheren Preis zu verlangen. Jedenfalls habe die Klägerin ihrer Schadensminderungspflicht nicht genügt. Statt das Material zu lagern, hätte sie es schnellstmöglich entsorgen müssen.

Im übrigen verfüge die Klägerin über eine Anlage mit einem Feststoff-Grenzwert für Blei von 12.000 mg/kg, der erheblich über denjenigen Werten liege, die das Material nach Angaben der Klägerin aufgewiesen habe.

Das Landgericht hat Beweis erhoben zu der Behauptung der Klägerin, aufgrund der ihr vorliegenden Informationen sei eine ordnungsgemäße Entsorgung des Materials aus A. in der R. GmbH möglich gewesen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der H. GmbH. Auf das schriftliche Gutachten, die beiden schriftlichen Gutachtenergänzungen und die mündliche Erörterung des Gutachtens (Bl. 561-574, 637-641, 642-645, 696-697 d. A.) wird Bezug genommen. Das Landgericht hat dann mit weiterem Beweisbeschluß eine erneute Begutachtung durch den Sachverständigen M. angeordnet, weil der erste Gutachter es unterlassen habe zu berücksichtigen, daß es sich bei der Probe, die der Ermittlung des Eluat-Wertes für Blei zugrunde lag, um eine Mischprobe repräsentativen Charakters gehandelt habe. Auf das schriftliche Gutachten und die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen M. (Bl. 757-761, 875-877 d. A.) wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit am 3.7.2003 verkündetem Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei das Amt S. als Rechtsvorgänger der nunmehrigen Beklagten, der Gemeinde S., passiv legitimiert gewesen. Auftraggeber sei das Amt S. gewesen, nicht die Gemeinde A. Der Klägerin stehe gegen die Beklagte jedoch kein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsabschluß zu. Die Ausschreibungsunterlagen seien zwar lückenhaft und unklar gewesen. Dies habe die Klägerin als Fachunternehmen jedoch erkennen können. Da sie angesichts dieses Umstandes keine Erkundigungen eingezogen habe, könne ein etwa vorhandenes Vertrauen in die Vollständigkeit der Ausschreibungsunterlagen nicht geschützt werden. Die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag seien nicht anwendbar, weil ein Auftrag vorliege.

Gegen dieses Urteil, ihr zugestellt am 11.7.2003, hat die Klägerin durch bei Gericht am 24.7.2003 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 18.9.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf ihren am 10.9.2003 eingegangenen Antrag bis zum 22.9.2003 verlängert worden war.

Die Klägerin beruft sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, das Landgericht habe die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs falsch angewendet. Hier sei das Leistungsverzeichnis nicht lückenhaft, sondern mangelhaft gewesen. Der niedrige Eluat-Wert für Blei sei angesichts der übrigen Angaben in den Ausschreibungsunterlagen plausibel gewesen. Hierzu habe der Feststoffwert von 560 mg/kg, den ihr die SBB mitgeteilt habe, gepaßt. Wenn die Leistungsbeschreibung wie hier mangelhaft sei, habe der Auftragnehmer Anspruch auf nachzuzahlenden Werklohn und sei nicht an seine ursprüngliche Kalkulation gebunden.

Im übrigen schulde die Beklagte die Vergütung aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag.

Das Landgericht habe seiner Entscheidung auch nicht die Gutachten der beiden Sachverständigen zugrunde legen dürfen. Das Gutachten des ersten Sachverständigen habe es selbst als nicht genügend erachtet. Der zweite Gutachter habe nicht berücksichtigt, daß der Klägerin ein Feststoffwert bekannt gewesen sei.

Sie, die Klägerin, habe sich auch auf einen einzigen Eluat- und einen Feststoffwert für Blei verlassen dürfen, weil es sich um vorbehandeltes, sog. konditioniertes, Material gehandelt habe.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, entsprechend ihrem zuletzt gestellten erstinstanzlichen Antrag zu erkennen. Mit Schriftsatz vom 2.3.2004 hat sie an zusätzlichen Entsorgungskosten entsprechend ihrer erstinstanzlichen Klagerücknahme nur noch 467.782,65 DM geltend gemacht. Außerdem hat sie die Klage erweitert und Kosten für die Lagerung des Filterkuchens in Höhe von insgesamt 108.538,24 DM beansprucht und außerdem erneut Analytikkosten in Höhe von 4.602,42 DM geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das am 3.7.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus - 2 O 90/00 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie insgesamt 503.504,92 € zu zahlen mit 7 % Zinsen aus 462.485,03 €, 246.339 ab dem 21.12.1999, 462,871,41 € ab dem 23.12.1999 und aus 503.504,92 € seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die erweiterte Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält das landgerichtliche Urteil für richtig. Sie meint, da ihr nicht bekannt gewesen sei, daß die Klägerin eine Entsorgung in der R.-Anlage beabsichtigt habe, sei es ihr nicht möglich gewesen zu erkennen, daß die Grenzwerte für Blei nicht hätten eingehalten werden können.

Im übrigen habe sich die Klägerin erkennbar über alle sich ihr aufdrängenden Fragen und Zweifel hinweggesetzt. Ihr ohne weiteres Nachfragen abgegebenes Angebot sei ins Blaue hinein erfolgt. Hierzu behauptet die Beklagte, die Feststoff- und Eluatwerte von 560 mg/kg und 0,053 mg/l entsprächen sich nicht. Der eine Wert entspreche Z2, der andere Z 1.2. nach LAGA.

Die Klägerin könne angesichts der Kenntnis, die sie von den maßgeblichen Umständen gehabt habe, kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen.

Der Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19.6.2003, wonach der Feststoffwert von Blei durch eine Bodenwäsche auf 280 mg/kg reduziert werden könne, sei verspätet erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 517, 520 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auch die in der Berufungsinstanz erweiterte Klage ist unbegründet und mußte deshalb abgewiesen werden.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche im Hinblick darauf zu, daß das von der Beklagten übernommene Material stärker mit Blei kontaminiert war als aus dem in der Ausschreibung angegebenen Eluat-Wert ersichtlich, und daß der Wert für Blei in Trockensubstanz oberhalb des Wertes lag, der sich aus der Bodenprobenuntersuchung vom 9.8.1999 ergab, dessen Ergebnis die SBB der Klägerin zugänglich gemacht hatte.

1.) Die Klage ist allerdings nicht schon deshalb abzuweisen, weil die Beklagte nicht passiv legitimiert wäre.

Ob das Amt S. oder die Gemeinde A. Vertragspartnerin der Klägerin war, kann letztlich offenbleiben. Jedenfalls wäre die nunmehrige Beklagte aus dem Liefer-/Leistungsvertrag vom 8.9.1999/13.9.1999 verpflichtet, wenn der Klägerin hieraus noch Ansprüche zustehen sollten.

Es spricht zwar alles dafür, daß die Gemeinde A. ursprünglich Vertragspartnerin der Klägerin geworden ist, und nicht der frühere Beklagte, das Amt S.. Das Amt S. ist im Namen der Gemeinde A. aufgetreten und hat damit die Gemeinde und nicht sich selbst verpflichtet, § 164 BGB. Der von der Klägerin und dem Amt S. abgeschlossene Liefer-/Leistungsvertrag vom 8.9.1999/13.9.1999 weist bei der Bezeichnung der vertragsschließenden Teile als Auftraggeber das "Amt S. für die Gemeinde A., vertreten durch den Amtsdirektor" aus. Dieser Text wird unter der Unterschrift des Amtsdirektors nochmals wiederholt. Daraus ergibt sich, daß das Amt sich nicht selbst verpflichtet hat, sondern die Gemeinde A. Aus dem Umstand, daß ausdrücklich angegeben ist, daß das Amt durch den Amtsdirektor vertreten wird, kann nicht geschlossen werden, die Textpassage "für die Gemeinde A." solle gerade kein Vertreterverhältnis bezeichnen. Daß das Amt damit einen unechten Vertrag zugunsten der Gemeinde A. hat schließen wollen, wie die Klägerin meint, ist nicht zutreffend. Das Handeln "für" einen anderen ist ein Handeln im fremden Namen i. S. d. § 164 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat die Klage damit unrichtigerweise gegen den Vertreter, und nicht gegen den Vertretenen gerichtet.

Das Amt S. ist jedoch nach der Verordnung über das Verfahren bei der erstmaligen Bildung sowie bei der Änderung und bei der Auflösung von Ämtern im Land Brandenburg vom 13.1.1992 (GVBl. S. 22) mit der im Amtsblatt für Brandenburg vom 27.12.2001 bekanntgemachten Genehmigung des Ministeriums des Innern (ABl. S. 894) zum 31.12.2001 mit der Bildung der neuen, auch die Gemeinde A. aufnehmenden Gemeinde S. aufgelöst worden.

Die nunmehrige Beklagte ist Rechtsnachfolgerin sowohl der Gemeinde A. als auch des zu Unrecht verklagten Amtes geworden. Bis ins Jahr 2003 gab es hierzu keine ausdrücklichen Regelungen. Jedoch enthält das 6. Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree und Spree-Neiße vom 24.3.2003 (GVBl. I S. 93-105) auch für den Landkreis Oberspreewald-Lausitz, in dem sich das Gemeindegebiet der nunmehrigen Beklagten befindet, in § 31 Abs. 1 Rechtsnachfolgeregelungen. Danach ist die neu gebildete Gemeinde Rechtsnachfolgerin der an der Gemeindeneubildung beteiligten Gemeinden. Wenn ein Amt infolge des Zusammenschlusses aller dem Amt bisher angehörenden Gemeinden aufgelöst wird, ist die neu gebildete oder aufnehmende Gemeinde auch Rechtsnachfolgerin des bisherigen Amtes. § 45 Abs. 1 und 2 diese Gesetzes bestätigt die zwischen dem 3.10.1990 und dem 20.3.2003 unter Verletzung von Form- und Verfahrensvorschriften zwischen den Gemeinden des Landes Brandenburg geschlossenen Gebietsänderungsverträge sowie eine in dieser Zeit erfolgte Bildung, Änderung oder Auflösung von Ämtern.

Die nunmehrige Beklagte (im folgenden nur noch Beklagte) ist damit, da sie Rechtsnachfolgerin von Vertreter und Vertretenem geworden ist, diejenige, gegen die die Klägerin allein Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis richten kann.

2.) Der Klägerin steht gegen die Beklagte jedoch kein Anspruch wegen behaupteter erhöhter Kosten für die Entsorgung des Filterkuchens in Höhe von 467.782,65 DM zu.

a.) Die Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin nicht vertraglich verpflichtet, das Risiko eines Abweichens des angegebenen Bleigehalts des zu entsorgenden Materials von den tatsächlich gegebenen Bleikontaminationen zu übernehmen.

Zwar hat die Klägerin in ihrem Anschreiben zum 8.9.1999, mit dem sie der Beklagten den von ihr unterzeichneten Liefer-/Leistungsvertrag übersandt hat, ausdrücklich erklärt, sie sei als Entsorgungsanlage verpflichtet, Eingangsanalysen vom angelieferten Material je 1.000 t zu ziehen. Bei Abweichungen von der deklarierten Analytik werde sie die Behandlung des angelieferten kontaminierten Materials bis zu einer einvernehmlichen Klärung auch mit der Beklagten aussetzen. Kostenbezogene Belastungen entstünden aus den Beprobungen nicht, da diese mit dem Angebot abgegolten seien, das treffe nicht für Deklarationsüberschreitungen zu. Hier seien die anfallenden Aufwendungen durch den Erzeuger zu tragen.

Dieses Anschreiben ist auch Vertragsbestandteil geworden. Zum einen hat das Amt S. der Klägerin mit Telefax vom 11.9.1999 mitgeteilt, daß das Anschreiben als Anlage zum Vertrag erklärt werde. Zum anderen hat die Beklagte das Angebot der Klägerin vom 8.9.1999, das diese ausdrücklich "in Verbindung mit dem Anschreiben" vom gleichen Tage abgegeben hat, ohne Einschränkungen angenommen.

Aus diesem Anschreiben ergibt sich jedoch schon vom Wortlaut her keine Verpflichtung der Beklagten, durch eine Deklarationsüberschreitung verursachte Mehraufwendungen bei der Entsorgung des Materials zu übernehmen. Es werden danach nur die Kosten für die Beprobungen auf die Beklagte abgewälzt, falls sich Deklarationsüberschreitungen ergeben sollten.

b.) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 5 der Allgemeinen Annahme- und Geschäftsbedingungen der Klägerin für die Übernahme verunreinigten Bodens, Erdaushub etc., wonach der Auftraggeber für alle Schäden haftet, die der Klägerin durch unrichtige oder unvollständige Angaben über Art und Eigenschaften der Materialien/Reststoffe entstehen.

Die AGB der Klägerin sind nicht Vertragsbestandteil geworden. Dies gilt schon deshalb, weil dem die von der Beklagten in ihren Besonderen Vertragsbedingungen verwandte Abwehrklausel entgegensteht. Nach dem Liefer-/Leistungsvertrag vom 8.9.1999/13.9.1999 sind Vertragsbestandteil die von der ausschreibenden Stelle verwandten Besonderen Vertragsbedingungen. Dies ergibt sich aus Ziffer 7. des Liefer-/Leistungsvertrages. Mit den dort erwähnten "Besonderen Vertragsbedingungen" sind nicht etwa die AGB der Klägerin gemeint, wie die Klägerin in der Klageschrift ausführt. Ihre AGB haben schon einen anderen Namen. "Besondere Vertragsbedingungen" hat allein die Beklagte verwandt. Nach deren Nr. 11 gelten Geschäftsbedingungen des Auftragnehmer nur dann, wenn sie vom Auftraggeber ausdrücklich und schriftlich angenommen sind. Diese Abwehrklausel ist im kaufmännischen Verkehr wirksam und verhindert die Einbeziehung der klägerischen AGB. Aus diesem Grunde kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage nicht an, ob die Klägerin ihrem Angebotsschreiben vom 8.9.1999 ihre AGB beigefügt hatte oder nicht.

c.) Kein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch aus § 2 der VOL/B in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblichen Fassung, die nach Ziffer 1.1 d) der Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten Vertragsbestandteil geworden sind. Diese Vorschrift betrifft lediglich nach Zuschlag vom Auftraggeber verlangte Änderungen in der Beschaffenheit der Leistung und deren Konsequenzen, u. a. auch für die vom Auftraggeber geschuldete Vergütung. Sie betrifft jedoch nicht den hier von der Klägerin geltend gemachten Fall, daß sich die Durchführung des Auftrages als erheblich aufwendiger erweist als geplant.

d.) Der Klägerin steht auch kein Anspruch wegen eines Verschuldens der Beklagten bei Vertragsabschluß aus dem Rechtsinstitut der culpa in contrahendo zu.

Zwar können bei wirksamen, aber für eine Partei nachteiligen Verträgen Ansprüche aus culpa in contrahendo bestehen, wenn der Vertrag durch eine pflichtwidrige Einwirkung auf die Willensbildung des Geschädigten zustande gekommen ist, insbesondere dann, wenn der Schädiger dem Geschädigten unrichtige oder unvollständige Informationen gegeben hat. Zu einer derartigen Haftung kommt es jedoch nicht ohne weiteres, vielmehr muß ein Bieter schützenswert sein. Er muß ein Vertrauen auf die Richtigkeit der Kalkulationsgrundlage entwickelt haben dürfen, das dann nachträglich enttäuscht worden ist. Dies ist hier nicht der Fall.

aa.) Zwar weist das Leistungsverzeichnis der Beklagten Mängel auf.

Zunächst fehlte in dem Leistungsverzeichnis der Wert für die Bleikonzentration im Feststoff, der in mg/kg bemessen wird. Die Beklagte hatte einen solchen Wert in der Ausschreibung nicht angegeben, obwohl dies für ein ordentliches Leistungsverzeichnis erforderlich gewesen wäre. Dies ergibt sich aus der in der Tabelle II 1.2-1 der Technischen Richtlinie der LAGA. Dort ist das Mindestuntersuchungsprogramm für Boden bei unspezifischem (Altlasten-)Ver-dacht angegeben. Danach muß für Blei ein Feststoffwert angegeben werden, bei einem Feststoffwert oberhalb Z0 auch ein Eluat-Wert. Diesen Mindestanforderungen genügten die Ausschreibungsunterlagen nicht. Die Beklagte hatte lediglich einen Eluat-Wert angegeben. Dabei ist es unerheblich, daß den LAGA-Richtlinien keine gesetzliche Qualität zukommt. Beide erstinstanzlich eingeschalteten Gutachter haben sich auf diese Richtlinien bezogen. Aus diesen Richtlinien ergibt sich mithin der Stand der Technik und der Maßstab der Mindestsorgfaltsanforderungen bei der Analyse von kontaminiertem Abfall. Beide Gutachter haben ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die danach erforderliche Angabe des Bleigehalts im Feststoff fehlt.

Die SBB hat der Klägerin zwar, als sie deren Bereitschaft zur Annahme des Materials aus Annahütte erfragte, das Ergebnis der Untersuchung einer Bodenprobe übersandt, in dem ein Feststoffwert von Blei in Höhe von 560 mg/kg ermittelt worden ist. Diese Bodenprobe wurde jedoch nicht von der Beklagten in Auftrag gegeben, sondern von der B. und M. GmbH, der die Beklagte den Zuschlag für die Entsorgung erteilen wollte. Die Ergebnisse dieser Bodenprobe hat sich die Beklagte jedoch gegenüber der Klägerin weder ausdrücklich noch stillschweigend zu eigen gemacht.

Die Klägerin durfte auch nicht von dem angegebenen Eluat-Wert auf einen Feststoffwert rückschließen. Gegen die Zulässigkeit eines solchen Schlusses spricht schon der Umstand, daß - wenn diese Behauptung richtig wäre - die LAGA-Richtlinien als Mindestanforderungen überflüssige Untersuchungen anordnen würden. Im übrigen haben beide erstinstanzlich tätigen Gutachter übereinstimmend dargelegt, daß ein Schluß vom Eluat-Wert auf den Gehalt an Blei in der Trockensubstanz nicht möglich ist.

bb.) Jedoch durfte die Klägerin das mangelhafte Leistungsverzeichnis der Beklagten nicht einfach hinnehmen, sondern mußte sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Abgabe des Angebots klären. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für ein erkennbar lückenhaftes Leistungsverzeichnis, sondern auch dann, wenn sich für einen Bieter aus einem Leistungsverzeichnis und den ihm überlassenen Unterlagen die Ausführung des Auftrages in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgeblich abstellen will (BGH NJW-RR 1987, 1306, 1307). So liegt der Fall hier.

Für ein Entsorgungsunternehmen sind die Schadstoffwerte ausschlaggebend für die Kalkulation des Entsorgungspreises. Die Klägerin konnte anhand der wenig umfangreichen Verdingungsunterlagen ohne Schwierigkeiten erkennen, daß die Analytik der Beklagten für das zu entsorgende Material dürftig war. Dabei war auch ohne weiteres zu erkennen, daß der Feststoffwert für Blei fehlte. Darauf haben beide erstinstanzlich eingeschalteten Sachverständigen übereinstimmend hingewiesen.

In einem derartigen Fall scheiden Ansprüche aus dem Rechtsinstitut der culpa in contrahendo aus.

cc.) Jedenfalls ist die Klägerin auch deswegen nicht schutzwürdig, weil sie aufgrund der ihr vorliegenden Informationen nicht auf eine relativ niedrige Bleibelastung des zu entsorgenden Materials vertrauen durfte.

Zunächst mußte die Klägerin schon deshalb mit erhöhten Bleibelastungen rechnen, weil es sich bei dem zu entsorgenden Material um solches aus einem ehemaligen Glaswerk handelte. Die Behauptung der Klägerin, sie habe nicht gewußt, daß in A. ein Glaswerk betrieben worden ist, sie habe deshalb nicht mit erhöhten Bleibelastungen gerechnet, ist nachweislich falsch. Das Glaswerk A. ist mehrfach in der Leistungsbeschreibung, z. B. Nr. 1, 3 und 15, erwähnt. Im Zuweisungsbescheid der SBB vom 12.8.1999 ist das Glaswerk A. erwähnt. In dem Entsorgungsnachweis, der Anlage des Zuweisungsbescheides der SBB war, ist bei der Herkunft des Abfalls das Glaswerk A. genannt.

Weiter wußte die Klägerin aus der Korrespondenz mit dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz aus dem Jahr 1997, daß der Eluat-Wert für Blei erheblich höher war als der in den Verdingungsunterlagen genannte Eluat-Wert von 0,053 mg/l. Mit Schreiben vom 26.6.1997 ist ihr ein Wert im Eluat von 0,1 bis 6,5 "mg/kg" mitgeteilt worden. Gemeint war damit ersichtlich ein Wert im Eluat von 0,1 bis 6,5 "mg/l". Daß die Klägerin geglaubt haben will, hier seien Feststoffwerte gemeint gewesen, ist nicht nachvollziehbar. Daß Eluat-Werte gemeint waren, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Schreibens. Schließlich heißt es ausdrücklich, daß Werte "nur im Eluat" vorlägen. Daß ein Fachunternehmen wie die Klägerin dieses Schreiben als Mitteilung von Eluat-Werten verstehen mußte, hat die als Sachverständiger eingeschaltete Hygieneinstitut Cottbus GmbH überzeugend dargelegt.

Aus diesem Schreiben des Landkreises Oberspreewald-Lausitz ergibt sich im übrigen auch, daß der in den Verdingungsunterlagen mitgeteilte Eluat-Wert von 0,053 mg/l auch kein repräsentativer Durchschnittswert sein konnte, auf dessen Richtigkeit die Klägerin vertrauen durfte. Der niedrigste in diesem Schreiben genannte Eluat-Wert von 0,1 mg/l liegt nämlich noch darüber.

Daß die Eluat-Werte höher als der Wert von 0,053 mg/l lag, war der Klägerin im übrigen aus eigener Kenntnis bekannt. Sie hatte nämlich das zu entsorgende Material über zwei Jahre vor Abschluß des Vertrages mit der Beklagten beprobt und Versuche zur Immobilisierung mit dem Ziel durchgeführt, die Ausschwemmung von Blei zu reduzieren. Dabei hat sie noch nach Laborversuchen zur Immobilisierung mehrere Eluat-Werte für Blei gemessen, die oberhalb des Wertes lagen, die die Beklagte in den Verdingungsunterlagen angegeben hatte. So hat die Klägerin dem Landkreis Oberspreewald-Lausitz mit Schreiben vom 21.7.1997 mitgeteilt, die Eluat-Werte lägen nach der Immobilisierung zwischen 0,05 mg/l und 0,12 mg/l.

Zu guter letzt hat die SBB in dem an die Klägerin adressierten Zuweisungsbescheid vom 12.8.1999 wörtlich darauf hingewiesen, ihr lägen Untersuchungen vor, die "Überschreitungen des Z2-Wertes für Blei aus dem Eluat" aufwiesen. Daraus ergab sich unmißverständich, daß der von der Beklagte angegebene Eluat-Wert für Blei falsch war und daß der wahre Wert bei mindestens 0,2 mg/l (Z2 nach LAGA) liegen mußte.

Unabhängig von der Tatsache, daß die Beklagte ihr keinen Feststoffwert für Blei mitgeteilt hatte, durfte die Klägerin auch nicht auf die Richtigkeit des Feststoffwerts für Blei von 560 mg/kg vertrauen, der sich aus dem Analyseergebnis ergab, das die SBB der Klägerin bei der Anfrage zur Annahmebereitschaft zugänglich gemacht hat. Aus dem Zuweisungsbescheid der SBB vom 12.8.1999 ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß diese Ermittlung der Bleiwerte im Feststoff unbrauchbar war. So heißt es dort ausdrücklich, daß die Feststoffwerte für Blei nur durch eine offensichtlich nicht repräsentative Analyse belegt worden seien. Die Klägerin durfte auch nicht darauf vertrauen, daß für die Ermittlung im Feststoff eine repräsentative Einzelprobe gezogen wurde. So heißt es in dem Zuweisungsbescheid der SBB ausdrücklich, daß es sich um "ein sehr inhomogenes Material" handele.

dd.) Nach alledem kommt es nicht darauf an, daß der Vortrag der Klägerin zur Höhe des ihr entstandenen Schadens teilweise widersprüchlich und nicht in vollem Umfang nachvollziehbar ist.

Zunächst ist nicht ausreichend nachvollziehbar dargelegt und unter Beweis gestellt, daß die Rechnungen, die hier vorgelegt sind, gerade das Material betreffen, das die Klägerin nach dem Vertrag der Parteien entsorgen sollte. Sehr zweifelhaft ist weiter, ob die Klägerin das Material wirklich in R. entsorgen wollte. Nicht ersichtlich ist, ob es einen Zuweisungsbescheid der SBB nach R. gibt. Die Klägerin hat einen Bescheid vom 11.8.1999 (Bl. 621-628) vorgelegt, der das streitgegenständliche Material aber nicht betreffen kann, weil der Bescheid vor der Zuweisung an die Klägerin datiert und weil er andere Mengen ausweist. Wenn man diese Zuweisung als eine Vorratszuweisung ansieht, wäre dies möglicherweise anders zu sehen. Dies hat die Klägerin bisher allerdings nicht vorgetragen.

Nicht entschieden werden mußte auch die Frage, ob die Klägerin überhaupt mit einer Entsorgung in der R.-Anlage kalkulieren durfte. Dagegen spricht, daß die dortige Anlage nur Material mit einem Feststoffwert für Blei bis zu 500 mg/kg entgegennehmen durfte, dieser Wert aber oberhalb des Feststoffwertes von 560 mg/kg lag, der der Klägerin im Rahmen der Zuweisung des zu entsorgenden Materials durch die SBB bekannt geworden ist. Diesen Widerspruch hat die Klägerin zwar zu erklären versucht. Jedoch hat sie hierzu erst mit Schriftsatz vom 19.6.2003, der nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingegangen ist, substantiiert vorgetragen. Da es hierauf letztlich nicht ankommt, braucht nicht entschieden zu werden, ob dieser Vortrag verspätet war oder nicht.

ee.) Offen bleiben konnte deshalb auch die Frage, ob einem Schadensersatzanspruch der Klägerin der Umstand entgegensteht, daß sie die Entsorgung nach ihrer Kalkulation nicht vollständig in der eigenen Anlage durchführen wollte, oder ob die Parteien bei Vertragsabschluß stillschweigend vorausgesetzt hatten, daß die Klägerin die Abfallbehandlung durchführt und den Filterkuchen anderweitig entsorgt.

e.) Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aus dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Hier enthält § 2 Nr. 4 VOL/B eine Sonderregelung. Diese Regelung betrifft nur unverlangte oder abweichende Leistungen. Im übrigen scheiden Ansprüche aus dem Rechts-institut der Geschäftsführung ohne Auftrag aus (so wohl auch Eberstein/Kulartz/Müller, VOL/B, 5. Aufl. 2003, § 2 Rn 48, 49). Selbst wenn man dies anders sehen würde, kämen Ansprüche aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil ein Auftrag vorliegt.

3.) Aus den vorstehenden Gründen scheiden auch Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Kosten für die Lagerung von 9.000 t des zu entsorgenden Materials in Höhe von 402.685,71 DM und für die Lagerung des Filterkuchens in Höhe von insgesamt 108.538,24 DM aus.

Im übrigen sind die geltend gemachten Lagerkosten als Schadensersatz gemäß §§ 249 Satz 1, 252 BGB a. F. nicht erstattungsfähig. Das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo gewährt Anspruch auf das negative Interesse. Der Geschädigte muß so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte.

Hierfür hätte die Klägerin darlegen müssen, daß sie den Teil ihres Betriebsgeländes, auf dem das zu entsorgende Material lagerte, in der Zeit vom 27.10.1999 bis zum 14.1.2000 Dritten zur Lagerung gegen eine Vergütung von 15 DM/t/Monat hätte zur Verfügung stellen können und durch das streitgegenständliche Material hieran gehindert war. Dies hat sie jedoch selbst nicht einmal behauptet. Sie hat lediglich dargelegt, bei dem geltend gemachten Betrag handele es sich um die üblichen Kosten für die Lagerung von Abfällen dieser Art. Dies reicht zur Begründung eines ihr entstandenen Schadens in Form entgangenen Gewinns nicht aus.

In jedem Falle stünde der Geltendmachung entgangener Lagervergütung für die Zeit vom 27.10.1999 bis zum 14.1.2000 der Einwand des überwiegenden Mitverschuldens entgegen, § 254 BGB. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, warum die Klägerin die ihr anvertrauten Abfälle nach der Mitteilung der Beklagten, daß sie das Nachtragsangebot der Klägerin ablehne, nicht umgehend aufgearbeitet und entsorgt hat und damit die Entstehung von Lagerkosten verhindert hat.

Die erst in zweiter Instanz geltend gemachten Kosten für die Lagerung des Filterkuchens sind nicht ausreichend substantiiert dargetan. So macht die Klägerin Kosten für die Lagerung des Filterkuchens "in der Bodenwaschanlage und im Sonderabfallzwischenlager" geltend. Es ist dabei nicht nachvollziehbar, wo das Material gelagert worden sein soll. Wenn es sich bei der Bodenwaschanlage um diejenige der Klägerin handeln sollte, scheiden Ansprüche aus denselben Gründen aus, aus denen auch eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der Lagerung des zu entsorgenden Materials nicht bejaht werden kann. Wie der Filterkuchen in ein Sonderabfallzwischenlager gelangt sein soll, ist nach den Darlegungen der Klägerin unklar. Sie will den Filterkuchen in der I.-Anlage entsorgt haben. Warum eine Lagerung in einem Sonderabfallzwischenlager notwendig geworden sein soll, um welches Zwischenlager es sich gehandelt hat und welche Beträge die Klägerin für die Lagerung in diesem Zwischenlager entrichtet haben will, ist nicht nachvollziehbar.

4.) Auch die Kosten für die Beprobungen schuldete die Beklagte nicht. Die darauf gerichtete Klage auf Zahlung von 4.602,42 DM brutto ist abzuweisen. Voraussetzung für eine Deklarationsüberschreitung ist es, daß überhaupt eine Deklaration vorliegt, von der das Ergebnis der Pflichtbeprobungen abweichen kann. Das ist hier nicht der Fall. Zu einer ordnungsgemäßen Deklaration gehörte neben einem Eluat-Wert auch ein Feststoff-Wert für Blei. Einen Feststoffwert hatte die Beklagte jedoch überhaupt nicht angegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.



Ende der Entscheidung

Zurück