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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 31.03.2009
Aktenzeichen: 6 U 150/07
Rechtsgebiete: InsO, BGB, StGB, ZPO


Vorschriften:

InsO §§ 286 ff.
InsO § 302 Nr. 1
BGB § 823
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 266a
StGB § 266a Abs. 1
ZPO § 288
ZPO § 322 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26. Oktober 2007 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 10 O 96/07 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt die Feststellung, dass ihr der durch Anerkenntnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 8.7.2002 (11 O 330/01) titulierte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 13.602,39 € nebst hierauf entfallenden Zinsen für die Zeit vom 19.7.2001 bis zum 7.11.2005 in Höhe von 4.015,56 € sowie weiteren Verfahrenskosten und weiteren Zinsen in Höhe von 1.206,42 € aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung wegen Vorenthaltung der Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zur Sozialversicherung zusteht.

Wegen der Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts vom 26.10.2007 Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die von der Klägerin begehrte Feststellung getroffen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Feststellungsinteresse sei gegeben, weil die Klägerin den in der Insolvenztabelle vermerkten Widerspruch der Beklagten gegen die Qualifizierung der angemeldeten Forderung als aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung herrührend im Wege der Feststellungsklage beseitigen und damit die möglicherweise zu erteilende Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO hinsichtlich dieser Forderung gemäß § 302 Nr. 1 InsO hindern sowie diese Forderung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens uneingeschränkt durchsetzbar machen könne.

Die Frage der Bindungswirkung des Anerkenntnisurteils könne letztlich dahinstehen, weil unabhängig davon der Anspruch der Klägerin aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung der Beklagten gemäß § 823 BGB i.V.m. § 266a StGB herrühre. Sämtliche Voraussetzungen für diesen Anspruch lägen vor. Insbesondere habe die Beklagte vorsätzlich gehandelt.

Das Landgericht ist nach dem unwidersprochenen Klagevorbringen im Verfahren 11 O 330/01 weiter davon ausgegangen, dass die rückständigen Beitragszahlungen zuvor angemahnt worden seien und dass sich die Beklagte jedenfalls ihrer Überwachungs- und Kontrollpflichten bewusst gewesen sei. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Geschäfte von ihrem Ehemann geführt worden seien und sie auf Grund dieser Aufgabenzuweisung keine Kenntnis von den Vorgängen gehabt habe. Der Beklagten hätten Überwachungspflichten oblegen, die sich verdichteten, wenn sich die Gesellschaft in einer Krise befinde und der Geschäftsführer mit der Möglichkeit der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen habe rechnen müssen. Dieser Überwachungspflicht sei die Beklagte nach ihren eigenen Angaben nicht nachgekommen. Sie könne sich auch nicht damit entlasten, dass sie von einer ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte durch den Ehemann ausgegangen sei und keine Zweifel diesbezüglich hätte haben müssen. Dies sei keine Überwachung, wie sie von einem Geschäftsführer verlangt werden könne und müsse. Auf Grund der angespannten finanziellen Situation der Gesellschaft hätte sie sich regelmäßig über die Abführung der Beiträge überzeugen müssen. Von einem unvermeidbaren (Verbots-)Irrtum der Beklagten sei danach nicht auszugehen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Die Beklagte ist der Auffassung, ein Zurückgreifen auf das "unwidersprochene Klagevorbringen" im Vorverfahren sei unzulässig, da die Beklagte dort mit ihrem prozessualen Anerkenntnis keine Tatsachen des einseitigen Verfahrens zugestanden habe. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die rückständigen Beitragszahlungen angemahnt worden seien und die Beklagte sich ihrer Überwachungs- und Kontrollpflichten bewusst gewesen sei. Dass sich diese Pflichten in einer Krise der Gesellschaft verdichten würden, habe mit dem Fall nichts zu tun, denn sie, die Beklagte, habe von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Nichtabführung der Beiträge nichts gewusst. Dies habe ihr Ehemann wirkungsvoll von ihr ferngehalten. Sie sei sicher gewesen, Geschäftsführerin einer prosperierenden GmbH zu sein. Sie, die Beklagte, habe von der Wichtigkeit der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nichts gewusst. Sie habe keine Ahnung von Personalabrechnungen und der Führung einer GmbH gehabt. Die GmbH sei im Rahmen der ehelichen Arbeitsteilung ausschließlich von ihrem Ehemann betrieben und betreut worden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

1. Die Klage ist nicht bereits deshalb begründet, weil die Beklagte durch Anerkenntnisurteil des Landgerichts vom 8.7.2002 zur Zahlung verurteilt worden ist.

a) Das Anerkenntnis der Beklagten im vorangegangenen Verfahren des Landgerichts ist lediglich eine prozessuale Erklärung. Darin liegt deshalb kein Geständnis von Tatsachen gemäß § 288 ZPO.

b) Das Anerkenntnisurteil entfaltet keine materielle Rechtskraft gemäß § 322 I ZPO hinsichtlich der materiell-rechtlichen Natur des anerkannten Klageanspruches. Nicht der materiell-rechtliche Anspruch, sondern die gerichtliche Entscheidung erwächst in Rechtskraft.

c) Das Anerkenntnisurteil ist zudem ein Prozessurteil, dass zwingend allein auf Grund der prozessualen Anerkenntniserklärung der Beklagten ohne Schlüssigkeitsprüfung des Gerichts ergangen ist.

d) Anderes gilt hier auch deshalb nicht, weil dem Anerkenntnisurteil allein eine materiell-rechtliche Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zugrunde liegen kann. Das rechtfertigt nicht das Abgehen von anerkannten prozessualen Grundsätzen. Die Beklagte kann das Anerkenntnis im Vorprozess auf Grund des dort von der Klägerin gestellten Antrages aus unterschiedlichsten Gründen abgegeben haben.

2. Die Klage ist auch nicht deshalb gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 266a I StGB begründet, weil die Beklagte vorsätzlich Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen vorenthalten hätte. Die Klägerin hat bereits nicht schlüssig darlegen können, dass die Beklagte zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Nach dem von der Klägerin nicht entkräfteten Vorbringen der Beklagten hat diese sich überhaupt nicht um die Geschäfte der Gesellschaft gekümmert, deren Geschäftsführerin sie war. Weder hat sie in dem Unternehmen mitgearbeitet, noch sonst Informationen erlangt. Weder hatte sie nach ihrer Darstellung Kenntnisse von den Pflichten eines Geschäftsführers einer GmbH, noch hat sie sich diese verschafft. Sie hat die Führung der Geschäfte der GmbH vielmehr vollständig ihrem Ehemann überlassen und diesem vollständig vertraut. Damit hat die Beklagte zwar ihrer Organisationspflicht nicht genügt und zumindest die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte der Gesellschaft durch ihren Ehemann nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt. Andererseits konnte die Klägerin auch keine auf eine Krise der Gesellschaft deutende Umstände darlegen, die der Beklagten bekannt geworden wären und die der Beklagten Anlass hätten sein können und müssen, sich selbst ein Bild von der Lage der Gesellschaft zu machen und Zweifel an den Aussagen ihres Ehemannes zu hegen, dass die Gesellschaft ordnungsgemäß und ohne Probleme laufe und dass die der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch ihren Ehemann auch tatsächlich erfüllt werden. Dieses Vertrauen der Beklagten in die Ordnungsgemäßheit der Führung der Geschäfte der Gesellschaft durch ihren Ehemann mag "blind" gewesen sein und letztlich Ausdruck von Gleichgültigkeit gegenüber ihren eigenen Pflichten. Das begründet jedoch noch keinen bedingten Vorsatz der Beklagten, d.h., die Annahme, die Beklagte habe es auch nur als möglich angesehen, dass die Gesellschaft ihren Verpflichtungen als Arbeitgeber zur Abführung der Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen nicht nachkommen würde und dies zumindest billigend in Kauf genommen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Den Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Klägerin vom 5.3.2009 hat der Senat dabei berücksichtigt.

Ende der Entscheidung

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