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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.11.2006
Aktenzeichen: 6 U 21/06
Rechtsgebiete: GmbHG, GO, LandkreisO Brb, BGB, EGBGB


Vorschriften:

GmbHG § 9
GmbHG § 9 II
GmbHG § 19 V
GmbHG § 20
GmbHG § 31 I
GmbHG § 31 V a. F.
GmbHG § 55 I
GmbHG § 56
GmbHG § 56 I
GmbHG § 56 I 1
GmbHG § 56 I 2
GO § 90 III
LandkreisO Brb § 63 I
BGB § 195
BGB §§ 812 ff.
EGBGB Art. 229 § 6 IV
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 21/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 14.11.2006

Verkündet am 14.11.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke und den Richter am Oberlandesgericht Werth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. 02. 2006 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 8 O 363/05 - abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht mit der vorliegenden, am 23. 5. 2005 bei Gericht eingegangenen Klage gegen die Beklagte als ihre ehemalige Alleingesellschafterin eine Bareinlageforderung aus einer von der Beklagten am 16. 10. 1996 beschlossenen Erhöhung des Stammkapitals um 3.000.000 DM (Kapitalerhöhung II) geltend. Wegen des erstinstanzlichen Sach - und Streitstands im einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des genannten Betrages (= 1.533.875.60 €) nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 20. 2. 2007 verurteilt. Es hat ausgeführt:

Der Klägerin stehe der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch aus §§ 19 V, 20 GmbHG zu. Denn die Beklagte habe ihre Verpflichtung, die kraft wirksamen Gesellschafterbeschlusses vom 16. 10. 1996 übernommene "erhöhte Stammeinlage" von 3 Mio DM der Klägerin zuzuführen, nicht erfüllt. Das Grundstück, mit dessen Übertragung sie ihre Verpflichtung habe erfüllen wollen, sei im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung nicht mehr als Sacheinlage geeignet gewesen. Es sei der Klägerin bereits im Zuge einer am 24. 5. 1996 beschlossenen Erhöhung des Stammkapitals um 1.95 Mio DM übertragen worden. Zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung II sei die Klägerin bereits Inhaberin einer Auflassungsvormerkung und damit eines unzerstörbaren Anwartschaftsrechts auf Erwerb des Eigentums an diesem Grundstück gewesen. Damit sei das Grundstück bereits ihrem Vermögen zuzuordnen gewesen. Es habe daher nicht erneut von der Beklagten zur Erfüllung ihrer Einlageverpflichtung aus der Kapitalerhöhung II verwendet werden können. Darüber hinaus habe die Festsetzung, dass die Kapitalerhöhung durch Sacheinlage habe erbracht werden sollen, nicht den Anforderungen des § 56 I 1 GmbHG genügt. Im Kapitalerhöhungsbeschluss sei nicht festgelegt worden, welcher Art die Sacheinlage sein solle und welchen Betrag der Stammeinlage sie ausmache. Dass in § 4 Abs. 2 des als Anlage zur Kapitalerhöhung II genommenen geänderten Gesellschaftsvertrages festgelegt worden sei, daß die Stammeinlage in Höhe beider Kapitalerhöhungen durch Einbringung des Betriebsgrundstücks erbracht werden solle, reiche zur Erfüllung der Anforderungen des § 56 I 1 GmbHG nicht aus.

Da die Klägerin nicht von ihrer Verpflichtung zur Erbringung der erhöhten Stammeinlage befreit worden sei und auch nicht befreit werden könne, sei der - unverjährte - Anspruch der Klägerin auf Zuführung der erhöhten Stammeinlage durch Geldzahlung zu bewirken.

Gegen dieses ihr am 6. 3. 06 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 8. 3. 2006 bei Gericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 27. 4. 2006 - eingegangen am selben Tage - begründeten Berufung.

Sie vertritt die Auffassung, der Klägerin stehe wegen der beschlossenen Kapitalerhöhung ein Geldanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Die Beklagte sei lediglich zu einer Sacheinlage - nämlich zur Übertragung des Eigentums an dem von ihr bewirtschafteten Grundstück in G... - verpflichtet gewesen. Diese Verpflichtung habe sie erfüllt. Weitere Ansprüche aus Differenzhaftung nach Maßgabe des § 9 GmbHG oder auf Erstattung verbotswidrig zurückgezahlten Kapitals gem. § 31 I GmbHG bestünden nicht und seien im übrigen jedenfalls verjährt.

Die Beklagte und ihr Streithelfer beantragen, wie geschehen zu entscheiden.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Rechtsauffassung des Landgerichts für zutreffend.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte als ihre ehemalige Alleingesellschafterin eine Bareinlageforderung aus der von der Beklagten am 16. 10. 1996 beschlossenen Erhöhung des Stammkapitals (Kapitalerhöhung II) nicht mehr zu. Ein derartiger Zahlungsanspruch stünde der Klägerin nur dann zu, wenn das der Klägerin zugewendete Betriebsgrundstück als Sacheinlage ungeeignet gewesen wäre, die Beklagte also ihre im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung II gegenüber der Klägerin eingegangene Verpflichtung durch Übertragung des Eigentums an dem Betriebsgrundstück nicht hätte erbringen können und deshalb bisher von dieser Verpflichtung nicht freigeworden wäre.

Die Beklagte hat jedoch ihre Verpflichtung aus dem Beschluss zur Kapitalerhöhung II erfüllt.

a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte mit den von ihr gefassten Beschlüssen das Kapital der Klägerin wirksam auf insgesamt 5 Mio DM heraufgesetzt hat. Entgegen seiner Auffassung lagen aber auch die in § 56 GmbHG normierten Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Anordnung vor, nach der die Erhöhung der Stammeinlage insgesamt durch Sacheinlage - Einbringung des Betriebsgrundstücks - erbracht werden sollte.

Für die Beurteilung der Wirksamkeit dieser Anordnung ist nicht allein auf den Beschluss zur Kapitalerhöhung II abzustellen. Dieser genügt den Anforderungen des § 56 I GmbHG in der Tat nicht. Denn er enthält nur den Hinweis, dass die Einbringung der Sacheinlage mit gesondertem Rechtsgeschäft bewirkt werden solle, nicht aber die nach § 56 I GmbHG erforderliche Festsetzung des Gegenstandes der Sacheinlage und des Betrages der Stammeinlage, auf die sich die Sacheinlage bezog. Sinn und Zweck des § 56 I GmbHG ist es jedoch nicht, eine bloß förmliche Vollständigkeit der dort geregelten Beschlüsse sicherzustellen. Vielmehr soll im Interesse und zum Schutz des Publikums vor Eintragung klargestellt sein, in welcher Form und mit welchem Wert das zusätzlich eingebrachte Kapital der GmbH zur Verfügung gestellt wird. Diesem Interesse ist auch dann Rechnung getragen, wenn vor Eintragung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister - sei es auch in unterschiedlichen Beschlüssen - eine insgesamt einheitliche und klare, den Anforderungen des § 56 I GmbHG entsprechende Beschlusslage herbeigeführt wird.

Abzustellen ist deshalb hier nicht nur auf die Beschlüsse zu den Kapitalerhöhungen I und II, sondern auch auf den weiteren, notariell beurkundeten und damit dem Formerfordernis des §§ 55 I, 56 I 2 GmbHG entsprechenden Beschluss der Beklagten vom 30. 9. 1997. Dieser behebt den inhaltlichen Mangel des Beschlusses zur Kapitalerhöhung II durch die Klarstellung, daß die gesamte erhöhte Stammeinlage von 4.95 Mio DM durch Sacheinlage - Übertragung des Betriebsgrundstücks auf die Klägerin - erbracht werden sollte. Er konnte auch am 30. 9. 1997 noch gefasst werden, weil zu diesem Zeitpunkt die Eintragung der Kapitalerhöhungen nicht erfolgt war, Gläubigerinteressen also nicht tangiert wurden.

b) Daß die Klägern zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung bereits eine unzerstörbare Anwartschaft auf den Erwerb des Eigentums an dem Betriebsgrundstück erworben und im Zeitpunkt des klarstellenden Beschlusses vom 30. 9. 1997 bereits als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen war, hindert nicht, dass die Beklagte mit der Übertragung des Betriebsgrundstücks auch von der mit der Kapitalerhöhung II eingegangenen Verpflichtung freigeworden ist.

Richtig ist zwar, dass die Beklagte das Grundstück zunächst mit der ausdrücklichen Bestimmung übertragen hat, dass damit die Einbringungsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe von 1.95 Mio DM getilgt, also dem Beschluss zur Kapitalerhöhung I genügt werden sollte.

Diese Tilgungsbestimmung hat die Beklagte jedoch wirksam spätestens mit dem notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluss vom 30. 9. 1997 dahin geändert, dass nunmehr mit der Übertragung des Grundbesitzes auch die Einbringungsverpflichtung aus der Kapitalerhöhung II getilgt werden sollte.

Der Änderung der Tilgungsbestimmung standen keine Hindernisse entgegen. Zwar kann eine einmal getroffene Tilgungsbestimmung des Schuldners nicht einseitig abgeändert werden. Der Tilgungsbestimmung kommt aber rechtsgeschäftlicher oder doch rechtsgeschäftsähnlicher Charakter zu (vgl. BGH NJW 1990, 3195). Sie steht hinsichtlich ihrer bürgerlichrechtlichen Wirkungen zur Disposition der Parteien, kann also mit dem Einverständnis des Gläubigers vom Schuldner dahin geändert werden, dass eine mit einer bestimmten Tilgungsbestimmung erbrachte Leistung nunmehr zusätzlich auch als Erfüllung einer weiteren Schuld gelten soll.

Hier resultiert das zumindest konkludent erteilte Einverständnis der Klägerin mit der Änderung daraus, dass deren damaliger Geschäftsführer van de Kamp im Rahmen der notariellen Verhandlung vom 30.9.1997 als Vertreter der Beklagten die "klarstellende" Änderung der Tilgungsbestimmung beschlossen und in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin der Änderung nicht nur nicht widersprochen, sondern im Gegenteil noch die für das Handelsregister bestimmte Versicherung abgegeben hat, "dass das vorgenannte Grundstück mit dem vorgenannten Wert (scil. 4.95 Mio DM) auf die erhöhte Stammeinlage eingebracht wurde ..."

Der Änderung der Tilgungsbestimmung standen die gläubigerschützenden Vorschriften des GmbHG nicht entgegen. Da die Kapitalerhöhungen noch nicht im Handelsregister eingetragen waren, hätte die Beklagte sie nach ihrem freien Belieben einseitig zurücknehmen und als Alleingesellschafterin der Klägerin, die nichts anderes als einen Vermögensgegenstand der Beklagten darstellte, Vermögen der Klägerin mit Ausnahme der ursprünglichen Stammeinlage von 50.000 DM an sich ziehen, also auch das übertragene Grundstück aus dem Vermögen der Klägerin wieder entnehmen können.

c) Daß keine erneute kommunalaufsichtsrechtliche Genehmigung für die Einbringung des Grundstücks als Sacheinlage zur Deckung der Kapitalerhöhung II eingeholt worden ist, ändert an der eingetretenen Erfüllungswirkung schon deshalb nichts, weil die alleingenehmigungspflichtige Übertragung vor den hier interessierenden Beschlüssen durch Auflassung und Einräumung der Auflassungsvormerkung bzw. durch Eigentumserwerb der Klägerin vollzogen war. Die bloße erweiternde Änderung der Tilgungsbestimmung bedurfte der Genehmigung nach § 90 III GO i. V. m § 63 I LandkreisO Brb nicht.

2. Soweit die Klägerin die Klage hilfsweise auf Ansprüche aus §§ 812 ff. BGB, §§ 9 und § 31 I GmbHG stützt, steht der Durchsetzung dieser Ansprüche die Verjährungseinrede (§ 214 I BGB) entgegen. Etwaige Bereicherungsansprüche der Klägerin sind gem. § 195 BGB i. V. m Art. 229 § 6 IV EGBGB am 31. 12. 2004 verjährt Die Ansprüche aus Differenzhaftung verjährten gem. § 9 II GmbHG a. F., Art. 229 § 6 IV EGBGB mit Ablauf von 5 Jahren ab dem 26. 10. 1997 - Datum der Eintragung der Kapitalerhöhung II -, also im Oktober 2002. Soweit die Klägerin wegen der von ihr an die Beklagte am 13. 5. und 18. 10. 1996 erbrachten Zahlungen Ansprüche auf Erstattung verbotswidrig zurückgezahlten Kapitals geltend macht, verjährten diese gem. § 31 V GmbHG a. F. in fünf Jahren gerechnet vom Abfluß der Gelder, also im Mai und Oktober 2001. Die im Jahre 2005 erhobene Klage konnte daher die Verjährung nicht mehr hemmen.

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 709 ZPO.

III. Die Revision wird zugelassen. Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 56 I GmbHG auch dann erfüllt sind, wenn die nach dieser Vorschrift erforderlichen Angaben auf mehrere Beschlüsse der Gesellschafter verteilt sind, ist soweit ersichtlich bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden.

Ende der Entscheidung

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