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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.09.2006
Aktenzeichen: 6 U 29/06
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 16 Abs. 3
GmbHG § 19
ZPO § 511
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 29/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 12.09.2006

Verkündet am 12.09.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, und die Richterinnen am Oberlandesgericht Eberhard und Dr. Schwonke

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 09.02.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 2 O 59/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteiles Bezug genommen.

Das Landgericht Neuruppin hat mit dem am 09.02.2006 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar obliege es allein dem Beklagten, Umstände für die Erfüllung der übernommenen Einlageverpflichtung substantiiert darzulegen und zu beweisen. Den erforderlichen substantiierten Vortrag habe der Beklagte getätigt. Für die Richtigkeit seines Vortrags sprächen mehrere Indizien, so zum Beispiel, dass in dem das Stammkapital auf 180.000 DM erhöhenden Gesellschafterbeschluss vom 28.11.1995 die Gesellschafter festgehalten hätten, die noch ausstehenden ursprünglichen Stammeinlagen und auch die zusätzlich aufgrund der Erhöhung übernommenen Stammeinlagen seien voll eingezahlt. Auch der Gesellschafterbeschluss vom 22.12.1998, mit dem die Gesellschafter die Fortsetzung des Unternehmens als werbende Gesellschaft beschlossen hätten, enthalte keine Anhaltspunkte dafür, dass zu diesem Zeitpunkt offene Stammeinlagenverpflichtungen bestanden hätten. Gerade bei der Frage der Fortsetzung der Gesellschaft hätte es nahe gelegen, die Frage etwa ausstehender Stammeinlagenzahlungen in besagtem Beschluss anzusprechen. Auch in der notariellen Vereinbarung vom 21.07.1994 seien die Stammeinlagen als voll eingezahlt bezeichnet worden. Zwar könnten alle diese Urkunden nur Beweis dahin erbringen, dass die genannten Erklärungen abgegeben worden seien, nicht jedoch den Beweis für deren inhaltliche Richtigkeit. Der Umstand, dass die Stammeinlagen über einen Zeitraum von insgesamt neun Jahren durchgängig als eingezahlt behandelt worden seien, stelle jedoch einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass diese Erklärungen den Tatsachen entsprochen hätten. Weiter sei der Kläger der Behauptung des Beklagten, der Jahresabschluss 1994 enthalte keine Anhaltspunkte auf noch offene Stammeinlagen, nicht entgegengetreten.

Unter den genannten Umständen dürfe der Kläger sich nicht darauf beschränken, die Einzahlung der Stammeinlagen unter Berufung auf fehlende Zahlungsnachweise zu bestreiten. Zwischen der Gründung der Schuldnerin und der Geltendmachung der Einlageforderung durch den Kläger lägen fast 24 Jahre, zwischen der Stammkapitalerhöhung und der Geltendmachung der Forderung über 18 Jahre. Es könne dem Kläger nicht erlaubt sein, ohne konkrete positive Anhaltspunkte für ein unsachgemäßes Geschehen innerhalb der Schuldnerin die ordnungsgemäße Abwicklung von Geschäftsabläufen mit dem Ergebnis zu bestreiten, dass der Gesellschafter (der Beklagte) sie vollumfänglich zu beweisen habe. Falls die vom Kläger geltend gemachten Forderungen tatsächlich noch offen wären, stehe zu vermuten, dass die Geschäftsunterlagen hierfür Anhaltspunkte enthielten. Solche Anhaltspunkte habe der Kläger nicht benennen können.

Gegen dieses ihm am 01.03.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.03.2006 bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers, welche er mit dem am 24.04.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger meint, das Landgericht habe in Verkennung der Darlegungs- und Beweislast entschieden. Die vom Beklagten benannten Urkunden könnten nicht den Nachweis der Zahlung der Stammeinlage von 60.000,00 DM/30.677,00 € erbringen. Der Umstand, dass die Fälligkeit der Einlagezahlung bereits viele Jahre zurückliege, ändere nichts an den allgemeinen Beweislastregeln der auf §§ 19, 16 Abs. 3 GmbHG gestützten Klageforderung. Den auf Einzahlung des Stammkapitales in Anspruch genommenen Gesellschafter könne in Fällen der vorliegenden Art auch nicht entlasten, dass die Frist zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen im Zeitpunkt der Klagerhebung bereits lange abgelaufen gewesen sei. Der hier geltend gemachte Klageanspruch habe nach altem Recht (§§ 195, 198 BGB a. F.) der 30-jährigen Verjährungsfrist unterlegen, demzufolge habe der Gesellschafter einen Zahlungsnachweis während eines solchen Zeitraumes aufzubewahren.

Der Kläger vertritt ferner die Ansicht, der Vortrag des Beklagten zur Einzahlung der Stammeinlage durch die Veräußerer des Anteiles, die Herren B... und R..., sei bereits nicht hinreichend substantiiert. Es fehle Vortrag dazu, wann genau und wie die jeweiligen Beträge gezahlt worden seien. Auch der weitere Vortrag des Beklagten, die Gründungsgesellschafter hätten zum Zeitpunkt der Erhöhung des Stammkapitals Zahlungen auf das ursprüngliche Stammkapital in Höhe von jeweils 17.500,00 DM geleistet, sei nicht nachvollziehbar; für die Zahlung dieses Betrages fehle es an einer Quittung oder einem anderweitigen Zahlungsbeleg. Auch der Bilanz des Jahres 1994 komme keine Beweiswirkung zu. Es fehle jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass und in welcher Weise sich das die Bilanzierung vornehmende Steuerberatungsunternehmen von der tatsächlichen Erbringung der Stammeinlagen überzeugt habe. Zu substantiiertem Bestreiten sei er, der Kläger, nicht verpflichtet. Da die ihm vorliegenden Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin keinen Hinweis auf die Einzahlung der Stammeinlagen enthielten, könne er diese Zahlung ohne weiteres als nicht gegeben ansehen.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteiles den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 30.677,51 € (60.000,00 DM) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Beklagte beruft sich auf die Verjährung der Stammeinlagenforderung.

Er meint, der Kläger handele rechtsmissbräuchlich. Die einzufordernde Stammeinlage diene nach Sinn und Zweck des Gesetzes dem Gläubigerschutz einer GmbH. Im vorliegenden Falle würden jedoch nach dem eigenen Vortrag des Klägers die Gläubiger im Falle des Obsiegens des Klägers wegen der bestehenden Massekosten und Verbindlichkeiten leer ausgehen. Die eingeforderte Stammeinlage käme nicht den Gläubigern zugute, sondern wäre u. a. dafür zu verwenden, die Verwaltervergütung des Klägers in Höhe von ca. 33.500,00 € auszugleichen. Die Führung eines solchen Prozesses mit dem Ziel, die Taschen des Insolenzverwalters zu füllen, verstoße gegen Treu und Glauben.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht Neuruppin die auf §§ 19, 16 Abs. 3 GmbHG gestützte Klage abgewiesen.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Stammeinlage bereits deshalb nicht zu, weil er den Vortrag des Beklagten nicht in der erforderlichen substantiierten Weise bestreitet.

Bei Veräußerung von Geschäftsanteilen haftet der Erwerber des Anteiles nach seiner Anmeldung bei der GmbH dieser auf Zahlung rückständiger Leistungen auf den Geschäftsanteil; daneben haftet der Veräußerer. Im Rechtsstreit zwischen GmbH bzw. wie hier zwischen Insolvenzverwalter und Erwerber trifft letzteren als Schuldner der Einlage die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung.

Der Beklagte, der für sich selbst nicht in Anspruch nimmt, Zahlungen auf die Stammeinlagen geleistet zu haben, ist seiner Darlegungslast nachgekommen. Er hat eine Vielzahl von Umständen dargelegt, die den Schluss auf die Erfüllung der Stammeinlagenverpflichtung durch den Veräußerer zulassen. Bei Bewertung seines Vortrages ist zu berücksichtigen, dass er nicht Gründungsgesellschafter der Schuldnerin gewesen ist, sondern in die Gesellschafterstellung erst weit nach dem Eintritt der Fälligkeit der Stammeinlagen (28.11.1985) eingerückt ist, nämlich erst im Jahre 1994. Über unmittelbare eigene Erkenntnisse kann der Beklagte daher nicht verfügen.

Soweit der Beklagte sich im Rahmen seiner Darlegungslast auf die Erklärungen der Gründungsgesellschafter in verschiedenen Gesellschafterbeschlüssen berufen hat, kommt diesem Vortrag durchaus Gewicht zu. Es kann nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Gründungsgesellschafter vor dem Notar falsche Erklärungen abgegeben haben. Für die Richtigkeit dieser Erklärungen spricht, dass bei Fehlen des beträchtlichen Stammkapitales von 180.000,00 DM seit November 1985 das Eintreten einer wirtschaftlichen Krise bei der GmbH in den nachfolgenden Jahren nahe gelegen hätte. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Erst in 2003 ist es zur Insolvenz der Gesellschaft gekommen.

Weiter spricht für die Richtigkeit der Erklärungen der Gründungsgesellschafter, dass Gesellschafter die Zufuhr von neuem Stammkapital in der Regel nur dann beschließen, wenn die Möglichkeit des Kapitalzuflusses durch Einfordern noch offener Stammeinlagen nicht mehr gegeben ist.

Schließlich weist auch das vom Beklagten in Bezug genommene Schreiben der E... Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 05.12.1995 keine offenen Stammeinlagenforderungen der GmbH auf. Dieses Schreiben der Treuhandgesellschaft befasst sich mit den Forderungen und Verbindlichkeiten der GmbH, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens des damaligen Alleingesellschafters B... (31.07.1994) entstanden waren und laut notariellem Vertrag vom 21.07.1994 auf diesen übergehen sollten.

Schließlich hat der Beklagte unter Berufung auf die vormaligen Gesellschafter B... und R... als Zeugen vorgetragen, dass das ursprüngliche Stammkapital vor dem 28.11.198, das erhöhte Stammkapital am 29.11.1985 durch diese Gesellschafter gezahlt worden sei. Damit hat der Beklagte zunächst seiner Darlegungslast genüge getan. Es würde eine Überspannung der Darlegungslast darstellen, wollte man von dem Beklagten, der selbst weder an der Gründung der GmbH noch an der Stammkapitalerhöhung mitgewirkt hat, präzisen Vortrag zu einem ca. 20 Jahre zurückliegenden Datum der Zahlung und der Art und Weise derselben verlangen.

Der Kläger ist diesem Vortrag des Beklagten nicht in der erforderlichen substantiierten Weise entgegengetreten, so dass sich die Frage etwaiger Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme nicht stellt.

Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, in welcher Weise der Insolvenzverwalter in Rechtstreitigkeiten der vorliegenden Art den Vortrag des beklagten Gesellschafters zur fehlenden Stammeinlagenzahlung zu bestreiten hat. Bei Bemessung der Anforderungen an das Bestreiten ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass ein Anspruch gegen den Beklagten nach § 16 Abs. 3 GmbHG nur gegeben ist, wenn der Veräußerer nicht oder nicht den erforderlichen Betrag auf die Stammeinlage gezahlt hat.

Das Bestreiten des Klägers ist ungenügend. Er legt nicht dar, inwiefern er nach den Ausführungen des Beklagten immer noch konkrete Anhaltspunkte für die fehlende Zahlung sieht. Der bloße Verweis auf die fehlenden Zahlungsbelege ist nicht ausreichend. Der Umstand, dass Zahlungsnachweise in den Geschäftsunterlagen der Schuldnerin nicht vorhanden sind, kann allein seine Behauptung der fehlenden Zahlung nicht stützen. Da die Aufbewahrungsfrist für diese Geschäftsunterlagen längst abgelaufen war (§ 257 Abs. 4 HGB), kann der Kläger aus dem Umstand der fehlenden Handelsbücher keine negativen Schlüsse zu Lasten des Beklagten ziehen. Es ist in diesem Zusammenhang insbesondere nicht zulässig, die fehlende Erfüllung von Stammeinlagen als Regel zu unterstellen und unter bloßen Berufung auf fehlende, nicht mehr der Aufbewahrungspflicht unterliegende Geschäftsunterlagen nach Ablauf eines langen Zeitraumes zu bewirken, dass auf das einfache Bestreiten eines Insolvenzverwalters die Gesellschafter zur Neuaufbringung auch erheblicher Stammeinlagen verpflichtet werden (so auch Kammergericht, NZG 2005, 46).

Der Vortrag des Klägers, seine Erkundigungen bei Notariaten und dem Handelsregister wegen Zahlung von Stammeinlagen seien ohne Ergebnis geblieben, erfüllt nicht die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten. Es ist bereits nicht ersichtlich, welchen Erkenntnisgewinn sich der Kläger davon erwartet haben will. Die Einzahlungsbelege, welche er allein als Nachweis gelten lassen will, sind üblicherweise weder in den Notar- noch in den Registerakten enthalten.

Soweit der Kläger sich auf (ergebnislose) Nachforschungen beim Geschäftsführer der Schuldnerin beruft, ist bereits nicht ausgeführt, um welchen im Verlauf der Zeit wechselnden Geschäftsführer es sich dabei handeln soll.

Dass er Nachforschungen bei den Gründungsgesellschaftern der Schuldnerin bzw. dem Veräußerer des Geschäftsanteiles, Herrn B..., mit welchem Ergebnis angestellt hat, legt der Kläger nicht dar.

Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob die Geltendmachung ausstehender Stammeinlagen durch den Kläger im vorliegenden Falle rechtsmissbräuchlich ist, wie der Beklagte meint. Dem Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass im vorliegenden Falle eine vernünftige, mit eigenen Mitteln prozessierende Privatpartei eine Klage gegen den Beklagten nicht erheben würde, ohne sich vorher bei den über unmittelbare Erkenntnisse verfügenden Gründungsgesellschaftern bzw. bei dem Anteilsveräußerer B... über die Zahlung der Stammeinlage kundig gemacht zu haben. Ob der Anspruch gegen den Beklagten gegeben ist, hängt nämlich ausschließlich vom Verhalten dieser Gesellschafter vor dem Zeitpunkt der Veräußerung des Gesellschaftsanteiles ab (§ 16 Abs. 3 GmbHG).

Auf die Verjährung des Anspruches kommt es nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO gegeben sind. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Die hier klärungsbedürftige Frage des Umfanges der sekundären Darlegungslast des Insolvenzverwalters kann künftig in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten.

Ende der Entscheidung

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