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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.01.2007
Aktenzeichen: 6 U 54/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 281
BGB § 281 Abs. 1 Satz 2
BGB § 281 Abs. 2
BGB § 281 Abs. 2 Satz 1
ZPO §§ 883 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 54/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 16.01.2007

Verkündet am 16.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König und die Richterinnen am Oberlandesgericht Eberhard und Dr. Schwonke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 26.05.2006 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 10 O 654/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht Potsdam hat mit dem am 26.05.2006 verkündeten Urteil den Beklagten entsprechend dem Klageantrag verurteilt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin sei vor Erhebung der streitgegenständlichen Schadensersatzklage nicht verpflichtet gewesen, dem im Rechtsstreit 10 O 331/03 erwirkten Herausgabetitel gegen den Beklagten unter Inanspruchnahme staatlicher Vollstreckungsorgane Geltung zu verschaffen. Die Klägerin als Gläubigerin der zu bewirkenden Herausgabeleistung könne unter den Voraussetzungen des § 281 BGB, welche im vorliegenden Falle erfüllt seien, Schadensersatz statt Nichterfüllung verlangen. Der mit 16.000,- € bezifferte Schadensersatzanspruch sei nicht zu beanstanden.

Betreffend die Bestimmung des Marktwertes des Fahrzeuges sei dem Beklagten im Übrigen der Vorwurf der Beweisvereitelung zu machen. Dieser habe durch Verbringung des Fahrzeuges an einen weder der Klägerin noch dem Gericht mitgeteilten Ort eine Feststellung des Zustandes des Fahrzeuges unmöglich gemacht.

Gegen dieses ihm am 01.06.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.06.2006 bei Gericht eingegangene Berufung des Beklagten, welche er mit dem am 24.07.2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Beklagte meint, die Klägerin hätte vor Erhebung der Schadensersatzklage zunächst zwingend gegen ihn aus dem Herausgabetitel die Vollstreckung betreiben müssen. Die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz hätte ferner nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vollstreckungstitels erfolgen dürfen.

Der Beklagte meint ferner, die Klägerin habe den geltend gemachten Schaden der Höhe nach nicht hinreichend dargetan. Unzulässigerweise habe das Landgericht eigene Internetrecherchen zum Wert des Fahrzeuges angestellt und diese bei der Entscheidungsfindung verwertet, ohne den Parteien die ermittelten Umstände zur Kenntnis gebracht zu haben.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.01.2007 hat die Klägerin dem Beklagten die vollstreckbare Ausfertigung des im Verfahren 10 O 331/03 (Landgericht Potsdam) erwirkten Herausgabeurteiles ausgehändigt.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Klägerin behauptet, für das Fahrzeug Typ Fleur de Lys Newark würden auf dem einschlägigen Markt selbst bei Vorliegen von Motorschäden und hoher Laufleistung Liebhaberpreise gezahlt werden, die die Klageforderung deutlich übersteigen würden. Der geltend gemachte Betrag sei der Mindestwert des Fahrzeuges.

Entscheidungsgründe:

Nachdem die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung den Herausgabetitel an den Beklagten herausgegeben hat und damit dem Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nicht mehr zusteht, bleibt die zulässige Berufung des Beklagten insgesamt ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht Potsdam den Beklagten verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 16.000,-€ zu leisten (§§ 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 4, 280, 249 BGB).

Der Beklagte ist im Rechtsstreit 10 O 331/03 rechtskräftig zur Herausgabe des Fahrzeuges, Typ Fleur de Lys Newark mit dem amtlichen Kennzeichen ..., verurteilt worden.

Der Leistungsverpflichtung aus diesem Urteil ist der Beklagte bislang nicht nachgekommen. Dass er diese Pflichtverletzung - die fehlende Herausgabe - nicht zu vertreten hat, muss der Beklagte beweisen (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 281 Rdnr. 16).

Sein Vorbringen, er sei zur Herausgabe außerstande, da er das Fahrzeug wegen Weiterveräußerung bereits während des Betreibens des Vorprozesses (10 O 331/03) nicht besessen habe, ist im Hinblick auf den rechtskräftigen Herausgabetitel nicht geeignet, das Verschulden im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen zu lassen.

Entgegen der Ansicht des Beklagten war die Klägerin vor Erhebung der Schadensersatzklage nicht gehalten, zunächst eine Vollstreckung des Herausgabetitels unter Inanspruchnahme staatlicher Vollstreckungsorgane zu betreiben. Eine derartige Verpflichtung existiert von Gesetzes wegen nicht.

Die vom Beklagten bemühten Vorschriften der §§ 883 ff. ZPO kommen nur dann zur Anwendung, wenn die Gläubigerin sich zur Einleitung der Zwangsvollstreckung entschließt.

Die Klägerin kann von ihrem Herausgabeanspruch auf den Schadensersatzanspruch "wechseln", da der Beklagte seiner Herausgabeverpflichtung bislang nicht nachgekommen ist. Voraussetzung für diesen "Wechsel" ist grundsätzlich eine Fristsetzung im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine solche Fristsetzung ist jedoch entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, § 281 Abs. 2 BGB. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Unstreitig hat die Klägerin ihr Herausgabeverlangen gegenüber dem Beklagten manifestiert, indem sie die Mitarbeiterin eines Auktionshauses zum Beklagten geschickt hat, um die Übergabe des Fahrzeuges zu erwirken. Dies hat der Beklagte verweigert. Auch der Umstand, dass der Beklagte von Anfang an, also bereits im Herausgaberechtsstreit erklärt hatte, das Fahrzeug nicht mehr zu besitzen, also zur Herausgabe außerstande zu sein, ferner, dass der Beklagte im streitgegenständlichen Rechtsstreit vor dem Landgericht Potsdam auf die Frage, ob er zur Herausgabe bereit sei, hat erklären lassen, er sehe der Zwangsvollstreckung betreffend Herausgabe entgegen, führt zu dem Schluss, der Beklagte wolle das Fahrzeug nicht herausgeben. Dies macht eine Fristsetzung im Sinne von § 281 Abs. 2 Satz 1 BGB entbehrlich.

Der Klage ist auch in der geltend gemachten Höhe zu entsprechen.

Die Klägerin kann im Rahmen ihres Schadensersatzanspruches verlangen so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn der Beklagte das Fahrzeug herausgegeben hätte. Zu erstatten ist der Marktwert des Fahrzeuges zum Zeitpunkt des fruchtlosen Herausgabeverlangens (Palandt/ Heinrichs, a. a. O. § 281 Rdnr. 34). Zwar ist der genaue Zeitpunkt, zu welchem die Mitarbeiterin des Auktionshauses die Herausgabe des Fahrzeuges namens der Klägerin gefordert hat, nicht näher bekannt. Letztlich kommt es darauf aber nicht an.

Es ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung im vorliegenden Verfahren der Zeitwert des Fahrzeuges bei 16.000,- € gelegen hat (§ 287 ZPO).

Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass die Klägerin hinsichtlich der Schätzung des Zeitwertes nur wenige Bemessungsgrundlagen vorgetragen hat.

Der Vortrag der Klägerin reicht für eine schlüssige Klage der Höhe nach jedoch aus.

Der Klageschrift nebst Anlagen ist zu entnehmen, dass das Fahrzeug mit Übereignung vom 08.04./17.06.1994 der Klägerin zu Sicherungseigentum übertragen worden ist von der Gemeinschuldnerin, deren Geschäftsführer der Vater des Beklagten war. Die Gemeinschuldnerin hatte zu dem genannten Zeitpunkt den Wert des Fahrzeuges mit 109.026,- DM (entspricht 55.744,11 € beziffert). Aus den beigezogenen Akten des Vorprozesses ergibt sich ferner, dass ausweislich der darin enthaltenen Rechnung das fabrikneue Fahrzeug an die Gemeinschuldnerin mit Rechnung vom 25.11.1992 zu einem Kaufpreis von brutto 127.367,64 DM geliefert worden ist.

Ausgehend von diesen Daten und ferner von dem Umstand, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen Oldtimer-Nachbau handelt, der nicht zum regelmäßigen Einsatz im öffentlichen Verkehr sondern vielmehr zu Werbemaßnahmen bestimmt ist, ist ein Marktwert im Zeitpunkt der Klageerhebung im vorliegenden Verfahren (Dezember 2005) von 16.000,- € durchaus nachvollziehbar. Ausgehend von einem Anschaffungswert im Jahre 1992 in der zitierten Höhe hätte sich dann nämlich der Wertverlust des Fahrzeuges bis zur Klageerhebung in 11 Jahren um ca. 70 % verringert, also pro Jahr um ca. 6,3 %. Dieser, von der Klägerin zwar nicht explizit vorgerechnete Wertverlust, der sich jedoch unschwer aus der Klageschrift und ihren Anlagen ergibt, erscheint plausibel.

Auf die vergleichenden Betrachtungen - und nur um solche handelte es sich hier -, die das Landgericht unter Hinzuziehung von Informationen aus dem Internet und Fachzeitschriften zu Preisen des Oldtimer-Fahrzeuges angestellt hat, kommt es nicht an.

Es wäre nun Angelegenheit des Beklagten gewesen, zum Zustand des Fahrzeuges und dem daraus resultierenden Marktwert substantiiert vorzutragen.

Der Beklagte ist der Einzige in diesem Rechtsstreit, der Kenntnis vom Aufenthaltsort des Fahrzeuges hat, jedenfalls Kenntnis vom letzten Käufer des Fahrzeuges. Die Weitergabe dieser Kenntnis an die Klägerin und auch an das Gericht hat der Beklagte in beiden Prozessen verweigert.

Da es der Klägerin, welche niemals in unmittelbarem Besitz des Fahrzeuges war, unmöglich ist, weitere wertbemessende Umstände vorzutragen, obliegt es dem Beklagten als vormaligen Besitzer, wertbemessende bzw. wertmindernde Umstände darzulegen. Entsprechender Vortrag fehlt gänzlich.

Auf die Frage, ob im vorliegenden Falle bereits eine Umkehr der Beweislast eingetreten ist, wie das Landgericht meint, kommt es nicht an.

Dem Beklagten war nicht entsprechend seinem Antrag Gelegenheit zu weiterem Vortrag betreffend den Marktwert des Fahrzeuges nach der mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszuge zu gewähren.

Dem angefochtenen Urteil konnte der Beklagte deutlich entnehmen, dass das Landgericht den Vortrag der Klägerin zur Höhe des Schadensersatzanspruchs für ausreichend erachtet und dem Beklagten die Beweislast für einen geringeren Marktwert auferlegt.

Der Beklagte war daher gehalten, bereits in der Berufungsbegründungsschrift diejenigen Umstände vorzutragen, die zu einer geringeren Wertbemessung führen (§ 520 Abs. 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Zwar hätte in I. Instanz eine Verurteilung zur Schadensersatzleistung nur erfolgen dürfen Zug um Zug gegen Herausgabe des vollstreckbaren Titels aus dem Verfahren 10 O 331/03 ( § 281 Abs. 4 BGB), so dass die Berufung zu einem Teil begründet gewesen ist. Dieser Teil fällt jedoch wertmäßig nicht ins Gewicht.

Der Wert der teilweisen Klageabweisung bzw. des erfolgreichen Rechtsmittels hätte sich höchstens auf 500,- € belaufen (§ 3 ZPO). Bei Bemessung des Wertes ist zu berücksichtigen, dass das Interesse des Schuldners im Falle einer Sachlage nach § 281 BGB darauf gerichtet ist, neben dem Schadensersatzanspruch nicht noch Vollstreckungshandlungen aus einem Herausgabetitel ausgesetzt zu sein.

Der Wert von 500,- € fällt im Hinblick auf den Streitwert von 16.000 € nicht ins Gewicht. Ein Kostensprung in der Gebührentabelle wäre durch die teilweise Klageabweisung bzw. Urteilsabänderung in der Berufung nicht ausgelöst worden (§ 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO (in der Fassung des zweiten Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006).

Ende der Entscheidung

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