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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: 6 W 227/06
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 227/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard - als Einzelrichterin -

am 18. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 23. August 2006 - 10 O 634/05 - teilweise abgeändert unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen.

Die auf Grund des Vergleiches des Landgerichts Potsdam vom 27.4.2006 von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 822,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) ab dem 17.5.2006 festgesetzt.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 1/7, der Beklagte 6/7.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 967,86 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Nach Vergleich der Parteien vom 27.4.2006 tragen die Kosten des Rechtsstreits die Klägerin zu 1/3, der Beklagte zu 2/3.

Mit Antrag vom 16.5.2006 hat die Klägerin um Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten

im Wege der Ausgleichung (§ 106 ZPO) nachgesucht.

Dabei hat sie unter anderem die Festsetzung von außergerichtlichen Kosten der für sie vor dem Landgericht Potsdam am 27.4.2006 aufgetretenen unterbevollmächtigten Rechtsanwältin begehrt.

Insgesamt hat die Klägerin zur Festsetzung den Betrag von 2.013,53 € angemeldet.

Auf Anfrage der Rechtspflegerin bei dem Landgericht hat die Klägerin mitgeteilt, dass die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten vom Sitz dessen Kanzlei in München zum Ort des Prozessgerichts sich auf ca. 400 € belaufen würden (Flug mit Fluglinie DBA).

Die Klägerin verfügt über eine Niederlassung in Berlin. Weder in München noch in Berlin unterhält die Klägerin eine Rechtsabteilung, die mit der Beauftragung von Fällen aus dem Bereich des Vertriebsrechts beauftragt ist und über das entsprechende rechtskundige Personal verfügt.

Mit Beschluss vom 23.8.2006 hat das Landgericht Potsdam die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 555,82 € festgesetzt. Dabei hat es weder die fiktiven Reisekosten des Klägervertreters von München zum Ort des Prozessgerichts noch die angemeldeten Kosten der unterbevollmächtigten Rechtsanwältin für erstattungsfähig erachtet.

Gegen diesen ihr am 30.8.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 4.9.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie weiterhin um Festsetzung der außergerichtlichen Kosten, wie angemeldet, nachsucht.

Das Landgericht Potsdam hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig.

Sie hat Erfolg, soweit die Festsetzung (fiktiver) Reisekosten des Klägervertreters von München zum Ort des Prozessgerichts in Betracht kommt. Die darüber hinausgehenden Kosten der unterbevollmächtigten Rechtsanwältin sind nicht erstattungsfähig.

Beauftragt eine vor einem auswärtigen Gericht klagende Partei einen in der Nähe ihres Wohnsitzes ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer gerichtlichen Vertretung, so sind die Kosten des von diesem Anwalt eingeschalteten Unterbevollmächtigten am Gerichtsort jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn sie die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten vom Sitz seiner Kanzlei zum Ort des Prozessgerichts nicht erheblich übersteigen (BGH, MDR 2005, 177).

Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende Partei ist in der Regel als eine Maßnahme zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzusehen, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist. Bei Unternehmen, welches laufend Rechtsstreitigkeit zu führen hat, ist auch das Interesse zu berücksichtigen, mit besonders sachkundigen Rechtsanwälten seines Vertrauens am Ort zusammenzuarbeiten (BGH, MDR 2005, 417).

Etwas anderes gilt dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des Hauptbevollmächtigten feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht erforderlich sein wird. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt.

Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall.

Die Klägerin muss sich bei der Beurteilung, ob ihre Aufwendungen zur Rechtsverteidigung notwendig waren, auch nicht so behandeln lassen, als habe sie eine Rechtsabteilung eingerichtet bzw. sei zur Einrichtung einer solchen verpflichtet gewesen (BGH MDR 2005, 417).

Der Prozessgegner hat es nämlich hinzunehmen, dass er die erforderlichen Kosten eines als Hauptbevollmächtigten eingeschalteten Rechtsanwaltes regelmäßig zu tragen hat, während die Kosten einer Rechtsabteilung nicht auf ihn abgewälzt werden können. Den zitierten, vom Bundesgerichtshof aufgestellten rechtlichen Grundsätzen genügt der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam nicht.

Der Klägerin war es in kostenrechtlicher Hinsicht gestattet, zur Verfolgung ihrer Rechte sich eines am Ort ihres Unternehmens ansässigen Rechtsanwaltes zu bedienen. Der Sitz der Hauptniederlassung der Klägerin ist in München.

Die Klägerin muss sich nicht darauf verweisen lassen, am Ort ihrer Zweigniederlassung in Berlin einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Nach dem glaubhaften Vortrag der Klägerin nimmt die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten laufend vertriebsrechtliche Fälle der streitgegenständlichen Art für die Klägerin wahr. Für Überlegungen betreffend die Zweckmäßigkeit des Handelns der Klägerin bzw. deren Verpflichtung zur Kostenersparnis ist in diesem Zusammenhang kein Raum. Im Rahmen der Kostenerstattung kommt es auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der Partei an und nicht darauf, welche Organisation als zweckmäßiger anzusehen sein könnte (BGH, NJW-RR 2004, 430).

Die vom Landgericht angestellte Überlegung, die Klägerin habe das Mahnverfahren selbständig durchgeführt, die vorliegende Angelegenheit sei als nicht übermäßig schwierig anzusehen und betreffe die normale Geschäftstätigkeit der Klägerin, kann nicht zur Verweigerung der Kostenerstattung hinsichtlich fiktiver Reisekosten des Klägervertreters führen.

Die Parteien haben im Rechtsstreit über die Berechtigung gezahlter Vermittlerprovisionen gestritten. Ob es sich dabei um einen einfach gelagerten Rechtsstreit handelt, der ein persönliches Gespräch zwischen Partei und Anwalt ausnahmsweise nicht erforderlich macht, kann eine Partei in der Regel zu Beginn eines Rechtsstreits nicht überschauen. Ob ein Rechtsstreit einfach oder kompliziert gelagert ist, hängt darüber hinaus wesentlich vom Verhalten der Gegenseite des Prozesses ab.

So hat sich die Klägerin bei Einleitung des Rechtsstreits durchaus "kostenbewusst" verhalten, in dem sie für die Beantragung des Mahnbescheides keinerlei anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hat. Nachdem der Beklagte Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt hatte, konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, der Beklagte werde nach Anspruchsbegründung die Klageforderung anerkennen. Die Beauftragung des an ihrem Geschäftssitz ansässigen, ständig mit der Vertretung derartiger Rechtsstreitigkeiten beauftragten Klägervertreter ist daher nicht zu beanstanden (BGH NJW 2003, 898).

Die Klägerin kann daher die Festsetzung der fiktiven Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten vom Sitz seiner Kanzlei zum Ort des Prozessgerichts von dem Beklagten erstattet verlangen.

Die Reisekosten von München nach Potsdam einschließlich Abwesenheitsgeld sind entsprechend den Angaben der Klägerin auf 400 € zu veranschlagen. Der Anwalt hätte sich auch des Flugzeuges bedienen dürfen; per Anreise auf dem Landwege wäre zu berücksichtigen gewesen, dass eine Übernachtung am Ort des Prozessgerichtes angefallen wäre. Zwischen München und Potsdam liegen (Hin- und Rückweg) mehr als 1.000 km.

Auf Seiten der Klägerin sind daher außergerichtliche Kosten von 1.795,48 € als erstattungsfähig anzusehen.

Hiervon hat der Beklagte den Betrag von 731,83 € zu erstatten.

Unter Hinzusetzung von Gerichtskosten (90,66 €) ergibt sich der festzusetzende Betrag von 822,49 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit ihrer Beschwerde die Festsetzung der Kosten der unterbevollmächtigten Rechtsanwältin in voller Höhe begehrte. Bei Berücksichtigung dieses Begehrens wäre ein Betrag von 967,86 € zu Gunsten der Klägerin festzusetzen gewesen.

Der Streitwert war gemäß § 47 GKG festzusetzen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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