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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 6 W 52/09
Rechtsgebiete: BGB, RPflG, ZPO, JVEG


Vorschriften:

BGB § 247
RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 2 2. HS
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 569 Abs. 1
JVEG § 5 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts vom 11.3.2009 - 2 O 20/08 - teilweise aufgehoben und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Auf Grund des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 29.9.2008 werden die von dem Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf weitere 165,00 € (i. B. einhundertfünfundsechzig EUR und 0/00) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab dem 9.10.2008 festgesetzt.

Im Übrigen wird der ergänzende Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 9.10.2008 zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Beklagte 3/4, der Kläger 1/4 zu tragen.

Gründe:

I.

Der Kläger hat den Beklagten auf Unterlassung vermeintlich ehrenrühriger Behauptungen in Anspruch genommen. Er hat zunächst Klage vor dem Landgericht Potsdam erhoben, das den Rechtsstreit streitwertbedingt an das Amtsgericht Nauen verwiesen hat. Der Beklagte, der in 24238 Martensrade wohnhaft ist, ließ sich zunächst von einem in Kiel geschäftsansässigen Rechtsanwalt vertreten. Er beauftragte nach Verweisung einen in Berlin geschäftsansässigen Rechtsanwalt. Das Amtsgericht beraumte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 30.7.2008, 11 Uhr 20, an. Der Kläger erweiterte die Klage mit Schriftsatz vom 28.7.2008. Das Amtsgericht Nauen wies durch Verfügung vom 29.7.2008 darauf hin, dass der Streitwert nunmehr über 5.000 € liegen und das Amtsgericht unzuständig geworden sein dürfte. Mit Telefax vom selben Tage beantragte der Kläger hilfsweise Verweisung an das Landgericht Potsdam. Das Amtsgericht hob am Nachmittag des 29.7.2008 den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.7.2008 auf. Das Amtsgericht Nauen hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 6.8.2008 an das Landgericht Potsdam verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 7.1.2009 auf Antrag des Beklagten die von dem Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.359,58 € festgesetzt. Dabei handelt es sich um die anwaltlichen Gebühren seines zweiten Prozessbevollmächtigten.

Mit Schriftsatz vom 9.10.2008 hat der Beklagte beantragt, auch die anwaltlichen Gebühren seines ersten Prozessbevollmächtigten sowie seine Fahrtkosten zum beim Amtsgericht Nauen anberaumten Termin am 30.7.2008 festzusetzen, insgesamt 654,45 €. Das Landgericht hat diesen ergänzenden Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom 11.3.2009 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss, der ihm am 12.3.2009 zugestellt worden ist, wendet sich der Beklagte mit seiner am 24.3.2009 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 26.3.2009 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Wert der Beschwer beträgt für den Beklagten 654,45 € und übersteigt damit den Beschwerdewert von 200 €.

Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

1.) Das Rechtsmittel kann allerdings insoweit keinen Erfolg haben, als der Beklagte die anwaltlichen Gebühren seines ersten Prozessbevollmächtigten festgesetzt wissen will. Nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Keiner der beiden Fälle liegt hier vor. Die Kosten beider Prozessbevollmächtigte übersteigen die Kosten eines Rechtsanwalts. Es musste auch nicht in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten. Denn jeder Rechtsanwalt ist vor dem Familiengericht, dem Landgericht und dem Oberlandesgericht postulationsfähig. Der erste, an seinem Wohnort geschäftsansässige Prozessbevollmächtigte des Beklagten, hätte ihn mithin vor jedem deutschen Gericht vertreten können. Eine Verweisung von einem deutschen Gericht an ein anderes kann deshalb kein im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigender Grund für einen Anwaltswechsel und für die Annahme der Erstattungsfähigkeit der Kosten für zwei Rechtsanwälte sein.

Dass der Anwaltswechsel offenbar auch im Hinblick auf die erhebliche Entfernung der Kanzlei des ersten Beklagtenvertreters vom Gerichtsort erfolgt ist und zum Ziel hatte, die anwaltlichen Reisekosten gering zu halten, kann im vorliegenden Verfahren im Rahmen der Kostenfestsetzung nicht berücksichtigt werden. Zum einen können nur Kosten eines zur Ersparung anwaltlicher Reisekosten eingeschalteten unterbevollmächtigten Rechtsanwalts erstattungsfähig sein, nicht die darüber liegenden Kosten eines neuen Prozessbevollmächtigten. Zum anderen sind anwaltliche Reisekosten hier überhaupt nicht entstanden, weil der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht aufgehoben worden ist und das Landgericht im Einverständnis der Parteien im schriftlichen Verfahren entschieden hat. Die große Entfernung zwischen Gerichtsort und Kanzleisitz des ersten Beklagtenvertreters hat mithin zu keinerlei Mehrkosten gegenüber der Mandatierung eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts geführt.

2.) Die sofortige Beschwerde hat allerdings insoweit Erfolg, als es die Kosten der Anreise des Beklagten zum kurzfristig aufgehobenen Termins vor dem Amtsgericht Nauen angeht. Insoweit ist der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Erstattung verpflichtet.

Parteireisekosten sind grundsätzlich erstattungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn die Partei anwaltlich vertreten ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das persönliche Erscheinen der Partei angeordnet war oder nicht (OLG Brandenburg, MDR 200, 1216). Grundsätzlich gilt, dass die Anwesenheit der Partei im Verhandlungstermin in aller Regel die rasche Erledigung des Rechtsstreits fördert. Ein Ausnahmefall ist hier nicht ersichtlich.

Erstattet werden müssen auch vergeblich aufgewendete Reisekosten der Partei, wenn sie für die Terminswahrnehmung notwendig waren. Dies gilt ebenso wie für den Fall, dass unnütze Kosten dadurch entstehen, dass ein Unterbevollmächtigter beauftragt wird und der Termin zur mündlichen Verhandlung, den der Unterbevollmächtigte für den Prozessbevollmächtigten wahrnehmen soll, aufgehoben wird (OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.7.2008, 12 W 1464/08, MDR 2008, 1126, zitiert nach Juris).

Bei der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten notwendig sind, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf dabei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen.

Dem Beklagten wäre eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln am Terminstag wegen der ungünstigen Verbindungen nicht möglich gewesen. Wenn er mit der Bahn angereist wäre, hätte er in jedem Fall am Vortag anreisen müssen. Eine Anreise am Terminstag mit dem Pkw wäre dagegen möglich gewesen, weil der Beklagte 330 km vom Gerichtsort entfernt wohnt und bei günstigen Verkehrsverhältnissen und sehr frühzeitigem Aufbruch am Terminstag Hin- und Rückfahrt mit dem eigenen Pkw und Terminswahrnehmung an einem einzigen Tag hätte bewerkstelligen können. Er hätte allerdings bei einem Stau riskiert, zum Termin nicht pünktlich zu erscheinen. Der Beklagte hat sich entschlossen, die Anreise zum Gericht nicht am Terminstag, sondern am Vortag vorzunehmen. Diese Anreise war bei einer Betrachtung ex ante "notwendig" i. S. von § 91 Abs. 1 ZPO.

Hier geht es nicht um die Frage, ob der Beklagte vom Kläger die Kosten einer Übernachtung erstattet verlangen kann, weil er am Vortag angereist ist, sondern darum, ob er damit rechnen musste, dass es zu einer kurzfristigen Terminsaufhebung kommt, so dass eine Anreise zum Gerichtsort am Vortag des Termins - zu weniger stauträchtiger Zeit - möglicherweise vergeblich sein könnte. Das ist hier nicht der Fall.

Der Termin war fast drei Monate vorher bestimmt worden. Es gab keine Anzeichen dafür, dass der Termin möglicherweise nicht stattfinden würde. Die Terminsaufhebung ist vielmehr auf ein Verhalten des Klägers - eine Klageerweiterung zwei Tage vor dem Termin - zurückzuführen, die bei Gericht am Nachmittag des 28.7.2008 per Telefax, im Original am 29.7.2008 einging. Hiervon hat der Kläger den Beklagtenvertreter nicht direkt unterrichtet, dies hat vielmehr erst das Gericht am Morgen des 29.7.2008 veranlasst und auf die nunmehr nicht mehr gegebene amtsgerichtliche Zuständigkeit hingewiesen. Der hilfsweise gestellte Verweisungsantrag der Klägervertreter ging am 29.7.2009 um 11 Uhr 08 bei Gericht ein. Über die Terminsaufhebung wurden die Parteivertreter um 13 Uhr 30 informiert. Nicht informiert waren damit die Parteien persönlich. Der Beklagtenvertreter hat vorgetragen, dass es ihm erst in den frühen Nachmittagsstunden gelungen ist, den Beklagten telefonisch zu erreichen, als dieser bereits am Gerichtsort angekommen war.

Bei einer derartigen Sachlage kann es einer Partei erstattungsrechtlich nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie sich entschließt, statt am Terminstag, einen Tag vorher anzureisen, um die Anstrengungen der Reise auf zwei Tage zu verteilen.

Die Höhe der geltend gemachten Fahrtkosten von 0,25 € für gefahrene 660 km ist nicht zu beanstanden, §§ 91 Abs. 1 Satz 2 2. HS ZPO, 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG. Die Entfernung zwischen Wohnort des Beklagten und Gericht beträgt ausweislich der gängigen Routenplaner bei 325 km, die geltend gemachten Mehrkilometer sind geringfügig und durch Parkplatzsuche u. ä. erklärbar.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes unterbleibt, weil sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Beschwerdeverfahren wird eine Festgebühr erhoben, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt, Nr. 1812 KV GKG, anderenfalls entstehen keine Gerichtsgebühren.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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