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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: 6 W 8/05
Rechtsgebiete: ZPO, UWG, BGB, RBerG, PflVG


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 256 I
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1 n.F.
UWG § 8 V
UWG § 13 V a. F.
BGB § 12
BGB § 249
BGB § 823
BGB § 1004 Abs. 1
RBerG § 1
PflVG § 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 8/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts am 25. 1. 2005 durch

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. 10. 2004 abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldner auferlegt.

Die Beklagten haben auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 5.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Klägerin betreibt ein Versicherungsunternehmen, das unter anderem Kfz- Pflichtversicherungen anbietet. Die Beklagten sind Rechtsanwälte.

In der Schadenssache M. teilte die Klägerin, die zum Ersatz des durch einen ihrer Versicherungsnehmer zu verantwortenden Schadens verpflichtet war, mit Schreiben vom 18.03.2003 dem Geschädigten mit, die von ihm eingereichte, nach Pauschalpositionen aufgestellte Sachverständigenrechnung des Sachverständigen Q. sei nicht prüfbar. Da der Sachverständige die Rechnung nicht aufgeschlüsselt habe, sei die Vergütung bisher nicht bezahlt worden. Abschließend heißt es:

"Für den Fall, dass vom Sachverständigenbüro Q. gerichtliche Schritte gegen Sie (und uns) eingeleitet werden, möchten wir Sie bitten, unseren folgenden Hinweis zu beachten, damit Ihnen keine Nachteile entstehen:

o) Wenn Sie einen Mahnbescheid erhalten, müssen Sie innerhalb von 14 Tagen beim zuständigen Gericht ohne Begründung Widerspruch erheben. Senden Sie uns den Mahnbescheid und eine Kopie Ihres Widerspruchsschreibens umgehend zu.

o) Eine Klageschrift leiten Sie bitte unverzüglich an uns weiter. Fügen Sie bitte unbedingt den blauen bzw. gelben Briefumschlag bei, in dem Ihnen die Klageschrift übersandt wurde. Informieren Sie uns rechtzeitig über festgesetzte Termine.

Vergessen Sie nicht, unser Aktenzeichen anzugeben.

Wir prüfen, ob der Rechtsstreit geführt wird und nehmen uns der Angelegenheit an."

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, die Klägerin habe mit diesem Hinweis gegen das Verbot geschäftsmäßiger Rechtsberatung verstoßen. Mit ihrem Verstoß habe sie sich ihnen gegenüber, die als Rechtsanwälte die Rechtsberatung berufsmäßig betrieben, in unlauterer Weise einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Sie haben die Klägerin abgemahnt und von ihr Unterlassung des nach ihrer Ansicht wettbewerbswidrigen Verhaltens verlangt.

Die Klägerin hat die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben. Sie hat vielmehr ohne Gegenabmahnung auf Feststellung geklagt, dass ihr eine Belehrung, wie sie sie im Schreiben vom 18. 3. 2003 dem Geschädigten M. erteilt habe, von den Beklagten nicht untersagt werden könne. Sie hat geltend gemacht, das Begehren der Beklagten gehe zu weit und sei zu unbestimmt. Sie - die Klägerin - habe nicht im Wettbewerb gehandelt, sondern ihre eigene Angelegenheit gegenüber dem Geschädigten M. vertreten.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagten nicht berechtigt sind, ihr zu untersagen, Geschädigte aus Verkehrsunfällen über ihr Verhalten nach Erhalt von Mahnbescheiden oder Klagen zur Geltendmachung von Sachverständigenkosten zu belehren sowie eine Prüfung anzubieten, ob der Rechtsstreit geführt wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nachdem die Klägerin gegenüber dem von den Beklagten geltend gemachten wettbewerblichen Unterlassungsanspruch die Einrede der Verjährung erhoben hat, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 28.10.2004 der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO auferlegt. Die Feststellungsklage sei von vornherein unbegründet gewesen. Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben an den Geschädigten M. unerlaubte Rechtsberatung ausgeübt. Die Beklagten hätten sie deshalb zurecht abgemahnt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, die von den Beklagten ausgesprochene Abmahnung sei im Hinblick auf § 13 V a. F. UWG rechtsmissbräuchlich. Die Beklagten hätten wortwörtlich den Text einer zuvor von den Rechtsanwälten N. formulierten Abmahnung abgeschrieben und sich an diese Abmahnung "angehängt". Ihre Hinweise an den Geschädigten stellten eine unerlaubte Rechtsberatung nicht dar.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten aufzuerlegen.

Die Beklagten beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Streitstoffs wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hat Erfolg. Angesichts des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt der Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen entsprach es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten aufzuerlegen, die bei Weiterführung des Rechtsstreits aller Voraussicht nach unterlegen wären.

Die Klage war ursprünglich zulässig und begründet. Ihr hätte, wenn die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, deshalb stattgegeben werden müssen.

1.

Die Klägerin hatte das gem. § 256 I ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der erstrebten Feststellung. Dieser Feststellung bedurfte sie, um sicher zu sein, dass ihr Verhalten gegenüber geschädigten Anspruchstellern von den Beklagten nicht weiter angegriffen werden konnte.

Die erstrebte Feststellung hätte getroffen werden müssen. Dahinstehen mag, ob die in der Abmahnung liegende Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Beklagten im Hinblick auf § 13 V UWG a. F. = § 8 V UWG bereits missbräuchlich und deshalb unzulässig war, weil sie vorwiegend der Gebührenbeschaffung diente, ferner ob die verlangte strafbewehrte Unterlassungserklärung durch den behaupteten Unterlassungsanspruch gedeckt und hinreichend klar formuliert war. Denn den Beklagten stand ein Anspruch auf Unterlassung des von ihnen beanstandeten Verhaltens der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die Bestimmungen zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb (§§ 1, 3, 8 UWG n. F.) trugen das von ihnen geltend gemachte Unterlassungsverlangen nicht. Ebensowenig stand den Beklagten ein negatorischer Unterlassungsanspruch entsprechend §§ 12, 823, 1004 Abs. 1 BGB zu.

Dahinstehen mag, ob der von den Beklagten geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nach dem UWG in der alten oder in der seit dem 03.07.2004 geltenden neuen Fassung zu beurteilen war. Denn die materielle Rechtslage stellt sich in beiden Fällen gleich dar. Im Kern nicht anders als nach bisherigem Recht (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 1, 3 UWG a.F.) hat der Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers nach neuem Recht (§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG n.F.) eine Wettbewerbshandlung (§ 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F.) und das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG n.F.) zur Voraussetzung. Daran fehlt es im Streitfall.

Wettbewerbshandlung ist nach der Gesetzesdefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. jedes Handeln einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen zu fördern. Dieser Tatbestand setzt - wie derjenige des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs (§§ 1, 3 UWG a.F.) - voraus, dass das Verhalten objektiv geeignet ist, den eigenen oder fremden Absatz oder Bezug zu fördern und von einem nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktretenden Ziel der Wettbewerbsförderung getragen ist (vgl. Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 2 UWG Rn. 24, 26 m.w.N.). Das von den Beklagten beanstandete Verhalten der Klägerin Beklagten erfüllt entgegen der Beurteilung des Landgerichts diese Voraussetzungen nicht.

Eine Wettbewerbshandlung der Klägerin in der Form der Förderung eigenen Absatzes oder Bezuges scheidet aus. Zum einen steht die Klägerin als Pflichtversicherer mit den Beklagten nicht im Wettbewerb um die Kunden von Rechtsberatungsleistungen für aus Kfz-Unfällen Geschädigte. Die Klägerin ist nicht gewerblich - d. h. mit Gewinnerzielungsabsicht - rechtsberatend tätig. Soweit sie im Zuge der Regulierung von Kraftfahrzeughaftpflichtschadensfällen Geschädigte, denen gegenüber sie ersatzpflichtig ist, darauf hinweist, unter welchen Voraussetzungen sie die Ersatzleistung gewähren oder verweigern werde und was der Geschädigte zu tun habe, um der Zurückweisung seiner Ansprüche zu entgehen, tritt sie dadurch nicht in ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu den Beklagten. Das gilt auch in den Fällen, in denen die Klägerin selber Rechtsanwälte beauftragt. Insoweit nimmt sie nicht als Konkurrent, sondern als Abnehmer an dem Markt teil, dem die Beklagten als Anbieter angehören.

Die Klägerin fördert mit ihrem Verhalten auch nicht den fremden Wettbewerb anderer Rechtsanwälte. Der Inhalt ihres Schreibens ist schon objektiv hierzu nicht geeignet. Die Klägerin hat die beanstandete Mitteilung im Rahmen der Bearbeitung eines konkreten Schadensfalls dem Geschädigten gegenüber gemacht. Ihre Äußerung weist deshalb den für eine Wettbewerbshandlung erforderlichen Marktbezug nicht auf. Auf eine Marktbeeinflussung betreffend die künftige Inanspruchnahme von Rechtsanwälten kann nicht abgestellt werden, weil es insoweit an jeder Konkretisierung fehlt.

Selbst wenn man die objektive Eignung des Hinweises zur Förderung des Wettbewerbs zugunsten von Mitbewerbern der Beklagten bejahen wollte, fehlt es an der Förderungsabsicht, die im Fall der Förderung fremden Wettbewerbs positiv festgestellt werden müsste (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 2 UWG Rn. 31, 41), für die im vorliegenden Fall aber nichts ersichtlich ist. Zweck der inkriminierten Mitteilung der Klägerin an den Geschädigten Mirus war es ersichtlich, den Anspruchsteller über den Stand der Bearbeitung der Schadensersatzforderung zu informieren. Irgendein Wettbewerbsbezug ist dem Inhalt der Äußerung der Beklagten nicht zu entnehmen. Die Mitteilung, dass eine Schadensposition noch weiterer Klärung bedürfe und diese Klärung aus einem bestimmten Grund noch ausstehe, geht über die bloße Sachbearbeitung des konkreten Schadensfalls nicht hinaus. Tatsächliche Umstände, die den Beweis der Wettbewerbsförderungsabsicht der Beklagten tragen könnten, haben die Beklagten nicht vorgetragen.

Mit Grund wendet sich die Klägerin auch gegen die Beurteilung des angefochtenen Beschlusses, der Anspruch auf Unterlassung sei wegen Wettbewerbsverletzung durch Rechtsbruch gegeben (Art. 1 § 1 RBerG i.V.m. §§ 1, 3 UWG a.F.; §§ 1, 3, 4 Nr. 11 UWG n.F.).

Das Verhalten der Klägerin stellte eine unerlaubte Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art. 1 § 1 RBerG nicht dar. Mit ihrer Erklärung in der Schadenssache Mirus hat die Klägerin - anders als es das Landgericht gemeint hat - nicht eine fremde, sondern eine eigene Rechtsangelegenheit auch insoweit wahrgenommen, als sie vom Geschädigten ein bestimmtes Verhalten - Nichtzahlung, Vorgehen gegen Mahnbescheid oder Klage - verlangt hat. Denn im Rahmen der Schadensregulierung ist der dem Geschädigten auf der Grundlage des Direktanspruchs nach § 3 Nr. 2 PflVG zum Schadensausgleich verpflichtete Haftpflichtversicherer in seinen eigenen Angelegenheiten betroffen. Er nimmt mit der Schadensersatzleistung die eigene Rechtsangelegenheit war, soweit es um die Erfüllung der nach § 249 BGB bestehenden Schadensersatzverpflichtung geht (vgl. BGH NJW 1996, 1965, 1966). Auf diese Verpflichtung hat sich das von den Beklagten beanstandete Verhalten der Klägerin bezogen. Das stellt nicht die Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit dar.

2.

Das Unterlassungsverlangen des Klägers lässt sich auch nicht auf Vorschriften stützen, die ein Handeln zu Wettbewerbszwecken nicht erfordern (§§ 12, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB).

Der in Betracht zu ziehende Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs setzt eine Handlung der Klägerin voraus, die sich spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Beklagten richtet (vgl. BGH NJW 1999, 279, 281 m.w.N.; Palandt/Thomas BGB, 62 Aufl. § 823 Rn 21). Ein solcher Eingriff in den Betrieb der Beklagten ist ebensowenig ersichtlich wie die für jeden Unterlassungsanspruch erforderliche Gefahr der Wiederholung.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO, die Wertfestsetzung auf §§ 14 GKG (a. F.), 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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