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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.05.2005
Aktenzeichen: 6 W 80/05
Rechtsgebiete: UWG, ZPO, RBerG, BRAO


Vorschriften:

UWG § 2 Nr. 11
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8 I
UWG § 8 II
UWG § 8 III Nr. 1
UWG § 12 II
ZPO § 935
ZPO § 940
RBerG § 1
RBerG § 1 I
RBerG § 1 I 2
BRAO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 80/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter

am 10. 5. 2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers gegen den Beschluß der 2. Kammer des Landgerichts Potsdam vom 11. 3. 2005 (2 O 91/05) wird zurückgewiesen.

Verfügungskläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Verfügungsbeklagte wurde im Jahre 1997 vom Verein St...- und G... e.V. Potsdam mit dem Ziel gegründet, die Verwaltung von Arbeits- und Qualifizierungsprojekten des Vereins N... S... B... e. V. zu übernehmen. Hierzu wurde das gesamte Verwaltungspersonal des Vereins in die Verfügungsbeklagte ausgegliedert. Im Vollzug einer weiteren Strukturänderung gründete der Verein N... S... B... e. V. zwei gemeinnützige GmbHs, nämlich die M...gGmbH und die N... S...gGmbH. Zum Vorstand der Verfügungsbeklagten bestellte der Verein S... und G... e.V. Potsdam als alleiniger Aktionär der Verfügungsbeklagten Herrn N... B....

Die Verfügungsklägerin, vertreten durch Herrn B..., schloß in der Folgezeit mit dem Verein S...- und G... e.V., dessen Tochtergesellschaft E... GmbH, dem Verein N... S... B... e. V. und der M... gGmbH Geschäftsbesorgungsverträge. In dem vom Verfügungskläger vorgelegten Vertrag mit der M...gGmbH vom 17. 2. 2002, dessen Regelungen nach der Behauptung des Verfügungsklägers sinngemäß auch in den übrigen Geschäftsbesorgungsverträgen vereinbart worden sein sollen, verpflichtete sich die Verfügungsklägerin zur Übernahme verschiedener Geschäftsführungs- und Verwaltungsaufgaben durch von ihr zu stellendes geeignetes Personal, insbesondere zur Wahrnehmung von Organfunktionen des Geschäftsführers, zur Forderungspflege und Bearbeitung laufender Verträge sowie zur Wahrnehmung von Beteiligungsrechten.

Der Verfügungskläger, der als Rechtsanwalt in Potsdam tätig ist, hat die Auffassung vertreten, die Verfügungsklägerin verstoße mit der Übernahme dieser Aufgaben gegen das Rechtsberatungsgesetz (RBerG). Die ihr nach den Vorschriften dieses Gesetzes erteilte Inkassoerlaubnis decke die Tätigkeiten nicht. Durch ihren Verstoß verschaffe sie sich einen Vorteil vor gesetzestreuen Wettbewerbern. Sie sei deshalb gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 8 I, II, III Nr. 1 UWG verpflichtet, es zu unterlassen, derartige Leistungen anzubieten und auszuführen. Er hat beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung der Verfügungsbeklagten diese Unterlassung aufzugeben.

Die Verfügungsbeklagte hat Zurückweisung des Verfügungsantrages begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem Verfügungsgrund; Dringlichkeit sei nicht gegeben, weil dem Verfügungskläger die entsprechenden Aktivitäten der Verfügungsbeklagten bereits seit langem bekannt seien. Zudem verstießen die Tätigkeiten, deren Unterlassung der Verfügungskläger erstrebe, samt und sonders nicht gegen das RBerG.

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlaß der erstrebten einstweiligen Verfügung bestehe nicht, weil der Verfügungskläger bereits im August 2004 erfahren habe, daß die Verfügungsbeklagte die von ihm beanstandeten Tätigkeiten ausführe.

Gegen den Zurückweisungsbeschluß wendet sich der Verfügungskläger mit seiner sofortigen Beschwerde. Zu ihrer Begründung macht er geltend, die Dringlichkeit und damit der Verfügungsgrund werde gem. § 12 II UWG vermutet; diese Vermutung sei nicht widerlegt. Zudem habe er erst am 1. 3. 2005 davon Kenntnis erlangt, daß die Verfügungsbeklagte auch im Internet die beanstandeten Tätigkeiten anbiete.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 11. 3. 2005 der Verfügungsklägerin durch einstweilige Verfügung aufzugeben, es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, rechtsberatende Leistungen wie Wahrnahme von Organfunktionen, Bearbeitung laufender Verträge und Wahrnehmung von Beteiligungsrechten anzubieten oder auszuführen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Instanzen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Erlaß der begehrten einstweiligen Verfügung abgelehnt.

Dahinstehen mag, ob es - wie das Landgericht gemeint hat - bereits an dem gem. §§ 935, 940 ZPO erforderlichen Verfügungsgrund fehlt. Denn jedenfalls steht dem Verfügungskläger ein Verfügungsanspruch, der sich nur aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 I, II, III Nr. 1 UWG ergeben könnte, nicht zu.

Das Angebot und die Ausführung der Tätigkeiten, deren Unterlassung der Verfügungskläger verlangt, stellt sich nicht als unlautere und deshalb gem. § 3 UWG unzulässige Wettbewerbshandlung der Verfügungsbeklagten dar. Insbesondere sind die Voraussetzungen, unter denen gem. § 4 Nr. 11 UWG ein unlauteres Verhalten der Verfügungsbeklagten angenommen werden müßte, nicht gegeben.

Fraglich erscheint bereits, ob die Verfügungsbeklagte mit der von ihr angebotenen und ausgeführten Tätigkeit gegen das Verbot unerlaubter Rechtsbesorgung (Art. 1 § 1 RBerG) verstößt, also im Sinne des § 2 Nr. 11 einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt.

Zwar dürften die von ihr angebotenen Tätigkeiten samt und sonders "Rechtsbesorgung" im Sinne des Art. 1 § 1 I RBerG darstellen. Nach dem in Rechtsprechung und Literatur entwickelten uferlosen Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals liegt eine Rechtsbesorgung nämlich immer bereits dann vor, wenn - wie bei der Wahrnehmung von Organaufgaben, der Geltendmachung vertraglicher Rechte und der Ausübung von Stimmrechten unumgänglich - die Tätigkeit "unmittelbar der Verwirklichung - Durchsetzung, Klarstellung und Sicherung - von Rechten dient oder die Gestaltung - Schaffung, Veränderung - von Rechtsverhältnissen zum Gegenstand hat" (BGH 1956, 591; Rennen-Caliebe, 3. Aufl., Rdnr. 18, 34 zu Art. 1 § 1 RBerG). Auch handelt die Verfügungsbeklagte, die ihre Tätigkeiten gegen Entgelt und in der Absicht einer dauernden Beschäftigung erbringt, nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Rennen-Caliebe, Rdnr. 56 ff. zu Art. 1 § 1 I RBerG) "geschäftsmäßig" im Sinne des Art. 1 § 1 I RBerG. Schließlich deckt, worauf der Verfügungskläger zutreffend hinweist, die der Verfügungsbeklagten erteilte Inkassoerlaubnis die vom Verfügungskläger beanstandeten Tätigkeiten nicht.

Eine konsequente Anwendung dieser Kriterien führt allerdings dazu, daß den durch das RBerG geschützten Berufsgruppen - in der Hauptsache Rechtsanwälten und Erlaubnisinhabern gem. Art. 1 § 1 I 2 RBerG - wirtschaftliche Tätigkeiten wie die von der Verfügungsbeklagten angebotenen als ausschließliches Betätigungsfeld reserviert bleiben, für die sie nach ihrer Ausbildung und ihrem üblichen Berufsbild nicht hinreichend qualifiziert erscheinen. Vor diesem Hintergrund kommt eine teleologische Einschränkung des Verbotsbereichs dahin in Betracht, daß dem Verbot die von der Verfügungsbeklagten entfalteten, wirtschaftliche, aber nicht speziell rechtliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordernden Tätigkeiten nicht unterfallen.

Selbst wenn man ungeachtet dieser Bedenken eine Zuwiderhandlung der Verfügungsbeklagten gegen Art. 1 § 1 RBerG unterstellt, führt dies nicht zur Annahme eines unlauteren Verhaltens der Verfügungsbeklagten nach § 4 Nr. 11 UWG. Das Verbot unerlaubter Rechtsbesorgung ist zwar nach gefestigter Meinung in Literatur und Rechtsprechung grundsätzlich auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer - hier insbesondere auch der gem. § 3 BRAO zu unabhängiger Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten berufenen Rechtsanwälte - den Marktzugang und das Marktverhalten zu regeln. Die Bestimmung zur Marktregelung erstreckt sich aber nach Sinn und Zweck des Art. 1 § 1 RBerGr - nämlich eine optimale Beratung und Vertretung der Rechtssuchenden zu gewährleisten und nicht etwa besonders befähigte Geschäftsbesorger aus dem Markt auszuschließen - nicht auf Gebiete, auf denen der Markt Kenntnisse und Fähigkeiten fordert, die den Rechtsanwälten und anderen Erlaubnisträgern nach ihrem durch die juristische Ausbildung charakterisierten üblichen Berufsbild nicht zur Verfügung stehen und auf denen sie daher eine optimale Geschäftsbesorgung, sofern sie nicht besondere außerjuristische Qualifikationen erworben haben, nicht gewährleisten können.

Die von der Verfügungsbeklagten angebotenen Tätigkeiten fallen nicht in den Kernbereich der üblicherweise von Anwälten angebotenen und nach ihrer besonderen Qualifikation auch von ihnen optimal bearbeiteten Tätigkeit. Für die Ausübung von Organaufgaben und von Mitgliedschaftsrechten, die eine besondere wirtschaftliche Qualifikation erfordern, reichen die den Anwälten und sonstigen Erlaubnisinhabern in ihrer Ausbildung nach eigener Kenntnis des Gerichts üblicherweise vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten nicht aus. Die für die laufende Bearbeitung von Verträgen - Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern, sonstige Vertragsschlüsse und Vertragsaufhebungen, Geltendmachung von Anfechtungs-, Rücktritts- und Gewährleistungsrechten etc. - erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten stehen dagegen normalerweise jedem in einem Verein oder Wirtschaftsunternehmen an verantwortlicher Stelle Tätigen auch ohne spezielle juristische Ausbildung zur Verfügung.

Ein Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers kommt daher nicht in Betracht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

3. Die Festsetzung des Verfahrenswerts beruht auf §§ 62 I GKG, 3 ZPO; der Wert entspricht dem Regelwert, den der Senat bei einstweiligem Rechtsschutz in Wettbewerbssachen mittlerer Schwierigkeit festsetzt.

Ende der Entscheidung

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