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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.12.2006
Aktenzeichen: 7 U 100/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, UStG, InsO, EStG, AO


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 273 Abs. 1
BGB § 275 Abs. 1
BGB § 326 Abs. 1
UStG § 14 Abs. 1
InsO § 80 Abs. 1
InsO § 81 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 4
AO § 147 Abs. 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 100/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 22.12.2006

Verkündet am 22.12.2006

in dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Hein als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 24.11.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.4.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger hat in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C ... GmbH der Beklagten gegenüber Ansprüche aus Arbeitnehmerüberlassungsverträgen in Höhe von 9.178,50 € geltend gemacht.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Beklagte mit Entscheidung vom 26.4.2006 verurteilt, an den Kläger 8.854,86 € zu zahlen Zug-um-Zug gegen Erteilung einer Zweitausfertigung der Rechnung der C ... GmbH vom 9.2.2003, Rechn.-Nr. 6101588. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Das Urteil des Landgerichts ist dem Kläger am 5.5.2006 zugestellt worden. Der Kläger hat gegen das Urteil am 2.6.2006 Berufung eingelegt, die er am 5.7.2006 begründet hat.

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, das Landgericht habe die Verurteilung der Beklagten zu Unrecht durch die Zug-um-Zug-Regelung eingeschränkt. Er hat zunächst den Antrag angekündigt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils - zur uneingeschränkten - Zahlung von 9.178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % seit dem 5.8.2003 zu verurteilen.

Nunmehr beantragt der Kläger,

die Beklagte unter Abänderung des am 26.4.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam zu verurteilen, an den Kläger 8.854,86 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5.8.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Kläger hat nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz vom 8.12.2006 zu den Akten gereicht, die Beklagte einen solchen vom 18.12.2006.

II.

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Beklagte hat gegenüber dem im nunmehr beantragten Umfang unstreitigen Zahlungsanspruch des Klägers ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB wegen des Anspruchs auf Erteilung einer Zweitausfertigung der Rechnung, die der streitbefangenen Forderung zugrunde liegt.

Der Beklagten steht der Anspruch auf Erteilung einer Rechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer aus § 14 Abs. 1 UStG bzw. aufgrund einer dahingehenden Nebenpflicht der Schuldnerin bzw. des Klägers aus den der Forderung zugrunde liegenden Arbeitnehmerüberlassungsverträgen in Verbindung mit § 14 Abs. 1 UStG zu. Diese Rechnung ist nicht lediglich in Kopie, sondern als Originalurkunde zu erteilen.

Das Recht auf ein Original der Rechnung ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 UStG. Es liegt jedoch bereits in der Natur der Sache, dass eine Urkunde, auf die der Vertragspartner nach dem Gesetz Anspruch hat, im Original auszuhändigen ist. Hier folgt der Anspruch auf Erteilung einer Originalrechnung jedenfalls daraus, dass die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges nach § 15 Abs. 1 UStG der Vorlage eines Originals der Rechnung bedarf. Diese Notwendigkeit lässt sich zwar nicht unmittelbar dem Text der vorgenannten Bestimmung entnehmen. Sie ergibt sich jedoch aus der Praxis der Finanzämter, die für die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges die Vorlage der Rechnungsoriginale verlangen. Diese Vorgehensweise der Finanzämter steht im Einklang mit der Rechtsprechung der Finanzgerichte, insbesondere des Bundesfinanzhofs (BFH).

Nach dieser Rechtsprechung ist die Ausstellung und Übergabe der Rechnung materiellrechtliche Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug (BFH, Urteil vom 16.4.1997, XI R 63/93 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BFH -Anlage BK 1 -). Dieser Funktion wird die Rechnung nur dann gerecht, wenn es sich um das Original handelt. Mehrausfertigungen, insbesondere Fotokopien, sind wegen der Möglichkeit der Manipulation und weil dadurch das in Rechnung stellen der Steuer schwieriger zu überprüfen ist, nicht geeignet, den Anspruch auf Vorsteuerabzug entstehen zu lassen (BFH, a.a.O.). Das gilt umso mehr, als der Kläger mit der Anlage K 9 lediglich eine Kopie der Rechnung zu den Akten gereicht hat, die den Aussteller nicht erkennen lässt. Sie wird zwar auf dem Briefbogen der Schuldnerin wiedergegeben. Es fehlt jedoch an einer Unterzeichnung.

Die gegenteilige Rechtsauffassung des Klägers wird durch die von ihm in Bezug genommenen Entscheidungen des BFH nicht gedeckt.

Der BFH räumt allerdings - unter anderem in der vorstehend zitierten Entscheidung -dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit ein, den Nachweis, dass "diese Voraussetzung" für die Geltendmachung eines Vorsteuerabzuges erfüllt war, mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln zu führen, wenn die Vorlage der Originalrechnung nicht möglich ist. Diese Beweisführung dient jedoch ausdrücklich dem Beweis der Tatsache, dass dem Steuerpflichtigen die Originalrechnung vorlag. Grundsätzlich verbleibt es daher dabei, dass das Original zunächst dem Steuerpflichtigen zugegangen sein muss. Der Zugang der streitbefangenen Rechnung - im Gegensatz zu zwei weiteren Rechnungen gleichen Datums - wird von der Beklagten in Abrede gestellt. Soweit dieser Vortrag in erster Instanz streitig gewesen sein sollte, ist er dies im Berufungsverfahren nicht mehr. Das Landgericht hat den fehlenden Zugang der Originalrechnung bei der Beklagten als unstreitigen Sachverhalt behandelt, ohne dass dies von der Berufung beanstandet worden wäre. Einer Beweisaufnahme zu dem fehlenden Zugang der streitigen Rechnung bedarf es daher nicht.

Die vom Kläger geltend gemachte Unmöglichkeit der Erstellung einer Zweitausfertigung der streitgegenständlichen Rechnung kann dahinstehen. Zwar mag er gegebenenfalls von der Verpflichtung zur Erteilung frei werden, wenn ihm diese unmöglich sein sollte, § 275 Abs. 1 BGB. Dies hilft dem Kläger jedoch nicht, weil gegebenenfalls der von der Erfüllung der Verpflichtung zur Erteilung der Zweitausfertigung abhängige Zahlungsanspruch ebenfalls entfiele, § 326 Abs. 1 BGB.

Im Übrigen sind die vom Kläger geltend gemachten rechtlichen und tatsächlichen Hemmnisse für die Erteilung einer Zweitausfertigung nach Aktenlage nicht nachzuvollziehen.

Über das Vermögen der Schuldnerin ist am 1.12.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Gleichzeitig ist der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Die in Streit stehende Rechnung datiert vom 9.2.2003. Nach dem Vortrag des Klägers soll unter diesem Datum die Originalrechnung erstellt worden sein. Im Hinblick auf die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß §§ 80 Abs. 1, 81 Abs. 1 InsO erscheint es unverständlich, dass die Schuldnerin noch ohne Wissen und Auftrag des Klägers eine Verfügung über Vermögensgegenstände treffen konnte, wie sie hier in Gestalt der Rechnungslegung mit Anweisung der Zahlung auf ein Konto eines Dritten -des Klägers bei der Sparkasse W... - vorliegt. Ebenso ist aufgrund der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Rechnungserstellung das Insolvenzverfahren längst eröffnet war, nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger vorträgt, er verfüge nur über Rechnungskopien, andere Unterlagen seien bereits bei seiner Bestellung als vorläufiger Verwalter nicht mehr vorhanden gewesen (S. 4 der Berufungsbegründung).

Die Berufung kann auch insofern keinen Erfolg haben, als es um den Anspruch auf Zahlung des Nettobetrages der Klageforderung geht.

Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass eine Originalrechnung nicht nur zur Geltendmachung des Vorsteuerabzuges zwingend erforderlich, sondern auch zum Nachweis entsprechender Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG notwenig, jedenfalls aber hilfreich ist. Sie ist jedenfalls gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO als Buchungsbeleg vorzuhalten.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Allein die Tatsache, dass es keine Entscheidung des BGH gibt, die ein Zurückbehaltungsrecht behandelt hätte, wenn der Anspruchsgegner eine Rechnungskopie erhalten hat, die Originalrechnung aber auf dem Postwege verloren gegangen ist, reicht für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht.

Ebenso verlangt die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Die vorstehend ausgeführte Rechtsauffassung zur grundsätzlichen Notwendigkeit der Vorlage einer Originalrechnung zur Geltendmachung des Vorsteuerabzuges und zu dem Anspruch des Schuldners auf Erteilung einer Rechnung im Original bzw. einer Zweitschrift steht nicht in Widerspruch zur höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Rechtsprechung.

Ende der Entscheidung

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