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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 7 U 105/06
Rechtsgebiete: InsO, ZPO, BGB, ZVG, BbgKAG


Vorschriften:

InsO § 49
InsO §§ 217 ff.
InsO § 259 Abs. 1
InsO § 261 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO §§ 864 f.
BGB § 199 Abs. 1
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 242
BGB §§ 1120 f.
ZVG §§ 10 ff.
ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 3
ZVG § 10 Abs. 1 Nr. 7
BbgKAG § 8 Abs. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 105/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 7.3.2007

Verkündet am 7.3.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Fischer und den Richter am Oberlandesgericht Werth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 15.5.2006 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Absonderungsrechte dem Kläger für die Durchführung des Insolvenzplans in dem Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Cottbus, Az.: 63 IN 335/02, zustehen.

Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 1.9.2002 wurde über das Vermögen der Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft "..." mbH (im Folgenden: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter ernannt. Im Insolvenzverfahren meldete der Wasserverband F..., dessen Rechtsnachfolger der Kläger ist, Forderungen gegen die Schuldnerin in Höhe von insgesamt 46.006,86 € an. Der Beklagte stellte die Forderungen am 12.3.2003 fest.

Der Beklagte wurde im September 2004 mit der Ausarbeitung und Vorlage eines Insolvenzplans nach §§ 217 ff. InsO beauftragt, den er zum 31.1.2005 fertigte und der in der Abänderungsfassung vom 3.5.2005 weder den Kläger noch seinen Rechtsvorgänger als absonderungsberechtigten Gläubiger auswies.

Der Rechtsvorgänger des Klägers hat beantragt,

festzustellen, dass ihm im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin (AG Cottbus, Az.: 63 IN 335/02) aufgrund der Beitragsbescheide vom 2.9.2002, Bescheidnummern: AA 20056 und AA 20057, in der Fassung vom 18.9.2002, Bescheidnummern: AA 20074 und 20075, ein Recht auf abgesonderte Befriedigung für die hierzu unter der laufenden Nummer 202 der Tabelle festgestellte Forderung zusteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 15.5.2006 die begehrte Feststellung getroffen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Feststellungsinteresse des Klägers folge aus dem Streit der Parteien über die Eingruppierung seiner Forderungen in den Insolvenzplan. Dem Kläger stünden Rechte auf abgesonderte Befriedigung nach § 49 InsO in Verbindung mit §§ 864 f. ZPO, 1120 f. BGB, 10 ff. ZVG zu. Seine Ansprüche unterfielen als öffentliche Grundstückslasten der Rangklasse 3 nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG, zu der insbesondere die Kommunalabgaben einschließlich der an die Zweckverbände zu entrichtenden Wasser- und Abwasserbeiträge gehörten. Die Abgaben stellten nach § 8 Abs. 10 BbgKAG auf dem Grundstück ruhende öffentliche Lasten dar. Die bereits in der Forderungsanmeldung des Klägers geltend gemachten Absonderungsrechte seien nicht verwirkt. Der Kläger habe sich um den Fortgang des Verfahrens nicht weiter kümmern müssen, nachdem der Beklagte einen Bescheid oder eine Mitteilung im Hinblick auf die Absonderungsrechte nicht erteilt und mit Schreiben vom 26.2.2003 um das Unterbleiben von Sachstandsanfragen gebeten habe. Auf das Schreiben des Beklagten vom 17.5.2005, durch das die Nichtberücksichtigung von Absonderungsrechten mitgeteilt worden sei, habe der Kläger umgehend unter dem 16.6.2005 dem Insolvenzplan widersprochen. Der Beklagte könne nicht einwenden, dass der Kläger in einer Zwangsversteigerung mit seinen Forderungen ausfallen werde. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG seien auch einmalige Leistungen betreffende Beitragsrückstände für die Zeit von vier Jahren nach ihrer Fälligkeit bevorrechtigt. Danach falle das Vorrecht nicht weg, wenn der Berechtigte die Beschlagnahme des Grundstücks erwirkt habe; die Wahrung des Vorrechts für die Dauer des Verfahrens gewährleiste dem Gläubiger den Vollstreckungszugriff und hindere den Rangverlust.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 24.5.2006 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am 7.6.2006 Berufung eingelegt und diese am 24.6.2006 begründet.

Der Beklagte trägt - unwidersprochen - vor, dass durch Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 31.8.2005 das Insolvenzverfahren aufgehoben worden sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 15.5.2006 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens führt nicht zur Unzulässigkeit der Berufung. Der Beklagte hat dadurch nicht seine Prozessführungsbefugnis nach § 259 Abs. 1 InsO verloren, nachdem ihm in dem gestaltenden Teil des Insolvenzplans vom 31.1.2005 in der Änderungsfassung vom 3.5.2005 unter Ziffer VI. (Bl. 54, 54 R d.A.) die Überwachung des Plans durch den Insolvenzverwalter übertragen worden ist mit der Folge, dass nach § 261 Abs. 1 Satz 2 InsO sein Amt für die Durchführung des Insolvenzplans, die Gegenstand der Klage und der Berufung ist, fortbesteht.

2.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg, da die Klage zulässig und begründet ist.

a)

Zur Zulässigkeit der Klage folgt das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers nach § 256 Abs. 1 ZPO aus der Beschlussfassung des Insolvenzgerichts vom 22.6.2005 (Bl. 83 d.A.), durch die ihm die Durchführung des Klageverfahrens zur Klärung des Bestehens der geltend gemachten Absonderungsrechte aufgegeben worden ist. Es besteht nach wie vor, da der Beklagte auch in der Berufung das Bestehen der Absonderungsrechte in Abrede stellt.

b)

Die Klage ist begründet, da dem Kläger im Hinblick auf die streitbefangenen Forderungen Absonderungsrechte nach § 49 InsO in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG für die Durchführung des Insolvenzplans zustehen.

aa)

Mit Einwendungen gegen das Bestehen der Ansprüche des Klägers auf Zahlung von 19.665,67 € und 26.341,19 €, insgesamt 46.008,86 €, kann der Beklagte nicht gehört werden, da er unstreitig die Forderungen nach ihrer Anmeldung zur Tabelle festgestellt hat. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob die vom Kläger erteilten Bescheide vom 2./18.9.2002 nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.9.2002 noch hätten ergehen dürfen, nachdem sie nicht mit dem Widerspruch angegriffen und demzufolge bestandskräftig geworden sind.

bb)

Die Ansprüche des Klägers führen zu Rechten auf Befriedigung aus dem unbeweglichen Vermögen der Schuldnerin, da sie öffentliche Lasten des Grundstücks nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG darstellen. Es handelt sich um an einen Zweckverband zu entrichtende Beiträge nach § 8 Abs. 1 BbgKAG, die nach § 8 Abs. 10 BbgKAG als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen. Die landesrechtliche Bestimmung als öffentliche Last des Grundstücks ist für die Einordnung im Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG maßgebend (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 10, Anm. 6.9). Das gilt auch und insbesondere für einmalige Anschlussbeiträge, wie sie hier in Rede stehen; für diese sehen weder § 8 Abs. 1, 10 BbgKAG noch § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG Ausnahmen vor (vgl. BGH NZM 2006, 514, 516).

Soweit die Entstehung öffentlicher Lasten des Grundstücks und damit von Absonderungsrechten des Klägers dessen hoheitliche Tätigkeit voraussetzt (vgl. Stöber, a.a.O., § 10, Anm. 6.9; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 49, Rn. 46), ist das nach den Umständen des Falles anzunehmen. Der Kläger wie sein Rechtsvorgänger sind nicht juristische Personen des Privatrechts, sondern des öffentlichen Rechts. Die Inanspruchnahme der Schuldnerin und des Beklagten ist in der für ein hoheitliches Handeln typischen Art erfolgt, indem nicht Rechnungen ausgestellt, sondern Bescheide in Form von Verwaltungsakten mit der Angabe der einschlägigen Satzungen als Rechtsgrundlage und Rechtsbehelfsbelehrungen über die Möglichkeit des befristeten Widerspruchs erlassen worden sind. Im Einklang damit bestimmen die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Beitrags- und Gebührensatzungen (Bl. 307 ff., 315 ff. d.A.), dass Beiträge erhoben und festgesetzt und nicht etwa ein - vertragliches - Entgelt berechnet wird; auch der weitere Inhalt der Satzungen enthält keine Hinweise auf eine privatrechtliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zu den Nutzern und Beitragsschuldnern. Eine solche kann schließlich auch nicht daraus hergeleitet werden, dass für den Trinkwasseranschluss die gesetzliche Mehrwertsteuer an- und festgesetzt worden ist. Das schließt eine hoheitliche Tätigkeit nicht aus, da unter den entsprechenden Voraussetzungen nach § 2 UStG in Verbindung mit Nr. 23 UStR auch dann eine Umsatzsteuerpflicht bestehen kann.

Ob die Ansprüche des Klägers Rückstände aus den letzten vier Jahren nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG darstellen, kann dahinstehen. Denn auch ältere Rückstände führen nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 ZVG zu Befriedigungsrechten aus dem Grundstück und damit zum Erwerb von Absonderungsrechten; auf den Rangverlust gegenüber Ansprüchen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht an, da der Kläger lediglich die Feststellung des Bestehens eines Absonderungsrechts, nicht aber die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rang nach § 10 Abs. 1 ZVG, begehrt. Dabei kann auch dahinstehen, ob die Berechnung der Frist nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG an den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren (Stöber, a.a.O., § 10, Rn. 6.17; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 10, Rn. 45) oder an die Beschlagnahme (Uhlenbruck a.a.O.; Smid/Depre, InsO, 2. Aufl., § 49, Rn. 46; Dassler/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 10, Rn. 21) anknüpft. Denn es ist für Fälle wie den Vorliegenden, in denen es lediglich um die Einordnung einer Forderung in einen Insolvenzplan geht, nicht zu verlangen, dass ein Gläubiger zur Aktivierung von Absonderungsrechten nach § 10 Abs. 1 Nr. 3, 7 ZVG ein Zwangsvollstreckungsverfahren in Gang setzt. Der Insolvenzplan soll im Gegenteil gerade die Herbeiführung einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, sei es durch eine Verwertung des Vermögens des Schuldners oder in anderer, den Erhalt und Fortbestand des Unternehmens zulassender Weise, außerhalb einer Zwangsvollstreckung ermöglichen (vgl. HeidelbKomm./Flessner, InsO, 4. Aufl., Rn. 1, 4 vor § 217). Etwas anderes folgt nicht aus der Rechtsprechung des OLG Hamm (NJW-RR 1994, 469, 470; vgl. auch: MünchKomm./Ganter, InsO, § 49, Rn. 4), dass außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens öffentliche Abgaben nur nicht bevorrechtigte Forderungen sind. Die Entscheidung lässt sich auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragen, da dort nicht über die Einordnung einer Forderung in einen Insolvenzplan, sondern über einen Ersatzanspruch aus § 82 KO zu befinden gewesen ist.

cc)

Mit der erstinstanzlich vorgetragenen Erhebung des Einwand der Verjährung (Bl. 143 d.A.) hat der Beklagte ausweislich der dazu gegebenen Begründung ersichtlich nur zum Ausdruck bringen wollen, dass die Zeitgrenze nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG nicht eingehalten sei. Darauf kommt es - wie dargestellt - jedoch nicht an. Im Übrigen ist die nach § 199 Abs. 1 BGB frühestens mit dem Ablauf des 31.12.2002 beginnende Verjährungsfrist durch die Erhebung der Klage im Juli 2005 (Bl. 1, 90 d.A.) rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.

dd)

Die Absonderungsrechte des Klägers sind nicht nach § 242 BGB verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt voraus, dass der Berechtigte es über eine längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass das Recht auch in Zukunft nicht geltend gemacht werde (BGH NJW 2006, 219 f.; 2003, 824; 1982, 1989; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 242, Rn. 87). Das gilt zwar auch für Absonderungsrechte im Insolvenzverfahren (Münch Komm./Ganter, a.a.O., Rn. 128 vor §§ 49 ff.; Uhlenbruck/Berscheid, a.a.O., § 53, Rn. 19). Im vorliegenden Fall hat jedoch der Beklagte nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Rechtsvorgänger des Klägers, der mit der Anmeldung seiner Forderungen zur Tabelle auch die Geltendmachung von Absonderungsrechten erklärt hat, jene nicht weiter verfolgen werde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Rechtsvorgänger des Klägers an der vom Beklagten vorgetragenen (Bl. 107 ff., 190 d.A.) "faktischen Zwangsverwaltung" hätte teilnehmen können. Denn der Beklagte hat seinerseits mit Schreiben vom 26.2.2003 (Bl. 126 d.A.) - auch - den Rechtsvorgänger des Klägers darum gebeten, von Sachstandsanfragen Abstand zu nehmen, da deren Beantwortung die Verfahrensabwicklung unvertretbar verzögern würde. Im Lichte dieser Erklärung hat der Beklagte die von ihm vorgetragene Untätigkeit des Rechtsvorgängers des Klägers nicht so auffassen dürfen, dass - entgegen der Anmeldung vom 18.9.2002 - von der Geltendmachung von Absonderungsrechten abgesehen werde.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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