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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.06.2001
Aktenzeichen: 7 U 145/00
Rechtsgebiete: AktG, ZPO, BGB


Vorschriften:

AktG § 142
AktG § 246 Abs. 1
AktG § 245 Nr. 1
AktG § 67 Abs. 1
AktG § 132
AktG § 245
AktG § 131 Abs. 1
AktG § 131 Abs. 3
AktG § 136
AktG § 136 Abs. 1
AktG § 142 Abs. 1
AktG § 124 Abs. 4
AktG § 133 Abs. 1
AktG § 12 Abs. 1
AktG § 67 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 101
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
BGB § 193
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 145/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 06.06.2001

Verkündet am 06.06.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 09.05.2001 durch

den Richter am Oberlandesgericht Hein, den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Wittmann und den Richter am Amtsgericht Endemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam vom 05.06.2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und der Nebenintervention hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer für die Beklagte beträgt 35.000,00 DM.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Anfechtung diverser Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.1998 und eine weitere positive Beschlußfeststellungsklage.

Die Kläger zu 1. bis 6. sind Aktionäre der Beklagten, die ein Grundkapital in Höhe von 106.950,00 DM besitzt und Namensaktien ausgegeben hat. Die Kläger zu 3. bis 6. sind auf der Hauptversammlung der Beklagten durch den Zeugen S, die Klägerin zu 1. durch den Zeugen L vertreten gewesen. Der Kläger zu 2. war persönlich anwesend.

Die Kläger haben beantragt,

1. den Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.1998 zu TOP 3.1, die Mitglieder des Vorstandes würden für das Geschäftsjahr 1995 entlastet, für nichtig zu erklären,

hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 04.06.1998 der Beklagten, die Mitglieder des Vorstandes würden für das Geschäftsjahr 1995 entlastet, nichtig ist;

2. den Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.1998 zu TOP 3.2, die Mitglieder des Vorstandes würden für das Geschäftsjahr 1996 entlastet, für nichtig zu erklären,

hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 04.06.1998 der Beklagten, die Mitglieder des Vorstandes würden für das Geschäftsjahr 1996 entlastet, nichtig ist;

3. den Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.1998 zu TOP 4.1, die Mitglieder des Aufsichtsrates würden für das Geschäftsjahr 1995 entlastet, für nichtig zu erklären,

hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 04.06.1998 der Beklagten, die Mitglieder des Aufsichtsrates würden für das Geschäftsjahr 1995 entlastet, nichtig ist;

4. den Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.1998 zu TOP 4.2, die Mitglieder des Aufsichtsrates würden für das Geschäftsjahr 1996 entlastet, für nichtig zu erklären,

hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 04.06.1998 der Beklagten, die Mitglieder des Aufsichtsrates würden für das Geschäftsjahr 1996 entlastet, nichtig ist;

Darüber hinaus haben nur die Kläger zu 2. bis 6. beantragt,

1. den Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.1998 zu TOP 2.1, der Bilanzverlust für 1995 werde in Höhe von 480.509,13 DM bestätigt, für nichtig zu erklären,

hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 04.06.1998 zu TOP 2.1, der Bilanzverlust für 1995 werde in Höhe von 480.509,13 DM bestätigt, nichtig ist;

2. den Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.1998 zu TOP 2.2, der Bilanzverlust für 1996 werde in Höhe von 628.776,87 DM bestätigt, für nichtig zu erklären,

hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß der ordentlichen Hauptversammlung vom 04.06.1998 zu TOP 2.2, der Bilanzverlust für 1996 werde in Höhe von 628.776,87 DM bestätigt, nichtig ist;

3. festzustellen, daß die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten vom 04.06.1998 beschlossen hat, zur Prüfung der Vorgänge (a) Geschäftsbeziehung zur A GmbH K und (b) Geschäftsbeziehung zum Eigenbetrieb V werde Frau M S, zur Sonderprüferin nach § 142 AktG bestellt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Potsdam hat die Beklagte am 05.06.2000 antragsgemäß verurteilt. Es hat die Einhaltung der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG für alle Klagen bejaht und zudem angenommen, daß hinsichtlich alle angefochtener Beschlüsse und der Ablehnung des Gegenantrages ein Widerspruch eingelegt worden sei. Hinsichtlich des Antrags auf Bestellung eines Sonderprüfers hat es nach Abzug der ablehnenden Stimmen der Vorstandsmitglieder eine Mehrheit der bejahenden Stimmen angenommen.

Gegen das ihr am 03.07.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.08.2000 Berufung eingelegt, die sie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 04.10.2000 begründet hat.

Die Beklagte beantragt,

das am 05.06.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin zu 1. ist den Klägern zu 2. bis 6. als Nebenintervenientin zu deren Antrag, festzustellen, daß die Hauptversammlung der Beklagten am 04.06.1998 die Bestellung einer Sonderprüferin beschlossen hat, beigetreten.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Sowohl die in Form der objektiven Klagehäufung erhobenen Anfechtungsklagen der Kläger gegen diverse in der Hauptversammlung der der Beklagten am 04.06.1998 gefaßten Beschlüsse, als auch die positive Beschlußfeststellungsklage der Kläger zu 2. bis 6. sind zulässig und begründet.

1. Die Anfechtungsklagen gegen die in der Hauptversammlung der Beklagten am 04.06.1998 gefaßten Beschlüsse zu TOP 2.1, 2.2, 3.1, 3.2, 4.1 und 4.2 sind zulässig und begründet.

Die Anfechtungsklage ist zulässig. Gegen die am 04.06.1998 gefaßten Hauptversammlungsbeschlüsse ist die Anfechtungsklage nach § 243 Abs. 1 AktG statthaft. Den Klägern steht nach § 245 Nr. 1 AktG die Anfechtungsbefugnis zu. Alle sechs Kläger sind Aktionäre der Beklagten, die auch in das Aktienbuch gemäß § 67 Abs. 1 AktG eingetragen sind. Das gerichtliche Verfahren auf Erteilung der Auskunft nach § 132 AktG ist im Übrigen gegenüber der Anfechtungsklage nicht vorrangig (Hüffer, a.a.O., § 131 R. 44 und § 243 Rn. 47; Geßler, a.a.O., § 132 Rn. 6).

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG ist gewahrt. Bei der Anfechtungsfrist handelt es sich um eine zwingende materielle Frist, die der Begründetheit der Klage zuzuordnen ist (Hüffer, a.a.O., § 246 Rn. 20). Die Frist ist eine Monatsfrist. Für die Wahrung der Frist genügt nach allgemeinen Regeln der Eingang der Anfechtungsklage bei Gericht, wenn - wie im vorliegenden Rechtsstreit der Fall - die Zustellung alsbald erfolgt ist, § 270 Abs. 3 ZPO. Die Hauptversammlung fand am 04.06.1998 statt. Nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB ist demnach die Monatsfrist am 06.07.1998, einem Montag, abgelaufen. Insoweit besteht zwischen den Parteien auch kein Streit. Die Akten weisen gemäß dem Eingangsstempel zwar sowohl für die Klage der Klägerin zu 1. als auch für die der Kläger zu 2. bis 6. den 07.07.1998 als Eingangstag auf. Die Kläger haben jedoch vorgetragen, daß sie ihre Klagen bereits per Fax am 06.07.1998, mithin innerhalb der Monatsfrist, erhoben haben. Die Fax-Schreiben befinden sich zwar weder bei der Akte noch sind sie sonst greifbar. Dennoch genügt das Vorbringen der Kläger zur Bejahung der Anfechtungsfrist. Eine Klage kann nämlich auch wirksam per Fax eingelegt werden (Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rn. 23 Stichwort "Telefax"). Die Vorlage der Sendeprotokolle durch die Kläger (Bl. 58, 72) alleine genügt jedoch nicht, um den rechtzeitigen Zugang der Klagen zu beweisen. Mit der Vorlage wird nicht einmal ein entsprechender Anscheinsbeweis erzeugt (BGH NJW 1995, 665, 666; Zöller/Greger, a.a.O., Vor § 230 Rn. 2). Jedoch enthält die Akte auf Bl. 81 ff. eine Auflistung, die von der Posteingangsstelle des Landgerichts Potsdam stammt und eine Liste dort eingegangener Fax-Schreiben enthält. Unter dem 06.07.1998 ist dort aufgelistet: "S./. K " und "L./. K". Eine entsprechende Eingangsbestätigung erscheint in Verbindung mit den Absendeprotokollen geeignet, den Eingang der Fax-Schreiben am 06.07.1998 bei Gericht zu belegen.

Die Kläger haben auch allesamt gegen die sechs angefochtenen Beschlüsse Widerspruch nach § 245 AktG eingelegt. Der Widerspruch ist eine Erklärung, daß gegen die Rechtmäßigkeit des Beschlusses Bedenken bestehen und deshalb gerichtliche Schritte in Betracht gezogen werden. Die Stimmabgabe gegen den Beschluß stellt allerdings noch keinen Widerspruch dar (Hüffer, Aktiengesetz, 4. Aufl., § 245 Rn. 13). Andererseits ist für den Widerspruch kein bestimmter Inhalt erforderlich; er kann auch generell erklärt werden (Hüffer, a.a.O., Rn. 14). Er muß zur Niederschrift erklärt und dabei so deutlich ausgedrückt werden, daß der Protokollführer das Vorliegen eines Widerspruchs erkennen kann. Dabei muß der Protokollführer im Zweifel nachfragen. Die Aufnahme des Widerspruchs in das Protokoll ist nicht Voraussetzung für eine wirksame Einlegung; ein anderer Nachweis bleibt zulässig (Hüffer, a.a.O., Rn. 15).

Im vorliegenden Fall weist das Protokoll der Hauptversammlung vom 04.06.1998 (Bl. 48 d.A.) nur zu dem Beschluß zu TOP 4.2 einen Widerspruch der Klägerin zu 1. - vertreten durch den Zeugen Rechtsanwalt L - sowie die Kläger zu 3. bis 6. - vertreten durch den Zeugen RA S auf. Jedoch ergibt sich aufgrund der vor dem Landgericht Potsdam durchgeführten Beweisaufnahme, daß die sechs Kläger zu allen am 04.06.1998 gefaßten Beschlüssen (TOP 2.1, 2.2, 3.1, 3.2, 4.1 und 4.2) Widerspruch eingelegt haben. Dies ist den Aussagen der Zeugen S, L und K anläßlich ihrer Vernehmung am 17.04.2000 zu entnehmen. Während der Zeuge K nur von Widersprüchen gegen die gefaßten Beschlüsse durch den Kläger zu 2. berichten konnte, sagten die Zeugen S und L aus, daß für alle sechs Kläger jeweils Widersprüche gegen die Beschlüsse erhoben wurden. Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Zwar ist der Zeuge L der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin zu 1. und somit unmittelbar am Rechtsstreit beteiligt; dies wirkt sich jedoch nicht maßgeblich auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen aus. Die drei Zeugen haben übereinstimmend von dem teils turbulenten und unharmonischen Verlauf der Hauptversammlung der Beklagten berichtet. Widersprüche zwischen den Aussagen sind nicht zu erkennen. Die Aussagen sind auch inhaltlich nachvollziehbar. Die Bekundungen des gegenbeweislich vernommenen Zeugen M konnte den Senat nicht vom Gegenteil überzeugen, da die Aussage unergiebig war. Der Zeuge konnte sich an die Einzelheiten der Hauptversammlung nicht mehr erinnern und verwies im wesentlichen auf das von ihm erstellte Protokoll der Hauptversammlung. Die Aussagen der übrigen drei Zeugen sind dadurch nicht widerlegt. Unabhängig von der Beweisaufnahme ist hinsichtlich der Kläger zu 1. und 3. bis 6. - entsprechend der Bewertung des Landgerichts - schon deswegen von einer Widerspruchseinlegung auszugehen, da die Zeugen L und S als Bevollmächtigte der Kläger zu 1. sowie 3. bis 6. einen Gegenantrag auf die Bestellung eines Sonderprüfers gestellt haben. In dem Antrag auf die Bestellung eines Sonderprüfers kommt zum Ausdruck, daß sich die Antragsteller mit der vorangegangenen Beschlußfassung nicht abgefunden haben und Gegenmaßnahmen gegen die Beschlußfassungen ergreifen wollen. Dann aber handelt es sich um die Einlegung eines Widerspruchs gegen die zuvor zu TOP 2.1, 2.2, 3.1, 3.2, 4.1 und 4.2 gefaßten Beschlüsse, da der Sonderprüfer sich inhaltlich mit den dort behandelten Fragen auseinandersetzen sollte.

Die Anfechtung ist berechtigt, da durch die jeweiligen streitgegenständlichen Beschlüsse eine Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 243 Abs. 1 AktG vorliegt. Dabei ist unter einem Gesetz in diesem Sinne jede Rechtsnorm nach Art. 2 EGBGB zu verstehen (Hüffer, a.a.O., § 243 Rn. 5). Im konkreten Fall liegt ein Verstoß gegen § 131 Abs. 1 AktG vor. Danach ist jedem Aktionär auf sein Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachlichen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Die Vorschrift ist zentral für die Ausübung der Aktionärsrechte und ermöglicht erst die vorgesehene Kontrolle. Der Vorstand muß sich für die Beantwortung in Betracht kommender Fragen vorbereiten. Er muß hierzu notfalls Personal und Hilfsmittel vorhalten (Hüffer, a.a.O., § 131 Rn. 8). Allerdings muß der Vorstand nur solche Fragen beantworten, die er auch beantworten kann (Hüffer, a.a.O., Rn. 10) und deren Beantwortung ihm zumutbar ist (Geßler, a.a.O., § 131 Rn. 16). § 131 Abs. 1 AktG ist verletzt worden, als der Aktionär L eine Frage zum Jahresverlust von ca. 480.000,00 DM für 1995 stellte und nach den Konsequenzen des Aufsichtsrats fragte (Bl. 45 d.A.). Der Hauptversammlungsleiter O hat darauf nicht geantwortet, sondern lediglich mitgeteilt, daß durch den Wechsel des Steuerberaters in der nächsten Hauptversammlung darauf konkret eingegangen werden könne. Im Ergebnis ist damit die konkrete Frage des Aktionärs vollständig unbeantwortet geblieben. Es ist auch nicht erkennbar, daß der Beklagten die Beantwortung der Frage nicht möglich oder zumutbar gewesen ist. Ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 AktG stand der Beklagten mangels entsprechender Anhaltspunkte ebenfalls nicht zu; sie nimmt ein solches für sich auch nicht in Anspruch. Daneben bedurfte es einer sofortigen Beantwortung der Frage, da die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 1995 und das nachfolgende Geschäftsjahr 1996 beschlossen werden sollte. Frage und Antwort in dieser Form ergeben sich aus dem Protokoll der Hauptversammlung. Die Beklagte hat demgegenüber zwar vorgetragen, der Vorstand habe auf alle Fragen ausführlich geantwortet (Bl. 265 d.A.). Dieses pauschale Vorbringen genügt jedoch nicht, um die Richtigkeit des Protokolls der Hauptversammlung zu erschüttern, wie das Landgericht ebenfalls zu Recht festgestellt hat. Die Auskunftsverweigerung betrifft alle sechs angefochtenen Beschlüsse. Zwar stellt die Rechtsprechung insoweit strenge Anforderungen und mutet es dem Aktionär zu, daß er seine Frage zu einzelnen Beschlußfassungen auch wiederholt stellt, um eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt zu gewährleisten (BGH NJW 1992, 2760, 2763 f.). Im vorliegenden Fall erfaßt die nicht beantwortete Frage - wie das Landgericht ebenfalls zu Recht ausführt - alle streitgegenständlichen Beschlüsse, da sich zum einen der Verlust des Jahres 1995 durch den Übertrag in das folgende Jahr auch für das Jahr 1996 auswirkt. Damit sind aber auch jeweils die Fragen nach der Verantwortlichkeit des Vorstandes und Aufsichtsrats der Beklagten gestellt. Die Frage ist ausweislich des Hauptversammlungsprotokolls noch vor der Abstimmung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten gestellt worden. Dem Vorstand ist klar gewesen, daß sich die Beantwortung der Frage auf alle anstehenden Beschlüsse gemäß der Tagesordnung auswirkt, da die Frage im Zusammenhang mit einer allgemeinen Diskussion zu allen Tagesordnungspunkten gestellt worden war. In dieser Situation wäre es ein reiner Formalismus, von dem Aktionär stupide das Stellen der gleichen Frage zu jedem Tagesordnungspunkt zu verlangen.

2. Der als Feststellungsantrag der Kläger zu 2. bis 6., daß M S als Sonderprüferin in der Hauptversammlung am 04.06.1998 bestellt worden ist, ist ebenfalls zulässig und begründet.

Gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrages bestehen keine Bedenken. Die positive Beschlußfeststellungsklage ist gegen ablehnende Beschlüsse der Hauptversammlung statthaft (Hüffer, a.a.O., § 246 Rn. 42). Sie ist ihrer Struktur nach eine Anfechtungsklage des ablehnenden Beschlusses verbunden mit einem Feststellungsantrag, wie er auch tatsächlich von den Klägern zu 2. bis 6. mit Unterstützung der Klägerin zu 1. als Nebenintervenientin gestellt worden ist (Hüffer, a.a.O., § 246 Rn. 42).

Die Beschlußfeststellungsklage ist auch begründet.

Die als Monatsfrist zu beachtende Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG ist - wie bereits oben dargelegt - gewahrt.

Die Kläger zu 2. bis 6. haben gegen den ablehnenden Beschluß Widerspruch gemäß § 245 Nr. 1 AktG eingelegt. Dem steht nicht entgegen, daß das Protokoll der Hauptversammlung vom 04.06.1998 einen entsprechenden Widerspruch nicht enthält. Die Widerspruchseinlegung durch den Kläger zu 2. und den Zeugen S für die Kläger zu 3. bis 6. ist durch die Aussagen der Zeugen S, K, K und L bestätigt. Die Zeugen sind gemäß dem Beweisbeschluß des Senats vom 28.03.2001 (Bl. 331 d.A.) vernommen worden. Der Zeuge K hat bekundet, daß der Kläger zu 2. und der Zeuge S für die Kläger zu 3. bis 6. gegen den die Einsetzung eines Sonderprüfers ablehnenden Beschluß Widerspruch eingelegt haben. Hinsichtlich des Klägers zu 2. hat dies auch der Zeuge K ausgesagt. Der Zeuge L bekundete, daß der Kläger zu 2. und der Zeuge S wegen des ablehnenden Beschlusses deutlich hörbar "gemeckert" hätten. Während der Zeuge S anläßlich seiner ersten Vernehmung vor dem Landgericht Potsdam noch geäußert hatte, daß er, da er den Beschluß auf die Bestellung eines Sonderprüfers selber getragen habe, natürlich keinen Widerspruch gegen den ablehnenden Beschluß der Hauptversammlung eingelegt habe, hat er dies anläßlich seiner erneuten Vernehmung vor dem Senat richtiggestellt. Unter Berufung darauf, daß er eventuell vom Landgericht mißverstanden worden sei oder dieses seine Aussage falsch protokolliert habe, bekundete der Zeuge vor dem Senat, daß er gegen den ablehnenden Beschluß für die Kläger zu 3. bis 6. Widerspruch eingelegt habe. Der Kläger zu 2. habe sich ihm - wie schon während der ganzen vorangegangenen Hauptversammlung - angeschlossen. Die Aussagen der Zeugen sind - mit Ausnahme der Aussage des Zeugen S - widerspruchsfrei. Soweit der Zeuge S seine Aussage richtiggestellt hat, hat er dies nachvollziehbar dargelegt. Die richtiggestellte Aussage stimmt nunmehr mit den Aussagen der übrigen Zeugen, die bei der Hauptversammlung allesamt nahe beieinandergesessen haben, überein. Das Eigeninteresse der Zeugen S, L und K als Aktionäre bzw. Aktionsvertreter erscheint nicht so stark, daß die sachlich und sicher vorgetragenen Aussagen dadurch in ihrer Glaubwürdigkeit erschüttert werden. Dies wird dadurch untermauert, daß der alleine aus journalistischem Interesse in der Hauptversammlung der Beklagten am 04.06.1998 anwesende Zeuge K die Aussagen der übrigen Zeugen dadurch bestätigte, indem er von der Widerspruchseinlegung durch den Kläger zu 2. berichtete, neben dem er bei der Hauptversammlung gesessen hatte. Andere Widerspruchseinlegende konnte der Zeuge allerdings namentlich nicht nennen. Demgegenüber sind die Aussagen der gegenbeweislich von der Beklagten benannten Zeugen D und B unergiebig. Die Zeugin D, eine Angestellte aus dem Büro des Protokollführers, konnte sich nicht daran erinnern, ob seitens des Klägers zu 2. und des Zeugen S Unmutsäußerungen gegen den die Einsetzung eines Sonderprüfers ablehnenden Beschluß geäußert worden sind. Die Zeugin B, eine Angestellte der Beklagten, hat zwar bekundet, daß sie meint, die Kläger zu 2. und der Zeuge S hätten keinen Widerspruch eingelegt. Jedoch wirkte die Zeugin bei ihrer Aussage nicht sicher. Auf Detailfragen, die ihr gestellt wurden, konnte sie keine genauen Antworten geben. Bestätigen konnte sie nur das, was ohnehin im Protokoll der Hauptversammlung der Beklagten steht. Im Übrigen bestehen nach den Aussagen der Zeugen auch keine Zweifel daran, daß die Widerspruchseinlegung durch den Kläger zu 2. und den Zeugen S für die Kläger zu 3. bis 6. für den Protokollführer der Hauptversammlung wahrnehmbar gewesen ist. Insoweit berichten die Zeugen zwar übereinstimmend davon, daß die Hauptversammlung sehr turbulent gewesen ist. Jedoch besteht angesichts der von den Zeugen beschriebenen Größe des Raumes und der Eindringlichkeit der Widerspruchseinlegung kein Zweifel, daß die Wahrnehmbarkeit des Widerspruchs vorgelegen hat. Dem steht letztlich auch nicht entgegen, daß der Widerspruch nicht in das Protokoll der Hauptversammlung aufgenommen worden ist. So hat der Zeuge K anschaulich beschrieben, daß er den Zeugen M, der als Protokollführer während der Hauptversammlung das Protokoll auf ein Diktiergerät protokolliert hat, in der Situation für überfordert gehalten hat.

Der angefochtene, die Bestellung eines Sonderprüfers ablehnende Beschluß der Hauptversammlung vom 04.06.1998 ist unter Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 243 Abs. 1 AktG ergangen. Verletzt worden ist § 136 AktG. Nach § 136 Abs. 1 AktG kann niemand für sich oder für einen anderen das Stimmrecht ausüben, wenn darüber Beschluß gefaßt wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Tatsächlich jedoch haben bei der Abstimmung zu dem von den Klägern nach § 142 Abs. 1 AktG gestellten Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder abgestimmt. Diese Feststellung ist zwischen den Parteien unstreitig. Damit steht aber bereits fest, daß die Wertung einer Ablehnung des Beschlusses anfechtbar ist, da sie unter Verstoß gegen § 136 AktG zustandegekommen ist.

Darüber hinaus ist auch positiv festzustellen, daß die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten am 04.06.1998 beschlossen hat, zur Prüfung der Vorgänge (a) Geschäftsbeziehung zur A GmbH K und (b) Geschäftsbeziehung zum Eigenbetrieb V Frau M S als Sonderprüferin zu bestellen. Der entsprechenden Beschlußfassung hat § 124 Abs. 4 AktG nicht entgegengestanden. Danach dürfen über solche Gegenstände, die in der Tagesordnung nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sind, keine Beschlüsse ergehen. Die Regelung bezweckt den Schutz nicht erschienener Aktionäre (Hüffer, a.a.O., § 124 Rn. 18). Zu den bekanntmachungsfreien Anträgen zählen aber solche, die zu Gegenständen der Tagesordnung gestellt werden, so auch die Bestellung von Sonderprüfern (Hüffer, a.a.O., § 124 Rn. 19 mwN.), wie es vorliegend der Fall ist.

Für den Antrag auf die Bestellung eines Sonderprüfers ist in der Hauptversammlung am 04.06.1998 eine rechnerische Mehrheit an Stimmen gemäß § 133 Abs. 1 AktG zustandegekommen. Hier vertreten die Parteien unterschiedliche Auffassungen. Die Kläger gehen von 409 gültigen Ja-Stimmen, 217 gültigen sowie 295 ungültigen Nein-Stimmen aus. Demgegenüber zählt die Beklagte 205 gültige und 185 ungültige Ja-Stimmen sowie 236 gültige und 295 ungültige Nein-Stimmen (Bl. 268 f.).

Letzlich kann das genaue Zahlenergebnis vor allem hinsichtlich der Nein-Stimmen dahinstehen. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, daß zahlreiche Ja-Stimmen ungültig seien, ist nicht zutreffend, so daß sich auch nach der von der Beklagten vorgetragenen Zahl von Nein-Stimmen eine Mehrheit für die Ja-Stimmen gibt.

Der Gültigkeit von 185 Ja-Stimmen steht - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht entgegen, daß einige Aktionäre als Erben noch nicht im Aktienbuch (§ 67 AktG) eingetragen sind und ein Nachweis über ihre Erbenstellung, z.B. ein Erbschein, zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 04.06.1998 nicht vorgelegt haben. Grundsätzlich gilt, daß jede Aktie das Stimmrecht gewährt, § 12 Abs. 1 AktG. Nach § 67 Abs. 2 AktG gilt aber im Verhältnis zur Gesellschaft nur der als Aktionär, der als solcher im Aktienbuch eingetragen ist, sofern die Aktien noch nicht ausgegeben worden sind. Eine Sonderstellung nehmen jedoch Erben von Aktionären ein. Für sie gilt, daß sie gegenüber der Gesellschaft ohne Umschreibung als Aktionäre gelten (Geßler, a.a.O., § 67 Rn. 4; Lutter in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 67 Rn. 34). Im Ergebnis ist für sie also keine namentliche Nennung im Aktienbuch erforderlich.

Die Erben müssen - auch dann, wenn sie noch nicht im Aktienbuch eingetragen sind - nicht einen Erbschein vorlegen, um sich als Aktionäre zu legitimieren. Eine entsprechende formale Voraussetzung besteht mangels einer dahingehenden Regelung nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob die Aktiengesellschaft sie als Erben anerkennt. Für den konkreten Sachverhalt ist bereits fraglich, ob die Beklagte überhaupt die Erbenstellung der Aktionäre der 185 von ihr als ungültig eingeordneten Ja-Stimmen ausreichend bestritten hat; die Beklagte drückt sich insoweit unklar aus. Aber selbst wenn von einem wirksamen Bestreiten der Erbenstellung der die 185 Ja-Stimmen haltenden Aktionäre auszugehen wäre, muß sich die Beklagte nach Treu und Glauben ihr eigenes Verhalten zurechnen lassen und die Erben als Aktionäre anerkennen. Die Beklagte hat eine Einlaßkontrolle bei allen Aktionären bzw. bevollmächtigten Vertretern vorgenommen und die Stimmberechtigung jeder beteiligten Person geprüft. Es sind im Anschluß an die Prüfung - noch vor den Abstimmungen - Stimmkarten auch an die Aktionäre, deren Stimmberechtigung jetzt in Abrede gestellt wird, ausgeteilt worden. Die Beklagte handelt treuwidrig, wenn sie sich nunmehr auf die fehlende Stimmberechtigung der Aktionäre beruft, die diese Rechtsstellung aufgrund einer Erbschaft erlangt haben. Im Übrigen setzt sich die Beklagte auch in Widerspruch zu ihrem Vorbringen zu den anderen gefaßten Beschlüssen. Für diese Beschlüsse, die sie inhaltlich verteidigt, problematisiert sie die Stimmberechtigung der Aktionäre, die ihre Stellung aufgrund einer Erbschaft erlangt haben, nämlich nicht.

Im Ergebnis ist daher bereits nach dem Vorbringen der Beklagten von 390 Ja-Stimmen bei 236 gültigen Nein-Stimmen eine einfache Mehrheit für die Einsetzung eines Sonderprüfers vorhanden gewesen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist die Entscheidung nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO ergangen.

Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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