Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: 7 U 16/99
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, GWB, ZPO, HGB


Vorschriften:

BGB § 305
BGB § 138
BGB § 315 Abs. 3
BGB § 284 Abs. 1
AGBG § 9
AGBG § 1 Abs. 2
AGBG § 11 Nr. 5 b
AGBG § 24 Satz 2
AGBG § 23 Abs. 2 Nr. 2
GWB § 22 Abs. 4 Nr. 2 a.F.
GWB § 22 a.F.
ZPO § 519 b Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
HGB § 352 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 16/99 Brandenburgisches Oberlandesgericht 12 O 90/98 Landgericht Frankfurt/Oder

Anlage zum Protokoll vom 10.01.2001

Verkündet am 10.01.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2000 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bietz, den Richter am Oberlandesgericht Hein und den Richter am Amtsgericht Endemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird hinsichtlich des Feststellungsantrages als unzulässig verworfen.

Im Übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das am 08.12.1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) hinsichtlich der Nebenforderungen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 128.205,99 DM zzgl. 5 % Zinsen seit dem 24.01.1998 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 162.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 134.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Parteien schlossen unter dem 26./28.06.1995 einen Vertrag über die Lieferung von Gas, der für die Zeit bis zum 31.12.2004 befristet war (§ 6 Ziffer 2 des Vertrages). In dem Vertrag heißt es unter § 1 Ziffer 5:

"Die Gasversorgung.... liefert.... eine jährliche Menge von 17 Mio kWh Ho."

sowie unter § 1 Ziffer 8:

"Der Kunde verpflichtet sich, während der Dauer dieses Vertrages ausschließlich das von der Gasversorgung gelieferte Erdgas zu verwenden.... Der Kunde verpflichtet sich, pro Jahr mindestens 80 % der unter Ziffer 5 genannten Jahresmenge abzunehmen. Nicht abgenommene Mengen sind mit dem, jeweils niedrigsten, in dem Abrechnungsjahr berechneten Gasarbeitspreis zu bezahlen."

Das Abrechnungsjahr sollte gemäß § 4 Ziffer 3 des Vertrages jeweils vom 1. Januar bis zum 31. Dezember laufen. Darüber hinaus wurde in § 3 Ziffer 1 des Vertrages festgelegt, dass die Beklagte für die Herstellung der Anschlussanlage und die Bereitstellung der vereinbarten Gasmenge einen - einmaligen - Kostenbeitrag in Höhe von 57.500,00 DM zahlen sollte. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vertragsgestaltung wird auf die bei den Akten befindlichen Ablichtungen der Vertragsurkunde, Bl. 11 bis 17 d. A. und Bl. 293 bis 299 d. A., verwiesen.

Mit dem Vertragsschluss verwirklichte die Beklagte die Umstellung ihrer Energieversorgung von schwerem Heizöl auf Erdgas. Dem Vertragsschluss vorausgegangen waren Verhandlungen der Parteien, in deren Verlauf die Klägerin der Beklagten mehrere Vertragsentwürfe übersandte, die die Beklagte durch die Einfügung weiterer Angaben vervollständigte und an die Klägerin rückübersandte; wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die von der Beklagten vorgelegten Vertragsentwürfe, Bl. 281 bis 288 d. A. und Bl. 289 bis 292 d. A., Bezug genommen. Im Zuge der Verhandlungen hatten die Parteien sich darauf verständigt, dass dem Vertrag eine Gasmenge in Höhe von 17 Mio. kWh zu Grunde gelegt werden sollte (§ 1 Ziffer 5 des Vertrages); der am 28.06.1995 schließlich auch von der Beklagten unterzeichnete Vertrag beruhte auf einem den ersten Vertragsentwürfen zeitlich folgenden, dritten von der Klägerin übermittelten Vertragsentwurf.

Nach Vertragsschluss errichtete die Klägerin eine sogenannte "Hochdruckleitung", durch die die Versorgung der Beklagten erfolgen sollte. Die hierzu erforderlichen Bauarbeiten endeten am 27.01.1997, im Februar 1997 wurde die Versorgung der Beklagten mit Gas aufgenommen.

In der Zeit vom 01.02.1997 bis zum 31.12.1997 betrug der Gasverbrauch der Beklagten insgesamt 7.423.251 kWh und lag damit weit unter der Mindestabnahmemenge. Unter dem 09.01.1998 stellte die Klägerin der Beklagten insgesamt 128.205,99 DM wegen Nichterreichens der vertraglich festgelegten Mindestabnahmemenge in Rechnung; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 09.01.1998, Bl. 18 d. A., verwiesen. Darüber hinausstellte die Klägerin unter dem 07.01.1998 einen Betrag in Höhe von 6.439,61 DM für im Dezember 1997 von der Beklagten verbrauchtes Gas in Rechnung.

Die Klägerin hat behauptet, während der Vertragsverhandlungen sei die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass die von ihr - der Beklagten - begehrte Menge zu liefernden Gases zu dem im Vertrage im übrigen vorgesehenen Konditionen nur durchgeführt werden könne, wenn eine Abnahmeverpflichtung in Höhe von 80 % der zugesagten Jahresmenge zugesichert werde und für diese Menge Zahlungen auch im Falle der Nichtabnahme geleistet würden. Für die Lieferung der vertraglich vorgesehenen Mengen sei die Errichtung einer Hochdruckleitung sowie einer speziellen Übergabestelle auf dem Grundstück der Beklagten erforderlich gewesen. Die von der Klägerin dementsprechend errichtete Anlage sei allein für die Belieferung der Beklagten bestimmt gewesen. Im Rahmen der Finanzierung der Anlage durch die Klägerin fielen jährlich Abschreibungen in Höhe von 28.100,00 DM sowie Zinszahlungen in Höhe von 18.421,00 DM an. Dem habe im Jahre 1997 für die tatsächlich an die Beklagte gelieferten Gasmengen ein Roherlös von 0,31 Pfennig je kWh, insgesamt 22.946,00 DM, gegenübergestanden. Ohne die Vereinbarung einer Mindestabnahmepflicht und Mindestvergütung nicht abgenommener Mengen sei auf der Grundlage des tatsächlichen Gasbezuges durch die Beklagte im Jahre 1997 ein Verlust der Klägerin in Höhe von 80.847,00 DM festzustellen.

Die Klägerin hat ursprünglich im Mahnverfahren insgesamt die Zahlung von 135.165,09 DM zuzüglich Nebenforderungen begehrt. Nach Zustellung des Mahnbescheides glich die Beklagte den Übertrag der Rechnung vom 07.01.1998 in Höhe von 6.439,61 DM aus, woraufhin die Klägerin den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt sowie die Klage in Höhe weiterer 519,49 DM - wegen eines Rechenfehlers - zurückgenommen hat.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 128.205,99 DM zuzüglich 9,8 % Zinsen seit dem 24.01.1998 sowie weitere 10,00 DM Mahnkosten zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 6.439,61 DM in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise,

die Beklagte zu einem die Klageforderung unterschreitenden Betrag, dessen Höhe das Gericht unter Berücksichtigung von § 315 Abs. 3 BGB festzusetzen habe, zu verurteilen und die Klage im Übrigen abzuweisen.

Sie hat behauptet, während der Vertragsverhandlungen seien lediglich die von ihr zu zahlenden Preise, nicht aber eine Mindestabnahmeverpflichtung besprochen worden. In den Jahren 1993 und 1994 habe sie - die Beklagte - teilweise 350.000 Steine/Tag produziert. In den Jahren 1995 bis 1997 sei es demgegenüber zu einem nicht unerheblichen Absatzrückgang sowie zu einem Preisverfall von etwa 50 % für ihre Produkte gekommen. Der von ihr - unstreitig - an die Klägerin zu zahlende Grundpreis in Höhe von 85.300,00 DM jährlich übersteige die von anderen Kalksandsteinwerken zu zahlenden, entsprechenden Grundpreise, die zwischen 6.000,00 DM und 48.720,00 DM betrügen, erheblich. Zwischen den Parteien habe bei Vertragsschluss zudem Einverständnis bestanden, daß nicht abgenommene Energiemengen nicht bezahlt werden sollten.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 08.12.1998 der Klage in vollem Umfange stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von 128.205,99 DM bestünden gemäß § 1 Ziffer 8 des Vertrages vom 26./28.06.1995 in Verbindung mit § 305 BGB; die Klausel sei weder nach § 9 AGBG noch nach § 22 GWB unwirksam. Hinsichtlich des Betrages von 6.439,61 DM sei Erledigung festzustellen gewesen, da die Zahlung nach Rechtshändigkeit erfolgt sei.

Gegen dieses Urteil, das ihr am 21.12.1998 zugestellt wurde, hat die Beklagte am 19.01.1999 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.03.1999 am 18.03.1999 begründet hat, und mit der sie unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres bisherigen Sachvortrages weiterhin das Ziel der Abweisung der Klage verfolgt.

Die Beklagte behauptet, der Kontakt zwischen den Parteien sei auf Initiative der Klägerin zustande gekommen. Nachdem die Klägerin während der Vertragsverhandlungen Ende 1994 auf von der Beklagten zu tragende Investitionskosten in Höhe von über 100.000,00 DM hingewiesen habe, habe sie - die Beklagte - zunächst einen Vertragsschluß abgelehnt. Den von der Klägerin vorgelegten dritten Vertragsentwurf habe der für die Beklagte handelnde Zeuge N vor der Unterschriftsleistung lediglich überflogen; § 1 Ziffer 8 Satz 2, 3 des Vertrages habe er dabei dahingehend verstanden, dass hier eine Art "Vertragsstrafe" vorgesehen sei für den Fall, dass die Beklagte entgegen § 1 Ziffer Satz 1 des Vertrages nicht ausschließlich von der Klägerin Gas beziehe. Im Übrigen stelle § 1 Ziffer 8 des Vertrages eine von der Klägerin vorformulierte Formularklausel dar, die für eine Vielzahl von Verträgen verwendet werde.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 08.12.1998 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, unmittelbar vor Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages im Juni 1995 seien der Beklagten zwei Vertragsarten zu Überprüfung überlassen worden, wobei es sich zum einen um eine vertragliche Gestaltung ohne Abschaltung und Mindestabnahmeverpflichtung, allerdings mit einem erheblich höheren Arbeitspreis, zum anderen um eine Vertragsgestaltung, wie sie Gegenstand des Vertrages vom 26./28.06.95 geworden ist, gehandelt habe. § 1 Ziffer 8 Satz 2, 3 des Vertrages stelle keine vorformulierte Vertragsklausel dar; dies zeige sich insbesondere darin, dass die Worte "Der Kunde verpflichtet sich" in einer anderen Schrifttype gehalten sei als der übrige Text der Klausel. Der gesamte Vertrag stelle nicht ein gedrucktes oder ansonsten vervielfältigtes Klauselwerk, sondern ein individuell für die Beklagte konzipiertes Regelwerk dar. Mindestabnahmeverpflichtungen seien im Verhältnis zu Sonderkunden, wie sie - unstreitig - die Beklagte eine gewesen ist, üblich. Die Beklagte behauptet weiter, die Kosten der von ihr errichteten Hochdruckleitung hätten insgesamt 266.928,00 DM betragen. Für die Lieferung der von der Beklagten 1997 tatsächlich abgenommenen Gasmenge hätte hingegen eine Mitteldruckleitung ausgereicht, die mit einem Kostenaufwand von lediglich 21.201,50 DM hätte errichtet werden können. Zur Gestaltung ihrer Preise behauptet die Klägerin, der Gaspreis spalte sich auf in den Grund-, Bereitstellungs- oder Leistungspreis einerseits sowie den Arbeitspreis andererseits. Der Grundpreis richte sich regelmäßig nach der im abzurechnenden Zeitraum höchsten Tagesentnahme und wäre unter diesem Gesichtspunkt für die Beklagte im Jahre 1997 in Höhe von 106.744,05 DM anzunehmen gewesen. Die Klägerin habe einen entsprechend berechneten Grundpreis, der im Jahre 1997 830.497,38 DM betragen habe, auch an ihre Vorlieferantin zu entrichten. Der Arbeitspreis, der - unstreitig - für die Beklagte im Jahre 1997 bei durchschnittlich 2,53 Pfennig/kWh gelegen habe, habe 1997 für Normalkunden bei 3,77 Pfennig je kWh gelegen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 19.04.2000 (Bl. 354 f. d.A.) Beweis durch Vernehmung der Zeugen A B, R K und M N erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18.10.2000 (Bl. 377 ff. d.A.) und 06.12.2000 (Bl. 420 ff. d.A.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist teilweise unzulässig, im Übrigen auch überwiegend unbegründet.

I.

1. Unzulässig ist die Berufung nach §§ 519 b Abs. 1, 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, soweit die Beklagte die Abänderung des Urteils hinsichtlich der Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit wegen eines Teilbetrages von 6.439,61 DM in der Hauptsache erledigt ist. Die Beklagte hat es versäumt, ihren dahingehenden Klageabweisungsantrag zu begründen, wozu sie nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO verpflichtet war. Auch das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten, auf das sie sich in der Berufungsbegründungsschrift ergänzend beruft, enthält keine Begründung für eine Abweisung des Feststellungsantrages der Klägerin. Aus § 519 b Abs. 1 ergibt sich, dass die vom Berufungskläger nicht begründete Berufung als unzulässig zu verwerfen ist.

2. Soweit die Berufung nicht verworfen worden ist, ist sie zulässig, jedoch überwiegend nicht begründet.

a) Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe von 128.205,99 DM nach § 305 BGB in Verbindung mit § 1 Ziffer 8 des Gaslieferungsvertrages vom 26./28.06.1995 zu. Der Anspruch beruht auf der Rechnung der Klägerin an die Beklagte vom 09.01.1998.

Nach § 1 Ziffer 8 des Gaslieferungsvertrages hat sich die Beklagte gegenüber der Klägerin verpflichtet, pro Jahr mindestens 80 % der unter Ziffer 5 des Gaslieferungsvertrages genannten Jahresmenge an Gas abzunehmen. Nicht abgenommene Gasmengen hat die Beklagte mit dem jeweils niedrigsten, in dem Abrechnungsjahr berechneten Gasarbeitspreis zu bezahlen. Die Klageforderung beinhaltet eine entsprechende Vergütung.

b) Die so zwischen den Parteien getroffene Regelung ist wirksam; das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) ist auf sie nicht anwendbar.

Auch ist die Vereinbarung nicht sittenwidrig.

aa) Eine Unwirksamkeit der Regelung ergibt sich zunächst nicht aus dem AGBG, da dieses für die Regelung des § 1 Ziffer 8 des Gaslieferungsvertrages vom 26./28.06.1995 nicht anwendbar ist.

Diese Bewertung durch den Senat ist für die Parteien nicht überraschend. Zwar hat der Senat in dem Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 30.06.1999 noch die Ansicht vertreten, dass es sich bei § 1 Ziffer 8 des Gaslieferungsvertrages um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.

Jedoch wird schon durch den Beweisbeschluss vom 19.04.2000 diese Ansicht in Frage gestellt.

Die Anwendbarkeit des AGBG ist allerdings nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das AGBG durch die besonderen Regeln der AVBGasV verdrängt werden würde. Der zwischen den Parteien vereinbarte Gaslieferungsvertrag stellt eine Vereinbarung für Industriekunden mit Sonderbedingungen dar. Die allgemeinen Bedingungen für Tarifabnehmer gelten in einem solchen Falle nicht, was sich schon darin zeigt, dass die Parteien über mehrere Monate zu den Vertragsmodalitäten verhandelt haben und zwischen ihnen mehrere Vertragsmöglichkeiten besprochen worden sind.

Die Unanwendbarkeit des AGBG für § 1 Ziffer 8 des Gaslieferungsvertrages ergibt sich jedoch aus § 1 Abs. 2 AGBG. Danach liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen dann nicht vor, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Unerheblich ist dabei, ob andere Teile des Gaslieferungsvertrages allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen. Soweit auch nur einzelne selbständige Regelungen individuell ausgehandelt sind, findet auf diese das AGBG keine Anwendung (Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 1 Rn. 55; Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Auf., § 1 Rn. 37; Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl., § 1 AGBG, Rn. 19). Begrifflich liegt eine Individualvereinbarung im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG vor, wenn die Vertragsbedingungen im einzelnen zwischen den Vertragspartnern ausgehandelt werden (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn. 15). Das setzt voraus, dass der Verwender, hier also die Klägerin, den Kerngehalt ihrer AGB inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt. Dieser muss die reale Möglichkeit erhalten, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (BGH NJW 1998, 2600, 2601; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 1 Rn. 33 ). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu prüfen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn. 18). Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorhandensein einer Individualvereinbarung ist die Klägerin als Verwenderin von Geschäftsbedingungen. Die Verwendung eines gedruckten Vertragsformulares begründet eine prima-facie Vermutung dafür, dass darin allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten sind. Der Verwender muss dies widerlegen und die Umstände vortragen, die für eine Individualvereinbarung sprechen (Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., § 1 Rn. 61 f.; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 1 Rn. 60 ff).

Als Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass § 1 Ziffer 8 des Gasversorgungsvertrages zwischen den Parteien nicht dem AGBG unterfällt, da diese Vertragsregelung individuell ausgehandelt worden ist. Dies ergibt sich aus den Aussagen der von der beweisbelasteten Klägerin benannten Zeugen B und K. Der Zeuge B hat ausgesagt, dass die Vertragsregelungen zu § 1 Ziffer 8 und Ziffer 5 des Gasversorgungsvertrages von ihm gänzlich neu entworfen worden sind und auf dem ihm über die Zeugin K übermittelten Wunsch der Beklagten beruht hätten. Insbesondere die Einfügung einer unterbrechbaren Gasbelieferung sei bisher in den Verträgen der Klägerin unüblich gewesen. Die Zeugin K hat die Aussage des Zeugen B bestätigt und zugleich ausgesagt, dass bei den Gesprächen über die Möglichkeit einer abschaltbaren Belieferung auch über eine Mindestabnahme gesprochen worden sei. Letzteres ist auch durch den gegenbeweislich benannten Zeugen N bestätigt worden. Allerdings hat dieser Zeuge auch ausgesagt, dass er als Ergebnis der Verhandlungen davon ausgegangen sei, dass eine Mindestabnahmepflicht nicht gelten sollte. Die Aussagen der Zeugen sind, bis auf die Vereinbarung einer Mindestabnahmepflicht, im Wesentlichen übereinstimmend. Die Zeugen B und K sind glaubwürdig. Diese beiden Zeugen wirkten bei ihrer Aussage sicher und überlegt. Ihre Aussage selber war widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Dass der ursprüngliche Vertragsentwurf - wie beide Zeugen bekundet haben - um die Regelungen in § 1 Ziffer 5 und 8 ergänzt worden ist, findet sich auch durch den Gaslieferungsvertrag zwischen der Kalksandsteinwerk F GmbH und der E AG vom 25.02./01.03.1993 (Bl. 148 d.A.) bestätigt. Dieser Vertrag ähnelt dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in Schriftbild und Inhalt sehr stark, enthält aber eben keine Bestimmungen zu einer Abschaltung oder einer Mindestmengenabnahme. Hinsichtlich des Zeugen N, der seine erste Aussage vom 18.10.2000 im weiteren Termin am 06.12.2000 korrigiert hat, zeigte sich, dass dieser erhebliche Erinnerungslücken hat. Zudem wirkte er bei seiner Aussage nicht sicher.

Den Zeugenaussagen sowie den weiteren unstreitigen Umständen ist zu entnehmen, dass die Regelung des § 1 Ziffer 8 des Gasversorgungsvertrages als Ergebnis längerer Verhandlungen der Parteien in den Vertrag aufgenommen worden ist und damit keine allgemeine Geschäftsbedingung darstellt. Bereits hierin kommt zum Ausdruck, dass bei der Klägerin eine generelle Abänderungsbereitschaft ihrer standardisierten Lieferungsbedingungen für Großkunden vorgelegen hat. Auch ergibt sich aus den Aussagen, dass über die in § 1 Ziffer 8 des Vertrages enthaltene unterbrechbare Versorgung und die Mindestabnahme zumindest gesprochen und damit verhandelt worden ist. Auch hierin zeigt sich eine Bereitschaft der Klägerin, über einzelne Regelungen zu verhandeln und diese individuell zu gestalten. Soweit der Zeuge N bekundet, nach seiner Kenntnis habe eine Mindestabnahme nicht vereinbart werden sollen, ist dies zweifelhaft. Der Aussage des unsicheren Zeugen N steht nicht nur die anderslautende Aussage der sicher wirkenden Zeugin K entgegen, sondern auch der vereinbarte Vertrag selbst; der § 1 Ziffer 8 des Gasversorgungsvertrages ist sprachlich eindeutig als Mindestabnahmeverpflichtung mit einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung zu verstehen. Die Regelung ist weder mißverständlich noch könnte sie in einem anderen Sinne ausgelegt werden. Da der Zeuge N zudem auch bekundet hat, dass der der Beklagten zugesandte Vertragsentwurf intern noch besprochen worden ist, bevor er am 28.06.1995 endgültig unterzeichnet wurde, ist von einem Aushandeln der gesamten Regelung des § 1 Ziffer 8 des Gasversorgungsvertrages auszugehen. Die Beklagte hatte mehrere Vertragsvarianten zur Auswahl und hat sich nach eigener Überlegung für den Vertrag mit einer Mindestabnahmeverpflichtung, eine Abschaltungsmöglichkeit und einem niedrigen Arbeitspreis entschieden. Dabei bestand keinerlei Druck, sich für diese Variante zu entscheiden, zumal der Beklagten immer noch die Möglichkeit zur Energiegewinnung durch die Verbrennung von schwerem Heizöl offenstand.

bb) Die Regelung des § 1 Ziffer 8 des Gasversorgungsvertrages verstößt auch nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB in Verbindung mit § 22 Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F).

Nach § 22 Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F. kann die Wettbewerbsbehörde das Handeln eines marktbeherrschenden Unternehmens untersagen, wenn das Unternehmen Entgelte fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei einem wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Zweifelhaft ist bereits, ob es sich bei der Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses um ein marktbeherrschendes Unternehmen gehandelt hat. Ungeklärt ist auch, ob die Gaslieferungsvereinbarung zwischen den Parteien ein höheres Entgelt beinhaltet, als es unter Wettbewerbsbedingungen zu leisten wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin für die Realisierung des Gasversorgungsanschlusses für die Beklagte erhebliche investive Aufwendungen getätigt hat, die von der Beklagten nur unsubstantiiert bestritten worden sind. Zudem beinhaltet die Abschaltungsregelung in dem Gasversorgungsvertrag ein zusätzliches Kalkulationsrisiko für die Klägerin. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin der Beklagten einen günstigen Arbeitspreis zugebilligt hat, der - was zwischen den Parteien unstreitig ist - unter dem üblichen Preis für Sonderkunden liegt. Aber selbst wenn - entgegen der von der Landeskartellbehörde im Schreiben vom 25.05.1998 vertretenen Ansicht - ein Verstoß gegen § 22 GWB a.F. vorliegen sollte, wäre damit noch nicht die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung dargetan. Im Rahmen des § 138 BGB ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen die alternative Möglichkeit zur Energieversorgung durch schweres Heizöl gehabt hat. Stand ihr aber eine solche Alternative offen, beruht der Vertragsschluss alleine auf ihrer eigenverantwortlichen Entscheidung. Es ist damit nicht erkennbar, dass die Klägerin gegen die guten Sitten verstoßen hätte.

cc) Eine Unwirksamkeit der Regelung ergibt sich auch nicht unter anderen Gesichtspunkten. Insbesondere hat die Beklagte die getroffene Vereinbarung nicht angefochten.

c) Die Höhe der Forderung ergibt sich aus der Rechnung der Klägerin an die Beklagte vom 09.01.1998 (Bl. 18 d.A). Die übersichtliche und nachvollziehbare Abrechnung ist dem Inhalt nach zwischen den Parteien unstreitig. Der nach § 1 Ziffer 8 des Gasversorgungsvertrages vom 26./28.06.1996 zu zahlende Betrag wegen der Nichtabnahme von Gas im Abrechnungsjahr 1997 beträgt 128.205,99 DM.

Die Rechnungsforderung ist nicht einer allgemeinen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB zugänglich. Im allgemeinen sind zwar Tarife von Monopolunternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, grundsätzlich einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen (BGH NJW 1992, 171, 173; 1987, 1828, 1829). Für den vorliegenden Fall gilt dies jedoch nicht, da die Parteien zum einen keine Tarife in diesem Sinne vereinbart, sondern konkrete einzelne Vertragsbedingungen ausgehandelt haben. Der zwischen den Parteien vereinbarte Gaslieferungsvertrag schreibt gerade nicht standardisierte Tarife der Klägerin fest. Er beruht vielmehr auf Bedingungen, die die Beklagte im Einzelnen mit der Klägerin besprochen und verhandelt hat. Dabei sind verschiedene Faktoren, wie der Arbeitspreis, der Bereitstellungspreis, die Abschaltungsmöglichkeit für die Gasversorgung und auch die Vergütung für nicht abgenommenes Gas, die allesamt miteinander verknüpft sind, eingeflossen. Solche ausgehandelten Bedingungen einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen, würde einen Eingriff in die Privatautonomie darstellen. Die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB scheitert auch daran, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten keine Monopolstellung zukommt. Im Bereich der Gasversorgung mag die Klägerin zwar ein Monopol haben, für die Energieversorgung der Beklagten insgesamt gilt dies aber nicht. Der Beklagten stand nämlich die Möglichkeit offen, die benötigte Energie über die Verbrennung schweren Heizöls zu erlangen, so dass sie auf eine Energieversorgung durch die Klägerin nicht angewiesen war. Damit ist auch aus dieser Sicht eine Inhaltskontrolle des Gaslieferungsvertrages zu verneinen.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte ferner einen Zinsanspruch in Höhe von 5 % Zinsen aus 128.205,99 DM seit dem 24.01.1998 nach §§ 352 Abs. 1 HGB, 284 Abs. 1 BGB. Zur Zahlung gemahnt wurde die Beklagte mit Fax-Schreiben der Klägerin vom 23.01.1998, so dass sich die Beklagte seit dem 24.01.1998 im Verzug befindet. Die Beklagte schuldet jedoch nur die gesetzlichen Zinsen für Formkaufleute in Höhe von 5 %. Der geltend gemachte höhere Zinssatz von 9,8 % ergibt sich nicht aus Abschnitt VII Ziffer 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Die Regelung verstößt gegen §§ 9, 11 Nr. 5 b AGBG, da sie für den pauschalisierten Zinsschaden den Nachweis eines geringeren Schadens nicht ausdrücklich eröffnet. Über § 9 AGBG ist die Wertung des § 11 Nr. 5 b AGBG weder durch § 24 Satz 2 AGBG noch durch § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG ausgeschlossen. Das Klauselverbot gilt grundsätzlich auch im kaufmännischen Verkehr (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 11 AGBG, Rn. 27 mwN.). Die in Abschnitt VII Ziffer 10 der AGB der Klägerin getroffene pauschalisierte Schadensregelung weicht zudem von der AVBGasV zum Nachteil des Kunden ab, so dass sich auch aus § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBG ein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 11 Nr. 5 b AGBG nicht ergibt.

III.

Die geltend gemachten Mahnkosten von 10,00 DM hat die Klägerin nicht begründet, so dass die Klage insoweit unschlüssig und abzuweisen ist.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Mangels eines vollstreckungsfähigen Inhalts ist von der Festlegung einer Abwendungsbefugnis zugunsten der Klägerin abgesehen worden.

Der Wert der Beschwer bestimmt sich aus § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück