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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 15.07.2009
Aktenzeichen: 7 U 166/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 543
BGB a.F. § 469
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. September 2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin vermietete der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. für deren Hotelbetrieb im August 1995 eine Telefonanlage sowie eine aus Hardware und Software bestehende Datenverarbeitungsanlage; die beiden Anlagenteile waren durch eine besondere Schnittstellentechnik miteinander verbunden. Die Vertragslaufzeit für die Telefonanlage war bis zum 31.12.2001 vereinbart. Wegen des Vertragsinhalts wird auf die entsprechenden Vertragsurkunden (Bl. 10 - 48 d.A.) Bezug genommen. Der Beklagte zu 2. ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1.

Mit Schreiben vom 30.05.1996 (Bl. 49, 50/ 283, 284 d.A.) und Anwaltsschreiben vom 01.07.1996 (Bl. 51 - 54/ 285 - 288 d.A.) zeigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. Mängel an der Datenverarbeitungsanlage an und forderte deren Beseitigung unter Fristsetzung. Mit Anwaltsschreiben vom 25.09.1996 (Bl. 62 - 64 d.A.) ließ die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. die fristlose Kündigung hinsichtlich der Telefonanlage und der Datenverarbeitungsanlage aussprechen.

Im Vorprozess (OLG Brandenburg - 7 U 156/01/ LG Potsdam - 31 O 427/98) wurden die Beklagten teilweise zur Zahlung der Mietzinsen für die Datenverarbeitungsanlage sowie zur Zahlung der Mietzinsen für die Telefonanlage für die Zeit von Oktober 1996 bis Oktober 1999 verurteilt. Der erkennende Senat vertrat in seinem Urteil vom 23.10.2002 die Auffassung, die Kündigung habe nur zur Beendigung des Mietverhältnisses über die Datenverarbeitungsanlage geführt, nicht aber auch zur Beendigung des Vertragsverhältnisses hinsichtlich der Telefonanlage.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Zahlung von Mietzins und Nutzungsentgelt für die Telefonanlage in Höhe von insgesamt 99.358,22 € in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 99.358,22 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in gestaffelter Höhe zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 45.327,50 € stattgegeben, die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Die Beklagten haben gegen das ihnen am 09.09.2008 zugestellte Urteil am 26.09.2008 Berufung eingelegt und diese am 05.11.2008 begründet.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagten beantragen,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt sowie auf die Akten des Vorprozesses (OLG Brandenburg - 7 U 156/01/ LG Potsdam - 31 O 427/98) ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis zum 31.12.2001 in Höhe von 45.327,50 € geltend gemachte Mietzins nicht zu.

1. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, die fristlose Kündigung vom 25.09.1996 habe nicht zur Beendigung - auch - in Bezug auf das Vertragsverhältnis über die Telefonanlage geführt, weil die Kündigung insoweit unwirksam sei.

Dem Landgericht kann darin nicht gefolgt werden.

2. Auszugehen ist zunächst davon, dass, wie der Senat auf Seiten 15 f. seines im Vorprozess ergangenen Urteils vom 23.10.2002 ausgeführt hat, ein einheitlicher Mietvertrag über mehre Mietsachen, nämlich die Telefonanlage, die Datenverarbeitungsanlage und die Software, vorliegt (Bl. 80 f. d.A.). Des Weiteren ist zugrunde zu legen, dass die von der Beklagten zu 1. mit Anwaltsschreiben vom 25.09.1996 (Bl. 62 f. d.A.) ausgesprochene fristlose Kündigung jedenfalls wegen Mangelhaftigkeit der Datenverarbeitungsanlage gerechtfertigt war (§ 542 BGB i.d.F. vor Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes 2001). Dies hat der Senat im Vorprozess festgestellt und wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Der Senat sieht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung keinen Anlass.

3. Mit Rücksicht darauf, dass ein Mietvertrag über mehrere Sachen vorliegt, stellt sich die Frage, ob bei Mangelhaftigkeit nur einer derselben gleichwohl der gesamte Vertrag - also auch hinsichtlich der mangelfreien Sachen - gekündigt werden kann oder ob nur eine Teilkündigung bezüglich der mangelhaften Mietsache möglich ist.

Nach § 543 BGB a.F. in Verbindung mit § 469 BGB a.F. konnte der Mieter bei einer Mehrheit von Mietsachen nur in Ansehung der mangelhaften Sachen kündigen, es sei denn, die Sachen waren als zusammengehörend vermietet und konnten für den Mieter nicht ohne Nachteil von den übrigen getrennt werden.

a) Zwar hat der Senat im Vorprozess angenommen, die Datenverarbeitungsanlage und die Telefonanlage seien nicht "als zusammengehörend" vermietet worden. Dies ist jedoch nicht mit Bindungswirkung geschehen. Nach allgemeiner Auffassung erwachsen nämlich in Rechtskraft nur die im Urteil ausgesprochenen Rechtsfolgen, nicht aber präjudizielle (vorgreifliche) Rechtsverhältnisse oder sonstige Vorfragen, auf denen die Entscheidung beruht (BGHZ 43, 144, 145; BGH NJW 2003, 3058, 3059; Zöller/ Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., vor § 322 ZPO, Rdnr. 36; Musielak; ZPO, 5. Aufl., § 322 ZPO, Rdnr. 17; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 66. Aufl., § 322 ZPO, Rdnr. 72).

b) Der Senat - in neuer Besetzung - beantwortet die Rechtsfrage nunmehr dahin, dass die Telefonanlage und die Datenverarbeitungsanlage als "zusammengehörend" vermietet worden sind.

Ob mehrere "als zusammengehörend" verkaufte bzw. vermietete Sachen vorliegen, ist nach den Vorstellungen, Absichten und Interessen der Vertragsparteien zu beurteilen (Staudinger/Honsell, BGB, 13. Bearbeitung, § 469 BGB, Rdnr. 4; Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl., § 469 BGB, Rdnr. 4; BGH NJW-RR 1989, 559, 560).

Dafür, dass es sich bei der Telefonanlage einerseits und der Datenverarbeitungsanlage um "als zusammengehörend" vermietete Sachen handelt, sprechen aus Sicht des Senats folgende Gesichtspunkte, die in der Entscheidung im Vorprozess keine Berücksichtigung gefunden haben:

Als "zusammengehörend" vermietet sind Sachen, die aus der Sicht der Parteien dazu bestimmt sind, während der Mietzeit zusammenzubleiben. Das gilt hier in Bezug auf die Telefonanlage und die Datenverarbeitungsanlage für die vereinbarte fünfjährige Mindestvertragsdauer. Während dieser Zeit hatte keine Vertragspartei die Möglichkeit, die beiden Anlagen - ohne triftigen Grund - voneinander zu trennen.

Auch die Kaufoption (Bl. 156 d.A.) bezog sich auf beide Sachen - übrigens dort als "die Anlage" bezeichnet - und spricht für die Zusammengehörigkeit.

Schließlich waren beide Anlagen-Teile, die Telefonanlage wie auch die Datenverarbeitungsanlage in funktioneller Hinsicht miteinander verknüpft. Das betrifft die auf bestimmte Funktionen angelegte Schnittstellentechnik; die einzelnen Funktionen der Telefonanlage, wie Weckruf, Freischaltung der Zimmerapparate und Abrechnung der Gesprächseinheiten, waren nur über die Datenverarbeitungsanlage zu steuern.

Außerdem war der Klägerin die technische Wartung in Bezug auf die Telefonanlage wie auch auf die Datenverarbeitungsanlage übertragen. Insofern handelte es sich um "eine Lösung aus einer Hand", wie es die Beklagten auf Seite 7 der Berufungsbegründung (Bl. 570 d.A.) treffend beschrieben haben.

c) Das Tatbestandsmerkmal "Trennung nicht ohne Nachteil" ist weit und damit großzügig auszulegen (Palandt/Putzo, BGB, 61 Aufl., § 469 BGB, Rdnr. 4). Nach Auffassung des Senats ist auch dieses Kriterium erfüllt.

Das Landgericht ist von seinem Standpunkt aus folgerichtig nicht der Frage nachgegangen, ob eine "Trennung ohne Nachteil" möglich sei; vielmehr hat das Landgericht erörtert, ob der Mietzins wegen Unmöglichkeit entfallen sei. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht darauf abgestellt, ob die Telefonanlage als solche ohne die Datenverarbeitungsanlage "unbrauchbar" war.

Die Fragestellung, ob eine "Trennung ohne Nachteil" aus Sicht der Beklagten zu 1. als der Hotelbetreiberin angenommen werden könne, lässt sich nicht - nur - dahin beantworten, dass die Feststellung einer "Unbrauchbarkeit" der Telefonanlage auszuschließen sei. Vielmehr ist entscheidend, dass beide Anlagenteile durch eine, den besonderen Umständen entsprechende Schnittstellentechnik verbunden waren. Deshalb konnte die Beklagte zu 1. nicht nach Trennung der beiden Anlagenteile die Telefonanlage für sich als solche weiter betreiben; sie war darauf angewiesen, eine neue Datenverarbeitungsanlage anzuschaffen, die allerdings, und dies konnte schon "nicht ohne Nachteil" für sie geschehen, mit einer Schnittstellentechnik auf die "alte" Telefonanlage abzustimmen war.

Bei alledem darf nicht außer Acht bleiben, dass die Beklagte zu 1. außerdem gehalten gewesen wäre, die Telefonanlage - von einem Fachmann - darauf hin überprüfen zu lassen, ob sie noch tauglich sei, in Verbindung mit einer "neuen" Datenverarbeitungsanlage im Hotel eingesetzt zu werden. Angesichts der unklaren Mängelursache, die sich daraus ergab, dass nach dem Vorbringen der Beklagten die Totalausfälle auch bei der Telefonanlage auftraten (Bl. 148 f. d.A.), wäre es - gerade auch aus der Sicht eines verständigen Dritten - notwendig gewesen, eine naturgemäß kostenträchtige Überprüfung der Telefonanlage durchführen zu lassen. Eine solche Überprüfung hätte für die Beklagte zu 1. ohne weiteres zu einem Nachteil geführt.

Von ausschlaggebender Bedeutung ist der Umstand, dass die Beklagte zu 1. die Telefon- und Datenverarbeitungsanlage "aus einer Hand" gemietet hatte. Im Falle auftretender Störungen hatte sie sich nur an einen Vermieter zu wenden und musste nicht erst untersuchen lassen, in welchem Teil der Gesamtanlage die Fehlerursache lag. Diesen aus kaufmännischer Sicht wesentlichen Vorteil hätte sie sofort verloren, wenn sie nur die Telefonanlage der Klägerin weiterbetrieben und die Datenverarbeitungsanlage bei einem anderen Unternehmen gemietet hätte. Schon darin lag ein Nachteil, den die Beklagte zu 1. nach § 469 BGB a.F. nicht hinnehmen musste (vgl. hierzu: OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 1223, 1224; OLG Hamm MDR 1995, 245).

Nach allem ist das Tatbestandsmerkmal einer "Trennung nicht ohne Nachteil" aus Sicht der Beklagten zu 1. zu bejahen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug: 45.327,50 €.



Ende der Entscheidung

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