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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 7 U 213/05
Rechtsgebiete: EGBGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB Art. 229 § 5
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 213/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 10.01.2007

Verkündet am 10.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Fischer und den Richter am Oberlandesgericht Werth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. November 2005 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und deren Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Klägerin hatte im Auftrag der TLG Treuhand Liegenschaftsgesellschaft in S... in verschiedenen Wohnblöcken einen Anhydritfließestrich mit einer Dicke von 30 mm auf einer Fläche von 5 500 m² einzubauen (Bl. 426 d.A.). Die Arbeiten sollten - beginnend mit dem 30.10.2000 - innerhalb einer Frist von 12 Werktagen ausgeführt werden (Bl. 419 R d.A.). Die Klägerin bestellte den Anhydritfließestrich fernmündlich bei der Beklagten, die ihrerseits das zur Herstellung des Estrichs benötigte Bindemittel von der Streithelferin bezog.

Die Klägerin baute den Estrich in der Zeit vom 01.11.2000 bis zum 10.11.2000 ein; die Schleifarbeiten an der Estrichoberfläche führte sie in der Zeit vom 21.11.2000 bis zum 28.11.2000 aus (Bautageberichte: Bl. 395 - 400 d.A.). In der Zwischenzeit, nämlich zwei bis drei Tage nach Verlegung des Estrichs, wurden in den Wohnblöcken bereits die Malerarbeiten durchgeführt. Nach einer Baubehinderungsanzeige des Bodenverlegers wurden Unregelmäßigkeiten auf der Oberfläche und in den Randbereichen des Estrichs festgestellt. Die TLG verlangte von der Klägerin Mangelbeseitigung, die diese - nach mehreren Ortsterminen unter Beteiligung der Beklagten und von den Parteien zugezogenen Sachverständigen - am 05.12.2000 abschloss.

Die Klägerin hat behauptet, die mangelhaft ausgebildete Estrichoberfläche sei auf einen zu hohen Bindemittelanteil bzw. einen zu hohen Anregeranteil sowie auf eine unzureichende Durchmischung des Estrichs zurückzuführen. Sie habe zur Behebung des Mangels insgesamt Kosten in Höhe von 89.093,42 DM (45.552,74 €) aufwenden müssen; außerdem sei ihr ein weiterer Gewinnverlust in Höhe von mindestens 26.829,36 DM (13.717,63 €) entstanden.

Die Klägerin, die zunächst im Mahnverfahren 127.319,31 DM geltend gemacht hatte, hat - nach entsprechender Klagerücknahme - zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 59.270,37 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.04.2001 zu zahlen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat - nach Einholung von Sachverständigengutachten - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der gelieferte Estrich selbst fehlerfrei gewesen sei, die Mängel beruhten vielmehr auf einer fehlerhaften Verarbeitung durch die Klägerin.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 18.11.2005 zugestellte Urteil am Montag, den 19.12.2005 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 20.03.2006 begründet.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass gemäß Art. 229 § 5 EGBGB das in der alten Fassung geltende Recht anzuwenden ist.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz. Sie verlangt einerseits Ersatz der ihr entstandenen Mangelbeseitigungskosten und andererseits Ersatz des ihr dadurch erwachsenen Gewinnausfalls. Mangelbeseitigungskosten hat die Klägerin nach ihrem Vorbringen deshalb aufwenden müssen, weil der gelieferte Estrich selbst mangelhaft gewesen sei (nämlich zu hoher Anregeranteil und unzulängliche Durchmischung der Bestandteile) und dadurch nach Verarbeitung zu einer mangelhaften Estrichoberfläche geführt habe.

Das Landgericht hat - entgegen den Ausführungen der Beklagten (Seite 27 der Berufungserwiderung - Bl. 1372 d.A.) - den richtigen rechtlichen Ansatz gewählt. Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Klageanspruchs kommt eine positive Vertragsverletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages über die Lieferung von Estrich in Betracht. Die Klägerin macht nicht einen bloßen Mangelschaden geltend, der sich allein in der Lieferung mangelhaften Estrichs niederschlägt. Der - behauptete - Schaden der Klägerin lässt sich nicht durch die Gewährleistungsrechte des Käufers (Wandelung oder Minderung) ausgleichen. Vielmehr macht die Klägerin einen Schaden geltend, der über den einen Mangel begründenden Nachteil an der verkauften Sache hinausgeht; damit sind Schäden gemeint, die durch die Verarbeitung einer mangelhaften Sache und durch diese Sache an anderen Sachen oder Rechtsgütern verursacht wurden (siehe zum bisherigen Recht: Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., Vorbem. v. § 459 BGB, Rdnr. 6).

2.

Das Landgericht, sachverständig beraten, hat angenommen, der gelieferte Estrich sei mangelfrei gewesen, es habe ein Verarbeitungsfehler der Klägerin vorgelegen, für den die Beklagte nicht einzustehen habe. Der Senat schließt sich der zutreffenden Beurteilung des Landgerichts an.

3.

Die Berufung der Klägerin vermag der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.

Auszugehen ist davon, dass die Klägerin nach der Verarbeitung des Estrichs, also nach Übergang der Kaufsache den behaupteten Mangel und ebenso den behaupteten Mangelfolgeschaden nachweisen muss. Der Klägerin muss folglich der Nachweis gelingen, dass bereits der gelieferte Estrich als solcher mit einem Mangel behaftet war. Es genügt nicht, dass die Klägerin geltend macht, der von ihr verlegte Estrich weise Mängel auf. Die Klägerin kann, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, sich auf die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins nicht berufen. Der Anscheinsbeweis gilt nur für typische Geschehensabläufe. Die Verarbeitung von Baustoffen kann mit typischen Geschehensabläufen jedoch nicht gleichgesetzt werden. Vielmehr ist für den Erfolg bzw. das Ergebnis der Verarbeitung die eigenverantwortliche Bauleistung des jeweiligen Bauunternehmers maßgebend. Es geht also nicht an, von dem an dem verlegten Estrich sichtbar gewordenen Schadensbild auf einen Mangel an der Kaufsache (gelieferter Estrich) zu schließen.

4.

Das Beweisergebnis des Landgerichts ist mit der Berufung nicht tauglich angegriffen.

a)

Ohne Erfolg wendet die Berufung ein, der Sachverständige Dr. M... sei der einzige Gutachter, der die Ursache in einem Verarbeitungsfehler sieht (Seite 4 der Berufungsbegründung - Bl. 1327 d.A.). Entscheidend ist vielmehr, ob die vom Landgericht getroffenen Feststellungen auf einer rechtlich zutreffenden Beweiswürdigung beruhen, was der Fall ist.

b)

Das Landgericht hat das Gutachten des Sachverständigen Dr. M... vom 01.02.2005 (Bl. 933 - 975 d.A.) und dessen Ergänzung vom 28.09.2005 (Bl. 1124 - 1128 d.A.). zugrunde gelegt.

Der Sachverständige Dr. M..., ein ausgewiesener Fachmann und von der Klägerin selbst vorgeschlagen (Bl. 879, 883 d.A.), hat eigene Untersuchungen angestellt, die zu dem Ergebnis geführt haben, dass der gelieferte Estrich selbst mangelfrei war. Dabei war der Sachverständige auf die Auswertung und Überprüfung der ihm überlassenen Estrichplattenteilstücke angewiesen. Andere Erkenntnisquellen, wie etwa im Wege der Beweissicherung festgestellte Tatsachen bzw. Baustoffe, standen dem Sachverständigen nicht zur Verfügung. Dies geht zu Lasten der Klägerin, die für das Vorliegen eines Mangels die Beweisführungspflicht trifft.

aa)

Bereits bei der Prüfung der Estrichplattenteilstücke durch Augenschein stellte der Sachverständige Dr. M... fest, dass der Estrich eine "gute Fließfähigkeit" aufwies (Bl. 934 d.A.). Die Oberseiten der untersuchten Stücke waren eben; sie hatten keine "Wellen" bzw. "Schwabbelstangenabdrücke" (Bl. 935 d.A.).

bb)

Die lichtmikroskopische Untersuchung ließ "Gefügemängel" nicht erkennen (Bl. 935 d.A.). Ebenso ist das Ergebnis der rasterelektronenmikroskopischen Untersuchung ausgefallen: auch hier hat der Sachverständige Dr. M... ein eindeutig mängelfreies Mikrogefüge festgestellt (Bl. 935 d.A.).

Zusammenfassend hat der Sachverständige Dr. M... aufgrund der Untersuchungsergebnisse festgestellt, dass das Gefüge dicht und homogen aufgebaut ist und auch eine falsch abgestimmte Sieblinie der Zuschlagstoffe auszuschließen ist (Bl. 937 unten d.A.)

cc)

Der Sachverständige Dr. M... hat erklärt, dass ihm keine verlässliche Methode bekannt ist, um eine Analyse der Zuschlagsstoffe dahin vorzunehmen, ob sie dem Bindemittel (und damit auch dem Anreger) oder der Gesteinskörnung zuzuordnen sind (Bl. 936 d.A.). Die von dem Sachverständigen Dr. M... ausgefilterten ("detektierten" (Bl. 936 d.A.) Elemente können auch nicht weiter untersucht werden, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen ihm kein Institut bekannt ist, das eine solche Zuordnung vornehmen könnte.

Entgegen dem Berufungsvorbringen (Seite 9 Berufungsbegründung - Bl. 1332 d.A.) ist es allerdings nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht gleichgültig, aus welchem Teil der "Mischung" der Beklagten die von dem Sachverständigen ausgefilterten ("detektierten" (Bl. 936 d.A.) Elemente stammen. Die Klägerin hat nämlich - dem Gutachten S... folgend - einen zu hohen Anregeranteil als Mangel des gelieferten, noch nicht verlegten Estrichs angesehen (Seite 2 des Schriftsatzes vom 31.05.2002 - Bl. 544 d.A.). Als Folge eines erhöhten Anregeranteils soll es nach dem Vortrag der Klägerin zu einer zu schnellen Austrocknung des Estrichs gekommen sein, die dann zu der zu harten Oberfläche geführt haben soll.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bindemittel bei niedrigeren Temperaturen langsamer reagieren, solche Estriche können erst später begangen werden ( Seite 30 des Schriftsatzes der Beklagten vom 16.10.2001 - Bl. 58 d.A. und Seite 7 der Berufungserwiderung - Bl. 1352 d.A.). Der Anreger legt das "Zeitfenster" für den Beginn der Erhärtung fest (Bl. 50 d.A.).

dd)

Der Sachverständige Dr. M... ist letzthin zu dem Ergebnis gelangt, dass ein zu hoher Anregeranteil nicht vorgelegen hat (Seite 4 der Stellungnahme vom 28.09.2005 - Bl. 1127 d.A.). Wie der Sachverständige M... ausgeführt hat, wäre der Estrich bei einer erhöhten Anregerzugabe zu früh abgebunden; dies hätte man an der Oberfläche erkennen können, was aber bei den von ihm untersuchten Proben nicht der Fall war (Bl. 937 d.A.). Einen zu hohen Anregeranteil schließt der Sachverständige Dr. M... aus (Bl. 941 d.A.).

c)

Der Sachverständige Dr. M... hat sich eingehend mit dem Gutachten S... vom 19.04.2002 (Bl. 478 - 509 d.A.) auseinandergesetzt (Bl. 937 ff. d.A.).

Das Sachverständige Dipl.-Ing. S... selbst hat keinerlei eigene Untersuchungen an einer Estrichprobe vorgenommen (Bl. 492/ 940/ 1463 d.A.). Er hat sich vielmehr auf die Untersuchungen bezogen, die Dr. H... an Estrichen mit einem von der Streithelferin hergestellten Bindemittel durchgeführt hat (Bl. 502 d.A.). Der Sachverständige M... hat die Untersuchungsergebnisse des Sachverständigen S... nicht bestätigen können (Bl. 940, 941 d.A.).

d)

Der Sachverständige Dr. M... ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die nach Herstellen des Estrichs aufgetretene harte Oberflächenschicht nicht entstanden wäre, wenn der Estrich nach 3 - 10 Tagen (ab-)geschliffen worden wäre (Bl. 937 d.A.). Außerdem hat er als weitere Erfolgsbedingung eine zu hohe Luftfeuchtigkeit festgestellt, zu der es unstreitig dadurch gekommen ist, dass die Klägerin bzw. die Bauherrin unmittelbar nach Ausbringen des Estrichs Malerarbeiten zugelassen bzw. ausführen ließ.

Die beiden Ursachen, zu spätes Anschleifen und zu hohe Feuchtigkeit, hängen mit dem Zeitdruck zusammen, dem die Klägerin und die übrigen Baubeteiligten ausgesetzt waren. Nach den auf die Bautageberichte (Bl. 395 ff. d.A.) gestützten Feststellungen des Landgerichts begann die Klägerin am 21.11.2000 mit dem Anschleifen des Estrichs, also 11 Tage nach Abschluss der Estrichverlegearbeiten (10.11.2000). Gleichwohl ist der Streithelferin zu folgen (Seite 2 des Schriftsatzes vom 20.07.2006 - Bl. 1459 d.A.), dass damit nicht gesagt ist, jede Charge (Lieferung) sei nach (nur) 11 Tagen angeschliffen worden, vom 01.11.2000, dem Beginn der Velegearbeiten gerechnet, waren am 21.11.2000 nämlich bereits 20 Tage verstrichen.

In den Mischprotokollen, die zur Lieferung des hier interessierenden Estrichs angefertigt wurden, hat der Sachverständige keine Unregelmäßigkeiten erkannt (Bl. 944 d.A.).

e)

Insgesamt ist der Sachverständige Dr. M... zu dem Ergebnis gelangt, dass der von der Beklagten gelieferte Estrich selbst keine Fehler aufwies. Schon mit dieser Feststellung ist die Beklagte von einer Haftung frei. Darüber hinaus hat der Sachverständige M... auch Verarbeitungsfehler festgestellt.

5.

Mit der Berufung ist das Gutachten des Sachverständigen Dr. M... nicht tauglich angegriffen. Die Berufung wertet die Feststellungen nur anders als das Landgericht, und zwar ausschließlich im Sinne des Sachverständigen Dipl.-Ing. S....

6.

Die Schriftsätze der Klägerin vom 21.12.2006 und 05.01.2007 geben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug: 59.207,37 €.

Ende der Entscheidung

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