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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 7 U 226/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ASHG


Vorschriften:

BGB § 313
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 525
ZPO § 139
ASHG § 5 Abs. 1 S. 1

Entscheidung wurde am 27.10.2004 korrigiert: das Verkündungsdatum wurde korrigiert
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 226/02

Anlage zum Protokoll vom 17.12.2003

Verkündet am 17.12.2003 in dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.2003 durch

...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 14.11.2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherung in gleich Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Erstattung von Aufwendungen, die die W. e.G. (im Folgenden: Schuldnerin) im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Privatisierung von Wohnraum getätigt hat.

Am 24.01.2003 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

In erster Instanz ist der Rechtsstreit auf Klägerseite von der Schuldnerin geführt worden.

Die Schuldnerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 490.949,71 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 07.06.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 14.11.2002 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (im Folgenden: cic) bestünden nicht. Der Abbruch der Vertragsverhandlungen durch die Beklagte sei nicht pflichtwidrig erfolgt, da mit dem 1999 erfolgten Altschuldenerlass unter Freistellung von der Privatisierungsverpflichtung ein triftiger Grund hierfür vorgelegen habe. Auch würde durch eine Zuerkennung von Schadensersatzansprüchen die Formvorschrift des § 313 BGB unterlaufen. Zudem sei nicht nachvollziehbar dargetan, dass die geltend gemachten Aufwendungen im Vertrauen auf einen bevorstehenden Vertragsschluss ausgelöst worden seien. Für die Kosten der Mieterbefragung komme dies nicht in Betracht, da durch die Befragung erst habe geklärt werden sollen, ob die erforderlichen Privatisierungsquoten erreicht werden konnten. Vor diesem Hintergrund komme auch eine Erstattung durch das Ingenieurbüro O. GmbH erbrachter Planungsleistungen nicht in Betracht, nachdem der dem zugrunde liegende Vertrag bereits am 17.04.1997 und damit noch vor der Mieterbefragung geschlossen worden sei. Auch seien die durch das Ingenieurbüro O. GmbH durchgeführten Arbeiten nicht hinreichend dargetan. Eine Schlussrechnung liege nicht vor; aus den eingereichten Objekthonorarblättern seien die erbrachten Leistungen nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin weitere Kosten für in Auftrag gegebene Arbeiten in Höhe von 133.900,00 DM nenne, seien diese ebenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt.

Gegen dieses Urteil, das der Schuldnerin am 27.11.2002 zugestellt worden ist, hat die Schuldnerin am 23.12.2002 Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 27.02.2003 hat der Kläger an diesem Tage die Aufnahme des Rechtsstreits angezeigt und die Berufung begründet.

Der Kläger trägt vor, die Rechnungsforderung des Zeugen F. O. belaufe sich auf 266.955,50 DM abzüglich einer Vorauszahlung von 20.000,00 DM, sodass ein Betrag in Höhe von 126.266,34 € offenstehe. Der Ingenieurbüro O. GmbH stünden Ansprüche in Höhe von 732.284,97 DM, umgerechnet 374.411,36 €, zu.

Der Kläger beantragt,

das am 14.11.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 500.677,70 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 490.949,71 € ab 07.06.2003 und aus weiteren 9.727,99 € ab 16.07.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zwar ist die Klage zulässig, was insbesondere für die in der Berufungsbegründung vorgenommene Klageerweiterung gemäß §§ 264 Nr. 2, 525 ZPO gilt (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 520, Rn. 10, und § 531, Rn. 24). Sie ist jedoch unbegründet, da Ansprüche der Schuldnerin gegen die Beklagte aus cic nicht erkannt werden können.

Ansprüche aus cic unter dem - hier einzig in Betracht kommenden - Gesichtspunkt des Abbruchs von Vertragsverhandlungen setzen voraus, dass eine Partei in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrages erweckt hat und sodann ohne triftigen Grund die Verhandlungen beendet (BGHZ 76, 343, 349; NJW 1996, 1884, 1885; Palandt/ Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 276, Rn. 72; Staudinger/Löwisch, BGB, 13. Bearb. 2001, Rn. 74 vor § 275). Ob das hier der Fall ist, bedarf allerdings keiner abschließenden Entscheidung. Denn dem Landgericht ist darin zu folgen, dass jedenfalls der Schuldnerin ein erstattungsfähiger Schaden nicht entstanden ist.

Aus cic ist dem anderen Teil der Vertrauensschaden zu ersetzen (BGHZ 114, 87, 94; NJW 1996, 1884, 1885; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 276, Rn. 99; Staudinger/Löwisch, a.a.O., Rn. 83 vor § 275). Demgemäß kommt eine Erstattung nur nach der Entstehung des Vertrauenstatbestands getätigter Aufwendungen in Betracht (BGH NJW 1996, 1884, 1885; OLG Dresden, ZIP 2001, 604, 605; Palandt/ Heinrichs, a.a.O., § 276, Rn. 72; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl, Rn. 136 Vor § 275). Solche liegen hier jedoch nicht vor.

Für die Kosten der durchgeführten Mieterbefragung steht dem entgegen, dass die Gewährung einer Altschuldenhilfe, wie sie seinerzeit für die Beklagte angestrebt worden ist, gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ASHG nur bei einer Privatisierung von mindestens 15 % des zahlenmäßigen Wohnungsbestandes mit mindestens 15 % der Wohnfläche in Betracht kommt, wobei im Falle der Veräußerung die Mieter zur Bildung individuellen Wohneigentums vorrangig zu berücksichtigen sind. Demgemäß hat die Mieterbefragung - wie dies erstinstanzlich auch ausdrücklich vorgetragen worden ist (Bl. 7 d.A.) - dem Zweck gedient, die Voraussetzungen der Durchführbarkeit der angestrebten Privatisierung im Genossenschaftsmodell nachzuweisen. Ist aber demgemäß durch die Mieterbefragung erst die Möglichkeit einer zweckentsprechenden Privatisierung nach § 5 Abs. 1 S. 1 ASHG geklärt worden, so hat zuvor - und damit insbesondere auch zur Zeit des Vertragschlusses über die Durchführung der Befragung - ein berechtigtes Vertrauen auf die Veräußerung des Wohnungsbestandes durch die Beklagte an die Schuldnerin nicht bestehen können; denn es lässt sich dem Sachvortrag der Parteien nicht entnehmen, dass etwa das Ergebnis der Mieterbefragung im Vorhinein antizipierbar gewesen wäre.

Sind danach schon die Kosten der Mieterbefragung mangels Vorliegens eines schutzwürdigen Vertrauens nicht erstattungsfähig, so hat dies erst Recht für die beim Ingenieurbüro O. GmbH in Auftrag gegebenen Leistungen zu gelten. Denn der Vertrag hierzu ist nach dem Vorbringen des Klägers (Bl. 375 d.A.) sogar noch vor dem Vertrag über die Durchführung der Mieterbefragung geschlossen worden. Der Kläger hat als Datum des Vertragschlusses nämlich den 17.04.1997 angegeben, wohingegen der Vertrag über die Durchführung der Mieterbefragung - erst - am 03.07.1997 geschlossen worden ist. Demgemäß ist zur Zeit der Auftragsvergabe an die Ingenieurbüro O. GmbH das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Privatisierung gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ASHG - gleichfalls - nicht geklärt gewesen, sodass von Seiten der Schuldnerin nicht in einem berechtigten Vertrauen auf deren Durchführung gehandelt worden sein kann.

Soweit im Hinblick auf die Rechnung des Zeugen F. O. vom 05.12.2000 klägerseits die Erbringung auch anderer Leistungen als die Durchführung der Mieterbefragung angeführt worden ist, ist der Sachvortrag aus den in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils hierzu dargestellten Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, als unschlüssig zu erachten. In der Berufung trägt der Kläger zu etwaigen Zusatzleistungen nicht ergänzend vor, sondern bezieht vielmehr den gesamten Rechnungsbetrag auf die Durchführung der Mieterbefragung (Bl. 442 d.A.).

Im Übrigen können die geltend gemachten Aufwendungen auch ungeachtet der vorstehend geschilderten Erwägungen nicht als erstattungsfähige Verbindlichkeiten der Schuldnerin angesehen werden. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass hier Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegeben sind. Deren Statut ist nämlich erst am 21.08.1997 errichtet worden, sodass die Vertragsschlüsse vom 03.07.1997 und 17.04.1997 noch im Vorgründungsstadium der Genossenschaft stattgefunden haben. Ein Übergang der Verbindlichkeiten auf die - spätere - Schuldnerin kann nicht angenommen werden kann. Dies folgt daraus, dass - ebenso wie bei der Vorgründungs-GmbH (vgl. BGHZ 91, 148, 151; NJW 1998, 1645) - eine Identität oder Rechtskontinuität der Vorgründungsgenossenschaft mit der Vorgenossenschaft nicht besteht, sodass ein Übergang im Rahmen der Vorgründungsgenossenschaft eingegangener Verbindlichkeiten von Rechts wegen weder auf die Vorgenossenschaft noch auf die eingetragene Genossenschaft stattfindet (Beuthien, GenG, 13. Aufl., § 13, Rn. 2; Müller, GenG, 2. Aufl., § 13, Rn. 6; Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, GenG, 33. Aufl., § 13, Rn. 2; Hillebrand/Keßler/ Kern, Berliner Kommentar zum GenG, § 13, Rn. 5). Für eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Verbindlichkeiten auf die Schuldnerin, wie sie demgemäß zur Begründung einer Haftung erforderlich gewesen wäre (vgl. BGHZ 91, 148, 151), ist nichts dargetan; einer weiteren Aufklärung nach § 139 ZPO bedarf es insoweit nicht, da die Klage schon aus den zuerst angeführten Gründen erfolglos bleibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 500.677,70 €.

Ende der Entscheidung

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