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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.11.2007
Aktenzeichen: 7 U 67/07
Rechtsgebiete: InsO, BGB, ZVG


Vorschriften:

InsO § 110 Abs. 1
InsO §§ 129 ff.
InsO § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
InsO § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
InsO § 140 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1 Satz 2
BGB § 163
BGB § 566 b Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2
ZVG § 57 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 67/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 21.11.2007

Verkündet am 21.11.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Hein und den Richter am Oberlandesgericht Fischer

auf die mündliche Verhandlung vom 10.10.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.2.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 23.11.2004 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn J... D... bestellt worden. Er nimmt die Beklagte nach insolvenzrechtlicher Anfechtung auf Rückgewähr von zwei Mietraten für die Monate November und Dezember 2004, betreffend das Objekt ... Weg 1 a, G..., in Höhe von insgesamt 5.618,60 € in Anspruch. Die Beklagte vereinnahmte diese Mietraten aufgrund der offen gelegten Sicherungszession des Schuldners gemäß der Vereinbarung zwischen diesem und der Beklagten vom 12.12.2001/24.1.2002.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28.2.2007 ist der Beklagten am 5.3.2007 zugestellt worden. Sie hat gegen das Urteil am 2.4.2007 Berufung eingelegt, die sie am 27.4.2007 begründet hat.

Mit der Berufung will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen. Sie beanstandet die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Landgericht.

Die Beklagte beantragt,

das am 28.2.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat am 1.11.2007 den Schriftsatz vom 29.10.2007 zu den Akten gereicht, der ihr in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2007 nicht nachgelassen worden ist.

II.

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückgewähr der vereinnahmten Monatsmieten aus dem vorgenannten Objekt für die Monate November und Dezember 2004. Dieser Anspruch ergibt sich aus §§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 818 Abs. 2 BGB.

Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung und Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

Die hier anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin ist die in dem Vertrag der Beklagten mit der Schuldnerin vom 12.12.2001/24.1.2002 vereinbarte Sicherungsabtretung betreffend das vorgenannte Mietobjekt, soweit diese auch die monatlichen Mietzinsansprüche für November und Dezember 2004 zum Gegenstand hat. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der Anfechtbarkeit der Abtretungsvereinbarung - soweit sie sich auf die beiden hier streitigen Monatsmieten bezieht - nicht entgegensteht, dass die Sicherungsabtretung vor Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn J... D... und auch vor Beginn des Dreimonatszeitraums nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO erfolgte. Insofern ist nicht auf den Abschluss der Abtretungsvereinbarung, sondern auf den Eintritt ihrer rechtlichen Wirkung abzustellen, § 140 Abs. 1 InsO. Im Falle der Vorausabtretung einer künftigen Forderung entscheidet deshalb das Entstehen dieser Forderung.

Bei der Abtretung von Ansprüchen aus einem Dauerschuldverhältnis ist für die Wirksamkeit der Abtretungen der Einzelansprüche maßgeblich, ob das Recht auf die Einzelforderung bereits mit Abschluss des Dauerschuldverhältnisses entsteht und die Einzelforderungen lediglich nicht fällig, also betagt sind, oder ob die Einzelansprüche aus dem Dauerschuldverhältnis erst mit Inanspruchnahme der jeweiligen Gegenleistung entstehen, also befristet sind.

Die hier streitgegenständlichen monatlichen Mietzinsansprüche, die Gegenstand des angefochtenen Abtretungsvertrages zwischen dem Schuldner und der Beklagten sind, sind befristete Ansprüche, die erst mit dem Beginn des jeweiligen Mietzinszeitraums entstehen, sodass ihre Abtretung auch erst zu diesem Zeitpunkt wirksam wird (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 163, Rn. 2; Kirchhof in MünchKomm. zur InsO, 2002, § 140, Rn. 14; BGH ZIP 1997, 513, 514).

Der Senat geht mit der Rechtsprechung und der Rechtslehre davon aus, dass Mietraten als Entgelt für die periodische Gebrauchsüberlassung im Sinne des § 140 Abs. 1 InsO jeweils neu entstehen.

Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, dass Leasingraten für bewegliche Gegenstände in der festgelegten Grundmietzeit regelmäßig betagte und nicht befristete Forderungen sind. Zur Begründung hat er auf den Finanzierungszweck des Leasingvertrages sowie auf dessen im Voraus festgelegte Zahlungsmodalitäten verwiesen (BGHZ 109, 368, 372). Diese Rechtsprechung ist hier jedoch nicht einschlägig.

Im vorliegenden Falle hatte der Schuldner, soweit dargetan, als Vermieter einen gewöhnlichen Grundstücksmietvertrag über das vorgenannte Grundstück abgeschlossen. Die Besonderheiten des Leasingvertrages fehlen. So ist nicht ersichtlich, dass der Schuldner das Grundstück angeschafft hätte, um es für die Mieter als Investitionsobjekt zeitlich vorzufinanzieren. Ebenso ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass der der Abtretung zugrunde liegende Mietvertrag auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen war.

Bei einem gewöhnlichen Mietvertrag über Grundstücke hat derjenige, der sich Mietzinsansprüche im Voraus abtreten lässt, keine gesicherte Rechtsposition, bis der Zeitraum, für den die jeweilige Rate geschuldet wird, wenigstens nahe bevorsteht. Abgesehen davon, dass ein solcher Vertrag im Regelfall mit einer bestimmten Frist gekündigt werden kann (§ 580 Abs. 1 BGB) - was das Entstehen weiterer Mietraten verhindern würde -, ist gerade die Wirkung von Vorausverfügungen über die Miete zeitlich beschränkt. Nach § 566 b Abs. 1 BGB ist sie im Falle des Eigentumswechsels grundsätzlich insoweit unwirksam, als sie sich auf die Miete für Kalendermonate nach dem Eigentumsübergang bezieht. Diese Beschränkung wirkt nach § 57 b ZVG auch in einer Zwangsversteigerung des Grundstücks sowie gemäß § 110 Abs. 1 InsO in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters (BGH, a.a.O.).

Der Empfänger der Abtretung für Mietansprüche für die Überlassung eines Grundstücks erwirbt danach eine gesicherte Berechtigung erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Nutzungszeitraum. Dies rechtfertigt es, die abgetretenen Ansprüche als befristet im Sinne des § 163 BGB anzusehen. Sie entstehen nicht vor dem Anfangstermin des jeweiligen Zeitraum der Nutzungsüberlassung (BGH, a.a.O.).

Die Abtretung zukünftig entstehender Mietzinsforderungen durch die angefochtene Sicherungszession wird auch nicht - hinsichtlich der streitigen Raten - durch § 110 Abs. 1 InsO der Insolvenzanfechtung entzogen.

Zwar bestimmt § 110 Abs. 1 InsO, dass eine Verfügung des Schuldners als Vermieter oder Verpächter eines unbeweglichen Gegenstands oder von Räumen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Miet- und Pachtforderung für die spätere Zeit wirksam ist, soweit sie sich auf die Miete oder Pacht für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat bezieht. Ist die Eröffnung nach dem fünfzehnten Tag des Monats erfolgt, so ist die Verfügung auch für den folgenden Kalendermonat wirksam. Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners hier am 23.11.2004 eröffnet wurde, ist die Abtretung der Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum nach § 110 Abs. 1 InsO wirksam. Dies hindert die Anfechtbarkeit der Abtretung bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes nach § 129 ff. InsO jedoch nicht (Marotzke in HeidelKomm. zur InsO, 4. Aufl., § 110, Rn. 4; Berscheid in Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 110, Rn. 10; BGH, a.a.O., 514).

Die Beklagte hatte zum Zeitpunkt der jeweiligen Wirksamkeit der Abtretung der beiden streitgegenständlichen Monatsmieten Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Auch insofern ist den Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil zu folgen, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den zunächst bestrittenen Zugang des Telefaxes des Klägers vom 27.10.2004 in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt hat. Aus dem Inhalt des Telefaxes ergibt sich zwar nicht genau, wann der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde. Es enthält jedoch die Mitteilung, dass das Amtsgericht Chemnitz mit Beschluss vom 2.9.2004 das Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des Herrn J... D... eröffnet habe. Eine entsprechende Beschlussfassung erfolgt nur bei Vorliegen eines hierauf gerichteten Antrages.

Die angefochtene Abtretung der streitbefangenen Monatsmieten mindert auch die Insolvenzmassse und führt so zu einer Gläubigerbenachteiligung. Ob anderes gelten würde, wenn der Beklagten an demselben Grundstück, für das der streitbefangene Mietzins gezahlt wurde, eine Grundschuld eingeräumt worden wäre, bedarf keiner Erörterung. Eine Grundschuld der Beklagten an dem nämlichen Grundstück wird von der Beklagten erstmalig mit dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.10.2007 vorgetragen. Dieser Vortrag ist verspätet und deshalb nicht erheblich. Es ist nicht erkennbar, dass er nicht früher erfolgen konnte.

Die Ausführung der Beklagten im Schriftsatz vom 29.10.2007, die Tatsache einer Grundschuld auf dem vermieteten Grundstück ergebe sich bereits aus der Klageschrift und dem mit der Klageschrift überlassenen Anlage K 3, ist unzutreffend. In der Klageschrift findet sich keine Ausführung des Klägers zu einer Grundschuld der Beklagten auf dem vermieteten Grundstück. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der Anlage K 3. Mit dieser wurden Kopien der beiden Verträge zu Darlehen der Beklagten an den Schuldner vom 12.12.2001/24.1.2002 zu den Akten gereicht. Diese weisen jeweils als Anlage 1 eine Aufstellung von Sicherheiten für die Darlehen aus. Es handelt sich insgesamt um vier Sicherheiten, eine Grundschuld, die Abtretung der Rechte und Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung, die Abtretung der Rechte und Ansprüche aus einer Risikolebensversicherung und die Abtretung der Mietforderungen aus dem Objekt ... Weg 1 a, G.... Dass die Grundschuld und die abgetretenen Mietforderungen dasselbe Grundstück zum Gegenstand haben, ergibt sich aus dieser Anlage nicht. Die Bezeichnung des Darlehens sichernden Grundstücks erfolgt durch Angabe des Grundbuchblattes und der Flurstückbezeichnung, die Bezeichnung des Mietgrundstückes durch die postalische Anschrift.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

Der Senat sieht sich in Anbetracht des seiner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts nicht im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Soweit die Beklagte zur Begründung der Anregung der Zulassung der Revision auf drei noch in diesem Herbst anstehende Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit von Globalzessionen hinweist, begründet dies eine Zulassung der Revision bereits deshalb nicht, weil im vorliegenden Fall nicht über eine Globalzession des Schuldners zu entscheiden ist.

Ende der Entscheidung

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