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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.07.2008
Aktenzeichen: 7 U 69/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 69/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 9.7.2008

Verkündet am 9.7.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Fischer und den Richter am Oberlandesgericht Werth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 19. März 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Teilungsplan des Amtsgerichts Luckenwalde vom 24. November 2005 betreffend das Zwangsversteigerungsverfahren des im Grundbuch von D... Blatt 961 verzeichneten Grundbesitzes zu Aktenzeichen 17 K 338/03 wird dahin geändert, dass der Überschuss in Abschnitt E I Nr. d den Klägern zugeteilt wird.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern die Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe:

I.

Die Kläger waren Eigentümer eines unbebauten Grundstücks in D... mit einer Größe von 1.357 m2, eingetragen im Grundbuch von D... Blatt 961 Flur 3 Flurstück 225. In Abteilung III zu Nr. 1 war eine brieflose Grundschuld in Höhe von 59.300,00 DM zugunsten der Beklagten zur Sicherung eines von den Klägern in Höhe von 60.000,00 DM aufgenommenen Darlehens eingetragen, ferner zu Nr. 2 eine Grundschuld ohne Brief in Höhe von 85.000,00 DM zugunsten der D... Bank AG in B....

Die Kläger veräußerten durch notariellen Kaufvertrag (UR-Nr. 130/2000 des Notars ... in B...) vom 29.08.2000 (Bl. 4 - 12 d.A.) eine noch nicht vermessene Teilfläche des vorbezeichneten Grundstücks an die W... GmbH zum Preis von 100.000,00 DM. In § 5 des Kaufvertrages war vereinbart, dass die W... GmbH die für die Beklagte eingetragene Grundschuld in Anrechnung auf den Kaufpreis übernehmen sollte. Zur Sicherung der Rechte der den Kaufpreis finanzierenden Gläubiger erteilten die Kläger in § 11 des Kaufvertrages der W... GmbH eine Belastungsvollmacht bis zur Höhe von 100.000,00 DM; im Gegenzug sollte die W... GmbH die Kläger von ihren Verpflichtungen gegenüber den Grundpfandgläubigern freistellen.

Die Belastung in Abteilung III Nr. 1 über 59.300,00 DM konnte von der W... GmbH nicht übernommen werden, da die Beklagte einer Schuldübernahme nicht zustimmte (Bl. 13 d.A.). Stattdessen schloss die Beklagte mit der W... GmbH am 11./20.10.2000 einen Darlehensvertrag über 60.000,00 DM zur Zwischenfinanzierung mit der Maßgabe, dass die von den Klägern bewilligte Belastung in Höhe von 59.300,00 DM die Kreditgewährung sichern sollte (Bl. 22 - 24 d.A.). Mit Schreiben vom 26.10.2000 (Bl. 3 d.A.) erteilte die Beklagte dem Urkundsnotar ... einen Treuhandauftrag, den ihm treuhänderisch überwiesenen Betrag von 60.000,00 DM zur Begleichung des Kaufpreises unter gleichzeitiger Ablösung der noch in Höhe von 34.220,31 DM valutierenden Darlehensschuld zu verwenden. Dementsprechend wurde Ende des Jahres 2000 die dem Grundpfandrecht zugrunde liegende Darlehensschuld der Kläger abgelöst.

Die W... GmbH wurde nicht in das Grundbuch eingetragen, auch wurde das Grundstück nicht geteilt.

Am 16.10.2003 wurde die Zwangsversteigerung über das Grundstück angeordnet. Die Zwangsversteigerung erfolgte am 14.09.2005 zum Zuschlag von 50.000,00 €. Im Verteilungstermin vom 24.11.2005 erschien der Kläger zu 2. und erhob Widerspruch gegen die Zuteilung in Abschnitt E Nr. d des Teilungsplans in Höhe eines Betrages von 45.684,09 € an die Beklagte (Bl. 48 d.A.).

Die Kläger sind der Ansicht, dass die Grundschuld ihnen als Eigentümergrundschuld zustehe und folglich der Übererlös aus der Zwangsversteigerung an sie auszukehren sei.

Die Kläger haben beantragt,

den Verteilungsplan des Amtsgerichts Luckenwalde vom 24.11.2005 betreffend das Zwangsversteigerungsverfahren Grundbuch von D... Blatt 961 Aktenzeichen: 17 K 338/03 wie folgt zu ändern: Der Überschuss in Abschnitt E 1 Nr. d wird den Klägern zugeteilt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Kläger hätten ihren Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld an die W... GmbH abgetreten, mit der Folge, dass die Grundschuld aufgrund der erneuten Sicherungsabrede mit der W... GmbH als Fremdgrundschuld weiter bestanden habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen.

Das Urteil des Landgerichts ist den Klägern am 20.03.2007 zugestellt worden. Die Kläger haben am 05.04.2007 beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug zu bewilligen. Der Senat hat den Klägern durch am 12.07.2007 zugestellten Beschluss Prozesskostenhilfe gewährt. Die Kläger haben am 20.07.2007 Wiedereinsetzung beantragt, Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Die Wiedereinsetzung wurde mit Beschluss vom 01.08.2008 gewährt (Bl. 144).

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger ist zulässig und auch begründet.

Die von den Klägern erhobene Widerspruchsklage (§ 878 Abs. 1 ZPO) ist begründet. Es handelt sich hierbei um eine prozessuale Gestaltungsklage mit dem Ziel der Änderung des Teilungsplanes (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 878 ZPO, Rdnr. 2). Die Widerspruchsklage ist begründet, weil die Kläger zum einen sachbefugt sind, indem sie gegenüber dem Teilungsplan Widerspruch erhoben haben, und weil den Klägern zum anderen ein besseres Recht am Erlös gegenüber der im Teilungsplan berücksichtigten Beklagten zusteht (Zöller/Stöber, § 878 ZPO, Rdnrn. 5 und 7; Thomas/Putzo, § 878 ZPO, Rdnrn. 4 und 5).

1.

Beide Kläger sind sachbefugt. Der zu Protokoll genommene Widerspruch (Bl. 48 d.A.) ist nämlich von ihnen erhoben.

Entgegen den Ausführungen des Landgerichts ergibt sich aus dem Protokoll vom 24.11.2005 (Bl. 48 d.A.), dass der von dem Kläger zu 2. erhobene Widerspruch zugleich auch im Namen des Klägers zu 1. als erklärt anzusehen ist. Das folgt richtiger Ansicht nach bereits daraus, dass der Kläger zu 2. zu Protokoll erklärt hat, der der Gläubigerin zugeteilte Betrag in Höhe von 45.684,09 € gebühre ihm und dem Kläger zu 1., der ebenso wie er, der Kläger zu 2., Eigentümer sei und als Sicherungsgeber "aufgetreten" (Bl. 48 d.A.) sei. Der von dem Kläger zu 2. erhobene Widerspruch dient dem Zweck, die Erhebung der Widerspruchsklage zu ermöglichen, um eine Änderung des Teilungsplanes dahin zu erreichen, dass der anderweitig der Gläubigerin zugeteilte Betrag nunmehr den Klägern, welcher der Betrag gebühre, zugeteilt werde.

Unter den genannten Umständen ist die zu Protokoll erklärte Erhebung des Widerspruchs als für beide Kläger gemeint anzusehen.

2.

Den Klägern steht im Verhältnis zur Beklagten ein besseres Recht am Überschuss zu. Das folgt daraus, dass sich die von den Klägern zugunsten der Beklagten bestellte Grundschuld in eine Eigentümergrundschuld umgewandelt hat. Der Anspruch der Kläger auf Rückgewähr der Grundschuld ist ihnen verblieben; dieser Anspruch ist nämlich nicht durch Abtretung auf die W... GmbH übergegangen.

a)

Das Landgericht hat gemeint, den Klägern stehe im Verhältnis zur Beklagten ein besseres Recht am Überschuss nicht zu, weil die Beklagte befugt gewesen sei, die der Käuferin zugefallene Grundschuld zur Sicherung eines erneut gewährten Darlehens einzusetzen.

Das Landgericht hat ausgehend von der Entscheidung BGH NJW 1991, 1821 angenommen, der zwischen den Klägern und der W... GmbH geschlossene Kaufvertrag, nach dessen Inhalt die Erwerberin ein von dritter Seite - hier von der Beklagten - gewährtes Grundschulddarlehen in Anrechnung auf den Kaufpreis zu übernehmen habe, enthalte grundsätzlich die stillschweigende Abtretung des - durch die Tilgung des Darlehens bedingten - Rückgewähranspruchs hinsichtlich der Grundschuld auf den Erwerber.

b)

Der Auffassung des Landgerichts ist nicht zu folgen.

Das Landgericht hat nicht erkannt, dass die Annahme einer stillschweigenden Abtretung des Rückgewähranspruchs in der zitierten Entscheidung BGH NJW 1991, 1821 zur Grundlage hat, die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Grundstückserwerbers auszuschließen, nämlich nicht zweimal, zum einen aus der übernommenen Schuld und zum anderen aus der Grundschuld, in Anspruch genommen zu werden. Dass die Entscheidung BGH NJW 1991, 1821, 1822 in dieser Weise zu verstehen ist, ergibt sich aus dem a.a.O. ersichtlichen Hinweis auf die Entscheidung BGH NJW 1983, 2502; der BGH hat dort auf Seite 2503 ausgeführt, im Wege der Auslegung eines entsprechenden Grundstückskaufvertrages sei eine stillschweigende Abtretung des Rückgewähranspruchs gegen den Sicherungsgeber anzunehmen, weil der Erwerber nicht zweimal - aus der übernommenen Schuld und der Grundschuld - in Anspruch genommen werden solle.

Im Streitfall war eine doppelte Inanspruchnahme der W... GmbH als Käuferin nicht zu besorgen. Es ist nämlich nicht zu einer Schuldübernahme der Darlehensforderung gekommen, und zwar allein deshalb nicht, weil die Beklagte ihre Zustimmung versagt hat, wie dies in dem Schreiben des Urkundsnotars vom 12.09.2000 zum Ausdruck gebracht wurde (Bl. 13 d.A.). Folglich konnte die W... GmbH nicht einerseits aus der Darlehensschuld und andererseits aus der Grundschuld durch die Beklagte in Anspruch genommen werden.

Zwar ist es richtig, dass bei Veräußerung eines - belasteten - Grundstücks der neue Eigentümer nur gesichert ist, wenn er entweder zur Einziehung des Rückgewähranspruchs ermächtigt ist oder wenn ihm dieser - stillschweigend - abgetreten ist. Eine stillschweigende Abtretung ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn der Grundstückserwerber nur die Grundschuld, wie im Streitfall, nicht aber auch die gesicherte Forderung übernimmt; deshalb gilt die Übertragung des Rückgewähranspruchs nur unter der aufschiebenden Bedingung der Schuldübernahmegenehmigung als vorgenommen (Eickmann in: MünchKomm BGB, 4. Aufl., (2004), § 1191 BGB, Rdnr. 143).

Die Beklagte als die Grundpfandgläubigerin hat indessen ihre Zustimmung zur Schuldübernahme versagt.

c)

Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 14.01.2008 rechtfertigen nicht die Annahme, die Zahlungen der W... GmbH an die Kläger seien auch als auf die Grundschuld dahingehend erfolgt anzusehen, dass der Rückgewähranspruch auf die W... GmbH übergegangen sei.

Eine stillschweigende Abtretung des Rückgewähranspruchs der Kläger auf die W... GmbH entspricht - nach Lage des Falles - nicht den Interessen der Kläger und kann daher von ihnen nicht als gewollt angesehen werden.

Nach dem Inhalt des Kaufvertrages sollte die W... GmbH nur eine noch nicht vermessene Teilfläche des Grundstücks erwerben, und zwar mit der Besonderheit, dass die Käuferin die Pfandhaftentlassung für das den Klägern verbleibende Trennstück zu beschaffen hatte (Seite 8 des notariellen Grundstückskaufvertrag vom 29.08.2000 (Bl. 11 d.A.). Folglich war die Käuferin nach dem Inhalt des Vertrages nicht befugt, das gesamte Grundstück zu belasten; es kann daher auch nicht angenommen werden, die Kläger hätten der W... GmbH stillschweigend ihren Rückgewähranspruch, der das gesamte Grundstück betraf, übertragen.

Die W... GmbH hat die durch die Grundschuld gesicherte Forderung, also die Darlehensverbindlichkeit der Kläger gegenüber der Beklagten, nicht übernommen, und zwar deshalb nicht, weil die Beklagte einer Schuldübernahme nicht zugestimmt hat, die allerdings die Besonderheiten des Vertrages in der Weise zu berücksichtigen hatte, dass die W... GmbH die Pfandentlassung für das nicht veräußerte Grundstück gewährleisten konnte.

Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Vereinbarungen des Kaufvertrages es nicht zuließen, ohne Schuldübernahme die das gesamte Grundstück betreffende Grundschuld zur Finanzierung der Teilfläche einzusetzen. Folglich ist es nicht zu einer stillschweigenden Abtretung des Rückgewähranspruchs an die W... GmbH gekommen, so dass nicht der Beklagten im Verhältnis zu den Klägern ein besseres Recht am Überschuss zusteht. Vielmehr ist der Teilungsplan zu Gunsten der Kläger zu ändern.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 712 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug: 45.684,09 €.

Ende der Entscheidung

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