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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 7 U 7/07
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO §§ 130 f.
InsO § 130 Nr. 4
InsO § 133 Abs. 1
InsO § 143 Abs. 1
ZPO § 119 Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 7/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 18.07.2007

Verkündet am 18.07.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Hein und den Richter am Oberlandesgericht Fischer

auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird die Klage unter Abänderung des am 30.11.2006 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A... GmbH & Co. KG. Das Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Dessau vom 29.08.2005 eröffnet.

Der Kläger hat den Beklagten als Gläubiger der Schuldnerin auf Rückzahlung von 28.000,-- € in Anspruch genommen, die dem Beklagten im September 2003 als Gegenleistung dafür zuflossen, dass der Beklagte den am 03.09.2003 bei dem Amtsgericht Dessau eingereichten Insolvenzantrag gegen die Schuldnerin zurücknehmen sollte. Dies hat der Beklagte nach Erhalt der Zahlung auch getan.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit Urteil vom 30.11.2006 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Es hat die Voraussetzungen für einen Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 InsO als gegeben erachtet. Der Kläger habe die streitbefangene Zahlung wirksam gemäß § 133 Abs. 1 InsO angefochten.

Das Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 04.12.2006 zugestellt worden. Er hat gegen das Urteil am 04.01.2007 Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis zum 05.03.2007 an diesem Tage begründet hat.

Mit der Berufung macht der Beklagte geltend, das Landgericht habe verkannt, dass eine Benachteiligung der übrigen Gläubiger der Schuldnerin durch die streitbefangene Zahlung nicht erfolgt sei, weil die Zahlung durch Dritte erbracht worden sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 30.11.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger stützt den vorgenannten Antrag bereits darauf, dass die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt worden sei. Im Übrigen verteidigt er das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden.

Der Annahme einer fristgerechten Einlegung der Berufung steht nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auf Blatt 2 des Berufungsschriftsatzes vom 04.01.2007 erklärt hat, er lege namens und in Vollmacht des Beklagten und Berufungsklägers gegen das am 30.11.2006 verkündete und am 04.12.2006 zugestellte Urteil des "AG Berlin-Wedding, Az. 15 C 514/04" Berufung ein.

Die unzutreffende Angabe des angefochtenen Urteils im Text des Berufungsschriftsatzes ist unerheblich, da der Schriftsatz insgesamt hinreichend erkennen lässt, welches Urteil mit der Berufung angefochten wird.

Auf Blatt 1 des Berufungsschriftsatzes werden die Parteien dieses Rechtsstreits und ihre Prozessbevollmächtigten vollständig und richtig bezeichnet. Nach dem Rubrum erfolgt außerdem auf Blatt 1 des Berufungsschriftsatzes die richtige Angabe des Aktenzeichens der I. Instanz sowie die Angabe des Beschwerdewertes, der der mit dem Urteil des Landgerichts vom 30.11.2006 ausgeurteilten Hauptforderung des Klägers entspricht.

Auf Blatt 2 des Schriftsatzes werden weiterhin die Daten der Verkündung und der Zustellung des vorgenannten Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) angeführt. Die Identität des angefochtenen Urteils ergibt sich somit aus den zutreffenden Angaben zu den Parteien, ihren Prozessbevollmächtigten, dem Aktenzeichen der I. Instanz, dem einschlägigen Beschwerdewert sowie den zutreffenden Daten der Verkündung und Zustellung. Außerdem lag der Berufungsschrift eine vollständige Abschrift des angefochtenen Urteils bei.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist es unschädlich, dass die Berufung nicht auf Seite 1 des Schriftsatzes von den Prozessbevollmächtigten des Beklagten unterzeichnet wurde. Das Erfordernis der Unterschrift gemäß §§ 130 Nr. 4, 119 Abs. 2 Nr. 4 ZPO wird durch die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten auf Blatt 2 des Schriftsatzes gewahrt. Die beiden Blätter des Berufungsschriftsatzes sind somit - wie sonst auch - als einheitlicher Schriftsatz zu behandeln.

Die Berufung hat Erfolg.

Die Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Rückgewähranspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO hinsichtlich des von dem Beklagten für die Rücknahme seines Antrages auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin vom 27.08.2003 vereinnahmten Betrages von 28.000,-- €. Insofern fehlt es an einer wirksamen insolvenzrechtlichen Anfechtung der Zahlung an den Beklagten. Dem Kläger steht kein einschlägiger Anfechtungstatbestand zur Seite.

Zur Begründung der vorstehenden Feststellung kann offen bleiben, ob die spezifischen Voraussetzungen der einzelnen Anfechtungstatbestände der §§ 130 f. InsO vorliegen.

Es fehlt jedenfalls bereits an einem Tatbestandsmerkmal, das allen Anfechtungstatbeständen gemein ist. Voraussetzung jeder Anfechtung ist die objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger durch die anzufechtende Rechtshandlung (Kreft in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 129 Rdnr. 36).

Die angefochtene Zahlung ist nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien nicht - unmittelbar - aus dem Vermögen der Schuldnerin geflossen. Die Forderung ist vielmehr durch Dritte erfolgt. Die Zahlung in Form einer Überweisung auf das Konto des Beklagten ist von der H. B... Unternehmens-Wirtschaftsberatung vorgenommen worden. Dies ergibt sich aus deren Schreiben vom 07.10.2003 an den Beklagten, das als Anlage K 10 zu den Akten gereicht worden ist. Dort heißt es: "Mit Schreiben vom 29.09.2003 haben wir ... Ihnen mitgeteilt, dass wir entsprechend Ihrem Vorschlag die Vereinbarung annehmen und haben den vereinbarten Betrag von 28.000,-- € an Sie überwiesen".

Allein der Umstand, dass die Zahlung auf eine Verbindlichkeit der späteren Insolvenzschuldnerin von dritter Seite erfolgte, schließt eine objektive Gläubigerbenachteiligung allerdings nicht aus. Hat der Schuldner eine Zwischenperson eingeschaltet, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine Zuwendung an einen Gläubiger bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert, so liegt eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor, die von dem Insolvenzverwalter erfolgreich gegenüber dem Empfänger der Zuwendung angefochten werden kann, (BGHZ 142, 284, 287).

Im vorliegenden Fall bleibt die Insolvenzanfechtung des Klägers gleichwohl erfolglos, weil nicht dargelegt wird, dass durch die streitbefangene Zahlung eine Schmälerung des Vermögens der Schuldnerin eingetreten ist.

So ist nicht erkennbar, dass die Zahlung der H. B... Unternehmens-Wirtschaftsberatung von Ende September 2003 zu einer Schmälerung des Vermögens der Schuldnerin - etwa dadurch, dass diese einen Aufwendungsersatzanspruch über Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Schuldnerin erhalten hätte - führte. Eine Schmälerung des Vermögens der Schuldnerin könnte ferner auch dann anzunehmen sein, wenn die Zahlung des Dritten zugunsten der späteren Schuldnerin unentgeltlich, aber aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung zwischen ihm und der Schuldnerin erfolgt wäre. Gegebenenfalls könnte die Schuldnerin einen Anspruch auch auf die unentgeltliche Tilgung ihrer Verbindlichkeit durch den Dritten erlangt haben, dessen Abruf pfändbar und daher vom Insolvenzbeschlag erfasst wäre (BGH InVo 2007, 276, 277). Diese Rechtsfrage bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner Stellungnahme des Senates, weil der Kläger nicht dargelegt hat, dass sich der zahlende Dritte bzw. eventuell die zahlenden Dritten der Schuldnerin gegenüber verpflichtet hätten, deren Verbindlichkeit gegenüber dem Beklagten zu tilgen.

Der Kläger trägt bereits zur Person des oder der zahlenden Dritten unzureichend vor. So ist nicht erkennbar, wer die Zahlung tatsächlich erbracht hat. Mit dem Kläger ist davon auszugehen, dass die Zahlung nicht aus eigenen Mitteln der H. B... Unternehmens-Wirtschaftsberatung erfolgte. Diese ist ausweislich des bereits zitierten Schreibens an den Beklagten, aber auch des weiteren Schreibens an den Beklagten vom 07.10.2003 als Vertreterin in Erscheinung getreten. Den Schreiben der H. B... Unternehmens-Wirtschaftsberatung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass sie für die Schuldnerin tätig wurde. Aus dem Schreiben der Unternehmensberatung an den Beklagten vom 19.08.2003, mit dem dem Beklagten ein Vergleichsvorschlag hinsichtlich seiner Forderung an die Schuldnerin gemacht wurde, ergibt sich eher, dass die Unternehmensberatung für die Gesellschafter der Schuldnerin tätig wurde. Jedenfalls heißt es in dem Schreiben: "Die Gesellschafter würden jetzt aus privaten Mitteln sicherstellen, dass 40 % Ihrer Forderung bezahlt werden".

Auch das weitere Schreiben der Unternehmensberatung an den Beklagten vom 07.10.2003 lässt nicht erkennen, dass die Unternehmensberatung für die Schuldnerin tätig wurde. Zwar wird in diesem Schreiben auf eine telefonische Vereinbarung zwischen dem Beklagten und Herrn S... Bezug genommen. Herr S... ist einer der drei Geschäftsführer der Komplementärin der Schuldnerin. Aus dem Zusammenhang dieses Schreibens der Unternehmensberatung an den Beklagten mit dem vom 19.08.2003 kann jedoch nicht ohne weiteres angenommen werden, dass Herr S... die zitierte Vereinbarung als Geschäftsführer der Komplementärin der Schuldnerin für letztere abschloss. Unstreitig war Herr S... auch Gesellschafter der Schuldnerin und der Komplementärin der Schuldnerin. Er kann die Vereinbarung mit dem Beklagten hinsichtlich der streitigen Zahlung deshalb auch lediglich als Gesellschafter der Schuldnerin bzw. in Vertretung der Gesellschafter der Schuldnerin getroffen haben.

Dem Anschreiben ist nicht einmal zu entnehmen, dass der überwiesene Betrag aus Mitteln der Gesellschafter stammte. Vielmehr ist lediglich von Drittmitteln die Rede. Ein Bezug zu den Gesellschaftern als denjenigen, die die Mittel zur Verfügung stellten, kann auch nicht unter Heranziehung des Schreibens der H. B... Unternehmens-Wirtschaftsberatung vom 19.08.2003 mit ausreichender Sicherheit hergestellt werden. Zwar heißt es in dem Vergleichsvorschlag, die Gesellschafter würden die Bezahlung der in Aussicht gestellten Quote "aus privaten Mitteln sicherstellen". Es ist nicht fernliegend, aber auch nicht zwingend, dass es sich bei diesen privaten Mitteln um solche der Gesellschafter handelte.

Eine Vereinbarung der Schuldnerin mit ihren Gesellschaftern des Inhalts, diese sollten eine Zahlung an den Beklagten erbringen - wie vom Kläger auf Seite 4 der Berufungserwiderung in Anspruch genommen - , ist von ihm nicht hinreichend dargelegt worden und ergibt sich insbesondere auch nicht - wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt - aus den von ihm zu den Akten gereichten Schreiben der H. B... Unternehmens-Wirtschaftsberatung.

Die zitierten Anschreiben der H. B... Unternehmens-Wirtschaftsberatung an den Beklagten weisen als Auftraggeber eher die Gesellschafter der Schuldnerin aus. Sie lassen jedoch offen, ob der oder die Gesellschafter mit oder ohne rechtsgeschäftliche Bindung gegenüber der Schuldnerin - wie im letzteren Fall möglicherweise allein aufgrund ihres Interesses an dem Fortbestand der Schuldnerin - zahlten.

Letztlich kommt eine Gläubigerbenachteiligung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes in Betracht. Dies bereits deshalb, weil nicht dargelegt wird, dass Gesellschafter der Schuldnerin den streitbefangenen Betrag der H. B... Unterneh-mens-Wirtschaftsberatung zur Verfügung stellten. Der Kläger trägt hierzu weder hinreichend vor, noch bietet er entsprechenden Beweis an.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708, 10, 711 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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