Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.09.2004
Aktenzeichen: 8 W 251/02
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, InsO


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 569 Abs. 1
InsO § 53
InsO § 55
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 156/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht 8 W 251/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Richter am Oberlandesgericht ... als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 16. September 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Neuruppin vom 28.8.2002 - 5 O 118/01 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens - BGH II ZB 11/03 - zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 61,62 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter über das Vermögen einer im Beitrittsgebiet geschäftsansässigen GmbH, hat gegen den Beklagten am 25.1.2002 im schriftlichen Vorverfahren ein rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil erwirkt. Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Der Kläger, der seine Anwaltskanzlei im früheren Westteil Berlins betreibt, hat sich im Rechtsstreit selbst vertreten. Ihm war vom Landgericht Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" bewilligt worden.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 28.8.2002 die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten festgesetzt und dabei die zur Festsetzung angemeldete Prozess- und Verhandlungsgebühr mit Rücksicht auf den Sitz der Schuldnerin im Beitrittsgebiet um 10 % gekürzt. Von den angemeldeten Nettokosten in Höhe von 637,74 € hat er deshalb lediglich 576,12 € anerkannt, hiervon an den Kläger ausgezahlte PKH -Vergütung in Höhe von 341,44 € abgesetzt und somit 234,68 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss, der ihm am 1.10.2002 zugestellt worden ist, wendet sich der Kläger mit der am 7.10.2002 bei Gericht eingegangenen Beschwerde, mit der er die vollen Rechtsanwaltsgebühren berücksichtigt wissen will.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 25.10.2002 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Den die Beschwerde des Klägers zurückweisenden Beschluss des Einzelrichters des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 21.2.2003 (8 W 251/02) hat der Bundesgerichtshof auf die zugelassene Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 12.7.2004 mit der Begründung aufgehoben, es habe nicht der gesetzliche Richter entschieden, der Einzelrichter habe eine dem Beschwerdegericht in seiner vollen Besetzung zustehende Entscheidung getroffen.

Der Einzelrichter hat daraufhin die Sache mit Beschluss vom 17.8.2004 wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat der Rechtspfleger die angemeldete Rechtsanwaltsvergütung nur zu dem auf 90 % ermäßigten Satz berücksichtigt. Diese Ermäßigung ergibt sich aus Anlage I, Kap. III, Sachgebiet A, Abschnitt III, Maßgabe Nr. 26 lit. a) Satz 2 des Einigungsvertrages. Danach ermäßigen sich die Gebühren, wenn ein Rechtsanwalt vor einem Gericht im Beitrittgebiet für einen Auftraggeber tätig wird, der seinen Wohnsitz oder Sitz im Beitrittsgebiet hat. Hier ist nicht auf den Sitz des Klägers abzustellen, der Partei kraft Amtes ist, sondern auf den Sitz der verwalteten Vermögensmasse.

Der 8. Zivilsenat hat durch Beschluss vom 30.1.1995 (NJ 1995, 318 = MDR 1995, 858) entschieden, dass für die Frage des Wohnsitzes bzw. des Sitzes des Insolvenzverwalters im Sinne des Satzes 2 der Einigungsvertragsmaßgabe der Ort der Belegenheit der Masse maßgeblich ist. Der 6. Zivilsenat, der diese Sache mit dem 1.7.2004 nach Auflösung des bisher zuständigen 8. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts übernommen hat, schließt sich dieser Auffassung an.

Dass diese Auffassung zutreffend ist, ergibt sich aus Sinn und Zweck der Einigungsvertragsmaßgabe. Die Einigungsvertragsmaßgaben sind Teil eines Bündels kostenrechtlicher Vorschriften, die der Bundesgesetzgeber aus Anlass der Herstellung der deutschen Einheit auf das Beitrittsgebiet erstreckt hat. Sie wurden geschaffen, um den wirtschaftlich schwächeren Verhältnissen im Beitrittsgebiet Rechnung zu tragen. Die Gebührenermäßigung für Rechtsanwälte hatte den Zweck, den unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen der in der früheren Deutschen Demokratischen Republik ansässigen Rechtssuchenden Rechnung tragen. Vor dem Hintergrund dieses Gesetzeszwecks muss bei der Frage, wer Auftraggeber ist, nicht auf die Person des Verwalters und dessen Wohnsitz, sondern nur auf den Sitz der Vermögensmasse des Schuldners abgestellt werden. Kosten, die aus einer Prozessführung des Verwalters entstehen, sind gemäß §§ 53, 55 InsO vorweg zu berichtigen. Sie führen also im Falle des Verlustes des Prozesses bzw. der Uneinbringlichkeit des Kostenerstattungsanspruchs zu einer Verminderung des zu verwertenden Vermögens des Schuldners. Die Ermäßigung der Gebühren des Rechtsanwalts kommt dementsprechend der Insolvenzmasse zugute. Wenn auch die Vermögensmasse nicht Beteiligte des Prozesses ist, so wirkt sich die Kostentragungspflicht doch allein auf diese aus. Es wäre auch nicht konsequent, im Rahmen der vom Kläger beantragten und ihm bewilligten Prozesskostenhilfe darauf abzustellen, ob die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse aufgebracht werden können, ob also die Insolvenzmasse bedürftig ist, bei der Frage der Höhe der Kosten jedoch auf die Person des Klägers.

Nichts anderes ergibt sich aus der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des 1. Senates des Bundesverfassungsgerichts vom 28.1.2003 (NJW 2003, 737). Danach ist lediglich Satz 1 der Einigungsvertragsmaßgabe mit Wirkung zum 31.12.2003 für verfassungswidrig erklärt worden und nicht der hier einschlägige Satz 2 der Einigungsvertragsmaßgabe. Diese Vorschrift kann weiterhin angewandt werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 14 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Rechtssache hat auch nach Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, das keine Abschlagsregelung für die neuen Bundesländer enthält, immer noch grundsätzliche Bedeutung. Für nahezu alle derzeit noch laufenden Gerichtsverfahren gelten noch die BRAGO und - soweit einschlägig - die Einigungsvertragsmaßgaben. Das bedeutet, dass für eine geraume Zeit noch über Kostenfestsetzungs- bzw. Ausgleichungsanträge zu befinden sein wird, bei denen die hier maßgebliche Frage zu entscheiden sein wird.

Ende der Entscheidung

Zurück