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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.01.2001
Aktenzeichen: 8 Wx 148/00
Rechtsgebiete: GO, GBO, GenehmFV, VwVfG, FGG


Vorschriften:

GO § 90 Abs. 3
GO § 90 Abs. 4
GO § 90 Abs. 3 lit. b.
GBO § 78
GBO § 80
GBO § 29
GenehmFV § 4 Satz 1
GenehmFV § 4
GenehmFV § 1
GenehmFV § 3
GenehmFV § 1 Nr. 1
GenehmFV § 1 Nr. 2
VwVfG § 35
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

8 Wx 148/00 5 T 302/99 u. 5 T 303/99 Landgericht Potsdam

In der Grundbuchsache

betreffend das im Grundbuch von O des Amtsgerichts Zossen Blatt unter laufender Nr. eingetragene Grundstück Flur Flurstück

hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Beilich, des Richters am Landgericht Grepel und, des Richters am Landgericht Hänisch

am 29. Januar 2001

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen den Beteiligten zu 1. zur Last.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2. ist im Grundbuch von O des Amtsgerichts Zossen als Eigentümer des Grundstücks Blatt laufende Nr. Flur Flurstück 3.828 m² groß, eingetragen. Für die Beteiligten zu 1. ist unter dem 22. Juli 1996 eine Auflassungsvormerkung zu je 1/2 Anteil - unter Bezugnahme auf die Bewilligung vom 15. Dezember 1995 - eingetragen worden. Das Grundstück ist bebaut mit einem Mehrfamilienhaus, das in der Zeit vor dem 19. Dezember 1995 durch eine Gasexplosion teilzerstört wurde.

Die Beteiligten schlossen unter dem 19. Dezember 1995 über das o.g. Grundstück einen notariellen Grundstückskaufvertrag mit Auflassung (UR-Nr.: des Notars S in B ). Die Beteiligte zu 2. wurde vertreten durch den Amtsdirektor des Amtes L.

Unter § 4 Ziffer 1. des notariellen Grundstückskaufvertrages vereinbarten die Vertragsparteien einen Kaufpreis von insgesamt 200.000,00 DM. Dieser setzt sich zusammen aus einem Betrag von 175.000,00 DM für Grund und Boden und aus einem Festpreis von 25.000,00 DM für das teilzerstörte Mehrfamilienhaus. Unter § 8 des notariellen Grundstückskaufvertrages heißt es u.a.:

"Das Mehrfamilienhaus ist durch eine Gasexplosion teilzerstört. Der Schadensumfang ist Käufer bekannt. Die abschließende Schadensregulierung mit der Versicherung ist noch nicht erfolgt. Verkäufer hat von der Versicherung bereits einen Betrag in Höhe von ca. 150.000 DM erhalten, die beim Verkäufer verbleiben. Die weitere abschließende Schadensregulierung erfolgt durch Käufer. Verkäufer tritt hiermit seine etwaigen weiteren Ansprüche gegen die Versicherung an Käufer ab, der die Abtretung hiermit annimmt."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 19. Dezember 1995 verwiesen, der in beglaubigter Ablichtung zur Akte gelangt ist (Bl. 422 - 431 d. A.).

Unter dem 23. April 1996 (Bl. 247 d. A.) genehmigte der Bürgermeister der Beteiligten zu 2. die vom Amtsdirektor, handelnd für die Beteiligte zu 2., am 19. Dezember 1995 abgegebene Erklärung. Am 24. April 1996 (Bl. 248 d. A.) unterzeichneten der Amtsdirektor und der Bürgermeister eine sogenannte Erklärung zur Vorlage beim Grundbuchamt über die Genehmigungsfreiheit des Abschlusses des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 19. Dezember 1995. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Erklärung verwiesen.

Die Erklärung wurde von der Beteiligten zu 2. unter dem 24. Juni 1999 wieder zurückgenommen.

Der - zuständige - Landrat des Landkreises T unterrichtete mit Schreiben vom 17. Juli 1998 das Grundbuchamt, dass der Kaufvertrag vom 19. Dezember 1995 der kommunalaufsichtlichen Genehmigung nach § 90 Abs. 3 GO bedürfe, diese aber noch nicht beantragt worden sei.

Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes teilte mit Zwischenverfügung vom 7. September 1998 (Bl. 446 d. A.) Notar S mit, dem Antrag auf Eigentumsumschreibung könne nicht entsprochen werden, da die Genehmigung des Bürgermeisters der Beteiligten zu 2. fehle sowie die Erklärung der Kommunalaufsicht über die Genehmigungsfreiheit nach § 90 Abs. 3 und 4 GO.

Der Landrat des Landkreises T teilte dem Grundbuchamt mit Schreiben vom 4. März 1999 (Bl. 449 d. A.) mit, der Kaufvertrag vom 19. Dezember 1995 bedürfe der kommunalaufsichtlichen Genehmigung nach § 90 Abs. 3 GO; eine solche Genehmigung werde nicht erteilt.

Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes wies mit Beschluss vom 20. April 1999 (Bl. 452 d. A.) die Anträge der Beteiligten zu 1. vom 15. Oktober 1997 auf Eigentumsumschreibung und Löschung der Auflassungsvormerkung zurück. Des weiteren wies sie mit weiterem Beschluss von diesem Tage (Bl. 466 d. A.) den Antrag der Beteiligten zu 1. vom 8. Dezember 1998 auf Eintragung der Grundschuld zurück.

Der Erinnerung der Beteiligten zu 1. hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16. Juni 2000 die Beschwerden der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Die Beteiligten zu 1. haben weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 78, 80 GBO zulässig. In der Sache selbst ist sie jedoch ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 78 GBO i. V. m. § 550 ZPO).

Dem Landgericht ist - im Ergebnis - darin zu folgen, dass das Grundbuchamt die Anträge der Beteiligten zu 1. vom 15. Oktober 1997 auf Eigentumsumschreibung und Löschung der Auflassungsvormerkung und den Antrag der Beteiligten zu 1. vom 8. Oktober 1998 auf Eintragung der Grundschuld - ebenfalls nur im Ergebnis - zu Recht zurückgewiesen hat.

Das Grundbuchamt durfte den Anträgen der Beteiligten zu 1. nicht entsprechen, weil der unter dem 19. Dezember 1995 zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. geschlossene notarielle Grundstückskaufvertrag mit Auflassung (UR-Nr.: des Notars S in B ) der Genehmigung der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde, des Landrats des Landkreises T nach § 90 Abs. 3 lit. b. GO bedarf und diese Genehmigung - bislang - nicht erteilt worden ist.

Nach § 90 Abs. 3 lit. b. GO bedarf die Gemeinde der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde, wenn sie Grundstücke verkauft. Eine solche Genehmigung ist vom Landrat des Landkreises T der Beteiligten zu 2. hinsichtlich des unter dem 19. Dezember 1995 zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. geschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrages mit Auflassung nicht erteilt worden. Im Gegenteil. Mit Schreiben des Landrates des Landkreises T vom 4. März 1999 teilte dieser dem Grundbuchamt mit, die Genehmigung nach § 90 Abs. 3 GO hinsichtlich des unter dem 19. Dezember 1995 geschlossenen Grundstückskaufvertrages könne nicht erteilt werden.

Das Rechtsgeschäft ist auch nicht von der Genehmigungspflicht nach § 90 Abs. 3 GO freigestellt. Nach § 90 Abs. 4 GO kann der Minister des Inneren durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit den anderen Ministern, deren Geschäftsbereiche berührt sind, Rechtsgeschäfte von der Genehmigungspflicht nach Abs. 3 freistellen, wenn sie zur Erfüllung bestimmter Aufgaben abgeschlossen werden oder ihrer Natur nach regelmäßig wiederkehren oder wenn bestimmte Wertgrenzen oder Grundstücksgrößen nicht überschritten werden. Von dieser Ermächtigung hat der Minister des Inneren des Landes Brandenburg Gebrauch gemacht und die Verordnung über die Genehmigungsfreiheit von Rechtsgeschäften der Gemeinden und Landkreise (Genehmigungsfreistellungsverordnung - GenehmFV) (Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg Teil II - Nr. 84 vom 20. Dezember 1994, S. 998) erlassen.

Eine Freistellung des Rechtsgeschäfts von der Genehmigungspflicht resultiert nicht aus der von der Beteiligten zu 2. unter dem 24. April 1996 (Bl. 248 d. A.) nach § 4 Satz 1 GenehmFV in der Form des § 29 GBO abgegebenen Erklärung - die die Beteiligte zu 2. unter dem 24. Juni 1999 wieder zurückgenommen hat -, der Abschluss des unter dem 19. Dezember 1995 geschlossenen Grundstückskaufvertrages sei genehmigungsfrei.

Nach § 4 GenehmFV soll dem Antrag auf Eintragung in das Grundbuch eine Erklärung der Gebietskörperschaft beigefügt werden, dass der Abschluss von Rechtsgeschäften nach den Vorschriften dieser Verordnung genehmigungsfrei (§ 90 Abs. 4 GO) oder lediglich anzeigepflichtig ist (§ 122 Abs. 3 GO). Die vom 24. April 1996 datierende Erklärung der Beteiligten zu 2. nach § 4 GenehmFV hat gegenüber dem Grundbuchamt lediglich informatorischen Charakter und entfaltet keine unmittelbare Verbindlichkeit gegenüber dem Vertragspartner eines grundsätzlich der Genehmigungspflicht nach § 90 Abs. 3 und 4 GO i. V. m. § 1 GenehmFV unterliegenden Rechtsgeschäfts.

Die Erklärung der Gebietskörperschaft nach § 4 Satz 1 GenehmFV und somit auch die "Rücknahme" als actus contrarius sind keine Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg, da es einer unmittelbaren Rechtswirkung der Maßnahme fehlt. Mit der Erklärung werden keine subjektiven Rechte begründet, aufgehoben, abgeändert oder verbindlich festgestellt. Im Ergebnis ist mithin unbeachtlich, dass die unter dem 24. April 1996 vom Amtsdirektor und vom Bürgermeister der Beteiligten zu 2. gefertigte Erklärung zur Vorlage beim Grundbuchamt am 24. Juni 1999 wieder zurückgenommen worden ist.

Nach der rechtlichen Ausgestaltung ist eine Erklärung der Gebietskörperschaft nach § 4 Satz 1 GenehmFV lediglich eine formfreie Erläuterung des Antrages auf Eintragung, die die Verpflichtung des Grundbuchamtes nicht berührt, im jeden Fall selbst festzustellen, ob die Voraussetzungen einer Befreiung vom Genehmigungszwang gegeben sind oder nicht (vgl. dazu LG Cottbus, Beschluss vom 27. Januar 1998 - 7 T 207/98 - NotBZ 1998, 115 (red. Leitsatz)). Das Grundbuchamt ist zu dieser Prüfung verpflichtet. Auch wenn es sich bei der Bewilligung um eine reine Verfahrenshandlung ohne materielle Verfügungswirkung handelt, ist die Prüfung der Verfügungsbefugnis auch insofern unerlässlich, als in der Bewilligung eine verfahrensrechtliche Verfügung liegt.

Die Voraussetzungen für einen genehmigungsfreien Verkauf nach § 1 GenehmFV hinsichtlich des Grundstücks liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist der Verkauf von Grundstücken nach § 90 Abs. 3 lit. b. GO nur unter den unter Nr. 1 - 4 kumulativ genannten Voraussetzungen genehmigungsfrei. Die davon vorgesehene Ausnahme nach § 3 GenehmFV, bei der es auf den Wert des Gegenstandes nicht ankommt, greift nicht ein.

Nach § 1 Nr. 1 GenehmFV ist der Verkauf dann genehmigungsfrei, wenn der Kaufpreis dem Wert entspricht, der durch ein Verkehrswertgutachten eines Gutachterausschusses für Grundstückswerte oder eines Sachverständigen, der im Land Brandenburg oder in einem an das Land Brandenburg angrenzenden Bundesland öffentlich bestellt und vereidigt wurde, ermittelt worden ist und das Verkehrswertgutachten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts nicht älter als 6 Monate war.

Zwar ist ausweislich des Inhalts der Vereinbarung unter § 4 des notariellen Grundstückskaufvertrages der Kaufpreis mit insgesamt 200.000,00 DM angegeben worden, dieser Betrag stimmt zunächst auch überein mit dem durch den amtlich zugelassenen Gutachter Q aus L in seinem Verkehrswertgutachten vom 1. Dezember 1995 ermittelten Verkehrswert von insgesamt 200.000,00 DM für Boden und Gebäude. Danach würde an sich der vereinbarte Kaufpreis auch nicht die unter § 1 Nr. 2 GenehmFV bezeichnete Kaufpreisobergrenze von 200.000,00 DM in den übrigen Gemeinden überschreiten. Aber der von den Parteien im notariellen Grundstückskaufvertrag mit 200.000,00 DM bezeichnete Kaufpreis gibt nicht den tatsächlich zwischen den Vertragsparteien bemessenen Gegenwert für das mit dem Verkehrswert von 200.000,00 DM bezeichnete Grundstück nebst Gebäude wieder. Die unter § 4 des notariellen Grundstückskaufvertrages getroffene Vereinbarung kann nämlich nicht isoliert von der Vereinbarung nach § 8 notariellen Grundstückskaufvertrages bewertet werden. Ausweislich letztgenannter Vereinbarung war zumindest im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages die abschließende Regulierung des Schadens infolge des durch die Gasexplosion teilzerstörten Gebäudes mit der Versicherung noch nicht erfolgt. Soweit die Vertragsparteien vereinbarten, bei der Beteiligten zu 2. verbleibe der von der Versicherung bereits geleistete Betrag in Höhe von 150.000,00 DM, ist dieser Betrag für die Berechnung der Höhe des Kaufpreises zwischen den Vertragsparteien ohne Bedeutung. Allerdings sind die Vertragsparteien auch dahingehend übereingekommen, dass die abschließende Schadensregulierung gegenüber der Versicherung durch die Beteiligten zu 1. erfolgt. Insoweit trat die Beteiligte zu 2. an die Beteiligten zu 1. auch ihre etwaigen weiteren Ansprüche gegen die Versicherung ab. Mithin kommen den Beteiligten zu 1. also die finanziellen Vorteile aus der weiteren Regulierung des Schadens rechtlich und wirtschaftlich zugute. Auf Grund dieser Vereinbarung kommt allerdings einem Vergleich des im notariellen Grundstückskaufvertrages vereinbarten Kaufpreisbetrages von 200.000,00 DM mit dem von dem Gutachter Q ermittelten Verkehrswert für das Grundstück nebst Gebäude von 200.000,00 DM nicht der nach § 1 Nr. 1 GenehmFV vom Verordnungsgeber vorgesehene erforderliche Aussagewert zu. Mit den Voraussetzungen nach § 1 Nr. 1 GenehmFV will der Verordnungsgeber nämlich sicherstellen, dass sich die genannten Anforderungen an den vereinbarten Kaufpreis allein an dem - den Anforderungen genügenden - Verkehrswertgutachten nachvollziehen lassen. Aus diesem Grunde hat der Kaufpreis dem ermittelten Verkehrswert des Grundstücks zu entsprechen. Dadurch soll erreicht werden, dass sich die Einhaltung der in der Genehmigungsfreistellungsverordnung unter § 1 Nr. 2 vorgesehenen Wertgrenzen beim Verkauf oder Tausch eines Grundstücks nachvollziehen läßt.

An dieser Nachvollziehbarkeit fehlt es vorliegend. Denn neben dem Grundstück - als dem möglichen wirtschaftlichen Äquivalent für den Kaufpreis - ist auf Seiten der Beteiligten zu 1. auch der von der Versicherung noch zu regulierende Schaden - als wirtschaftlicher Vorteil für die Beteiligten zu 1. - zu berücksichtigen, der vom Verkehrswertgutachten nicht erfasst ist, und letztlich dazu führt, dass die tatsächliche Höhe des Kaufpreises nicht dem Wert des Grundstücks entspricht, der durch das Verkehrswertgutachten ermittelt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Beschwerdewert: 200.000,00 DM.

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